Städtisches Museum

Neunkirchen, Dezember 2023

Das Museum der Bezirkshauptstadt Neunkirchen lockt mit seinen umfangreichen Sammlungen, die in 15 Schauräumen ansprechend präsentiert werden. Stadt- und Bezirksgeschichte, seltene archäologische Funde sowie eine der größten Fossiliensammlungen der Region werden hier erlebbar.

Das Städtische Museum (Stadt- und Bezirksmuseum von Neunkirchen) befindet sich heute in einem Gebäude mit großer Geschichte. Denn in diesem Haus, hier in der Stockhammergasse 13, in dem man heute eine Tour durch die vielfältigen Sammlungen des Museums machen kann, lebte früher einer der einflussreichsten Bürgermeister von Neunkirchen Dr. Emil Stockhammer (1840- 1911). Zweifellos bestand hier schon lange ein Gebäude, als Dr. Stockhammer sich in den 1870ern dazu entschließt, sich hier niederzulassen und Haus und Garten nach seinen Vorstellungen umgestalten zu lassen. Noch heute ist das denkmalgeschützte Gebäude im Wesentlichen im Zustand des 19. Jhdt. erhalten. Auch ist Dr. Stockhammer bereits zu Lebzeiten ein großer Förderer der Idee zur Errichtung eines Museums umso bedeutungsvoller ist die Tatsache, dass die Sammlungen nun in seinem Wohnhaus untergebracht sind. Doch wie kam es überhaupt zur Gründung eines Museums in Neunkirchen, wieso übersiedelte dieses hierher und wie entwickelten sich Sammlung und Ausstellung? All diesen spannenden Fragen wird auf der nun folgenden kurzen Zeitreise nachgespürt werden, die uns zurück an den Beginn des 20. Jhdt. führt.

 Städtisches Museum Neunkirchen, Dezember 2023

Das Neunkirchner Localmuseum (1911-1917)
So verwunderlich es auch anmuten mag, die Tatsache dass es heute überhaupt ein Museum in Neunkirchen gibt, ist einem jüdischen Volksschullehrer zu verdanken Heinrich Mose. Mose wird 1852 als Sohn einer jüdischen Hausiererfamilie in Mattersburg geboren und ist ab 1874 Lehrer im Bezirk Neunkirchen (zuletzt an der heutigen Steinfeld Volksschule). Für ihn, als traditionell aufgewachsenen Juden, sind Bräuche und Geschichte der Region fremd und faszinierend. So beginnt der junge Mose mit großem Eifer das Brauchtum aber auch die Geschichte des Bezirks Neunkirchen zu sammeln und aufzuzeichnen. Bereits seit 1893 verfolgt Mose das Ziel der Gründung eines „Localmuseums". Im Rahmen einer, im Jahre 1910 im Stadtpark abgehaltenen, Gewerbemesse, organisiert Mose schließlich eine Ausstellung über das Zunftwesen in Neunkirchen. Da sich diese Ausstellung einer unglaublichen Beliebtheit unter der Bevölkerung erfreut, unterstützt der Neunkirchner Bürgermeister Dr. Emil Stockhammer nun den Plan zur Errichtung eines Museums in 2 Räumen des Rathauses. Das Museum wird am 25.9.1911 gegründet und 1913 eröffnet. 1914 wird Mose, der nun als Pensionist in Wien lebt, zum ersten „Custos der Marktgemeinde Neunkirchen" ernannt.

Niedergang und Wiederaufbau (1917-1931)
Leider hat dieses erste Museum keinen langen Bestand, da es in den Wirren des 1. Weltkriegs 1917 kurzerhand einer Brotkarten-Vergabestelle weichen muss. Das gesamte Museum wird hastig leer geräumt, wobei vieles verloren geht oder zerstört wird. Nach dem Tod von Mose 1920 gibt es aber auch niemand mehr, der sich des Museums angenommen hätte. Die Zeiten sollten sich erst wieder ändern mit dem Engagement des akademischen Malers und Konservators des Bundesdenkmalamts, Prof. Fritz Weninger. Bei der Restaurierung der Sonnenuhr am Bräuhaus kommt er erstmals mit der Geschichte des Museums in Kontakt. Auf eine Anfrage bei Bürgermeister Zangerl werden ihm 1926 die alten Museumsbestände auf einem Dachboden gezeigt. Sofort beginnt er ein Inventarbuch anzulegen, die alten Stücke zu restaurieren und neue zu sammeln. Dabei helfen ihm Alexander Willburger, der Oberlehrer Karl Pataczek und der Zuckerbäcker Rudolf Stalla. 1927 wird Weninger zum Kustos eines Museums gemacht, das noch gar nicht existiert. Mit Genehmigung der Stadt kann Weninger das Museum unter dem Namen ,,Städtisches Museum Neunkirchen" aber 1931 in seinen alten Räumen im Rathaus wiedereröffnen.

Das Städtische Museum Neunkirchen (1931-1959)
Als das Städtische Museum Neunkirchen im April 1931 im Rathaus eröffnet wird, werden auch Karl Pataczek und Rudolf Stalla von der Gemeinde zu Kustoden bestimmt. Bis 1944 leiten die 3 Kustoden das Museum gemeinsam und die Grundsteine aller heutigen Sammlungen des Museums werden in dieser Zeit gelegt von den Mineralien und Fossilien über die Naturkunde und Archäologie bis zur Geschichte und Volkskultur. Das neue Museum wird vorbildlich geführt und die Sammlungen konstant erweitert, so dass selbst 5 Räume im Rathaus nicht mehr genug Platz bieten. Daher wird von der Tochter des 1911 verstorbenen Bürgermeisters Stockhammer dessen altes Wohnhaus erworben. Während Leopoldine Stockhammer noch einen Teil des Hauses bewohnt und als „Aufseherin" fungiert, wird ein Großteil des Hauses als neues Museum eingerichtet und 1940 eröffnet. Durch die Ereignisse des 2. Weltkriegs sterben bzw. verziehen 2 der Kustoden und Weninger wird 1947 als neuer Mitkustos der akademische Maler Karl Steiner zur Seite gestellt. Aufgrund von Reibereien zwischen den Kustoden verlässt Weninger 1951 das Museum. In den folgenden Jahren wechseln sich neben Steiner einige Kustoden ab (Julius Seiser, Karl Bous), wodurch es häufig zu Unterbrechungen der Inventurarbeit kommt. Erst als K. Schmidl 1955 neuer Mitkustos wird, beginnen neue Veränderungen.

Das Neunkirchner Heimatmuseum (1960-2010)
Als Karl Steiner 1957 das Museum verlässt, beschließt sein bisheriger Mitkustos, der Volksschuldirektor Karl Schmidl, das Museum alleine weiterzuführen. Mit der Hilfe des N.Ö. Landesmuseums beginnt er mit Umbauarbeiten. So werden auch die Wohnräume der mittlerweile verstorbenen Leopoldine Stockhammer als Museumsräume eingerichtet. Für den Kustos und seine Familie wird ein Einfamilienhaus im Garten des Museums erbaut und die Sammlungen werden mit Experten des Landes NÖ neu gestaltet. 1960 wird das Museum, nach längerem Umbau, nun als „Heimatmuseum" neu eröffnet, da diese Benennung dem Zeitgeist entsprechen soll. In dieser Zeit erfährt das Museum große Beliebtheit und erlebt Besucherzahlen von bis zu 2000 Personen im Jahr. Nach Schmidls Tod 1976 leitet seine Frau das Museum, bis 1977 der Lehrer Dietmar Brenner den Kustodenposten übernimmt. 1979 werden die Schriftbestände als Stadtarchiv vom Museum getrennt. 1986 werden die Ausstellungsräume zur Archäologie und Paläontologie leer geräumt, um 2 Sonderausstellungsräumen Platz zu schaffen und die Sammlungen wandern ins Depot. Mit der Zeit kommen auch die Ausstellung und der Museumsbau in die Jahre und werden für Besucher zunehmend uninteressant.

Das neue Städtische Museum Neunkirchen (2011)
2007 übernimmt der damalige Student Peter Pesseg, der bereits seit 2005 im Museum mitarbeitet, die Leitung von Dietmar Brenner. Umfangreiche Erneuerungsarbeiten stehen zunächst im Museum an, wie Trockenlegungsarbeiten, eine Holzwurmbekämpfung oder der Einbau einer Alarmsicherung und einer Deckenheizung für den ganzjährigen Betrieb. Es wird mit der Neuinventur der Sammlungen und der Einrichtung der Depots begonnen. Nachdem Peter Pesseg 2010 aus beruflichen Gründen sein Kustodenamt niederlegt, wird das Museum heute wieder von 2 Kustoden geführt. Zwischen 2010 und 2015 wird die komplette Schausammlung im Haupthaus neu gestaltet und die Archäologie neu eingerichtet. Die Freiluftanlagen und der Garten werden komplett erneuert. Im Zubau entstehen 3 Räume, die sich der Naturkunde widmen. Um all diesen Veränderungen gerecht zu werden, erhält das Museum 2011 seinen alten Namen „Städtisches Museum" zurück, der es als Stadt und Bezirksmuseum mit einer breiten Palette an Themen ausweist. Um den, in etwa 2000, Besuchern pro Jahr, ein abwechslungsreiches Programm zu bieten, werden jährlich 2 Sonderausstellungen (April und Oktober) und ein Römerfest im September abgehalten. Alle diese Aktionen machen das Museum heute wieder zu einem modernen und belebten Ort.

 Städtisches Museum Neunkirchen, Dezember 2023

Der ERSTE Neunkirchner
Bei einer Ausgrabung am Grundstück des Optikermeisters Vogelhuber (Triesterstraße/Zeil), im Jahr 2011, wurde nicht nur die Reste eines römischen Hauses entdeckt, sondern auch eine HOCKERBESTATTUNG unterhalb eines der Hausfundamente. Da die Sitte einer Bestattung in Hockerlage im römischen Reich mehr als ungewöhnlich war und weitere datierbare Beigaben fehlten, wurde das Skelett C14 datiert und anthropologisch untersucht. Diese Untersuchungen ergab, dass das hier ausgestellte Skelett einstmals zu einem bei seinem Tod etwa 25 Jahre alten Mann gehört hatte, der etwa 5300 Jahre vor heute lebte. Der Grund seines Todes ist aber leider nicht mehr bestimmbar.

Vor 5300 Jahren, einer Zeit in der auch Ötzi lebte, begann in Mitteleuropa gerade eine neue Epoche der Menschheitsgeschichte - das Äneolithikum, oder Kupfersteinzeit. Hier begann der Mensch erstmals das Metall Kupfer herzustellen und zu verarbeiten. In der Region des südlichen Niederösterreichs herrschte zu dieser Zeit der Materialkreis der Badener Kultur vor. Eine Kulturgruppe die nach ihrem ersten Fundort, der Königshöhle in Baden (NO), benannt ist.

 Städtisches Museum Neunkirchen, Dezember 2023

Die Steinzeit 350.000-4000 vor Christus
Die Steinzeit hatte zwei wesentliche Abschnitte, die Altsteinzeit oder Paläolithikum und die Jungsteinzeit oder Neolithikum. Die Menschen des Paläolothikums (Altsteinzeit) gehörten Jäger- und Sammlerkulturen an, die nomadisch durch die eiszeitlichen und nacheiszeitlichen Gebiete streiften. Auf Grund dieser nicht sesshaften Lebens- weise sind auch Funde aus diesem Abschnitt der Menschheitsgeschichte ausgesprochen dünn gesät. Die von ihnen verwendeten Materialien des täglichen Lebens bestanden aus Stein oder organischem Material, wie Leder, Horn, Knochen und Pflanzenfasern. Die Kunst der Töpferei war ihnen noch fremd. Im 6. Jahrtausend vor Christus geschah nun etwas, das Archäolog die „Neolithisierung" nennen. Hierbei handelte es sich um das Entstehen der ersten bäuerlichen, sesshaften Kulturen in unseren Breiten. Dieser Vorgang wurde vermutlich durch das Einwandern von,,Bauern" aus dem Gebiet des heutigen Anatolien ausgelöst. Die neolithische Lebensweise
brachte viele Vorteile, da nun Zeit blieb, sich auch um andere Dinge als die Nahrungsbeschaffung zu kümmern. Daher erfolgten in dieser Zeit bahnbrechende Erfindungen, wie etwa die Entdeckung Keramikherstellung oder der Weberei. der

Die Bronzezeit 4000-800 vor Christus
Der eigentlichen Bronzezeit geht die sogenannte Kupferzeit voran. Im 4. und 3. Jahrtausend v. Chr. ist es nun dem Menschen das erste Mal möglich, Gebrauchsgegenstände nach eigenem Willen zu formen, ohne auf natürliche Gegebenheiten des Materials Rücksicht nehmen zu müssen. Kupfer war jedoch noch kein Gebrauchsgut für jedermann, daher waren daraus gefertigte Werkzeuge Statussymbole, die nur ranghohe Personen oder Stammesführer besaßen (z.B. „Ötzi"). Durch längeres Experimentieren mit dem Material Kupfer kamen die Menschen der damaligen Zeit schließlich zu der Erkenntnis, dass durch die Beigabe von Zinn ein härteres und strapazierfähigeres Metall entstand, die Bronze. Diese war auch namens gebend für diese Epoche. Doch nicht nur das verwendete Material änderte sich bzw. entwickelte sich weiter. Durch Grabformen und die Art der Beigaben wird deutlich, dass sich auch die Gesellschaft änderte und sich Rangordnungen herausbildeten. Der Fernhandel nahm zu und die ersten mediterranen Einflüsse machten sich bei uns bemerkbar.

Die Eisenzeit 800-15 vor Christus
Die Eisenzeit ist die letzte urgeschichtliche Epoche. In diesem Abschnitt der Geschichte setzten sich die sozialen und materialtechnischen Entwicklungen, die bereits in der Kupferzeit begonnen hatten, fort. Der Wissenschaftler unterscheidet hier zwischen der frühen Eisenzeit, der Hallstattzeit und der späteren Eisenzeit, der Latenezeit.
Es kam in der nun seit mehreren Jahrtausenden bestehenden Metalltechnologie zu einem weiteren Durchbruch. Durch verbesserte Öfen war es jetzt möglich, Temperaturen von 1500°C zu erreichen, was dazu führte, dass nun erstmals das weit verbreitete Eisenerz gewonnen werden konnte. Anfänglich noch als Schmuck gebraucht, erkannten die Menschen bald die unglaubliche Vielseitigkeit dieses Materials, das die Bronze bald aus dem Werkzeug- und Waffensektor verdrängen sollte. Da Eisen in weitaus größeren Mengen leichter als Kupfer gewonnen werden konnte, war es ein Material für jedermann. Das führte auch zu gesellschaftlichen Umbrüchen, die eine Welle von Kriegen mit sich brachten und die Gesellschaftssysteme neu ordneten.

 Städtisches Museum Neunkirchen, Dezember 2023

Von Handwerkern und Zünften: Wirtschaftsgeschichte Neunkirchens von 1300 bis 1800
Die Entwicklung von Neunkirchens Wirtschaft und Gewerbe in seiner heutigen Form beginnt schon im Mittelalter. Während die umliegenden Orte bäuerlich geprägt sind und vor allem der Landwirtschaft dienen, erfüllt Neunkirchen den Zweck eines Marktplatzes. Obwohl der Marktort bis 1920 nicht zur Stadt erhoben wird, entwickelt sich hinter seinen Marktmauern doch so etwas wie städtisches Leben. Schon 1342 sind einige Gewerbe nachgewiesen, wobei vor allem Fleischhauer und Schmiede dominieren. Im Lauf der Zeit siedeln sich alle Handwerke in Neunkirchen an, die man auch in größeren Städten findet vom Tischler über den Hafner bis zum Hutmacher. Diese Gewerbe organisieren sich schon bald in Zünften, welche das Neunkirchner Wirtschaftsleben kontrollieren. Mit dem Beginn
der Industrialisierung und der Massenfertigung um 1800 verliert das Handwerk und mit ihm auch die Zünfte langsam an Bedeutung. Im Lauf des 20. Jh. schwindet auch deren letzter Einfluss angesichts neuer, globaler Wirtschaftsformen.

 Städtisches Museum Neunkirchen, Dezember 2023

Vom Schusterhandwerk in früherer Zeit
Auch in Neunkirchen siedeln sich bereits seit dem Spätmittelalter Schuster an. Ihre Arbeitstechniken verändern sich bis zur Mitte des 20. Jh. kaum. Folgende Arbeitsschritte sind in einer Schusterwerkstätte der früheren Zeit nötig:
1.) Nachdem der Schuster sich auf seinem Schusterschemel niedergelassen hat und das Licht der Schusterlampe mit einer Golingkugel zu seinem Arbeitsplatz hin bricht, beginnt er mit dem Vernähen der Lederstücke des Oberteils des Schuhs, was ab 1900 zunehmend mittels Schusternähmaschinen geschieht.
2.) Der Schuster nagelt die Brandsohle (innere Sohle) auf die Unterseite eines Leisten und zieht das Oberteil darüber, bis es die Sohle überlappt.
3.) Nun wird mit einer gebogenen Ahle vorgestochen und anschließend das Oberleder mit einer krummen Nadel mit der Brandsohle vernäht.
4.) Die Nägel werden aus der Brandsohle gezogen. Eine Hauptsohle wird mittels eines kleinen Hammers mit Holznägeln aufgenagelt. Deren Überstände werden später im Inneren des Schuhs abgeraspelt. Diese Laufsohle wird anschließend mit dem Kneipmesser abgerundet.
5.) Der Leisten wird entfernt. Große Flügelnägel (Mausköpfe) werden mit einem großen Hammer in die Sohle genagelt, um mehr Profil zu geben.

 Städtisches Museum Neunkirchen, Dezember 2023

Das Tischlerhandwerk
Aus dem ursprünglichen Zimmermannsgewerbe entwickelt sich im Lauf der Zeit die Tischlerei. Auch in Neunkirchen sind Tischler schon im 16. Jh. nachgewiesen. Sie führen alle geleimten Holzarbeiten aus, fertigen vor allem aber Möbel. Lange Zeit werden alle Arbeitsschritte von Hand verrichtet. Erst seit etwa 60 Jahren gibt es Hobelmaschinen. In den Jahrhunderten davor arbeitet der Tischler an seiner Hobelbank, an der auch stets seine Spannsäge und einige Leimzwingen griffbereit hängen. Zum Messen und Markieren verwendet er einen Holzzirkel. Sein wichtigstes Werkzeug aber ist der Hobel. Mit der Raubank (Langhobel) kann der Tischler Hölzer glätten, ohne dass der Hobel an Verwachsungen oder Löchern hängen bleibt. Mit dem Schlichthobel können feinere und mit dem Schupphobel gröbere Arbeiten verrichtet werden. Daneben gibt es eine ganze Palette von Hobeln für verschiedenste Arbeiten. An der Hanselbank können schließlich mit dem Schneidmesser Arbeiten ausgeführt werden, bei denen das Holz gespalten werden muss. Durch das Aufkommen computergesteuerter Maschinen hat sich auch das Tischlergewerbe in den letzten Jahrzehnten stark verändert.

 Städtisches Museum Neunkirchen, Dezember 2023

Die Cotton-Druckfabrik Neunkirchen
Bereits 1802 wird diese älteste Fabrik Neunkirchens von Josef Hohenemer im Bereich zwischen Alleegasse und heutiger Stockhammergasse an der Stelle einer alten Mühle gegründet. Nach mehreren Verkäufen fällt die Fabrik 1808 zunächst an die Gebrüder Blum, 1823 an die Schweizer Firma Vaucher du Pasquier & Cie. Zu jener Zeit wurde noch händisch mit Handdruckmodeln gedruckt, überwiegend Baumwoll- oder Möbelstoffe. Sehr beliebt ist dabei immer der Blaudruck, der durch ein Reserveverfahren erfolgt. Dabei wird auf den Stoff eine Schutzmasse mit Modeln aufgedruckt, der sogenannte Papp, danach wird der Stoff mit Indigo gefärbt und der Papp wieder ausgewaschen. Zurück bleibt ein weißes Muster im blau gefärbten Stoff. Die Farbe erschien zunächst Braun, erst durch ein Entwicklungsbad und Luftzufuhr (Oxidation) erhält der Stoff das strahlende Blau. Um ein besonders schönes Blau für den Druck zu erhalten, ist ein Mischverfahren entscheidend, dies war jedoch stets Betriebsgeheimnis.

Von 1867 bis 1929 wird die Fabrik als k.k. priv. Neunkirchner Druckfabriks-Aktien- Gesellschaft geführt. Ab dann war die Druckfabrik stets modern geführt und konnte bereits Mitte des 19. Jahrhunderts die neue Methode des Rouleauxdruckes einsetzen. Hierzu benötigt man die Kupferwalze mit eingraviertem Muster, die die Farbe auf den Stoff schneller auftragen kann, als ein einzelnes Handmodel. Die Massenfertigung war möglich und die Bestellbücher mit Druckmustern wurden immer dicker. Eine rege Entwicklungstätigkeit im Austausch mit ausländischen Firmen sowie ein internationaler Absatzmarkt ließen die Druckfabrik bis zur Jahrhundertwende florieren. Eine große Bandbreite an bunten Druckmustern, die immer mit der Mode gingen, ist bis heute in bester Farbqualität erhalten. Im Zuge des Ersten Weltkrieges und der Weltwirtschaftskrise musste auch diese Textilfabrik im Sommer 1929 ihre Pforten schließen.

 Städtisches Museum Neunkirchen, Dezember 2023

Die Spinnfabriken in Neunkirchen
Neben der Rohrbacher Spinnerei befanden sich auf dem heutigen Stadtgebiet Neunkirchens zwei weitere Spinnereibetriebe. Die Eltzfabrik, 1827 durch die Gebrüder Eltz erworben, war idealerweise vom Standort her (ehemalige Mühle) an die Wasserversorgung angebaut. Später wurde im Bereich des Hammerbaches eine weitere Spinnfabrik errichtet. Dies ermöglichte durch effiziente Maschinen eine äußerst produktionsstarke Fabrik. Es wurde nicht nur Baumwolle versponnen, sondern auch gewaschen, gedampft und gebleicht. Die Fabrik umfasste zu ihrer Höchstzeit 1912 eine Weberei, eine Spulerei, einer Facherei und eine Zwirnerei. Trotz wiederholter Beschädigungen durch Brände kann das Werk bis 1930 bestehen.

Die zweite Spinnfabrik Neunkirchens befand sich in der Talgasse. Die Produktion war jedoch sehr klein und wenig professionalisiert, weshalb die Firma sehr bald, in Zeiten der Baumwollverknappung in Amerika, schließen musste.
Die Nachnutzer jener Fabrik bauten jedoch ein blühendes Geschäft auf die Ultramarinfabrik. Dieser künstliche Farbstoff war kompliziert herzustellen und dieser Vorgang war auch nicht ganz ungefährlich. Die giftigen Substanzen, die das umliegende Erdreich verseuchen, sind bis heute berüchtigt. Ultramarin ist ein mineralisches Pigment, das aber auch künstlich hergestellt werden kann. Dies erfolgt durch Mischen von Quarz, Kaolin, Soda oder Natriumsulfat, Schwefel und Holzkohle. Diese „Zutaten werden fein gemahlen, in eigenen Öfen gebrannt, gesiebt und in Würfel oder Kugeln gepresst. Die Neunkirchner Fabrik konnte ein derartig hochwertiges künstliches Ultramarin erzeugen, dass sie ihr Produkt in alle Welt verkauften. Dieses Ultramarin, auch bekannt als Waschblau, diente zum Bleichen von weißer Wäsche, vor allem wenn sie vergilbt ist. Was den heutigen Waschmitteln bereits zugesetzt wird, musste damals in einem eigenen Arbeitsschritt erfolgen.

 Städtisches Museum Neunkirchen, Dezember 2023

Teilnehmerplakette der Neunkirchner Druckfabrik an der Weltausstellung Wien 1873

 Städtisches Museum Neunkirchen, Dezember 2023

 Städtisches Museum Neunkirchen, Dezember 2023

 Städtisches Museum Neunkirchen, Dezember 2023

Von Marktrichtern zu Bürgermeistern
Bereits seit dem Mittelalter leitete die Verwaltung des Marktes der „innere" Marktrat, der aus zehn Mitgliedern bestand. Alle Ratsherren mussten angesessene Bürger sein und entstammten den einflussreichsten Patrizierfamilien Neunkirchens. Alljährlich am Neujahrstag wählte der Rat einen aus seiner Mitte zum Marktrichter. Der Richter wurde nur für ein Jahr bestimmt, konnte aber immer wieder gewählt werden. Der Marktrichter leitete die Verwaltung der Marktgemeinde und hatte auch die Rechtssprechung inne. Unter seinem Vorsitz versammelte sich der Marktrat im Rathaus, um über die allgemeinen Interessen des Marktes (Handel, Steuerwesen, Verteidigung,...) zu beraten. Der Marktrichter hatte auch die Landesgerichtsbarkeit inne und durfte Übeltäter im ganzen Bezirk verhören und verurteilen. Dieses System änderte sich vom Mittelalter bis 1849 nicht. Erst mit der zunehmenden staatlichen Institutionalisierung wurde der Marktrat zum Gemeinderat und das Amt des Marktrichters wurde abgeschafft. Die Verwaltung des Marktes wurde nun einem Bürgermeister übertragen, während die Rechtssprechung an das neu gegründete Bezirksgericht überging. So wurde der letzte Marktrichter 1850 zum ersten Bürgermeister.

 Städtisches Museum Neunkirchen, Dezember 2023

Von Ratstischen und Schandblöcken
Auch wenn es ein Blutgericht (Hinrichtungen) nur in Wr. Neustadt gab, so hatte der Neunkirchner Marktrichter doch zumindest die Macht auch solche Urteile auszusprechen. Deshalb standen ihm auch gewisse Statussymbole, wie das Richtschwert und die Richterstäbe, zu. Als Oberhaupt des Marktrats oblag ihm auch die Verwaltung des Marktes. Sowohl für Verwaltung wie auch Rechtssprechung wurden gewisse Gegenstände benötigt:

1. Ratstisch und Sesseln: Die Objekte stammen aus der Zeit um etwa 1690 und standen im alten Rathaus. Hier tagte der Marktrat. Daher gab es ursprünglich 12 Sesseln, 2 sind jedoch verschollen.
2. Die Richterstäbe: Sie symbolisierten den Status des Marktrichters als Vorsitzender des Marktrates.
3. Schandblock des Marktes Neunkirchen: In ihm wurden bis zu 3 Verbrecher mit den Füßen eingespannt und vor dem Pranger am Hauptplatz ausgestellt. Er stammt aus dem Jahr 1698. Es handelt sich dabei um den ältesten erhaltenen Schandblock Niederösterreichs.

 Städtisches Museum Neunkirchen, Dezember 2023

Krieg und Frieden in Neunkirchen
Seit dem Einfall König Belas IV. von Ungarn Mitte des 13. Jhdts. liegt Neunkirchen auch selbst immer wieder im Zentrum kriegerischer Ereignisse und erleidet Zerstörungen. Die Verteidigung eines Marktes wie Neunkirchen wird vor allem durch eine starke Marktmauer und Verteidigungspflicht der Bürger gewährleistet. War das Führen von Waffen im Mittelalter nur der Kriegerklasse, den Rittern, vorbehalten, so entwickeln sich in der Frühen Neuzeit erstmals angeworbene Söldnerheere. Ein solches Heer von Landsknechten ist im Winter 1625, während des 30-jährigen Krieges, in Neunkirchen einquartiert, wo es der Bevölkerung durch Plünderungen zu schaffen macht. Im Laufe des 18. Jhdt. werden Söldner durch die Einziehung aller männlichen Bürger zum Dienst in einem stehenden Heer verdrängt. Parallel dazu schreitet auch die Waffentechnik voran. Gebrauchstüchtige Gewehre entwickeln sich seit dem Ende des Mittelalters von den großen Hakenbüchsen mit Luntenschloss um 1500 über aufziehbare Radschlossgewehre bis zu den Steinschlossgewehren um 1700. Diese werden 1840 durch den bis heute gebräuchlichen Zündnadelmechanismus ersetzt.

 Städtisches Museum Neunkirchen, Dezember 2023

Modell der Pestsäule Neunkirchen aus dem Jahr 1723
Dieses Modell der Pestsäule wurde 1723 in der Pfarrkirche ausgestellt, um Spenden für den Bau der Pestsäule zu sammeln.

 Städtisches Museum Neunkirchen, Dezember 2023

Aus der Geschichte Neunkirchens

 Städtisches Museum Neunkirchen, Dezember 2023

Vom 1. Weltkrieg zur Stadterhebung
Ausgelöst durch ein Attentat auf den österreichischen Thronfolger und die darauf folgende Kriegserklärung der Monarchie an Serbien 1914, entsteht durch das komplizierte Bündnissystem der europäischen Großmächte ein großer Krieg, in dem sich die Ententemächte Frankreich, England, Russland, Italien und Japan und die Mittelmächte Deutschland, Österreich Ungarn, das Osmanischen Reich und Bulgarien gegenüberstehen. Der Kriegsausbruch wird zu Beginn auch in Neunkirchen groß gefeiert, erwartet man doch rasch mit dem Feind ,,aufzuräumen" und durch Aktionen wie die Aufstellung des Wehrbaumes soll der Patriotismus geschürt werden. Mit Fortdauer des Krieges zeigt die englische Seeblockade aber Wirkung und die Lebensmittel werden auch in Neunkirchen immer knapper. Trotz des Sieges über Russland im März 1918, werden die Mittelmächte, durch den Kriegseintritt der USA, im Herbst 1918 vernichtend geschlagen. Die K.u.K. Monarchie zerbricht in ihre nationalen Bestandteile und in der neuen Republik Deutsch-Österreich herrscht Not. In dieser schweren Zeit gelingt es Bürgermeister Josefsberg die Erhebung Neunkirchens zur Stadt im August 1920 durchzusetzen.

1000–Kronen–Schein, Überstempelt mit „Deutschösterreich“, 1919

 Städtisches Museum Neunkirchen, Dezember 2023

Neunkirchen 1867-1913
Mit der Gründung der konstitutionellen Monarchie 1867 beginnt für Österreich eine lange Friedensphase. Diese wird nur von der Okkupation Bosniens 1878 (später Annexion) gestört, an der auch Neunkirchner im Militärdienst teilnehmen. Obwohl es auf Gemeindeebene kein allgemeines Wahlrecht gibt, übernehmen dennoch einige fähige Männer in dieser Zeit das Bürgermeisteramt, die sich für eine Blüte von sozialer Wohlfahrt, Kultur und Bildung in Neunkirchen engagieren.

So wird zur breiteren Volksbildung 1853 der erste Kindergarten (Fabriksgasse) gegründet und es werden zwei Volksschulen gebaut: Die Steinfeldschule 1896 und die Mühlfeldschule 1909. Zur öffentlichen Wohlfahrt wird 1896 das Krankenhaus eröffnet und der Stadtpark 1903 fertig gestellt. Schon 1867 wird die freiwillige Feuerwehr gegründet. Als Ausgleich für die Abgrabung des Wassers durch den Bau der Hochquellwasserleitung, wird Neunkirchen von der Stadt Wien 1895 kostenlos an diese angeschlossen und anstelle des spätgotischen Brunnens wird ein neuer Brunnen auf dem Hauptplatz erbaut. Der Anschluss an den elektrischen Strom erfolgt 1897. Auch der schwere Kirchenbrand von 1907 bremst Neunkirchens Entwicklung nicht. 1913 zählt die Marktgemeinde schon über 12.000 Einwohner.

 Städtisches Museum Neunkirchen, Dezember 2023

Das Stockhammer-Zimmer
Einer der berühmtesten Bürgermeister war ohne Zweifel Emil Stockhammer, der am 31.3.1840 in Neunkirchen geboren wurde. Nach seinem Abschluss des Medizinstudiums diente er im Krieg gegen Preußen 1866 als Feldarzt. Seit seinem Ausscheiden als Regimentsarzt 1869 ordinierte er in Neunkirchen. Tätig als Gemeinderat von 1870 bis 1884 und 1893 bis 1899, amtierte der parteilose Stockhammer von 1885 bis 1892 und 1900 bis 1911 als Bürgermeister. Neben seinen beruflichen Tätigkeiten galt seine Leidenschaft der Meteorologie, Geologie und Geschichtsforschung. Auf seine Fürsprache wurden die Volksschulen, das Krankenhaus, das Museum und der Stadtpark errichtet, ebenso wie der Anschluss an die Hochquellwasserleitung und den elektrischen Strom vollzogen wurde. Sein Tod 1911 markierte in Neunkirchen das Ende einer Ära, ein Eindruck der durch den Ausbruch des 1. Weltkriegs 1914 noch verstärkt wurde.

Als das Museum 1940 in das ehemalige Wohnhaus Stockhammers übersiedelte, wurde sein Wohn- und Arbeitszimmer im Originalzustand, den es etwa zwischen 1870 und 1911 hatte, belassen und zeigt heute die Lebenswelt des Dr. Stockhammer an der Wende vom 19. zum 20. Jhdt.

 Städtisches Museum Neunkirchen, Dezember 2023

 Städtisches Museum Neunkirchen, Dezember 2023

Neunkirchen in der 1. Republik (1920-1934)
Mit der Stadterhebung 1920 ist ein Meilenstein erreicht, dennoch sind die harten Zeiten für Neunkirchen noch nicht ausgestanden. Die Jahre bis 1924 sind von wirtschaftlicher Not und dem Wiederaufbau der vom Krieg zerrütteten Gemeinde gekennzeichnet. Unter Neunkirchens erstem demokratisch gewählten Bürgermeister Josef Josefsberg (seit 1919 im Amt) erfolgt die Wiederherstellung von Straßennetz, Brücken und lückenloser Stromversorgung. Durch die Unterernährung und mangelnde Hygiene sterben aber immer noch viele Menschen z.B. an Tuberkulose.
Die von den „amerikanischen Menschenfreunden" ins Leben gerufene,,amerikanische Ausspeisung" kann die Not etwas lindern, indem bis 1921 täglich 2000 Mittagessen an Kinder und stillende Mütter verteilt werden. Vielen Kriegsheimkehrern muss das Heimatrecht in der Gemeinde wieder verbürgt werden. Umsturzversuche der erstarkten Kommunisten im Bezirk scheitern. Die Einführung des Schillings 1924 stabilisiert die heimische Wirtschaft schließlich.

 Städtisches Museum Neunkirchen, Dezember 2023

Neunkirchen in der NS-Zeit
Nach Dollfuß' Ermordung durch Nationalsozialisten 1934 kann auch der neue Kanzler und „Frontführer" Schuschnigg das Regime nur mehr vier Jahre aufrechterhalten. Auch in Neunkirchen wird der Einmarsch deutscher Truppen im März 1938 von vielen bejubelt. Die „Volksabstimmung" über den Anschluss findet großen Zuspruch, nur 20 Personen stimmen in Neunkirchen dagegen. Noch im Jahr 1938 wird unter den NS-Bürgermeistern Norbert Pahr und Walter Steil (ab 1940) mit der Gleichschaltung der Bevölkerung, der Verfolgung politisch Andersdenkender und der Vernichtung der Neunkirchner Judengemeinde begonnen. Auch Pläne für einen Umbau der Gemeinde werden geschmiedet.

Vom Neunkirchner Hauptplatz, nun Adolf Hitler Platz, dröhnen aus Lautsprechern mehrmals wöchentlich Reden des „Führers", Kreistage werden mit Festivitäten begangen, ebenso wie der 1. Mai, nun als „Nationaler Feiertag des Deutschen Volkes". Lokalzeitungen, die nicht nationalsozialistisch genug sind, werden eingestellt, die Zeitung „Volksruf" wird verbreitet.

 Städtisches Museum Neunkirchen, Dezember 2023

Neunkirchen im Ständestaat (1934-1938)
Bald nach der Ausschaltung des Parlaments durch den autoritären Bundeskanzler Engelbert Dollfuß 1933 steuert das Land auf einen Bürgerkrieg zwischen den Heimwehren und dem sozialistischen Schutzbund zu, der am 12. Februar 1934 ausbricht und bald für die Regierung entschieden ist. Nach der Ausschaltung der übrigen Parteien erklärt Dollfuß Österreich mit der neuen Verfassung vom Mai 1934 zum autoritären „Ständestaat", die „Vaterländische Front" wird zur einzig zugelassenen Partei Österreichs. Bürgermeister Zangerl wird seines Amtes enthoben. Der Hauptplatz wird zum Engelbert - Dollfuß - Platz, Kruckenkreuz und Doppeladler zieren die neuen öffentlichen Gebäude wie das Bezirksgericht. Politische Gegner landen im Anhaltelager Wöllersdorf.

Ein Denkmal versucht sich das neue Regime 1936 mit der 900-Jahr-Feier Neunkirchens, basierend auf einer nicht nachgewiesenen, angeblichen Urkunde, zu setzen, die eigentlich vom Schützenverein zu seinem 200-jährigen Bestand organisiert wurde. Dazu erscheint sogar Dollfuß Nachfolger Kurt Schuschnigg.

 Städtisches Museum Neunkirchen, Dezember 2023

Neunkirchen in der Besatzungszeit (1945-1955)
Im Mai 1945 ist der ganze Bezirk in der Hand der sowjetischen Truppen. Obwohl es anfangs noch zu Plünderungen und Vergewaltigungen kommt, rücken bald frische Truppen zu Besatzungszwecken nach, die besser diszipliniert sind. Die Ernährungslage wird durch Oberstleutnant Zalichin sichergestellt, er beschafft den Neunkirchnern 100 Tonnen Lebensmittel und Brennholz. Über das Rote Kreuz gelangen auch amerikanische und schweizerische Hilfsgüter nach Neunkirchen. Die sowjetische Armee bezieht in Neunkirchen ihre Kommandantur im Bezirksgericht und setzt den Kommunisten Karl Goll als neuen Bürgermeister ein. Mit sowjetischer Hilfe setzt in Neunkirchen der Wiederaufbau ein und der Ort wird die erste trümmerfreie" Stadt Niederösterreichs. Bereits bis zum Jahr 1950 sind das Rathaus und die meisten anderen zerstörten Gebäude wiederhergestellt. Und viele Kriegsgefangene kehren heim. Der Besatzungsalltag normalisiert sich bis zum Abschluss des Staatsvertrags 1955 und dem Abzug der sowjetischen Besatzer langsam aber stetig.

Neunkirchen 1955-1983
Am 27.6.1946 werden erstmals seit 1933 auch wieder demokratische Gemeinderatswahlen abgehalten, aus denen in Neunkirchen Josef Graf (SPÖ) als Sieger hervorgeht. Einziger Wermutstropfen im langsamen Aufschwung Neunkirchens ist der Oktoberstreik der KPÖ von 1950, der aber nicht wie oft propagiert der Schaffung eines Sowjetstaats dienen soll. Die 1960er und 1970er-Jahre sind von einem starken Aufschwung geprägt. Neben den großen Fabriken Brevillier & Urban sowie Hamburger (ehemals Pam) etabliert sich Neunkirchen vor allem als Zentrum des Klein- und Mittelgewerbes, zahlreiche kleinere Firmen produzieren vor allem Maschinen und Maschinenteile. Neunkirchen wird zur „Arbeiterstadt", aber neben vielen Messen beleben auch Sportevents wie die Handball-WM 1966 oder Spiele des SC Neunkirchen den Alltag. Neue kommunale Anlagen wie das neue Frei- und Hallenbad und zahlreiche Wohnbauten werden geschaffen. Auch das Thema der Gemeinde- zusammenlegungen wird breit diskutiert, letztlich bleibt es bei der Vereinigung Neunkirchens mit den Dörfern Mollram und Peisching.

* * *

Der Islam in Neunkirchen
Der Islam kann in Österreich auf eine längere Geschichte zurückblicken, als gemeinhin angenommen wird. Nachdem Österreich Ungarn 1908 Bosnien-Herzegowina annektiert, muss man den Status der dort ansässigen 600 000 Muslime wahren. Ein Spezialgesetz soll hier Abhilfe schaffen und die Muslime dabei unter das staatliche Recht stellen. So kommt es zur Erlassung des Islamgesetzes vom 15. Juli 1912 mit der Reichsgesetzblattnummer 159. Für einen Teil der Muslime Österreichs war nun die Religionsausübung frei und konnte öffentlich erfolgen. Doch erst am 20. April 1979 wird die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich als Körperschaft öffentlichen Rechts konstituiert, wodurch alle sunnitischen und schiitischen Schulen anerkannt werden. Auch in Neunkirchen erfolgt seit den 1960ern und 1970ern eine verstärkte muslimische Zuwanderung, vor allem durch Gastarbeiter. Heute sind etwa 13% der Einwohner Neunkirchens Muslime, die Mehrheit davon türkischer Herkunft. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Sunniten der verschiedenen Rechtsschulen. Ein wichtiges Zentrum des muslimischen Lebens ist für die türkischen Migranten das Anatolische Kulturinstitut in Neunkirchen.

 Städtisches Museum Neunkirchen, Dezember 2023

Das Judentum in Neunkirchen
Bereits um 1343 existiert eine erste jüdische Gemeinschaft in Neunkirchen, die jedoch im Zuge der steirischen Judenvertreibungen 1496 aus Neunkirchen vertrieben wird. Erst nach der Beseitigung der meisten judenfeindlichen Bestimmungen im Toleranzedikt Josefs II. von 1782 kommen wieder zusehends vermögende jüdische Geschäftsleute nach Neunkirchen und die Judengemeinde wächst im Lauf der nächsten 100 Jahre wiederum rasch an. Anfangs müssen Betstunden in einem kleinen Betraum im 1.Stock des heutigen Gasthauses „Brückl-Wirt" abgehalten werden, doch ändert sich dies 1883 mit der Errichtung einer neuen Synagoge. Vor 1938 umfasst die jüdische Gemeinde in Neunkirchen 300 Mitglieder und wird von Max Kohn geleitet. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich 1938 bricht auch für die Neunkirchner Juden eine dunkle Zeit an. Ihre Synagoge wird in der so genannten „Reichskristallnacht" vom November 1938 verwüstet und geplündert und die meisten Neunkirchner Juden in Konzentrationslager deportiert. Nach 1947 kehren 4 jüdische Familien wieder nach Neunkirchen zurück und werden heute von der israelitischen Kultusgemeinde Wien betreut. Die Ruine der Synagoge musste 1984 wegen Baufälligkeit abgerissen werden.

 Städtisches Museum Neunkirchen, Dezember 2023

Die Katholische Kirche in Neunkirchen
Der Katholizismus setzt sich als erste Religion bereits im mittelalterlichen Neunkirchen durch. Schon um 1094 gibt es ein Kloster der Formbacher Benediktiner an der Stelle der heutigen Kirche, das romanisch erbaut wurde. Die Kirche wurde am Tage Maria Himmelfahrt geweiht (Patrozinium Maria Himmelfahrt), was auch das heutige Altarbild noch ausdrückt. Im Verlauf des Mittelalters wird die Kirche gotisch umgebaut und erhält ihren gotischen Chor mit den Zinnen. Sie wird als Wehrkirche (Tabor) mit Mauern und Wassergraben angelegt. Im Zuge der habsburgischen Rekatholisierung überträgt der Besitzer Neunkirchens, Graf Hans Balthasar von Hoyos, die Pfarre mit ihren Gütern dem Minoritenkloster, das er 1631 für zwölf deutschsprachige Minoritenbrüder gründet. Während des osmanischen Einfalls in Neunkirchen 1683 wird der Nordturm der Pfarre endgültig zerstört, weshalb heute nur der Südturm steht, der um 1763 im Barockstil restauriert wurde. Auch die restliche Kirche wurde um 1740-1760 barock ausgebaut und nach dem Kirchenbrand 1907 in diesem Stil restauriert. Trotz des „Erlöschens" der barocken Wallfahrtsbräuche dient die Kirche heute noch als Sitz des Neunkirchner Minoritenordens und wurde am Ende des 20. Jh. umfassend renoviert.

 Städtisches Museum Neunkirchen, Dezember 2023

Leibwäsche im Gebrauch
Weißwäsche wurde von Kindesbeinen an bis ins Grab benötigt. Taufkleidchen waren nur bei Leistbarkeit aus Seide und Spitze ansonsten aus Baumwolle, weil diese leicht zu reinigen ist. Die Häubchen wurden oft gestrickt oder gehäkelt, teils geklöppelt und mit Bändchen verziert. Damen erlernten diese Handarbeitstechniken bereits als Mädchen und verfeinerten ihre Fähigkeiten über die Jahre, wie die ausgestellten Stickmuster zeigen. Auch für Drahtelhauben wurden Stickeinsätze selbst hergestellt, oftmals mit Silber- oder Goldfäden, da diese zur Festtracht passen mussten. Selbst die Verzierung von Alltäglichem durch z.B. rote Flachsstickerei wie weiße Blusen mit gestickten Initialen oder Strümpfe wurde zumeist akribisch durchgeführt, schließlich besaß man früher bedeutend weniger Kleidung als heute. Dabei entstanden auch immer wieder Kuriositäten wie etwa Lampenschirme. Auch Regen- und Sonnenschirme wurden aus Stoff hergestellt und erweisen bei guter Lagerung bis heute eine gute Haltbarkeit des Materials.

Bett- und Tischwäsche waren zumeist Weiß, damit sie besser gewaschen (Kochwäsche) und auch gebleicht werden konnten. Bunte Wäsche setzte sich erst mit der Verbesserung der Druckmethoden durch, die eine bessere Waschbeständigkeit der Farben boten. Für Akzente wurden gerne Zierdeckchen in verschiedenen Handarbeitstechniken hergestellt. Oftmals erhielt eine werdende Ehefrau diese Art der Wäsche als Aussteuer von ihren Eltern, bevor ins neue Heim umgezogen wurde.

 Städtisches Museum Neunkirchen, Dezember 2023




Wem der viele Text zu lange war und lieber Bewegtbilder mit Musik mag, kann sich gerne dieses Video antun: