Hainfeld

mit Doppelmuseum, Dezember 2023

Im Hainfeld Museum erzählen 12 Puppen die Geschichte Hainfelds von 1120 – 1900. Im Museum ist auch dem Einigungsparteitag der Sozialdemokratie 1888/89 in Hainfeld ein Raum gewidmet. Die Sonderausstellung „Seuchen gehören ins Museum“ und das Museum Historischer Bierkrüge tragen zur Wissensvermittlung bei.

 Hainfeld, Dezember 2023

Im Hainfeld Museum werden Ausschnitte aus der Vergangenheit Hainfelds bis 1900 in Stationen vermittelt, die von historischen Hainfelder Figuren, dargestellt als Puppen, repräsentiert werden. Diese beleuchten geschichtliche Fakten und stehen gleichzeitig für Überthemen wie Bauerntum, Gerechtigkeit oder Soziales.

In einem weiteren Raum wird an den Einigungsparteitag der Sozialdemokratie 1888/89 erinnert. Im Gedenkraum an den Einigungsparteitag steht dessen Protokoll und sein ungebrochen bedeutsamer Inhalt im Zentrum der Auseinandersetzung. In Lese- und Hörstationen werden Textzitate näher gebracht.

 Hainfeld, Dezember 2023

Museen im alten Gericht
Das Haus wurde 1854 als Amtssitz für den 1848 nach der Auflösung der Grundherrschaften neu eingerichteten Gerichtsbezirk Hainfeld erbaut. Es ist eines der ältesten noch erhaltenen Häuser der Stadt und beherbergt heute zwei Museen: Das „Museum Historischer Bierkrüge" und das „Hainfeld Museum".

Im HAINFELD MUSEUM wird die Hainfelder Stadtgeschichte vom Mittelalter bis heute gezeigt. Verschiedene historische Persönlichkeiten, die in Puppenform zu neuem Leben erweckt worden sind, nehmen zu Ereignissen und einzelnen Themenbereichen Stellung. Ein weiterer Raum ist dem Einigungsparteitag der Sozialdemokratischen Partei Öster- reichs 1888/89 gewidmet. Außerdem finden temporäre, vertiefende Ausstellungen statt.
Das HAINFELD MUSEUM versteht sich als lebendiges, partizipatives Museum. Eine rege Bürgerbeteiligung war schon im Entstehungsprozess von großer Bedeutung. Denn je mehr Personen sich engagieren, desto lebendiger kann das Museum als Ort des Selbstverständnisses einer Stadt gelebt werden.

 Hainfeld, Dezember 2023

1729 entstand eine Gewehrfabrik in Hainfeld
Johann Frühwirth (auch Fruhwirt)
Einer der Gewehrfabrikanten im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert in Hainfeld war Johann Frühwirth. Ab 1780 war er mit seiner Firma im Kommerzialschema, quasi dem damaligen Firmenregister von Wien, verzeichnet. Er besaß neben seiner Gewehrfabrik auf der Wieden, unweit der Karlskirche, auch eine Fabrik in Hainfeld. In der Ramsau erwarb er 1798 einen Besitz, den er als Hammerwerk einrichtete. 1812 wurde er von Kaiser Franz I. wegen seiner „mehrfachen patriotischen Handlungen", wohl im Zusammenhang mit den von ihm hergestellten
Waffen für die Napoleonischen Kriege, mit der kleinen goldenen Civil Ehrenmedaille ausgezeichnet.

Die Forschungen zu Johann Frühwirt führten aber auch zu einer interessanten Verbindung der Fabrikantenfamilien Fischer und Frühwirt: Während seines Studiums am Polytechnikum in Wien wohnte der junge Georg Fischer, später selbst Fabrikant in Hainfeld, in Frühwirths Haus, Wieden 24, neben der Karlskirche. Noch 1824 bewirbt Johann Frühwirth seine Erzeugnisse in der Wiener Zeitung. Im Jänner 1825 fand man die Leiche von Johann Frühwirth in seiner Wiener Fabrik im Haus Wieden 100. Da ein gewaltsamer Tod vorzuliegen schien, wurde der Tote im Allgemeinen Krankenhaus begutachtet. Wie uns die Matriken berichten, hatte er Selbstmord begangen. Danach wurde die Fabrik nach einer der Quellen stillgelegt. Georgs Vater, Johann Conrad Fischer, wollte die Fabrik bei Hainfeld dennoch kaufen. Dazu kam es aber nicht.

Nach einer anderen Quelle führte zunächst Frühwirts Witwe Theresia das Werk weiter. 1836 übernahmen die Söhne Daniel und Johann die Betriebe in Wien und Hainfeld. Die Erzeugung von Bestandteilen für die Gewehrfabrikation in der Ramsau wurde erst 1872 eingestellt. Das ganze 19. Jahrhundert über blieben die Frühwirths wichtige Heereslieferanten, 1892 starb der letzte dieses Namens kinderlos.


Doppelläufiges Percussions-Gewehr, 1. Lauf mit Drall, 2. Lauf glatt, aus der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts, erzeugt in der Gewehrfabrik in Hainfeld.

 Hainfeld, Dezember 2023

Bis zum ersten Weltkrieg und auch in der Zwischenkriegszeit galt Hainfeld als eine der beliebtesten Sommerfrischen in Niederösterreich, die von Bürgertum, Beamten und auch Kleinadel gerne besucht wurde.
Bürgermeister Heinrich Zmoll hatte in den 1870er Jahren einen Fremdenverkehrsort par excellence anlegen lassen, der von Promenaden, Spazier- und Wanderwegen, einem Stadtbad und der Möglichkeit zur Bootsfahrt so wie Cafés und Wirtshäusern geprägt war. Kleindenkmäler wurden errichtet, vielfältige Unterhaltungen waren bei Einheimischen und Fremden beliebte Attraktionen. Gegen Ende der ersten Blütezeit der Sommerfrische Hainfeld kam auch noch, ab 1913, das Kino hinzu. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Hainfeld auch im Winter touristisch beworben und gerne besucht.

Caroline Strauss, geb. Pruckmayer, wurde 1831 in Wien Leopoldstadt geboren und heiratete 1857 einen der drei Komponistenbrüder Strauss Josef. Tochter Karoline kam 1858 zur Welt. Josef war viel auf Konzertreisen, dennoch waren die beiden sehr glücklich miteinander. Sein Tod 1870 ließ eine 39-jährige Witwe mit einer 12-jährigen Tochter in schlechter finanzieller Lage zurück.

„Caroline Strauss verbrachte den Sommer alljährlich im schönen Hainfeld; dort in den Bergen, im Wald ging sie gerne spazieren und sprach oft den Wunsch aus, nur hier zu sterben und begraben zu werden. Am Fuß des Kirchberges." (Karoline Aigner-Strauss über ihre Mutter)

 Hainfeld, Dezember 2023

Neben dem Marktrichter gab es noch Räte, die als Geschworene fungierten. Ab 1677 werden sieben bis acht innere, später auch vier äußere Räte genannt. Das war bis 1850, dem Ende der Verwaltung in dieser Form, gebräuchlich. Die Protokolle des Rates sind von 1671-1804,erhalten, Anmerkungen dazu bis 1860. Innerhalb der Marktverwaltung gab es verschiedene Ämter, die immer im Frühling für das entsprechende Verwaltungsjahr neu verteilt wurden.

Ratsherr Schaubb war zweimal verheiratet, seine erste Frau und Tochter starben vor ihm. Obwohl es nicht nachweisbar ist, könnte es sich dabei um einen Tod bei oder nach der Geburt gehandelt haben, eine der häufigsten Todesarten von Frauen im gebärfähigen Alter in früheren Zeiten. Schwangerschaft und Geburt waren bis in das 19. Jahrhundert ein hoher Risikofaktor für die Frau.

 Hainfeld, Dezember 2023

In Hainfelds Vergangenheit gab es immer wieder Zeiten, in denen sich hier Neuansiedler niederließen. Nachweisbar war das nach Pest und Türkenüberfällen, sonst wäre Hainfeld ausgestorben. Im 19. Jahrhundert waren es dann die Fabriken, die Arbeiter aus vielen Teilen der Monarchie mit ihren Familien ansiedeln ließen. Einer der wichtigsten Fabrikanten, J.C. Fischer, kam aus der Schweiz. Und auch heute kommen Menschen aus vielen Ländern, lassen sich hier nieder und leben mit der Bevölkerung, werden zu Nachbarn. Am 28. Dezember 1961 wurde das Raab-Olah-Abkommen unterzeichnet, das zu Anwerbe-Abkommen mit der Türkei 1964 und Jugoslawien 1966 führte

 Hainfeld, Dezember 2023

Mattias Brinninger aus Krems try goß im Jahre 1688 eine Glocke für die Kirche in Hainfeld, die 1500 kg schwer war. Diese Glocke mußte im 1. Welt- krieg (1916) abgeliefert werden. Der Klöppel und dieser Teil der Glockenkrone blieben erhalten und ist das älteste Exponat des Hainfeld Museums.

 Hainfeld, Dezember 2023

Der Verein WIR-HAINFELDER
Um Hainfelds Bedeutung als Einkaufsstadt auch in schwierigeren Zeiten aufrecht erhalten zu können, gründeten die Hainfelder Franz Thür, Walter Lueger, Gerhard Ernst, Karl Jägersberger und andere im Jahre 2001 den Verein, Wir-Hainfelder".

Von Anfang an war es eine Bündelung der Kräfte - über alle Parteigrenzen hinweg, die die Erfolgsgeschichte des Vereins Wir-Hainfelder begründen sollte. Heute sind viele damals in die Wege geleiteten Erneuerungen zur Hainfelder Selbstverständlichkeit geworden:
• das Bonus-System mit Klebemarken beim Einkauf
• die Quartalszeitung, Hainfelder"
(früher Hainfeld-Info)
• Geschäftsnachbesetzungen über die Website des Landes NÖ.
• der Hainfelder Wochenmarkt
• zahlreiche Veranstaltungen, wie z.B. die Lange Einkaufsnacht, das Stadtfest, Oster- und Adventinitiativen

 Hainfeld, Dezember 2023

Im Laufe der Jahrhunderte waren die Einwohnerschaft Hainfelds und auch die exponiert liegenden Bauerngehöfte immer wieder mit kriegerischen Ereignissen und gewaltsamen Überfällen konfrontiert. 1250 erschienen die Ungarn unter Bela IV. in Hainfeld, plünderten den Ort und brannten ihn nieder. 1408 Infolge des Bruderkrieges unter drei Habsburgern wegen der Verwaltung der Erblande des minderjährigen Albrecht V. brandschatzte Johann I. von Hohenberg Hainfeld und eignete es sich an. In den jahrhundertelangen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen dem Habsburgerreich und dem Osmanischen Reich um Vorherrschaft, die meist in Grenzregionen in Ungarn stattfanden, kamen die türkischen Truppen 1529 auch nach Hainfeld.

Abt Matthias II. von Göttweig berichtete: „Zu Hainfeld und in Kaumberg sind alle Häuser verbrunnen, das Volk fast erwürgt und weggeführt worden." Beim 2. Türkeneinfall 1683 wurden 74 Markthäuser und 147 Bauerngehöfte in Brand gesteckt, 105 Personen getötet und 376 in die Sklaverei verschleppt.

Bauernaufstände 1597
Die Empörung über die Missstände, Forderungen nach Teilnahme am sonst stattfindenden wirtschaftlichen Aufschwung und der Wunsch nach Besitzsicherung, aber auch klimatisch bedingte Verschlechterungen und zu einem geringen Teil auch die religiösen Differenzen führten zuerst in Oberösterreich, dann in Teilen Niederösterreichs und auch im Bezirk Lilienfeld zu Aufständen der Bauern.

Trotz einiger Teilerfolge wurden Aufständische letztlich bei St. Pölten durch die kaiserlichen Heere vernichtend geschlagen, gefangen genommen und nach Folter und Verstümmelung hingerichtet oder zur Zwangsarbeit nach Wien gebracht. Die Hainfelder Peter Thaurer von der Lacken, ein Tuchscherer und der Tafernwirt Hanns im Dornach, (Gölsen 7) waren zwei der Anführer. Die Hainfelder Chronik berichtet „Von den Bewohnern des Marktes Hainfeld, die sich bis auf drei den Aufständischen angeschlossen hatten, kehrte keiner mehr vom Steinfeld zurück".

 Hainfeld, Dezember 2023

Ehe im Mittelalter
Im Mittelalter herrschte eine weitgehend sachlich-nüchterne Einstellung bei Partnerwahl und Eheschließung. „Habenichtsen" konnte die Heirat verweigert werden. Die Frau musste sich ihrem Ehemann unterordnen, ihm folgen und gehorchen. Sie führte den Haushalt und zog die Kinder auf. Der Ehemann hatte das Recht, seine Frau zu züchtigen. Die soziale Stellung des Mannes hing von seinem Besitz, seiner Tätigkeit und seinen öffentlichen Ämtern ab. Nicht eheliche Sexualbeziehungen der Frau wurden sanktioniert, die des Mannes toleriert.

Frauen unterstanden der Vormundschaft ihres Vaters bzw. eines anderen männlichen Verwandten. Bei Verheiratung wurde der Ehemann der „natürliche Vormund". Dennoch profitierten vor allem die Frauen von der Ehe. Sie gewannen größeres gesellschaftliches Ansehen und waren materiell versorgt.


BUTTERERZEUGUNG „Modernes" Butterrührgerät
Buttermodeln - Butter wurde über Jahrhunderte im Bauernhaus selbst hergestellt und dann schön verziert.

 Hainfeld, Dezember 2023

Hainfeld und das Bier
Bier wurde in Hainfeld schon vor der Witwe Sebalt gebraut. 1694 kauft „Preymeister" Johann Georg Heldt eine Brandstatt in Hainfeld. 1734 wurden zwei Braumeister in den Marktämtern genannt. Von Bierschenken, die schon vor 1755 bestanden haben, erzählt der Wirt Rippel 1855. Er nennt sein eigenes Wirtshaus und noch zwei weitere,
so wie sieben weitere Wirtshäuser, die Bier seit kürzerer Zeit ausschenkten. Dazu kamen noch vier Fabrikstraiterien (Schenken) und eine Traiterie im Bräuhaus.

Der Standort der Fabrikstraiterien lässt sich bei ehemaligen und noch bestehenden Fabriksanlagen vermuten, das Bräuhaus ist immer noch dasselbe. Seit 1775 wird das Bier unter dem Namen „Hainfelder Bier" ausgeschenkt. 1811 erhielten die Bierschenken auch das Recht, Wein auszuschenken. 1808 übernahm die Familie Riedmüller die Brauerei in Hainfeld und führt sie seither in direkter Linie bis heute.


Darstellung der Bestrafung rebellischer Bauern

 Hainfeld, Dezember 2023

DIE ÖSTERREICHISCHE ARBEITERBEWEGUNG AB 1848
März 1848 - Bürger, Arbeiter und Studenten revoltieren im März gegen den absolutistischen Staat. Blutiges Ende im Oktober: Die kaiserlichen Truppen schlagen die nun allein kämpfenden Arbeiter vernichtend.
Dezember 1867 - Erlassung der ersten österreichischen Verfassung, das Dezemberpatent und damit ein neues Vereins- und ein Versammlungsgesetz. Dies ermöglicht die Gründung des Wiener Arbeiter-Bildungsvereines".
Mai 1868 - 5. Arbeitertag in Wien. Das Manifest, Solidarität der Arbeiter aller Nationen" wird beschlossen.
Dezember 1869 - Massendemonstrationen der Wiener Arbeiter.
April 1870 - Der Reichsrat beschließt das Koalitionsgesetz - dadurch erringen die Arbeiter das Streikrecht.
Juli 1870 - Beginn des „Hochverratsprozesses" gegen Arbeiterfunktionäre wegen sozialdemokratischer Agitation" (Teilnahme an Demonstrationen bzw. am Eisenacher Parteitag).
Ostern 1874 - Parteitag in Neudörfl. Erste programmatische Beschlüsse. Ein Streit zwischen den Arbeiterführern verhindert die Verabschiedung eines von allen Gruppen akzeptierten Programms.
späte 1870er Jahre - Die Arbeiterbewegung zerfällt in „Radikale" und „Gemäßigte". Die Anhänger der ersten glaubten an eine Beseitigung des Kapitalismus durch Revolution, die zweiten strebten eine legale politische Betätigung und das allgemeine Wahlrecht an.
Jänner 1884 - Die Regierung verhängt über Wien und die umgebenden Bezirke den Ausnahmezustand. Anlass waren Attentate einiger radikaler Einzeltäter. Arbeiter-Versammlungen werden verboten, Zeitungen müssen eingestellt werden.
Dezember 1886 - Victor Adler gibt die Wochenzeitung „Die Gleichheit" heraus, die von Anfang an eine Mittlerstellung zwischen den verfeindeten Lagern in der Arbeiterschaft einnimmt.
30.12.1888-1.1.1889 - Hainfelder Parteitag. Victor Adler gelingt die Einigung der gegnerischen Lager. Er glänzt als Organisator und Vater der geeinten „Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs", deren erster Vorsitzender er wird.
1. Mai 1890 - Einem Beschluss des Internationalen Sozialistenkongresses (Paris 1889) folgend, finden als Kundgebung für den Achtstundentag unter großer Beteiligung die ersten Maifeiern statt.
1892 - Adelheid Dworak, später verehelichte Popp, gründet die „Arbeiterinnen-Zeitung", in der sie für Bildung und Chancengleichheit der Frauen kämpft.
24.-26.12.1893 - In Wien findet der erste allgemeine Gewerkschaftskongress statt - dieser gründet die Reichsgewerkschaftskommission.
1896 - Die Parteileitung wurde von der „Arbeiter-Zeitung" gelöst und eine überregionale Parteileitung konstituiert. Lokalorganisationen behalten jedoch eine überwiegend autonome Stellung.
1907 - Erste Reichsratswahl nach Einführung des allgemeinen Männer-Wahlrechtes. Die Sozialdemokraten erringen 87 von 516 Mandaten.
1909 - Reichenberger Parteitag. Die Partei erhält die bis heute geltende Struktur mit Landes-, Bezirks- und Ortsorganisationen. Höchstes Gremium war der Parteitag.
1914 - Ausbruch des I. Weltkrieges.
12.11.1918 - Ausrufung der Republik Deutsch-Österreich. Die Sozialdemokraten setzen vor allem in Wien viele soziale Reformen um.
März 1934 - Die Sozialdemokratische Partei wird verboten. In der Illegalität wird die Parteiarbeit von Idealisten, die sich „Revolutionäre Sozialisten" nennen, weitergeführt.
14. April 1945 - Gründung der Sozialistischen Partei Österreichs" (SPÖ).
27. April 1945 - Erklärung der Unabhängigkeit Österreichs. In den Nachkriegsjahren kämpft die SPÖ erfolgreich für kürzere Arbeitszeiten, höhere Löhne mehr Urlaub etc.
März 1966 - Nach der verlorenen Nationalratswahl, SPÖ erstmals in Opposition, ÖVP regiert alleine.
März 1970 - SPÖ gewinnt unter Bruno Kreisky die Nationalratswahl und regiert 13 Jahre alleine. Seine Hauptanliegen: Die Modernisierung und Demokratisierung der österr. Gesellschaft. Die SPÖ stellt bis 1999 als stärkste Partei den Bundeskanzler.
1991 - Umbenennung der SPÖ in „Sozialdemokratische Partei Österreichs".
Oktober 1999 - Nach Verlusten bei den Nationalratswahlen wird die SPÖ von einer ÖVP-FPÖ Koalition trotz relativer Mehrheit in die Opposition gedrängt.
Oktober 2006 - Die SPÖ erringt wieder die relative Mehrheit und stellt den Bundeskanzler.

 Hainfeld, Dezember 2023

VICTOR ADLER (1852 in Prag - 1918 in Wien)
Victor Adler stammte aus wohlhabender jüdischer Familie, besuchte das Schottengymnasium und traf dort den späteren Journalisten und Politiker Engelbert Pernersdorfer, mit dem er sein weiteres Leben befreundet blieb.
Beide gehörten der Deutschen Studentenverbindung „Braune Arminia" an und Pernersdorfer war zusätzlich auch noch Mitglied des Gumpendorfer Ersten Wiener Arbeiterbildungsvereins, was zu weiteren Kontakten in diese Richtung führte. Sie kamen mit Georg von Schönerer in Kontakt, und Adler war sogar führend am Linzer Programm der Deutschnationalen beteiligt. Nach dem Medizinstudium wurde Victor Adler Arzt und Nervenarzt und kam so mit dem Elend der Armen in Berührung. Der Gedanke, hier etwas verändern zu wollen, wie auch der steigende Antisemitismus der Deutschnationalen unter Schönerer bewogen ihn, zur Arbeiterbewegung zu wechseln. Er traf mit Friedrich Engels, August Bebel und Karl Liebknecht zusammen.

1886 trat er der Sozialdemokratie bei und gründete noch im gleichen Jahr die Zeitung „Die Gleichheit". Verdeckt recherchierte er über das Elend der Ziegelarbeiter und schrieb darüber. Damit löste er große Resonanz weit über die Arbeiterschaft hinaus aus. 1878 heiratete er Emma Braun (1858 in Wien - 1935 in Zürich), mit deren Brüdern er befreundet war und von denen einer, Heinrich, auch am Hainfelder Parteitag dabei war. Adler überwand die Richtungskämpfe der frühen Arbeiterorganisationen. Vor dem Parteitag in Hainfeld war er die treibende Kraft der Einigung und der Motor für dessen Zustandekommen. Sein Einsatz für die Arbeiterschaft brachte ihm zwischen 1887 und 1900 17 Anklagen vor Gericht und insgesamt 9 Monate Arrest ein. Erst spät, 1905, wird er in den Wiener Reichsrat gewählt, und erwarb sich auch dort beträchtliches Ansehen. Sein größtes politisches Anliegen, das allgemeine Wahlrecht für Männer, erreichte er nicht durch Drohungen, sondern mit Hilfe geschickter Arrangements mit den Mächtigen. Einen Tag vor Ausrufung der ersten Republik starb Adler, nachdem er zuvor noch als Staatssekretär des Äußeren in das Kabinett Renner berufen worden war.

DER 1. MAI
Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter gingen 1890 erstmals weltweit auf die Straße, um für einen 8 Stundentag zu demonstrieren. Es kam auch in der gesamten Monarchie zu nie erlebten Massenkundgebungen. Die Forderungen waren neben der Reduktion der täglichen Arbeitszeit die Einführung des allgemeinen Wahlrechts sowie die Pensions- und Invaliditäts-, sowie die Witwen- und Waisenversorgung.

Ab 1919 wurde der 1. Mai in Österreich zum Feiertag und zum „allgemeinen Ruhe- und Festtag". 1933 brachte die Regierung Dollfuß das Ende der Maifeiern in ihrer bisherigen Form und in ihren traditionellen Inhalten und funktionierte den 1. Mai zum „Tag der Verfassung" um. Als „Tag der deutschen Arbeit" wurde der 1. Mai ab 1938 unter dem NS-Regime gefeiert. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg nahmen die Feiern zum 1. Mai allmählich die heute bekannte Gestalt an.

 Hainfeld, Dezember 2023

Februar 1934
Blutige Auseinandersetzungen, manchmal auch Bürgerkrieg genannt, fanden vom 12.-15. Februar 1934 in vielen Teilen Österreichs, und auch im Gölsental statt. Nach der, nach dem Ende des Ersten Weltkriegs erfolgten, Demilitarisierung bildeten sich aus Angst vor Plünderungen und Übergriffen in vielen Orten verschiedenste ortsgebundene, bewaffnete Gruppen, aus denen dann die Heimwehren entstanden. Diese bürgerlichen Wehrverbände standen eher rechts und den Eliten nahe, von denen sie unterstützt wurden und von denen sie sich daher auch abhängig machten. Ihr geplantes und tatsächliches Vorgehen richtete sich vorwiegend gegen die Sozialdemokratie. Auf der anderen Seite bildete sich aus Resten der k.u.k. Armee eine Volkswehr, eine Art besoldete Freiwilligenarmee mit proletarischer Prägung, in der Soldatenräte das Sagen hatten und aus der sich später der sozialdemokratische Republikanische Schutzbund formierte. Sonntag für Sonntag demonstrierten beide in Aufmärschen, Paraden und militärischen Übungen ihre Macht. Sie führten eine radikale Sprache, es kam immer wieder zu Zusammenstößen und Gewaltszenen, fallweise auch mit nationalsozialistischen Gruppierungen. Eine politische Polarisierung brachte es mit sich, dass sogar Freizeitvereine und Wirtshausbesuche nach parteipolitischen Interessen geschieden wurden.

Die Heimwehr rekrutierte ihre Anhänger aus den bürgerlichen und bäuerlichen Schichten. Sie entwickelte eine Wehrbereitschaft gegen den angeblich drohenden Bolschewismus. Priester zeigten offen Sympathien für sie und wetterten gegen den „Gottlosen Sozialismus". Dem Schutzbund gehörten vorwiegend Arbeiter an. Dann gab es noch das Bundesheer, das von der politischen Führung im Sinne ihrer Ideologie instrumentalisiert wurde und das mit den Heimwehren dem Schutzbund gegenüberstand. Der von Dollfuß nach der Ausschaltung des Parlaments im März 1933 erfolgte Verfassungsbruch setzte an die Stelle des bisher herrschenden Systems die Diktatur. In der Folge wurde der Schutzbund, später auch die Kommunistische Partei und erst nach einem von vielen Terroranschlägen schließlich auch die Nationalsozialistische Partei (NSDAP) verboten. Die Wahrscheinlichkeit eines Bürgerkrieges stand im Raum und wurde durch die planmäßigen Aktionen der Staatsgewalt noch unterstrichen. Hausdurchsuchungen, eine systematische Verhaftungswelle der leitenden Funktionäre des Schutzbundes, sowie Maßnahmen zur Ausschaltung des Wehrpotentials des Schutzbundes fanden bereits im Jänner 1934 statt.

Es kam zum Februaraufstand - für die Sozialdemokraten ein letzter Verzweiflungsschlag ohne Aussicht auf Erfolg. Durch Fehlkommunikation innerhalb der Sozialdemokraten kam es zu unkoordinierten, von der Parteiführung nicht gewollten, kämpferischen Auseinandersetzungen zwischen dem Schutzbund und mit der, die Exekutive unterstützenden, Heimwehr. „Selbstaktivierungstendenzen an der Basis, gegen den ausdrücklichen Befehl der Wiener Leitung," nennt das der Historiker Mc Loughlin. Angehörige des Schutzbundes wehrten sich mit Waffengewalt, unterlagen aber gegen eine staatlich unterstützte Übermacht der Heimwehr. Während der Kämpfe kam es zu weiteren Todesopfern auf allen Seiten, auch Unbeteiligte starben. Insgesamt, so wird heute geschätzt, gab es 260 bis 280 Tote. Die Angehörigen des Schutzbundes wurden inhaftiert, neun von ihnen auch exekutiert.

 Hainfeld, Dezember 2023

DIE URSACHEN - VON SEUCHEN UND VERMEINTLICHE GRÜNDE
Über den Ursprung von Seuchen und Epidemien wird seit langem geforscht. Manches Rätsel ist noch nicht gelöst.
Die Pest ist die älteste bekannte Pandemie. Es ist nicht klar, ob es sich immer um die gleiche Krankheit handelt. In den Aufzeichnungen wird von ihr oder dem schwarzen Tod oder der Pestilenz gesprochen. Ihr Grad der Ansteckung ist unterschiedlich. Die Pest von 1679 im Bezirk Lilienfeld ist sehr ansteckend und tödlich. Die Pest im 19. Jahrhundert im asiatischen Raum ist weniger ansteckend und verläuft auch nicht immer tödlich. Die Cholera kommt 1830/31 das erste Mal aus dem asiatischen Raum nach Europa. Sie erreicht den Bezirk erst 1832. Bei der Spanischen Grippe herrscht bis heute Unklarheit über den Ursprungsort. Die ersten Fälle werden zunächst in den USA geortet. Neueste Forschungen lassen den Beginn auch in Frankreich oder China vermuten. Bei Corona wissen wir, dass das Virus erstmals in China aufgetaucht ist. Auch die Vogelgrippe und die Schweinegrippe wurden zuerst dort festgestellt.

 Hainfeld, Dezember 2023

VERSCHWÖRUNGSTHEORIEN - ALTE UND NEUE FEINDBILDER, GERÜCHTE UND HALBWAHRHEITEN
Menschen brauchen offenbar immer einen Schuldigen bei Krisen. Bei Epidemien steigt die Anfälligkeit für Irrationalität. So suchen die Menschen auch bei der Pest nach scheinbar Schuldigen. Irgendwoher muss das Unheil ja kommen. Volksgruppen oder Religionen werden dafür verantwortlich gemacht. Mit dem heute nur mehr symbolisch verwendeten Wort „Brunnenvergifter" werden damals ganze jüdische Gemeinden bezichtigt und ausgelöscht. Zu Zeiten der Cholera 1832 berichtet der Dichter Heinrich Heine aus Paris von todbringenden Gerüchten und einer Massenhysterie. Es werde verbreitet, dass die Menschen gar nicht an der Cholera sterben, sondern an Gift, das in alle Lebensmittel gestreut worden sei. Das münde darin, dass Menschen auf offener Straße vom Mob angegriffen, niedergeschlagen und sechs von ihnen ermordet werden. Ebenfalls zur Cholerazeit findet sich in der Stadtchronik von Stettin die Reaktionen der Menschen auf Maßnahmen der Behörden: „...die aufgeregte Menge stand, von einigen Unruhestiftern irre geleitet, in dem Wahn, dass man die Cholera und die Sicherungs-Maßregeln nur gebrauche, um den gemeinen Pöbel auszurotten."

Während der Spanischen Grippe macht ein Land ein jeweils anderes verantwortlich. Den feindlichen Ländern wird die Schuld an der Pandemie zugeschoben. Die Seuche geht schließlich in Europa als „Spanische Grippe" in die Geschichte ein. Das liegt erstaunlicherweise daran, dass das im I. Weltkrieg neutrale Spanien als einziges Land wahrheitsgetreu über die Krankheit berichtet. Im brasilianischen Satiremagazin Careta wird behauptet, die Behörden würden, „die Gefährlichkeit der Krankheit, die doch nur [...] alte Menschen dahinraffte, übertreiben, um eine Diktatur der Wissenschaft zu errichten und die Bürgerrechte mit Füßen treten zu können." „Schneller als das Virus verbreiten sich die Verschwörungsmythen darüber", heißt es heute. Die Neuen Medien und Social Media spielen hier eine bedeutende Rolle.

 Hainfeld, Dezember 2023

Josseline Engeler: The Crown of Creation.
(Die Krone der Schöpfung), Keramik glasiert, Kunstfell, Samt. Perg 2020.
Mit seiner Vorherrschaft auf dem Planeten Erde hat der Mensch für die Ausbreitung eines Virus gesorgt, das in seiner Form an eine Krone - Symbol für Macht - errinnert. Dieses Virus bestimmt und bedroht nun schon seit Monaten weltweit das Leben seiner eigenen Spezies. Das Genie des Menschen, das auch mit der Titulierung „Krone der Schöpfung" zum Ausdruck gebracht wird, wird durch die Arbeit „Crown of creation" augenzwinkernd in Frage gestellt.

 Hainfeld, Dezember 2023

RETTUNG DURCH SAUBERES WASSER - HYGIENEMASZNAHMEN VON PEST BIS COVID
Schon zu Zeiten der Pest wird versucht, ihre Verbreitung einzudämmen. Zumindest in den Städten spielt dabei der Ausbau gepflasterter Straßen eine wichtige Rolle. Sie lassen sich leichter von Unrat reinigen. Das engt den Lebensraum der Ratten ein, deren Flöhe diese gefährliche Krankheit verbreiten. In den Sommern des 15. Jahrhunderts kommt es verstärkt zum Auftreten von Insekten wie Fliegen und Stechmücken. Diese werden ebenfalls für Überträger des Pesterregers gehalten. Der Erzählung nach werden daraufhin in verschiedenen Ländern Bestimmungen erlassen. Zum Schutz vor den gefährlichen Insekten müssen sämtliche Essensgefäße und Getränkebehälter abgedeckt werden. So entstand auch der Deckel auf dem Bierkrug. Die Cholera erreicht das Kaisertum Österreich 1830. In der Region tritt sie erst 1832 auf. Man sucht weltweit nach den Ursachen und stellt fest, dass der Tod aus den mit Fäkalien, Unrat und Tierkadavern verunreinigten Brunnen kommt. Die Bedeutung sauberen Wassers wird erkannt.

Wien ist 1739 die erste Stadt Europas, die vollständig kanalisiert ist. Regenfälle führen aber zu Überlastungen und das schmutzige Wasser dringt in die Brunnen ein. 1830 werden deshalb als Abhilfe größere Sammelkanäle entlang des Wienflusses gebaut. Auch die Errichtung der Ersten Wiener Hochquellwasserleitung geht auf die gewonnenen Erkenntnisse zurück. Ihre Eröffnung findet 1873 am Schwarzenbergplatz in Wien statt. Der dortige Hochstrahlbrunnen erinnert sichtbar daran. Die Region Hainfeld steht nicht nach. Als Lehre aus der Choleraepidemie kommt es zur Errichtung von Wasserleitungen, Bädern und Kanälen. Zum Beispiel wurde die Kanalisation in Annaberg 1835 gebaut. In Hainfeld wird 1877 das Bad in Betrieb genommen. Es hat neben dem Freibecken auch ein Wannenbad. 1899 wird in Türnitz ebenfalls ein solches Bad eingerichtet. Die Wasserleitung in Annaberg stammt aus 1836, eine modernere in Hainfeld aus 1902, die in Josefsberg folgt 1907.


Anonym: Tödlein.
Mischtechnik, verm. Mitte des 18. Jhdt.
Wohl nach dem Vorbild des 1514 von Hans Leinberger nach einem Entwurf Hans Burgkmairs für Auftrag Kaiser Maximilians I. verfertigten Tödleins (Kunst- und Wunderkammer, Schloss Ambras)

Das Tödlein ist ein „Memento mori" und soll an den immer gegenwärtigen Tod erinnern. Memento-Mori-Darstellungen sind im Spätmittelalter und der Renaissance üblich. Pfeil, Bogen und Köcher weisen darauf hin, dass der Tod den Menschen jederzeit treffen kann. Die Rippen und die Knochen liegen teilweise frei, Hautfetzen und Kleiderreste zeigen die Verwesung an.

 Hainfeld, Dezember 2023

QUARANTÄNE UND LOCKDOWN - RÜCKZUGSVERORDNUNGEN VON PEST BIS COVID
Quarantäne ist eine vorübergehende Isolierung von Personen, die eine ansteckende Krankheit haben oder bei denen sie vermutet wird, um die Ausbreitung einer Epidemie zu verhindern. In Zeiten von Pest, Cholera und Pandemien sowie im aktuellen Geschehen begegnen sie uns wieder. Bei der Pestkatastrophe 1679 in Hainfeld und dem Bezirk kommt es zu keiner nachweislichen Quarantäne. Es werden aber Maßnahmen zur Vorbeugung gesetzt. So werden Neugeborene aus Rohrbach, Ramsau und Hainfeld sicherheitshalber in das von der Seuche unberührte Kleinzell zur Taufe gebracht. Die Pesttoten werden im Kirchental außerhalb des Ortes in einem Massengrab begraben. Das Pestkreuz erinnert an die Menschen, die hier immer noch liegen. In St. Veit werden Pesttote in einer Grube begraben, wo heute noch das Pestkreuz von Kropsdorf steht. Bei einer Überschwemmung kommen erst viel später die Skelette zum Vorschein. Anfang des 18, Jahrhunderts lässt Kaiser Karl VI. an der Grenze zum Osmanenreich im Süden einen Gebietsstreifen mit 2000 befestigten Beobachtungstürmen einrichten. An diesem Cordon Sanitaire (Gesundheits-Streifen) müssen alle Einreisenden 21 Tage in Quarantäne bleiben.

In der Zeit der Cholera 1832 werden im ganzen Land Sperrbereiche, die die Menschen nicht betreten oder verlassen dürfen, errichtet. Auf Zuwiderhandeln steht die Todesstrafe. Das hilft aber nichts. Schon damals hielten sich einige nicht an die Bestimmungen. Sie reisten trotzdem und verbreiteten die Krankheit. Bei Ausbruch der Spanischen Grippe 1918 ist noch der 1. Weltkrieg im Gange. Durch Truppenverschiebungen und Fluchtbewegungen wird das Virus großräumig weitergetragen. Die Krankheit wird zur Pandemie, wie sie die Welt in dieser Schnelligkeit und Drastik bis dahin nicht erlebt hat. Kurzfristig kommt es zur Schließung von Schulen, Theatern und Kinos. Jetzt, in der Coronazeit, sind verordnete Schutzmaßnahmen, Quarantäne, Lockdown und Social Distancing unsere Begleiter. Seit März 2020. Wie lange wohl noch?


Egon Schiele: Selbstbildnis
Bronze um 1917, Nachguss: 1980
1890-1918, prominentes Opfer der Spanischen Grippe

 Hainfeld, Dezember 2023

WUNDERMITTEL IMPFUNG UND MEDIKAMENTE
„MAN HÜTE SICH VOR ZORN, ÄRGER UND ANGST UND SETZE SEIN VERTRAUEN AUF GOTT."

IMPFUNGEN
Impfungen können uns heute gegen verschiedenste übertragbare Krankheiten schützen. Gegen die Pest gibt es sie erst seit 1890. Gegen Cholera wird heute nur in Ausnahmefällen eine Schluckimpfung verabreicht. Hygiene und Vorsicht im Umgang mit Wasser sind viel wirksamer. Die frühere Impfung wird in Österreich nicht mehr verabreicht. Gegen die Spanische Grippe und Covid 19 gab und gibt es (noch) keine Impfung.

IMPFGEGNER
Seit Beginn des 19. Jahrhunderts werden in Österreich Menschen gegen Pocken (Blattern) geimpft. Obwohl diese Erkrankung schlagartig zurück geht, sind die Menschen zunächst sehr skeptisch. Die Impfrate ist gering und so kommt es zu mehreren leichten und in den Jahren 1871 bis 1873 zu einer verheerenden Epidemie. In Deutschland wird 1869 eine Organisation von Impfgegnern gegründet. Auch die Sozialdemokratie stellt sich anfangs gegen das Impfen, weil damit echte Reformen von Lebens- und Arbeitsverhältnissen überflüssig wären. Religiös motivierte Impfgegner lehnen eine Impfung als künstlichen Eingriff in den menschlichen Körper als nicht von Gott gewollt ab. Priester jedoch helfen, das Vertrauen in die Impfungen zu fördern und rufen die Gläubigen auf, sich
impfen zu lassen.

MEDIKAMENTE UND WUNDERMITTEL
Gegen Seuchen und Epidemien kommen zu jeder Zeit verschiedene Mittel zum Einsatz. Als Vorbeugemittel gegen die Pest gilt zum Beispiel Essig, ein früher Vorläufer der Desinfektionsmittel. Die Stiftsherrschaft Lilienfeld erlässt 1831 „Vorschriften des Verhaltens in Betreff der grassierenden Seuche Cholera Morbus". Es soll mit Wacholder geräuchert und nicht zu stark geheizt werden. Man solle mit Essig aufgießen und nicht im Freien schlafen. Am gefährdetsten seien betrunkene Menschen. Pfeffer, Ingwer und Knoblauch sollten helfen. Zuletzt „hüte man sich vor Zorn, Ärger und Angst und setze sein Vertrauen auf Gott". Hausmittel und Wundermedizin sollen auch gegen die Spanische Grippe helfen. Das sehr angepriesene Aspirin ist leider wirkungslos und ist auch kaum zu bekommen. In der Coronakrise lernen die Ärzte weltweit, immer besser auf die Erkrankten einzugehen. Ihnen lässt man die bestmögliche Behandlung und Pflege angedeihen und erreicht damit in vielen Fällen ihre Genesung. Auf heilende Medikamente warten wir aber noch.

 Hainfeld, Dezember 2023

WIE KAM DIE PEST 1679 ZU UNS?
DER HOF REISTE ZUR GNADENMUTTER NACH MARIAZELL UND BRACHTE DEN TOD IM GEPÄCK.
Kaiser Leopold I. und seine Gemahlin, Kaiserin Eleonore Magdalena, flüchten vor der Pest aus Wien nach Linz. Die Reise führt sie über Mariazell, wo sie die Gottesmutter um Beistand gegen die Seuche bitten wollen. Reisen des kaiserlichen Hofes werden immer genau vorbereitet. Dazu reitet eine Vorhut voraus, die die Sicherheit der Wege und die Raststationen erkundet. So auch diesmal. Jetzt aber reitet mit der Vorhut auch die Pest mit. Einige, diesem Vorauskommando Angehörige, tragen die Krankheit schon in sich, was niemand weiß. Und sie verbreiten sie auf dem Weg.

Für Annaberg gibt es dazu Hinweise. Eva, die Frau eines kaiserlichen Sesselträgers namens Hans Georg Heindl, wird bereits am 11. August 1679 hier begraben. Auch „die edle Jungfrau Anna Maria Langmandl, Kammerjungfrau" der Oberst-Hofmeisterin der Kaiserin Eleonora stirbt an der Seuche. Sie wird am 8. September 1679 begraben.
Aber auch die Oberst-Hofmeisterin selbst, Gräfin Maria Franziska von Harrach, kommt nicht lebend davon. Ihr Grabstein in der Kirche und auch der Eintrag im Sterbebuch zeugen davon. Zwar wird hier bei keiner die Pest als Todesursache genannt, aber Zeitpunkt, Ort und die Häufung der Todesfälle im kaiserlichen Gefolge legen diese Erkrankung sehr nahe.

Auf der in den Boden in der Mitte des Kirchenschiffs vor dem Kommuniongitter eingelassenen Grabplatte der Gräfin steht: „Anno 1679, dem 4ten Septembris ist in Gott seelig entschlafen die Hoch und wohlgebohrne Frau, Frau Maria Francisca Gräfin v. Harrach, gebohrne Fürstin von Eggenberg Herzogin zu Krumau, Ihro königlich Kayserlichen Majestätt der regierenden Kayßserinn Eleonorae Magdalena Theresia erste Oberste Hofmeisterin, welcher Gott die ewige Ruhe verleihe." Das Begräbnis findet am 9. September statt. Der Chronik Annabergs von Franz Hochreiter kann entnommen werden, dass bis November insgesamt 61 Menschen an der Pest sterben, und der Großteil von ihnen außerhalb des Friedhofes begraben wird.


SCHUTZMASZNAHMEN - MASKEN UND ANDERE KLEIDUNGSSTÜCKE
Ärzte tragen in der Pestzeit Schutzkleidung, um sich selbst vor Ansteckung zu schützen. Dazu gehören Maske, Brille, Handschuhe und ein Umhang oder Mantel. In die Nasenöffnungen der Maske werden Kräuter wie Wacholder oder Kampfer gestopft. Das macht die unangenehmen Gerüche erträglicher. Gleichzeitig wird angenommen, dass die Kräuter die Luft reinigen. So will man Ansteckung verhindern. Um möglichst viele Kräuter verwenden zu können, müssen die Öffnungen groß sein. Daraus entwickelt sich die Schnabelform. Sie ermöglicht besonders große Nasenlöcher. Die Form der Masken kennen wir nur aus einigen Abbildungen aus Rom und Marseille. Zu diesen Bildern gibt es auch Beschreibungen. Unsere Vorstellung vom „Pestdoktor" ist von diesen typischen Zeichnungen und Texten geprägt. Ähnliche Masken werden bis heute beim Karneval in Venedig getragen. Der Zusammenhang mit der Maske des Pestarztes scheint gegeben. Bis heute konnte das aber noch nicht genauer geklärt werden.


Bitte Abstand halten! (The distance between us can't be filled by a herd of elephants anymore).
MNS Vliesmasken auf Drahtgestell Matija Kac, 2020

Der Babyelefant als sich durch Absurdität und Witz in den Köpfen der Österreicher*innen festzusetzendes Symbol von einer Werbeagentur Anfang des Jahres 2020 ins Leben gerufen, um ein Bewusstsein für das „Social Distancing" während der Corona-Pandemie zu schaffen, trägt hier als Haut fast 200 Einwegmasken. Die Maske als Symbol der Solidarität für die einen und als Symbol der Unterdrückung für die anderen, welche gegen Anfang der Pandemie ein gar knappes Gut am Weltmarkt war und jetzt neben Zigarettenstummeln und Gratiszeitungen am Trottoir das Straßenbild der Stadt prägt. Hier in einem Kunstobjekt von ihrer eigentlichen Funktion zweckentfrerndet um die dicke, nahezu undurchdringbare Haut eines Elefanten nachzuahmen, stellt sie unweigerlich dem/der Betrachter in die Frage nach der Verschwendung in Zeiten einer weltweiten medizinischen Krise und reproduziert den Überfiuss der „Gewinner*innen" und Profiteur*innen ebendieser.

 Hainfeld, Dezember 2023

Sammlung historischer Trinkgefäße
Nach der schrecklichen Zeit der großen Pestilenz im 14. Jahrhundert waren die Menschen gierig darauf, das Leben in vollen Zügen zu genießen. Dazu gehörte neben dem reichlichen Essen natürlich auch das oft reichliche Trinken. Wein und Bier waren dabei je nach Region die wohl wichtigsten Getränke und waren Bestandteil von Festen und Ritualen, wie z. B. dem „Zutrinken" nach einem erfolgreichen Geschäfts- oder Vertragsabschluss.

Aber die Menschen mochten es auch, ihre Trinkgefäße möglichst schön gestalten zu lassen und dadurch ihren Stand, Wohlstand und Erfolg auszudrücken. Begabte Zinngießer, Gold- und Silberschmiede, Töpfer und Glasbläser sowie Maler, Ziseleure und Glasschneider fertigten wahre kleine Kunstwerke für ihre Auftraggeber. Viele dieser wunderschönen Trinkgefäße hielten sich in abgewandelter Form bis in das späte 19. Jahrhundert. Eine Auswahl solcher Trinkgefäße kann im Museum Historischer Bierkrüge bewundert werden.

 Hainfeld, Dezember 2023

Bierkrüge, Humpen, Kannen, Trinkgefäße (1500 bis 1950)
Unterschiedliche Trinkgefäße für Bier; Materialien: Holz, Steinzeug, Steingut, Zinn, Glas, Porzellan u. a.; bekannte Produktionsstätten: Rheinland (Köln, Frechen, Siegsburg, Raeren u. Westerwald), Creussen, Sachsen, Schlesien, Nürnberg, Bayreuth, Thüringen, Bayrischer Wald, Böhmen etc.; erzeugt und in Gebrauch: zwischen 1500 und 1950

 Hainfeld, Dezember 2023

Bier spielte schon in frühesten Zeiten (z. B. bei den Sumerern) eine bedeutende Rolle. Es war ein fast lebenswichtiges Getränk im Mittelalter und wurde auch von Kindern und Frauen getrunken. Es gehörte zur Beköstigung der Mönche, der Gesellen, der Studenten, der Landsknechte und der Hofbediensteten. Der Besitz des Braurechtes war oft eine grundlegende Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg einer Stadt. So feierte Dortmund 1993 den Erhalt des Braurechtes durch König Adolf von Nassau im Jahr 1293. Ein neuzeitlicher Krug erinnert an dieses für die Stadt Dortmund wichtige, geschichtliche Ereignis. Auch viele andere Städte bemühten sich um das Braurecht. Laut einem Berufsverzeichnis gab es um 1460 allein in Hamburg vierhundertachtundfünfzig Brauer und mehr als einhundert Böttcher. Bier wurde sogar schon damals aus den Hansestädten bis nach Indien exportiert. Die Brauereien gaben vielen anderen Berufszweigen und Menschen Arbeit und stellten somit einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar.

Bier wurde in Holzfässern gelagert und transportiert, in Schenkkannen serviert und aus verschiedensten Gefäßen getrunken. Diese Trinkgefäße waren entweder aus Holz, Steingut, Steinzeug. Zinn, manchmal auch aus Glas oder aus Edelmetallen. Krüge aus Steinzeug entwickelten sich bald als sehr praktische und daher viel produzierte Form der Trinkgefäße. Waren frühe Trinkkrüge noch einfache, schmucklose und zweckmäßige Gefäße, so änderte sich dies sehr bald. Das gestalterische Bestreben des Menschen führte dazu, auch Trinkkrüge künstlerisch zu gestalten und zu verschönern. Trinkkrüge wurden nicht nur zum Konsumieren von Getränken verwendet, sondern auch sehr gerne für Repräsentationszwecke. Sie wurden damit auch zu Symbolträgern von Macht, Reichtum und gesellschaftlichem Stand der jeweiligen Besitzer. Besonders Prunkkrüge der Renaissance z. B. aus gebranntem Töpferton, mit ihren Formen und ihrer Farbenpracht beeinflussten viele spätere Kunsthandwerker in ihren Arbeiten. Ein Beispiel dafür ist Reinhold Hanke, einer der bekanntesten Erzeuger von Steinzeugkrügen des Westerwaldes im Historismus. Er führte die in Vergessenheit geratenen Formen und Dekorationstechniken der Renaissance wiederum ein und produzierte Steinzeugkrüge im altdeutschen Stil.

R. Hanke wurde 1876 zum Hoflieferanten „Ihrer Majestät der deutschen Kaiserin" ernannt und gewann bei vielen nationalen und internationalen Ausstellungen des Kunstgewerbes Auszeichnungen. Er produzierte bis 1882 ausschließlich graues und blaubemaltes Steinzeug und danach auch das sogenannte Elfenbeinsteinzeug, welches sich neben Blau auch in Braun- und Grüntönen bemalen ließ. Zu Hankes Konkurrenten gehörten die bekannte Westerwälder Manufaktur Merkelbach & Wick; aber auch die Firmen Hauber & Reuther; Marzi & Remy; Simon Peter Gerz; Mettlach und Dümler & Breiden, welche auch ehemalige Mitarbeiter von Hanke waren. Diese Firmen produzierten Bierkrüge aus Steinzeug in der Zeit zwischen 1850 und 1910, welche unter Sammlern als die „goldene Ära" der Bierkrugerzeugung bezeichnet wird. Viele der Bierkrüge des MHB stammen aus diesen Manufakturen.

 Hainfeld, Dezember 2023

Bierkrugabdeckungen als Deckelkunst

 Hainfeld, Dezember 2023

Brauereikrüge
0,4, 1/2 und 1L; Typ. Materialien sind Steinzeug, Elfenbein- und Feinsteinzeug, Glas, hauptsächlich mit Ritz- oder Stempeldekor (Brauereinamen oder Symbol) oder Emailbemalung; bekannte Produktionsstätten: Westerwald (insbes. R. Merkelbach), Bayern, Mettlach; erzeugt und hauptsächlich verwendet: zwischen 1860 und 1940

 Hainfeld, Dezember 2023

Die Bierbrauereien und Braustätten waren verständlicherweise die ersten, die ganz speziell Trinkgefäße für ihre Gäste erzeugen ließen. Diese Bierkrüge mussten natürlich robust und praktisch sein und dafür eigneten sich salzglasierte Steinzeugkrüge am besten. Sie waren relativ billig in der Erzeugung, robust und bei normaler Verwendung kaum zu zerbrechen und auch leicht zu reinigen. Dabei war es damals auch durchaus üblich, dass viele Gäste ihre persönlichen Trinkgefäße mit sich führten und aus diesen tranken. Genau so war es auch oft üblich, dass sich mehrere Gäste ein Trinkgefäß teilten, das heißt, ihr Bier aus einem gemeinsamen Trinkgefäß tranken. Sehr oft wurden damals auch große Schenkkannen und riesige Krüge verwendet, welche dann die Runde machten und so geleert wurden.

Erst im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts, entdeckten die Brauereien den Bierkrug als Werbemittel. Seit ungefähr 1870 wurden die im Westerwald, vorwiegend von der Firma Reinhold Merkelbach, hergestellten, grauen und salzglasierten Steinzeugkrüge als typische Brauereikrüge verwendet. Diese Krüge, die so genannten Masskrüge, wurden mit Zinndeckeln versehen, auf denen vorerst nur der Name der Brauerei und später auch das jeweilige Firmenemblem eingeprägt wurden. Ab 1880 wurden in die Krüge selbst, die Namen der Brauereien und später auch deren Firmensymbole anfangs händisch eingeritzt oder später eingestempelt. Anfänglich wurden die Krüge nur mit kobaltblauer bzw. später auch durch das in Mode kommende Umdruckverfahren mit leuchtenden Emailfarben bemalt und gebrannt. Die Firmensignets wurden oft von damals bekannten Künstlern entworfen und gestaltet. So ließ zum Beispiel die Münchener Spaten Brauerei ihr heute so bekanntes Firmenzeichen vom Künstler Otto Hupp entwerfen, während das Firmensignet des Franziskaner-Bräu vom Grafiker Ludwig Hohlwein entworfen wurde. Damit wurde eine Entwicklung eingeleitet, an deren Ende die heute so begehrten, oftmals mit schönen Emailfarben, bemalten Bierkrüge standen. Die Beschriftung und Dekoration der Krüge erfolgte durch so genannte Veredelungsbetriebe, von denen die meisten in München ansässig waren, wie zum Beispiel die Firma Martin Pauson.

 Hainfeld, Dezember 2023

Neben Brauereikrügen aus Steinzeug wurden auch Brauereikrüge aus Pressglas hergestellt, nach einem Verfahren, welches ab ungefähr 1870 das bis dahin erzeugte, in Holzmodelformen geblasene Glas ablöste. In diesem Zusammenhang war vor allem die Firma Sachsen Glas in Ottenforf-Okrilla bekannt für ihre ziemlich robusten Brauereiglaskrüge. Die Namen der jeweiligen Brauereien finden sich oft auf dem Boden dieser Glaskrüge. Auch diese Krüge wurden oft mit Zinndeckeln versehen, auf denen das Firmensignets der Brauereien geprägt waren. Manche Brauereien ließen auch solche Glasbierkrüge in Emailfarben mit ihrem Firmenemblem versehen. Solche Krüge sind heute ebenso begehrte Sammlerstücke wie die alten Bierkrüge aus Steinzeug.

 Hainfeld, Dezember 2023

Erinnerungs- und Jubiläumskrüge
Typische Materialien: Stein- und Elfenbeinsteinzeug, Feinsteinzeug, Glas, Porzellan, Zinn und Silber, emailbemalt oder mit Reliefdekor; bekannte Produktionsstätten: Westerwald (z. B. Marzi u. Remy), Thüringen, Österreich und Sachsen; erzeugt, aber nicht unbedingt auch verwendet: zwischen 1860 und 1950.

 Hainfeld, Dezember 2023

Diese Art der Andenkenkräge wurden erzeugt um an spezielle Ereignisse oder Jahresdaten zu erinnern. Diese Ereignisse oder Jahresdaten konnten sich sowohl auf öffentliche Ereignisse (z. B. Krönung eines Monarchen; Erklärung des Stadtrechtes etc.) als auch auf private bzw. nicht öffentliche Ereignisse (z. B. Hochzeit; Sängerfest; Turnerfest; Geburtstag; Firmenjubiläum etc.) beziehen.

Bekannte Beispiele dafür sind die Festkrüge des Oktoberfestes, welches erstmals im Jahr 1810 gefeiert wurde. Am 12. Oktober dieses Jahres heiratete Kronprinz Ludwig, der spätere König Ludwig I. die Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen. Zu diesem Anlass wurden besondere Trinkkrüge erzeugt, welche für den heutigen Sammler von großem Wert sind. Seitdem findet nicht nur jährlich das mittlerweile berühmte Oktoberfest statt, sondern es werden auch dazu spezielle Oktoberfestkrüge produziert, die an das jeweilige Fest erinnern sollen.
Es gibt auch Erinnerungskrüge von Gewerbe- und Kunstausstellungen oder zu wichtigen Jahresdaten und politischen Ereignissen wie z. B. die berühmt gewordene Reichstagsrede von Otto von Bismarck am 06. Februar 1888, von der ein wunderschöner Charakterkrug mit dem Portrait Bismarcks und seiner Kernaussage zeugt.
Andere Beispiele von Erinnerungskrügen sind die von Sammlern begehrten Krüge von Sängerbundesfesten und Turnerfesten oder von großen Schützenfesten. Auch hier erkennt man die Krüge bzw den Anlass ihrer Erzeugung an typischen Symbolen und Spruchbändern.

 Hainfeld, Dezember 2023

Typische Erkennungsmerkmale sind die Portraits von Turnvater Jahn mit dem Turnergruß „All Heil" oder die Symbole der Sänger, wie Harfe, die Muse, Stimmgabel bzw. Dreizack oder die Zielscheibe und passende Spruchbänder. Weitere Beispiele sind die Erinnerungskrüge von Gründungsjubiläen z. B. von Firmen oder Institutionen, Dienstjubiläen, Weihnachtskrüge mit Widmungen oder Geburtstage.

 Hainfeld, Dezember 2023

Vereinskrüge
Typische Materialien: Stein- und Elfenbeinsteinzeug, Feinsteinzeug, Glas oder Porzellan, mit Reliefverzierungen und Rolldekor oder Emailbemalung mit Vereinssymbolen, teilweise mit Widmungen und typischen Sprüchen; bekannte Produktionsstätten: Thüringen, Westerwald, Böhmischer und Bayrischer Wald; hergestellt und oft kaum in Verwendung: zwischen 1880 und 1940

 Hainfeld, Dezember 2023

Menschen neigen schon seit jeher dazu, sich im Verein mit anderen, in sportlicher oder künstlerischer oder gestalterischer Hinsicht zu betätigen. Dementsprechend stark ausgeprägt war auch das Vereinswesen schon im 19. Jahrhundert. So gab es schon um 1840 den großen und berühmten Wiener Männergesangsverein, für den sogar Johann Strauß später ein Musikstück komponiert hat und von dem ein schöner Bierkrug des 1. Tenors des Gesangsvereines im Museum ausgestellt ist. Es gab neben den vielen Musiker- und Gesangsvereinen auch Turnvereine; Kegelvereine, Radfahrervereine, Schachspielervereine, Kartenspielervereine und sogar Rauchervereine. Viele dieser Vereine ließen sich für ihre Mitglieder auch Krüge bzw. Bierkrüge gestalten und bemalen und mit ihren Vereinssymbolen oder mit einer eigenen Widmung versehen.

 Hainfeld, Dezember 2023

Wie für andere gesellschaftliche Gruppen zum Beispiel für die Zünfte und Stände oder die Studenten gibt es auch hier fallweise Figurenkrüge, welche ganz speziell markante Symbole der jeweiligen Vereine darstellen. So ist zum Beispiel ein Figurenkrug in Form eines Kegels, mit bildlichen Darstellungen von Kegelaktivitäten ein typischer Vereinskrug von passionierten Keglern aus dieser Zeit. Ein Symbol, welches sich besonders oft auf Sportvereinskrügen findet, ist ein Portrait von „Turnvater Jahn", dem Begründer der deutschen Turnbewegung. Sein Portrait ist sehr oft in Kombination mit den bekannten Turnergruß „Frisch, fröhlich, frei" oder „All Heil". Andere Vereinskrüge sind jene von Musiker- und Gesangsvereinen.

 Hainfeld, Dezember 2023

Westerwälder Steinzeugkrüge, Humpen und Kannen
Elfenbeinsteinzeug (vorwiegend Historismus- und Jugendstil und später) Material: salzglasiertes Steinzeug, gebrannt aus Westerwälder Ton; durch neue Brandtechnik elfenbeinbrauner Farbton; dadurch sind neben Kobaltblau, auch Farbtöne in Grün, Braun, Manganviolett, Mangan und Schwarz möglich; verschiedene Reliefdekore mit Genreszenen oder Sprüchen, teilweise bemalt; hergestellt und verwendet zwischen 1880 und 1950

 Hainfeld, Dezember 2023

Westerwälder Steinzeugkrüge, Humpen und Kannen
Graues Steinzeug („Altdeutscher Stil" bzw. „Historismusstil" u. tw. später) Material: hoch gebrannter Ton aus dem Westerwald, graues und graubraunes, salzglasiertes Steinzeug teils mit kobaltblau bemalten Reliefdekors, teils unbemalt (Westerwälder „Modelkrüge" bzw. „gepresste Kännchen"); Kartuschen mit Trinksprüchen und Symbolen, tw. mit Zwergmotiven und klassizistischen, geometrischen bzw. auch figürlichen Darstellungen und Genreszenen; erzeugt und in Verwendung zwischen 1840 und 1920

 Hainfeld, Dezember 2023

Steinzeug ist ein keramisches Produkt mit einem farbigen, harten Scherben, der auch ohne Glasur wasserundurchlässig ist. Seine Undurchlässigkeit erhält das Steinzeug durch den Brand zu besonders hohen Temperaturen von über 1200 Grad. Dadurch wird die verwendete Tonerde zum „Sintern" gebracht, das heißt zusammengebacken (daher Westerwald oder Kannenbäckerland) und wasserundurchlässig. Die Salzglasur dient hier im Prinzip nur zur Verschönerung und Belebung der dadurch seidig glänzenden Oberfläche. Die Salzglasur ist im Gegensatz zur früher verwendeten Bleiglasur auch nicht gesundheitsschädigend. Steinzeug ist außergewöhnlich hart und ziemlich stoẞunempfindlich, weswegen es wahrscheinlich auch gerne für Brauereikrüge verwendet wurde.
Die auf der Töpferscheibe aufgedrehten Gefäße wurden vor dem Brand an der Luft „lederhart" getrocknet. Danach wurden die Zusatzteile, wie Henkel und Reliefauflagen mit Tonschlicker angeklebt oder der Dekor wurde eingeritzt bzw. gestempelt.

Richtig vollständig gesintertes Steinzeug gibt es erst seit dem späten Mittelalter, aber schon im 13. Jahrhundert gelang es Töpfern in den rheinischen Töpfereizentren geeigneten Ton durch höhere Temperaturen zum Sintern zu bringen. Mit der Erfindung der Salzglasur im 15. Jahrhundert in Köln, begann eine Blütezeit der rheinischen Steinzeugzentren in Köln, Frechen, Siegsburg, Raeren und des Westerwaldes. Andere berühmte Töpfereizentren entstanden auch in den sächsischen, fränkischen und schlesischen Gebieten in den neben der geeigneten Tonerde auch die notwendigen Kunsthandwerker zu finden waren. Ab dem 16. Jahrhundert wurden zusätzlich zur Gebrauchsware der bäuerlichen und kleinbürgerlichen Haushalte auch Steinzeuggefäße von eleganterem und künstlerisch anspruchsvollerem Äußeren erzeugt. Von nun an wurden Steinzeugkrüge auch für repräsentative Zwecke verwendet und auch in zahlreiche Länder exportiert.

Seine erste Blütezeit erlebte der Westerwald nach der Erfindung der Salzglasur durch kölnische Töpfer in der Mitte des 15. Jahrhunderts. Diese erste Blütezeit dauerte bis ins 18. Jahrhundert. Die zweite Blütezeit des Westerwaldes begann dann in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Ausgelöst wurde diese Entwicklung durch die seit der Reichsgründung steigende Nachfrage nach Artikeln, die im altdeutschen Stil dekoriert waren. Einer der Schlüsselfiguren in dieser Zeit des Historismus war der aus Böhmen zugewanderte Reinhold Hanke. Er führte die mittlerweile in Vergessenheit geratenen Formen und Dekorationstechniken der Renaissance wiederum ein und hatte damit beachtlichen Erfolg. So musste er unter anderem für die Burg Eltz Krüge und Humpen im altdeutschen Stil produzieren, was eine ständig steigende Nachfrage nach solchen Krügen auslöste.

 Hainfeld, Dezember 2023

Um der Nachfrage gerecht zu werden, gründete Hanke 1868 die „Fabrik altdeutscher Steingut-Krüge" in Höhr-Grenzhausen. Als gelernter Töpfer und Formengießer entwickelte er Gipsformen, in welche Auflagenmotive bereits eingearbeitet waren. Von nun an wurden die Krüge per Hand oder mit Hilfe einer Schablone in die von Hanke entwickelten Gipsformen eingedreht und somit der Reliefdekor in gleich bleibender Qualität auf die Wandung der Trinkgefäße übertragen. Dies war der Anfang der preisgünstigen Serienproduktion und Manufaktur. Die von der Steinzeugfabrik hergestellten Produkte graues Steinzeug mit kobaltblauer Bemalung in Reliefform erfreuten sich immer größerer Beliebtheit und wurden auch bei diversen nationalen und internationalen Ausstellungen ausgezeichnet und bis nach Amerika exportiert. Reinhold Hanke wurde 1876 zum „Hoflieferanten Ihrer Majestät der deutschen Kaiserin" ernannt.

Bis etwa 1882 stellte die Steinzeugfabrik nur graue, blau bemalte Steinzeuggefäße her. Ab 1882/1883 gelang es, durch die Entwicklung eines Rundofens mit überschlagender Flamme ein gelbliches bzw. elfenbeinfarbenes Steinzeug, das sogenannte Elfenbeinsteinzeug zur erzeugen. Dieses ließ sich nun neben dem herkömmlichen Kobaltblau auch in Braun- und Grüntönen bemalen. Natürlich waren auch andere Steinzeugfirmen nicht untätig und begannen nach den Erfolgen Hankes mit der Erzeugung von Krügen im altdeutschen Stil. So begannen ehemalige Mitarbeiter Hankes, Dümler und Breiden ab 1883 und Rosskopf und Gerz ab 1901 mit eigenen Firmen mit der Herstellung von Steinzeugkrügen in diesem Stil. Die Firma Merkelbach und Wick begann bereits 1872 mit der Produktion von Steinzeugkrügen im Historismusstil und fand mit ihren Produkten bei der Wiener Weltausstellung 1873 größte Beachtung.

Die Produkte all dieser Westerwaldfirmen waren sich natürlich sehr ähnlich. Die Krüge wurden mit Wappen, Bauerntänzen, Jagdszenen, Allegorien, gotischen Spitzbögen und barocken Rocaillen verziert. Besonders beliebte Reliefauflagen waren die Motive damals bekannter Maler wie Defregger und Hugo Kauffmann, Wirtshausszenen, Trinksprüche, Ritter, Landsknechte u. a. Neben den oben beschriebenen Steinzeugkrügen, wurden zwischen 1850 und 1900 im Westerwald auch sogenannte Modelkrüge erzeugt. Diese Steinzeugkrüge sind graue bzw. graubräunlich, salzglasierte und mit einem Reliefdekor verzierte Krüge, die durch das Hineinpressen in mehrteilige Formen aus Messing (Modeln) produziert wurden. Sie werden irrtümlicherweise oft als Regensburger Modelkrüge bezeichnet, da eine der bekannten Firmen (Fritz Thenn, Produktion 1874 bis 1886) solche Krüge am Firmenstandort Regensburg produzierte. Es gab aber im Westerwald an die 15 kleinere Firmen, welche solche Krüge, die in ihrer Einfachheit durchaus ansprechend und vor allem sehr robust sind, in großer Stückzahl erzeugten.

 Hainfeld, Dezember 2023

Gambrinus und Bier - Interessantes und Merkwürdiges zum Thema Gambrinus Bier
Wussten Sie eigentlich, dass
.) die Herstellung von Bier erstmals vor cirka 10000 Jahren, vermutlich zufällig, durch feuchtes, gärendes Brot gelang?
.) die Sumerer (4000 bis 1800 vor Christus) neben der Erfindung der Keilschrift, Bier systematisch brauten und somit als "Urväter" der "Brauerei" gelten?
.) das 1. Schriftliche Dokument zum Brauverfahren den Sumerern zu verdanken ist und dieses Dokument ca. 6000 Jahre alt ist?
.) jeder Sumerer, je nach Standeszugehörigkeit, Anspruch auf sein tägliches Bier hatte (2 bis 7 Kannen) und seine Kirchensteuer in Bier zu bezahlen hatte?
.) schon Babylons bedeutender König Hamurabi (1728 bis 1686 vor Christus) die Bedeutung des Bieres erkannte und dementsprechende Gesetze erließ?
.) Bier sowohl als Göttertrank für Opfergaben, als Stimulierungstrank der Priester und zur Herstellung von Heilmitteln verwendet wurde?
.) bei den Ägyptern auf Bierbrauen schon ein Staatsmonopol bestand, das Bier selbst aber genau nach Status geregelten Mengen unentgeltlich an Bürger abgegeben wurde?
.) Beamte, Offiziere und Soldaten hauptsächlich in Brot und Bier bezahlt wurden und ihr Bier durch Röhren schlürften oder vorher siebten?
.) der römische Kaiser Flavius Valenz (4. Jhdt.) Bier sehr mochte, besonders das "Sabaium" aus dem heutigen Österreich, welches den Namen Sabazious oder Sabos, dem Gott der Thraker verdankte?
.) um 1500 v. Chr. auch in Mitteleuropa aus Fladenbrot Bier gebraut wurde und die alten Germanen spätestens um 800 v. Chr. wenn nicht schon früher zu brauen verstanden?
.) die Germanen begannen Getreidekörner nicht zu backen, sondern sie keimen und trocknen zu lassen, um dann damit Bier zu brauen?
.) Karl der Große (8. Jhdt.) Bier schon als Getränk und als gute Einnahmenquelle schätzte und daher eigene Brauereien betrieb?
.) Bierbrauen lange Zeit Hausfrauensache war, bevor es von den Klöstern und bürgerlichen Brauereien professionell betrieben wurde?
.) die Braukunst vor allem in den Klöstern hoch entwickelt wurde und die Braurezepte meist nur den Äbten bekannt waren?
.) Hopfen relativ spät (um 1150 in Weihenstephan) zur Verbesserung und Haltbarkeit des Bieres verwendet wurde?
.) die älteste Klosterbrauerei vom irischen Mönch Columban und seinem Schüler Gallus (Anfang 7. Jhdt.) am Bodensee (St. Gallen) gegründet wurde?
.) die entstehenden Klosterbrauereien durch eigene Landwirtschaften, Steuerfreiheit und fast kostenlose Arbeitskräfte einen enormen Wettbewerbsvorteil gegenüber den bürgerlichen Brauern hatten?
.) im Hochmittelalter über 500 Klosterbrauerein existierten bis Herzöge und Könige aus Steuergründen an immer mehr Städte und Brauherrn die Braugerechtigkeit verliehen und so deren Aufschwung einleiteten?

 Hainfeld, Dezember 2023

 Hainfeld, Dezember 2023

 Hainfeld, Dezember 2023

 Hainfeld, Dezember 2023

 Hainfeld, Dezember 2023

 Hainfeld, Dezember 2023

 Hainfeld, Dezember 2023

Figuren und Charakterkrüge
Typische Materialien: Steinzeug, Elfenbein- und Feinsteinzeug, Porzellan; bekannte Produktionsstätten: Westerwald (z. B. Merkelbach u. Wick), Thüringen (Bohne u. Söhne) Mettlach (Villeroy u. Boch); erzeugt zwischen 1850 und 1950; kaum als Gebrauchsgefäße verwendet

 Hainfeld, Dezember 2023

Wie Felsenbilder und Höhlenzeichnungen zeigen, trieb schon seit Urzeiten der künstlerische Instinkt den Menschen dazu, Erscheinungen der Natur nachzuahmen und festzuhalten. Auch Töpfereinarbeiten aus frühesten Zeiten zeugen von diesem Bestreben des Menschen, Erscheinungen der Natur zu modellieren. Nicht allzu lange, nachdem die Töpferei dazu übergegangen war, Gebrauchsgegenstände, wie Töpfe, Schüsseln und Krüge etc. zu erzeugen, lenkten sie ihren künstlerischen Gestaltungsdrang auch darauf und begannen, Gebrauchsgegenstände in Form von verschiedensten Figuren und charakteristischen Darstellungen zu erzeugen. Als im Europa des 13. Jahrhunderts die Steinguterzeugung ihren Aufschwung nahm, begann gleichzeitig neben der künstlerischen Gestaltung von verschiedensten Gefäßen auch die Erzeugung von figuralen Gefäßen ihren Aufschwung und erlebte damit ihre Wiedergeburt.

Neben den berühmten Bartmannkrügen und den Eulenkrügen aus dem 16. Jahrhundert, ist der Brixener Eulenpokal, der vermutlich um 1540 erzeugt wurde, der erste echte Charakterkrug, der speziell als Trinkgefäß erzeugt wurde. Allerdings dauerte es dann doch bis Mitte des 19. Jahrhunderts (ungefähr 1850) dass die Erzeuger von Steinzeug- bzw. Bierkrügen ganz speziell Charakter- und Figurenkrüge zu erzeugen begannen. Ab dieser Zeit wurden nämlich Gefäße auch in Modeln geformt. Die so erzeugten Figurenkrüge repäsentierten entweder bestimmte Tiere, wie Eulen, Widder etc. oder menschliche Köpfe, meist berühmter Menschen oder Menschen mit einer charakteristischen Ausstrahlung, aber auch die Figuren von Mönchen und Nonnen, die Nachbildungen bekannter Bauwerke, wie den Nürnberger Turm oder die Münchner Frauenkirche oder verschiedenste mythologische oder bedeutsame Darstellungen wie z. B. das Münchener Kindl oder der Totenschädel auf dem
Commersbuch. Die Darstellungen dieser Trinkgefäße bezogen sich fast ausnahmslos auf Dinge, die für die Menschen der damaligen Zeit oder für die Besitzer der jeweiligen Figurenkrüge von besonderer Bedeutung waren.

Die ersten richtigen Figurenkrüge waren z.B. Totenschädel aus Porzellan, die von der Firma Bohne und Söhne in Thüringen erzeugt wurden. Diese Schädel wurden besonders von Medizinern und Medizinstudenten sowie von Gelehrten und Mitgliedern der Geheimbünde gekauft. Zwischen 1870 und 1880 begannen dann auch andere bekannte Manufakturen von Steinzeugkrügen damit, schöne Figuren- und Charakterkrüge zu erzeugen. Zu diesen Firmen gehörten Merkelbach und Wick, Reinhold Hanke; Dümler & Breiden; Simon Peter Gerz, Marzi und Remy und später auch Villeroy & Boch aus Mettlach. Zur absoluten Berühmtheit unter Sammlern brachten es die Porzellanfigurenkrüge der Firma Schierholz in Plaue/Thüringen, welche heute zu den begehrtesten Objekten fachkundiger Sammler zählen. Zwei bekannte und auch lustig anzusehende Charakterkrüge von Schierholz sind der lachende und der traurige Rettich. Aber die wohl berühmteste Charakterfigur, welche auch auf vielen Andenkenkrügen gezeigt wird, ist jene des Münchener Kindls. Das Münchener Kindl ist die künstlerische Darstellung eines Mönches, der wiederum in der Gründungscharta der Stadt München, die ja von Mönchen gegründet wurde, eine wichtige Rolle darstellt.

 Hainfeld, Dezember 2023

Zunft- und Standeskrüge
Typische Materialien: Porzellan, Steinzeug- und Feinsteinzeug, Glas - meist mit Emailbemalung, manchmal mit Reliefdekor, seltener aus Zinn; bekannte Produktionsstätten: Westerwald, Mettlach, Böhmen, Bayern, Sachsen; erzeugt und auch teilweise in Gebrauch: zwischen 1840 und 1940

Zunft- und Standeskrüge wurden schon so früh wie im 17. Jahrhundert erzeugt und verwendet. Dabei waren es die Zünfte der verschiedenen Handwerker wie die Müller, Bäcker, Schuster; Bierbrauer; Zimmerleute und die Maurer, welche ihre Trinkgefäße gerne mit den für sie typischen Insignien versehen ließen. Aber auch wichtige Berufsgruppen wie Feuerwehrleute, Jäger (Berufsjäger und Adelige mit Jagdrechten) und der Stand der Kaufleute und der Gelehrten verwendeten gerne Trinkgefäße mit ihren jeweiligen Standessymbolen. Dabei verwendeten diese Gruppen nicht nur ihre typischen Handwerks- und Berufsinsignien oder Standessymbole, sondern versahen ihre Trinkgefäße auch gerne mit Sprüchen wie - „Es lebe das Handwerk der Müller", oder „Eher soll die Welt verderben, als vor Durst ein Bäcker sterben", oder „Gott zur Ehr, dem Menschen zur Wehr" und ein seit Jahrhunderten berühmter Zunftspruch der Bierbrauer „Hopfen und Malz, Gott erhalts", ein Spruch der mittlerweile ein oft gesehener Spruch auch auf modernen Krügen zu sehen ist. Standeskrüge von gelehrten Berufsgruppen und Kaufleuten wurden auch in Form von Charakterkrügen z. B. die Mettlacher Bücherkrüge erzeugt. Die Zunft- bzw. Berufssymbole bestehen hier aus einer Reihe von Bücherrücken, mit den für die jeweiligen Berufe relevanten Buchtiteln und einem Berufssymbol und Spruch auf dem Krugdeckel.

Während die früheren Zunftkrüge nicht unbedingt mit den Namen ihrer Besitzer versehen wurden, so wurde es jedoch zunehmend üblich, den Zunftkrug auch mit dem Namen des jeweiligen Besitzers zu versehen, der dann entweder knapp über dem Bodenrand, knapp unter dem Lippenrand oder auf dem Deckel zu finden ist. Eine eigene Kategorie unter den Zunft- und Standeskrügen bilden die offiziellen Amtskannen oder Amtkrüge, welche als Teil der Ausstattung einer Zunfttruhe galt. Diese Amtkannen waren oft von einer ziemlichen Größe, oft äußerst kunstvoll verziert und gefertigt und zwischen 1800 und 1900 sehr oft aus Zinn.

 Hainfeld, Dezember 2023

Studentenkrüge
Typische Materialien: Stein- und Elfenbeinsteinzeug, Feinsteinzeug und Glas, mit Emailbemalungen (Wappen u. Zirkel der Verbindung bzw. persönl. Widmung) oder Reliefdekor, selten Porzellan und Zinn; bekannte Produktionsstätten: Westerwald, Tübingen; Böhmischer und Bayrischer Wald, Mettlach, Thüringen; erzeugt und teilweise heftig in Gebrauch: zwischen 1870 und 1950

Ein Student hatte in früheren Zeiten wahrscheinlich ein stärkeres Zugehörigkeitsgefühl, sowohl zur Universität an der er studierte, als auch zu seinen Studienkollegen, mit denen er oft jahrelang zusammen lernte, wohnte und lebte, als der typische Student von heute. Früher gab es weniger Universitäten oder Hochschulen, was auch bedeutete, dass jemand der ein Studium absolvierte, oft für Jahre seine Heimat und die ihm vertraute Umgebung verlassen musste, um in einer fernen Universitätsstadt zu studieren und zu leben. Wenn man berücksichtigt, dass die Reise mit einer Postkutsche um 1850, von Wien nach München 86 Stunden bzw. dreieinhalb bis vier Tage dauerte, dann kann man sich gut vorstellen, wie selten ein Student eine Heimreise absolvieren konnte. Ein typischer Student dieser Zeit war also vorwiegend auf sich selbst und seine sozialen Kontakte angewiesen, welche er an seinem Studienort knüpfen musste. Dementsprechend wichtig waren die guten kollegialen Beziehungen und Kontakte unter den Studenten, Professoren und den verschiedenen Institutionen, welche im Studentenalltag eine Rolle spielten. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich die Studenten und Universitätsangehörigen in Gruppen bzw. den so genannten Studentenverbindungen organisierten und dabei ein oft extrem starkes Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelten. Dazu kam auch, dass es zwischen den Universitätsangehörigen und den normalen Bürgern der Universitätsstädte nicht immer nur friedlich zuging, wie man aus verschiedenen Auszügen aus damaligen Chroniken weiß.

Die zahlreichen Studentenverbindungen, welche sich in diesen Zeiten bildeten, hatten abgesehen von ihren individuellen und gemeinsamen Ritualen, oftmals auch ihre eigenen Wappen und ihre Zirkel, die so genannten Verbindungszirkel, mit denen sie ihre Wappen, Gerätschaften und Utensilien kennzeichneten und schmückten. Natürlich gehörte auch ein Bierkrug zur Grundausrüstung eines ordentlichen Studenten und wie seine anderen persönlichen Utensilien, ließ er auch seinen Bierkrug, sei er nun aus Steinzeug, Glas, Porzellan oder manchmal auch aus Zinn, mit dem Wappen und dem Zirkel der Studentenverbindung versehen, der er angehörte. Diese Krüge wurden typischerweise als Rohlinge von den so genannten „Studentenartikel-Fabriken" oder „Coleurartikelhändlern" bezogen und in einer „Hausmalerei" nach den Wünschen und Vorgaben des Bestellers oft in leuchtenden Emailfarben handbemalt. Dabei wurden von den Studenten gerne auch persönliche Widmungen verwendet, wie z. B. „Konrad Lehmann seinem lieben Leibfuchs Max v. Creuzen zur eifrigen Benutzung, Halle
a. d. Saale, Wintersemester 1888/89". Die Entwürfe von Studentenkrügen aus der Jugendstilzeit wurden unter anderem auch von bekannten Künstlern, wie Ludwig Hohlwein, Richard Riemerschmid und Albin Müller geliefert. Die wunderschön gemalten Wappen und Zirkel und besonders die persönlichen Widmungen machen jeden dieser einzelnen Krüge zu einem Unikat und Zeugnis vergangenen Kunsthandwerkes.

 Hainfeld, Dezember 2023

Zinnkrüge / Humpen und Kannen
Verschiedene Legierungen wie „Nürnberger Probe" bzw. „gemeine Reichsprobe" (Zinn 10 Teile/Blei 1 Teil), und „lauteres Zinn" bzw. „Blockzinn" (kein Bleizusatz); bekannte Produktionsstätten: Erzgebirge in Böhmen und Sachsen, Nürnberg und England; erzeugt und in Gebrauch: zwischen 1750 und 1930

Zinngeräte wurden im Mittelalter ausschließlich in den Häusern der höherstehenden Schichten, der wohlhabenden Bürger und von der Kirche verwendet. Das wertvolle Metall kam hauptsächlich aus den Erzgruben von Cornwall und von den sächsischen oder böhmischen Erzgebirgen. Zinn kann, wegen seiner spröden Materialeigenschaft nicht in reinem Zustand in Formen gegossen und weiter verarbeitet werden. Daher wurde es im frühen Mittelalter oft mit Blei oder auch anderen Metallen vermischt. Da zuviel Bleibeimengung schon damals als gesundheitsschädigend erachtet wurde, durfte Zinn, welches für Trinkgefäße verwendet wurde, nur einen geringen Anteil an Blei enthalten. Ein erlaubtes Mischverhältnis war z. B. die „Nürnberger Probe", eine Legierung im Verhältnis 10 zu 1, welche später auch als allgemeine Reichsprobe" von anderen Zinngießern übernommen wurde. Trinkgefäße dieser Art erhielten meistens eine oder auch mehrere Marken.

Allerdings wurden auch Krüge und Kannen aus so genanntem „Mankgut" erzeugt, welche keine Marken aufweisen. Mankgut war einfach Zinnmaterial das durch das Einschmelzen und Wiederverwerten von meist unbrauchbar gewordenen Zinngeräten gewonnen wurde. Das bleifreie „lautere Zinn" wurde erst sehr viel später verwendet. Für diese Legierung wurden dem Zinn geringe Mengen von Kupfer, Messing und Wismut beigemengt. Diese Legierung führte auch zu der fast silbrig glänzenden Oberfläche der Erzeugnisse und war auch unter dem Namen „Britannia Silber" bekannt. Bleihältige Zinnerzeugnisse sind wesentlich dünkler als lauteres Zinngerät und auch schwerer als Zinnartikel aus lauterem Zinn vergleichbarer Ausmaße. Die Zinnlegierung wurde auf etwa 350 Grad Celsius erhitzt und im flüssigen Zustand in Formen gegossen. Aufwendige Geräte wie z. B. Krüge und Kannen mussten aus mehreren separat gegossenen Gefäßteilen zusammengesetzt werden. Bis zum 19. Jahrhundert wurden die Gefäßteile eines Kruges durch Angießen miteinander fest verbunden. Ab dem 19. Jahrhundert wurden die einzelnen Teile der Gefäße mit Hilfe von Lötkolben und Gasstichflamme miteinander verbunden. Die typischen Gefäßformen für Trinkkrüge waren Walzenkrüge mit ausgestelltem Fuß, gedrungene Humpen, Birnkrüge und Kannen. Eine Sonderform unter den Zinnkrügen nimmt der im Norden Deutschlands erzeugte Rörken ein. Diese Krugform hat eine umgekehrte Kegelform, d. h. er ist relativ hoch, ober dem Standfuß schlank und wird nach obern zunehmend weiter. Diese Art der Trinkkrüge wurde gerne als Zunftkrüge und Amtskrüge verwendet und mit dementsprechenden Gravuren versehen. Ein Beispiel eines Zunftrörken ist die Amtskanne der Zimmerleute.
Die Wandungen der Krüge wurden oft mit einem mitgegossenen Reliefdekor verziert oder durch später angebrachte Gravuren verschönert. Auch die Zinndeckel wurden oft aufwendig und reich gestaltet und mit plastischen Figuren, mitgegossenen Reliefdekoren oder mit Gravuren versehen. Krüge mit Reliefmustern wurden anfänglich in Nürnberg und Augsburg erzeugt und verbreiteten sich dann bis nach Sachsen.

 Hainfeld, Dezember 2023

Glaskrüge und Humpen
Entfärbtes, geschnittenes und facettiertes Glas; in Modelformen geblasenes Glas und geschliffenes Glas, teilweise mit Emailfarben bemalt; bekannte Produktionsstätten: Böhmischer und bayrischer Wald, Österreich; hergestellt und teilw. in Verwendung: zwischen 1790 und 1940

Glas ist ein Schmelzprodukt aus Kieselsäure (Sand oder gemahlener Kiesel) und einem Alkali (Soda z. B. aus Strandpflanzen in Küstengebieten oder Pottasche gewonnen in waldreichen Gebieten). Das zur Glaserzeugung benötigte Gemenge wurde schon in frühesten Zeiten in Öfen, bei Temperaturen von etwa 1100 Grad bis 1200 Grad Celsius zum Schmelzen gebracht. Dann wurde der mehr oder weniger zähflüssigen Glasmasse mit der Glaspfeiffe ein Klumpen, die sogenannte „Glasspeise" entnommen. Diese Glasspeise wurde dann unter ständigem Drehen, Schwingen und Eindrücken mit der Zange zur Hohlform aufgeblasen. Beim „optischen" bzw. „Formblasen" wurde die an der Pfeife sitzende Glasblase in eine offene Form gedrückt (in eine Holzmodel geblasen), wodurch die Glasblase deren Musterung annahm. Ein typisches und bekanntes Beispiel dafür ist der sogenannte „Tübinger Igel". Der Tübinger Igel hat die Form einer oben und unten abgeflachten Kugel, deren Oberfläche mit zahllosen kleinen Noppen bzw. stumpfen Stacheln bedeckt ist. Diese Krüge sind relativ schwer und wirken sehr massiv und robust.

Während die Erzeugung von formgeblasenen bzw. die in Holzmodeln geblasenen Krüge bis 1870 die übliche Herstellungsmethode war, wurden ab ca. 1870 auch Glaskrüge hergestellt, welche maschinell gepresst wurden. Dabei wurde die heiße Glasmasse mit einem Stößel in eine offene metallene Form gepresst. Auch diese Krüge aus sogenanntem Pressglas wurden oft mit ähnlichen Zinndeckeln oder bemalten Porzellandeckeln versehen, wie sie auf den früheren Krügen verwendet wurden. Die typische Gefäßform für Glaskrüge vor 1800 (bis ca. 1820) war die zylindrische, walzenförmige Krugform. Danach wurden vermehrt Krüge hergestellt, deren Form sich nach oben verengte und die auf einem Podest aufgesetzt waren. In weiterer Folge kamen dann zahlreiche Variationen dieser Grundformen auf den Markt. Da für den Schmelzvorgang enorme Mengen an Holz benötigt wurden, waren die Glashütten vorwiegend in waldreichen Gegenden angesiedelt. Wenn die Holzvorkommen in einer Gegend erschöpft waren, dann wurden die Glashütten in andere waldreiche Gegenden verlegt.

Wie schon im 17. und 18. Jahrhundert, wurden auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Masse gefärbte oder farblose (entfärbte) Glaskrüge in den waldreichen Gegenden Böhmens, Schlesiens und im Bayrischen Wald hergestellt. In einem weiteren Verarbeitungsprozess wurden die Krüge dann von spezialisierten Veredelungsbetrieben entweder mit farbprächtigen Emailfarben bemalt, geschliffen oder graviert. Krüge in der Biedermeierperiode wurden vorwiegend mit Emailfarben bemalt, z. B. mit Hochzeitsszenen, Erinnerungssprüchen oder Volksmotiven. In der folgenden Phase des Historismus wurden Motive der Renaissance wiederentdeckt. Wälder, Hirsche, Tiere, Gebäude, Volksthemen und geometrische Muster in allen Variationen wurden dabei für die Verzierung der Krüge verwendet.

 Hainfeld, Dezember 2023

 Hainfeld, Dezember 2023

Pfarrkirche St. Andreas in Hainfeld - Diözese St. Pölten, Bezirk Lilienfeld, Niederösterreich

 Hainfeld, Dezember 2023

Die römisch-katholische Pfarrkirche Hainfeld steht erhöht im Südwesten über dem Ort Hainfeld in der Stadtgemeinde Hainfeld im Bezirk Lilienfeld in Niederösterreich. Die dem Patrozinium des hl. Andreas unterstellte Pfarrkirche – dem Stift Göttweig inkorporiert – gehört zum Dekanat Lilienfeld in der Diözese St. Pölten. Die gotische Kirche wurde wahrscheinlich auf der Stelle des älteren ehemaligen Burgstalls Hainfeld erbaut.

 Hainfeld, Dezember 2023

Orgel
Das pneumatische Werk wurde von Johann Lachmayr aus Urfahr 1901 gebaut und stand auf der zweiten Empore, die 1997 entfernt wurde. Jetzt besitzt es 18 klingende Register auf zwei Manuale und das Pedal verteilt. Es hat 992 Metall- und Holzpfeifen, die kleinste ist 1,7 cm lang, die größte 5,80 m. 1998 wurde die Orgel von der Fa. Franz Windtnerin St. Florian instand gesetzt. Seither steht im Chorraum ein Orgelpositiv mit 3 Registern für Gesangsführung und Konzert zur Verfügung, gebaut von Walter Vonbank.
Am Mittelpfeiler unter der Orgelempore eine qualitätvolle neugotische Statue des hl. Joseph mit Jesuskind.

 Hainfeld, Dezember 2023

Der Pfarrpatron
Der Apostel Andreas war einer der ersten von Jesus berufenen Jünger. Geboren in Bethsaida, bewohnte er zusammen mit seinem Bruder Simon Petrus ein Haus in Kapharnaum am See Genezareth. Beide waren Fischer. Andreas schloss sich zuerst Johannes dem Täufer und dann Jesus an und brachte auch seinen Bruder Petrus zu Jesus. Sein Missionsgebiet soll laut einiger frühchristlicher Schriftsteller wie Origenes, Hieronymus und Gregor von Nazianz die Gegend südlich des Schwarzen Meeres (Bulgarien, Griechenland) gewesen sein. In der Stadt Patras erlitt er dann den Martyrertod am schrägen Kreuz. Die Legende berichtet, er habe Maximilia, die Frau des Statthalters Aegeas von Patras, geheilt und getauft, worauf dieser ihn geißeln und an ein Gabelkreuz binden ließ. Andreas soll vom Kreuz herunter noch zwei Tage gepredigt haben. Als Aegeas ihn verhöhnen wollte, wird er auf dem Heimweg wahnsinnig und stirbt. Die Kopfreliquie kam 1462 nach Rom. Papst Paul VI. schenkte sie 1964 der Kathedrale von Patras.

Patron von Russland, Griechenland, Schottland; der Fischer, Fischhändler, Metzger, Bergwerksleute; gegen Gicht, Halsweh, eheliche Unfruchtbarkeit.
Darstellung: Er wird meist mit dem X-Kreuz, dem Andreaskreuz, aber auch mit Buch, Fischen und Fischernetz dargestellt. Sein Fest ist am 30. November.

 Hainfeld, Dezember 2023

Kanzel
Am Korb die vier lateinischen Kirchenväter Augustinus, Gregor I., Ambrosius und Hieronymus. Im kunstvoll aufgebauten Schalldeckel, der bis fast an das Gewölbe stößt, steht Christus als guter Hirte. An der Rückwand eine Tafel, die auf die Zehn Gebote hinweist. Gepredigt werden soll der gute Hirte, der es gut mit den Menschen meint und dem sich die Menschen anvertrauen sollen, die christliche Lehre (Kirchenväter) und Gott als der Geber des wahren Gesetzes, das Erlösung bewirkt.

 Hainfeld, Dezember 2023

Hochaltar
Der neugotische Flügelaltar zeigt vier Reliefs — Geburt Jesu, Auferstehung, Himmelfahrt, Geistsendung — und zwei Tafelbilder- Jesus schwitzt Blut und Jesus wird mit Dornen gekrönt. Er führt damit mitten ins Zentrum
christlichen Glaubens. Im Auszug steht eine Statue des hl. Andreas, des Kirchenpatrons, unter einem Baldachin.
Die Bildhauerarbeiten stammen von Ludwig Linzinger, Linz 1897, die Tafelbilder von Ludwig Haase, Linz 1897. Unter den Säulenbaldachinen, zwischen den Fenstern im Rundder Apsis, stehen von links nach rechts die Statuen derhl. Katharina, Petrus, Josef, Antonius, Paulus, Barbara. Am Übergang vom Chor zum Langhaus befindet sich, entsprechend der Empfehlung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965), der neue Hauptaltar. Er ist wieder, wie in frühchristlichen Zeiten bis etwa zum Beginn der Gotik, ein Tisch, um den sich die Gemeinschaft der Gläubigen zur Mahlfeier versammelt. Damit soll der Gemeinschaftscharakter des Geschehens betont werden.

Ein auffallend schönes, zweireihiges Chorgestühl stammt aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Wahrscheinlich kommt die rückwärtige Sitzzeile aus einem Stift, die vordere ist dann als spätere Ergänzung dazugekommen. Jedenfalls deutet die Größe auf die Herkunft aus einer Ordenskirche. Das Leinwandbild an der linken Chorwand stellt die thronende Madonna mit Kind dar. Zwei musizierende Engel, der linke mit einem Blasinstrument, der rechte mit Gesang, huldigen der Gottesmutter. Der Jüngling auf der linken Seite könnte eine Darstellung des hl. Johannes sein. Das Bild soll von Francesco Montemezzano gemalt wordensein (oberitalienisch aus der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts). Das Bild an der rechten Chorwand, in einem schönen barocken Rahmen, stellt eine dramatische Szene dar: Kurz nach der Kreuzabnahme beweinen Frauen den toten Jesus; eine gute Kopie
von 1823 eines flämischen Meisters.

Im Chor befinden sich noch eine schöne gotische Sessionsnische mit drei Sitzplätzen und eine spitzbogige Nische, die heute zur Aufbewahrung der heiligen Öle verwendet wird. In der gesamten Kirche befinden sich unter dem Putz Reste von Fresken aus der Renaissancezeit.

 Hainfeld, Dezember 2023

Kreuzweg
Neugotische Reliefbilder von Ludwig Linzinger, Linz 1902.

 Hainfeld, Dezember 2023

Rechter Seitenaltar, Arme-Seelen-Altar mit einem beeindruckenden spätgotischen Kruzifix um 1500.
Es war eine Zeit in der man die grausige Realität einer Kreuzigung möglichst realistisch darstellen wollte, um beim Beschauer eine tiefe innere Bewegung auszulösen. Blut fließt über den ganzen Körper: von der Dornenkrone, aus der Seitenwunde, aus den Nagelwunden an Händen und Füßen. Die Farbfassung des Korpus stammt aus dem Barock, dürfte aber der Originalfassung sehr nahe kommen. Darunter stehen, auf einem als Golgotha angedeuteten Hügel, die von einem Schwert durchbohrte Maria, Petrus links und Johannes rechts. Unter diesem Hügel, über die ganze Länge der Sarkophagmensa, ein Fegfeuerbild aus der Schule des Kremser Schmidt ineinem barocken Rahmen. Neben und hinter dem Altar befinden sich aus rotem Marmor zwei gotische Priestergrabsteine und zwei barocke Grabsteine.

 Hainfeld, Dezember 2023

Pietä
Die Verehrung der Schmerzhaften Muttergottes (sie hat ihren Ursprung in der franziskanischen Frömmigkeit) findet auf vielfache Weise ihren Ausdruck. Nicht nur die vom Schwert durchbohrte Maria gehört dazu, sondern auch die sog. Pietä, Maria trägt den halberstarrten Sohn auf ihrem Schoß (Nische links vom Altar). Eine spätgotische Arbeit, wobei Maria keineswegs sehr schmerzerfüllt dargestellt ist, sondern eher eine liebevolle Ergebenheit in den Willen Gottes ausdrückt. Maria nimmt Abschied von ihrem toten Sohn. Diese Szene ist zwar biblisch nicht bezeugt, aber schon im Mittelalter thematisiert, auch im vielfach vertonten „Stabat mater‘‘. Das Mitleben und Mitleiden der Gottesmutter soll hier verehrt werden.

Hans-Schaub-Epitaph
Neben der Pietä ist dieses interessante und weithin einmalige Renaissance-Epitaph von 1593 in die Wand eingelassen. Es zeigt den Lebens- und Heilsweg des Menschen bzw. der Menschheit nach der damaligen Auffassung. Links oben Adam und Eva unter dem Baum, darunter ein Sarg (der Ungehorsam gegen Gott bringt den Tod). In der Mitte ein als jugendliche Idealgestalt dargestellter Mensch an einem Baumkreuz, ein Baum, der
verdorrt (links) oder Früchte bringen kann (die Alternativen, die der freien Entscheidung anheim gestellt sind). Links des Jünglings Moses, der auf die kupferne Schlange, und rechts Johannes der Täufer, der auf das Kreuz zeigt, darunter der auferstandene Christus. Das Gebet des Mose und der Blick auf die kupferne Schlange bewahrte zwar die wegen ihrer Auflehnung gegen Gott und Mose von den Schlangen gebissenen Israeliten vor dem Tod. Aber allein der gläubige Aufblick auf das Kreuz bringt Heil, Erlösung und ewiges Leben bei Gott. Im unteren Drittel in Gebetshaltung die Darstellung von Hans Schaub, seiner beiden Frauen und seiner Kinder.

 Hainfeld, Dezember 2023

Linker Seitenaltar, Marienaltar, Mitte 18. Jahrhundert.
Der Aufbau des Altars aus marmoriertem Holz ist sehr kunstvoll gestaltet. Im Zentrum unter einem Baldachin zwischen schräggestellten Doppelsäulen und Pilastern eine königlich gekrönte Maria mit Szepter und gekröntem Kind. Darüber im Strahlenkranz das Marienmonogramm und eine Krone. Außen links hl. Dominikus mit dem Attribut des Rosenkranzes (Maria soll dem hl. Dominikus den Rosenkranz überreicht haben), rechts die hl. Katharina von Siena mit Herz und Kreuz. Vor dem Altar ein Baluster-Speisgitter.

 Hainfeld, Dezember 2023

Wer eine Kirche betritt, kommt zu einem Ort der Begegnung zwischen Gott und den Menschen, der Beziehung zum Göttlichen, der Begegnung mit dem Heiligen. Die gewölbte Decke verweist auf das Himmelsgewölbe und die sichere Geborgenheit unter ihm, die zur Selbstbesinnung einlädt. Der Raum hat im Gegensatz zu vielen profanen Räumen eine Richtung. Er führt im Blick und im Voranschreiten direkt in sein Zentrum, den Altar, und damit zur Mitte der Glaubenden, zu Christus. Die Beziehung zu ihm ist ein Wesensmerkmal des Christen.

Die Mauern werden gestützt von zweifach abgetreppten Strebepfeilern. Die Spitzbogenfenster mit Maßwerk sind im Chor und an der Südseite zweibahnig, das östliche Fenster ist dreibahnig, gewissermaßen als Hinweis, dass sich dahinter das Sanctissiımum befindet. An der Nordseite befindet sich ein verstäbtes Portal, Anfang 16. Jahrhundert. Das Hauptschiff ist gegen das nördliche Seitenschiff mit Spitzbogenarkaden geöffnet. Eine Spitzbogenarkade führt zur südlichen Seitenkapelle. Das Gewölbe wird von Kreuzrippen getragen, die im Langhaus auf Konsolen, im Chor auf zum Boden gehenden sog. Diensten aufsitzen. Die Orgelempore wird von einem wuchtigen, vieleckigen Pfeiler gestützt, sie hat eine Brüstung aus reliefiertem Maßwerk.

 Hainfeld, Dezember 2023

GESCHICHTE - Kurze Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse
1120 Gründung der Kirche als Eigenkirche des steirischen Markgrafen Ottokar.
1161 wird It. Göttweiger Traditionsbuch (vom lateinischen tradere = schenken) zwischen dem Markgrafen Ottokar VII. und dem Stift Göttweig ein Tausch vereinbart: Göttweig erhält die Kirchen von Hainfeld und St. Veit an der Gölsen, der Markgraf bekommt dafür im Gegenzug das Gut Alkersdorf.
1202 Der Babenbergerherzog Leopold VI. stiftet das Zisterzienserstift Lilienfeld und schenkt ihm sein Eigentum in Hainfeld. Lilienfeld übt damit die Grundherrschaft mit dem Recht der Blutgerichtsbarkeit aus.
1303 Hainfeld wird von der Mutterpfarre Michelbach abgetrennt und selbständige Pfarrkirche. Michelbach seinerseits gehörte zuvor zur Mutterpfarre Pyhra.
Um 1400 wird der Chor der Kirche gebaut.
Ende 15. Jahrhundert Errichtung des dreischiffigen spätgotischen Langhauses. Zu dieser Zeit wurde Hainfeld Zentrum der Eisenverarbeitung, besonders der Sensenerzeugung, worauf auch das 1583 verliehene Wappen hinweist.
1526 Bauernaufstand, die Bauern dringen in das Stift Lilienfeld ein.
1529 Die Türken stecken Hainfeld, Rohrbach, Kaumberg, Ramsau in Brand. In einer Urkunde des Stiftes Göttweig heißt es: „In Hainfeld und in Kaumberg sind alle Häuser verbrunnen, das Volk erwürgt und weggeführt worden.“
Mitte 16. Jahrhundert Christoph Jörger kauft die Araburg und u. a. die Vogtei von Hainfeld und St. Veit. Helmhard Jörger holt protestantische Prädikanten nach Hainfeld und anderen Orten und macht die Araburg zu einem
Zentrum der Reformation. Die Jörger hatten in Niederösterreich zahlreiche Besitzungen. Helmhard Jörger schloß sich dem Aufstand der protestantischen Stände gegen den Kaiser an, wurde nach deren Niederlage 1620 in der Schlacht am Weißen Berg bei Prag gefangen genommen, seine Güter wurden beschlagnahmt. Kaiser Ferdinand II. gab die Araburg, Bergau und Kreisbach für 75.000 Gulden dem Stift Lilienfeld, dem sie noch heute gehören.
1583 wird von Kaiser Rudolf II. Hainfeld das Recht gewährt ein Wappen zu führen.
1597 Neuerlicher Bauernaufstand, der sich gegen den Grundherrn, das Stift Lilienfeld und dessen Abt richtet.
1616 Hainfeld erhält wieder einen katholischen Pfarrer, den späteren Abt von Göttweig, David G. Corner, den Herausgeber des ersten katholischen deutschen Kirchengesangbuches, die „Geistliche Nachtigal“.
1679 Ca. 1000 Menschen fielen der Pest zum Opfer, darunter der Pfarrer und der Lehrer.
1683 18. Juli: Türkische Reiterscharen kommen nach Hainfeld; 74 Häuser im Markt, darunter Kirche und Pfarrhof, gingen in Flammen auf. Von den ca. 1500 Bewohnern wurden 105 getötet, 376 in die Sklaverei verschleppt.
1805/1809 In den napoleonischen Kriegen Franzosenbesatzung, ohne größere Schäden anzurichten.
1888/1889 Einigungsparteitag der sozialistischen Arbeiterbewegungen unter Dr. Viktor Adler.
1896-1914 erhält die Kirche eine qualitätvolle neugotische Inneneinrichtung.
1914-1918 Erster Weltkrieg, 67 Gefallene.
1939-1945 Zweiter Weltkrieg, 188 Gefallene. Gegen Kriegsende heftige Kämpfe zwischen deutschen und russischen Truppen um den Ort. 77 Häuser und Geschäfte abgebrannt und zerstört, 50 zivile Bombenopfer.
1978 Eröffnung des neuen Pfarrzentrums als Treffpunkt und Begegnungsort. Der Altbestand, soweit erhaltenswert, wurde gesichert und ein ca. 350 Quadratmeter großer Zubau errichtet.
1991 Neubau der Sakristei.
1994-2001 Innenrenovierung der Kirche. Instandsetzung der Orgel. Aufstellung eines Orgelpositivs im Chorraum. Errichtung des Hauptaltars, in den die Reliquien des Kirchenpatrons Andreas und der neuen Seligen Österreichs,
Schwester Restituta, sowie von Jakob Kern und P. Anton Schwartz eingesetzt werden.
2002 werden drei neue Glocken im sanierten Kirchturm aufgezogen.
2004 wird der Turmhelm neu eingedeckt.

 Hainfeld, Dezember 2023




Wem der viele Text zu lange war und lieber Bewegtbilder mit Musik mag, kann sich gerne dieses Video antun: