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Im Hainfeld Museum erzählen 12 Puppen die Geschichte
Hainfelds von 1120 – 1900. Im Museum ist auch dem Einigungsparteitag
der Sozialdemokratie 1888/89 in Hainfeld ein Raum gewidmet. Die
Sonderausstellung „Seuchen gehören ins Museum“ und das Museum
Historischer Bierkrüge tragen zur Wissensvermittlung bei.
Im Hainfeld Museum werden Ausschnitte aus der Vergangenheit Hainfelds
bis 1900 in Stationen vermittelt, die von historischen Hainfelder
Figuren, dargestellt als Puppen, repräsentiert werden. Diese beleuchten
geschichtliche Fakten und stehen gleichzeitig für Überthemen wie
Bauerntum, Gerechtigkeit oder Soziales.
In einem weiteren Raum wird an den Einigungsparteitag der
Sozialdemokratie 1888/89 erinnert. Im Gedenkraum an den
Einigungsparteitag steht dessen Protokoll und sein
ungebrochen bedeutsamer Inhalt im Zentrum der Auseinandersetzung. In
Lese- und Hörstationen werden Textzitate näher gebracht.
Museen im alten Gericht
Das Haus wurde 1854 als Amtssitz für den 1848 nach der Auflösung der
Grundherrschaften neu eingerichteten Gerichtsbezirk Hainfeld erbaut. Es
ist eines der ältesten noch erhaltenen Häuser der Stadt und beherbergt
heute zwei Museen: Das „Museum Historischer Bierkrüge" und das
„Hainfeld Museum".
Im HAINFELD MUSEUM wird die Hainfelder Stadtgeschichte vom Mittelalter
bis heute gezeigt. Verschiedene historische Persönlichkeiten, die in
Puppenform zu neuem Leben erweckt worden sind, nehmen zu Ereignissen
und einzelnen Themenbereichen Stellung. Ein weiterer Raum ist dem
Einigungsparteitag der Sozialdemokratischen Partei Öster- reichs
1888/89 gewidmet. Außerdem finden temporäre, vertiefende Ausstellungen
statt.
Das HAINFELD MUSEUM versteht sich als lebendiges, partizipatives
Museum. Eine rege Bürgerbeteiligung war schon im Entstehungsprozess von
großer Bedeutung. Denn je mehr Personen sich engagieren, desto
lebendiger kann das Museum als Ort des Selbstverständnisses einer Stadt
gelebt werden.
1729 entstand eine Gewehrfabrik in Hainfeld
Johann Frühwirth (auch Fruhwirt)
Einer der Gewehrfabrikanten im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert in
Hainfeld war Johann Frühwirth. Ab 1780 war er mit seiner Firma im
Kommerzialschema, quasi dem damaligen Firmenregister von Wien,
verzeichnet. Er besaß neben seiner Gewehrfabrik auf der Wieden, unweit
der Karlskirche, auch eine Fabrik in Hainfeld. In der Ramsau erwarb er
1798 einen Besitz, den er als Hammerwerk einrichtete. 1812 wurde er von
Kaiser Franz I. wegen seiner „mehrfachen patriotischen Handlungen",
wohl im Zusammenhang mit den von ihm hergestellten
Waffen für die Napoleonischen Kriege, mit der kleinen goldenen Civil Ehrenmedaille ausgezeichnet.
Die Forschungen zu Johann Frühwirt führten aber auch zu einer
interessanten Verbindung der Fabrikantenfamilien Fischer und Frühwirt:
Während seines Studiums am Polytechnikum in Wien wohnte der junge Georg
Fischer, später selbst Fabrikant in Hainfeld, in Frühwirths Haus,
Wieden 24, neben der Karlskirche. Noch 1824 bewirbt Johann Frühwirth
seine Erzeugnisse in der Wiener Zeitung. Im Jänner 1825 fand man die
Leiche von Johann Frühwirth in seiner Wiener Fabrik im Haus Wieden 100.
Da ein gewaltsamer Tod vorzuliegen schien, wurde der Tote im
Allgemeinen Krankenhaus begutachtet. Wie uns die Matriken berichten,
hatte er Selbstmord begangen. Danach wurde die Fabrik nach einer der
Quellen stillgelegt. Georgs Vater, Johann Conrad Fischer, wollte die
Fabrik bei Hainfeld dennoch kaufen. Dazu kam es aber nicht.
Nach einer anderen Quelle führte zunächst Frühwirts Witwe Theresia das
Werk weiter. 1836 übernahmen die Söhne Daniel und Johann die Betriebe
in Wien und Hainfeld. Die Erzeugung von Bestandteilen für die
Gewehrfabrikation in der Ramsau wurde erst 1872 eingestellt. Das ganze
19. Jahrhundert über blieben die Frühwirths wichtige Heereslieferanten,
1892 starb der letzte dieses Namens kinderlos.
Doppelläufiges Percussions-Gewehr, 1. Lauf mit Drall, 2. Lauf glatt,
aus der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts, erzeugt in der Gewehrfabrik in
Hainfeld.
Bis zum ersten Weltkrieg und auch in der Zwischenkriegszeit galt
Hainfeld als eine der beliebtesten Sommerfrischen in Niederösterreich,
die von Bürgertum, Beamten und auch Kleinadel gerne besucht wurde.
Bürgermeister Heinrich Zmoll hatte in den 1870er Jahren einen
Fremdenverkehrsort par excellence anlegen lassen, der von Promenaden,
Spazier- und Wanderwegen, einem Stadtbad und der Möglichkeit zur
Bootsfahrt so wie Cafés und Wirtshäusern geprägt war. Kleindenkmäler
wurden errichtet, vielfältige Unterhaltungen waren bei Einheimischen
und Fremden beliebte Attraktionen. Gegen Ende der ersten Blütezeit der
Sommerfrische Hainfeld kam auch noch, ab 1913, das Kino hinzu. Nach dem
Ersten Weltkrieg wurde Hainfeld auch im Winter touristisch beworben und
gerne besucht.
Caroline Strauss, geb.
Pruckmayer, wurde 1831 in Wien Leopoldstadt geboren und heiratete 1857
einen der drei Komponistenbrüder Strauss Josef. Tochter Karoline kam
1858 zur Welt. Josef war viel auf Konzertreisen, dennoch waren die
beiden sehr glücklich miteinander. Sein Tod 1870 ließ eine 39-jährige
Witwe mit einer 12-jährigen Tochter in schlechter finanzieller Lage
zurück.
„Caroline Strauss verbrachte den Sommer alljährlich im schönen
Hainfeld; dort in den Bergen, im Wald ging sie gerne spazieren und
sprach oft den Wunsch aus, nur hier zu sterben und begraben zu werden.
Am Fuß des Kirchberges." (Karoline Aigner-Strauss über ihre Mutter)
Neben dem Marktrichter gab es noch Räte, die als Geschworene
fungierten. Ab 1677 werden sieben bis acht innere, später auch vier
äußere Räte genannt. Das war bis 1850, dem Ende der Verwaltung in
dieser Form, gebräuchlich. Die Protokolle des Rates sind von
1671-1804,erhalten, Anmerkungen dazu bis 1860. Innerhalb der
Marktverwaltung gab es verschiedene Ämter, die immer im Frühling für
das entsprechende Verwaltungsjahr neu verteilt wurden.
Ratsherr Schaubb war zweimal verheiratet, seine erste Frau und Tochter
starben vor ihm. Obwohl es nicht nachweisbar ist, könnte es sich dabei
um einen Tod bei oder nach der Geburt gehandelt haben, eine der
häufigsten Todesarten von Frauen im gebärfähigen Alter in früheren
Zeiten. Schwangerschaft und Geburt waren bis in das 19. Jahrhundert ein
hoher Risikofaktor für die Frau.
In Hainfelds Vergangenheit gab es immer wieder Zeiten, in denen sich
hier Neuansiedler niederließen. Nachweisbar war das nach Pest und
Türkenüberfällen, sonst wäre Hainfeld ausgestorben. Im 19. Jahrhundert
waren es dann die Fabriken, die Arbeiter aus vielen Teilen der
Monarchie mit ihren Familien ansiedeln ließen. Einer der wichtigsten
Fabrikanten, J.C. Fischer, kam aus der Schweiz. Und auch heute kommen
Menschen aus vielen Ländern, lassen sich hier nieder und leben mit der
Bevölkerung, werden zu Nachbarn. Am 28. Dezember 1961 wurde das
Raab-Olah-Abkommen unterzeichnet, das zu Anwerbe-Abkommen mit der
Türkei 1964 und Jugoslawien 1966 führte
Mattias Brinninger aus Krems try goß im Jahre 1688 eine Glocke für die
Kirche in Hainfeld, die 1500 kg schwer war. Diese Glocke mußte im 1.
Welt- krieg (1916) abgeliefert werden. Der Klöppel und dieser Teil der
Glockenkrone blieben erhalten und ist das älteste Exponat des Hainfeld
Museums.
Der Verein WIR-HAINFELDER
Um Hainfelds Bedeutung als Einkaufsstadt auch in schwierigeren Zeiten
aufrecht erhalten zu können, gründeten die Hainfelder Franz Thür,
Walter Lueger, Gerhard Ernst, Karl Jägersberger und andere im Jahre
2001 den Verein, Wir-Hainfelder".
Von Anfang an war es eine Bündelung der Kräfte - über alle
Parteigrenzen hinweg, die die Erfolgsgeschichte des Vereins
Wir-Hainfelder begründen sollte. Heute sind viele damals in die Wege
geleiteten Erneuerungen zur Hainfelder Selbstverständlichkeit geworden:
• das Bonus-System mit Klebemarken beim Einkauf
• die Quartalszeitung, Hainfelder"
(früher Hainfeld-Info)
• Geschäftsnachbesetzungen über die Website des Landes NÖ.
• der Hainfelder Wochenmarkt
• zahlreiche Veranstaltungen, wie z.B. die Lange Einkaufsnacht, das Stadtfest, Oster- und Adventinitiativen
Im Laufe der Jahrhunderte waren die Einwohnerschaft Hainfelds und auch
die exponiert liegenden Bauerngehöfte immer wieder mit kriegerischen
Ereignissen und gewaltsamen Überfällen konfrontiert. 1250 erschienen
die Ungarn unter Bela IV. in Hainfeld, plünderten den Ort und brannten
ihn nieder. 1408 Infolge des Bruderkrieges unter drei Habsburgern wegen
der Verwaltung der Erblande des minderjährigen Albrecht V.
brandschatzte Johann I. von Hohenberg Hainfeld und eignete es sich an.
In den jahrhundertelangen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen
dem Habsburgerreich und dem Osmanischen Reich um Vorherrschaft, die
meist in Grenzregionen in Ungarn stattfanden, kamen die türkischen
Truppen 1529 auch nach Hainfeld.
Abt Matthias II. von Göttweig berichtete: „Zu Hainfeld und in Kaumberg
sind alle Häuser verbrunnen, das Volk fast erwürgt und weggeführt
worden." Beim 2. Türkeneinfall 1683 wurden 74 Markthäuser und 147
Bauerngehöfte in Brand gesteckt, 105 Personen getötet und 376 in die
Sklaverei verschleppt.
Bauernaufstände 1597
Die Empörung über die Missstände, Forderungen nach Teilnahme am sonst
stattfindenden wirtschaftlichen Aufschwung und der Wunsch nach
Besitzsicherung, aber auch klimatisch bedingte Verschlechterungen und
zu einem geringen Teil auch die religiösen Differenzen führten zuerst
in Oberösterreich, dann in Teilen Niederösterreichs und auch im Bezirk
Lilienfeld zu Aufständen der Bauern.
Trotz einiger Teilerfolge wurden Aufständische letztlich bei St. Pölten
durch die kaiserlichen Heere vernichtend geschlagen, gefangen genommen
und nach Folter und Verstümmelung hingerichtet oder zur Zwangsarbeit
nach Wien gebracht. Die Hainfelder Peter Thaurer von der Lacken, ein
Tuchscherer und der Tafernwirt Hanns im Dornach, (Gölsen 7) waren zwei
der Anführer. Die Hainfelder Chronik berichtet „Von den Bewohnern des
Marktes Hainfeld, die sich bis auf drei den Aufständischen
angeschlossen hatten, kehrte keiner mehr vom Steinfeld zurück".
Ehe im Mittelalter
Im Mittelalter herrschte eine weitgehend sachlich-nüchterne Einstellung
bei Partnerwahl und Eheschließung. „Habenichtsen" konnte die Heirat
verweigert werden. Die Frau musste sich ihrem Ehemann unterordnen, ihm
folgen und gehorchen. Sie führte den Haushalt und zog die Kinder auf.
Der Ehemann hatte das Recht, seine Frau zu züchtigen. Die soziale
Stellung des Mannes hing von seinem Besitz, seiner Tätigkeit und seinen
öffentlichen Ämtern ab. Nicht eheliche Sexualbeziehungen der Frau
wurden sanktioniert, die des Mannes toleriert.
Frauen unterstanden der Vormundschaft ihres Vaters bzw. eines anderen
männlichen Verwandten. Bei Verheiratung wurde der Ehemann der
„natürliche Vormund". Dennoch profitierten vor allem die Frauen von der
Ehe. Sie gewannen größeres gesellschaftliches Ansehen und waren
materiell versorgt.
BUTTERERZEUGUNG „Modernes" Butterrührgerät
Buttermodeln - Butter wurde über Jahrhunderte im Bauernhaus selbst hergestellt und dann schön verziert.
Hainfeld und das Bier
Bier wurde in Hainfeld schon vor der Witwe Sebalt gebraut. 1694 kauft
„Preymeister" Johann Georg Heldt eine Brandstatt in Hainfeld. 1734
wurden zwei Braumeister in den Marktämtern genannt. Von Bierschenken,
die schon vor 1755 bestanden haben, erzählt der Wirt Rippel 1855. Er
nennt sein eigenes Wirtshaus und noch zwei weitere,
so wie sieben weitere Wirtshäuser, die Bier seit kürzerer Zeit
ausschenkten. Dazu kamen noch vier Fabrikstraiterien (Schenken) und
eine Traiterie im Bräuhaus.
Der Standort der Fabrikstraiterien lässt sich bei ehemaligen und noch
bestehenden Fabriksanlagen vermuten, das Bräuhaus ist immer noch
dasselbe. Seit 1775 wird das Bier unter dem Namen „Hainfelder Bier"
ausgeschenkt. 1811 erhielten die Bierschenken auch das Recht, Wein
auszuschenken. 1808 übernahm die Familie Riedmüller die Brauerei in
Hainfeld und führt sie seither in direkter Linie bis heute.
Darstellung der Bestrafung rebellischer Bauern
DIE ÖSTERREICHISCHE ARBEITERBEWEGUNG AB 1848
März 1848 - Bürger, Arbeiter und Studenten revoltieren im März gegen
den absolutistischen Staat. Blutiges Ende im Oktober: Die kaiserlichen
Truppen schlagen die nun allein kämpfenden Arbeiter vernichtend.
Dezember 1867 - Erlassung der ersten österreichischen Verfassung, das
Dezemberpatent und damit ein neues Vereins- und ein Versammlungsgesetz.
Dies ermöglicht die Gründung des Wiener Arbeiter-Bildungsvereines".
Mai 1868 - 5. Arbeitertag in Wien. Das Manifest, Solidarität der Arbeiter aller Nationen" wird beschlossen.
Dezember 1869 - Massendemonstrationen der Wiener Arbeiter.
April 1870 - Der Reichsrat beschließt das Koalitionsgesetz - dadurch erringen die Arbeiter das Streikrecht.
Juli 1870 - Beginn des „Hochverratsprozesses" gegen Arbeiterfunktionäre
wegen sozialdemokratischer Agitation" (Teilnahme an Demonstrationen
bzw. am Eisenacher Parteitag).
Ostern 1874 - Parteitag in Neudörfl. Erste programmatische Beschlüsse.
Ein Streit zwischen den Arbeiterführern verhindert die Verabschiedung
eines von allen Gruppen akzeptierten Programms.
späte 1870er Jahre - Die Arbeiterbewegung zerfällt in „Radikale" und
„Gemäßigte". Die Anhänger der ersten glaubten an eine Beseitigung des
Kapitalismus durch Revolution, die zweiten strebten eine legale
politische Betätigung und das allgemeine Wahlrecht an.
Jänner 1884 - Die Regierung verhängt über Wien und die umgebenden
Bezirke den Ausnahmezustand. Anlass waren Attentate einiger radikaler
Einzeltäter. Arbeiter-Versammlungen werden verboten, Zeitungen müssen
eingestellt werden.
Dezember 1886 - Victor Adler gibt die Wochenzeitung „Die Gleichheit"
heraus, die von Anfang an eine Mittlerstellung zwischen den
verfeindeten Lagern in der Arbeiterschaft einnimmt.
30.12.1888-1.1.1889 - Hainfelder Parteitag.
Victor Adler gelingt die Einigung der gegnerischen Lager. Er glänzt als
Organisator und Vater der geeinten „Sozialdemokratischen Arbeiterpartei
Österreichs", deren erster Vorsitzender er wird.
1. Mai 1890 - Einem Beschluss des Internationalen Sozialistenkongresses
(Paris 1889) folgend, finden als Kundgebung für den Achtstundentag
unter großer Beteiligung die ersten Maifeiern statt.
1892 - Adelheid Dworak, später verehelichte Popp, gründet die
„Arbeiterinnen-Zeitung", in der sie für Bildung und Chancengleichheit
der Frauen kämpft.
24.-26.12.1893 - In Wien findet der erste allgemeine
Gewerkschaftskongress statt - dieser gründet die
Reichsgewerkschaftskommission.
1896 - Die Parteileitung wurde von der „Arbeiter-Zeitung" gelöst und
eine überregionale Parteileitung konstituiert. Lokalorganisationen
behalten jedoch eine überwiegend autonome Stellung.
1907 - Erste Reichsratswahl nach Einführung des allgemeinen
Männer-Wahlrechtes. Die Sozialdemokraten erringen 87 von 516 Mandaten.
1909 - Reichenberger Parteitag. Die Partei erhält die bis heute
geltende Struktur mit Landes-, Bezirks- und Ortsorganisationen.
Höchstes Gremium war der Parteitag.
1914 - Ausbruch des I. Weltkrieges.
12.11.1918 - Ausrufung der Republik Deutsch-Österreich. Die Sozialdemokraten setzen vor allem in Wien viele soziale Reformen um.
März 1934 - Die Sozialdemokratische Partei wird verboten. In der
Illegalität wird die Parteiarbeit von Idealisten, die sich
„Revolutionäre Sozialisten" nennen, weitergeführt.
14. April 1945 - Gründung der Sozialistischen Partei Österreichs" (SPÖ).
27. April 1945 - Erklärung der Unabhängigkeit Österreichs. In den
Nachkriegsjahren kämpft die SPÖ erfolgreich für kürzere Arbeitszeiten,
höhere Löhne mehr Urlaub etc.
März 1966 - Nach der verlorenen Nationalratswahl, SPÖ erstmals in Opposition, ÖVP regiert alleine.
März 1970 - SPÖ gewinnt unter Bruno Kreisky die Nationalratswahl und
regiert 13 Jahre alleine. Seine Hauptanliegen: Die Modernisierung und
Demokratisierung der österr. Gesellschaft. Die SPÖ stellt bis 1999 als
stärkste Partei den Bundeskanzler.
1991 - Umbenennung der SPÖ in „Sozialdemokratische Partei Österreichs".
Oktober 1999 - Nach Verlusten bei den Nationalratswahlen wird die SPÖ von einer
ÖVP-FPÖ Koalition trotz relativer Mehrheit in die Opposition gedrängt.
Oktober 2006 - Die SPÖ erringt wieder die relative Mehrheit und stellt den Bundeskanzler.
VICTOR ADLER (1852 in Prag - 1918 in Wien)
Victor Adler stammte aus wohlhabender jüdischer Familie, besuchte das
Schottengymnasium und traf dort den späteren Journalisten und Politiker
Engelbert Pernersdorfer, mit dem er sein weiteres Leben befreundet
blieb.
Beide gehörten der Deutschen Studentenverbindung „Braune Arminia" an
und Pernersdorfer war zusätzlich auch noch Mitglied des Gumpendorfer
Ersten Wiener Arbeiterbildungsvereins, was zu weiteren Kontakten in
diese Richtung führte. Sie kamen mit Georg von Schönerer in Kontakt,
und Adler war sogar führend am Linzer Programm der Deutschnationalen
beteiligt. Nach dem Medizinstudium wurde Victor Adler Arzt und
Nervenarzt und kam so mit dem Elend der Armen in Berührung. Der
Gedanke, hier etwas verändern zu wollen, wie auch der steigende
Antisemitismus der Deutschnationalen unter Schönerer bewogen ihn, zur
Arbeiterbewegung zu wechseln. Er traf mit Friedrich Engels, August
Bebel und Karl Liebknecht zusammen.
1886 trat er der Sozialdemokratie bei und gründete noch im gleichen
Jahr die Zeitung „Die Gleichheit". Verdeckt recherchierte er über das
Elend der Ziegelarbeiter und schrieb darüber. Damit löste er große
Resonanz weit über die Arbeiterschaft hinaus aus. 1878 heiratete er
Emma Braun (1858 in Wien - 1935 in Zürich), mit deren Brüdern er
befreundet war und von denen einer, Heinrich, auch am Hainfelder
Parteitag dabei war. Adler überwand die Richtungskämpfe der frühen
Arbeiterorganisationen. Vor dem Parteitag in Hainfeld war er die
treibende Kraft der Einigung und der Motor für dessen Zustandekommen.
Sein Einsatz für die Arbeiterschaft brachte ihm zwischen 1887 und 1900
17 Anklagen vor Gericht und insgesamt 9 Monate Arrest ein. Erst spät,
1905, wird er in den Wiener Reichsrat gewählt, und erwarb sich auch
dort beträchtliches Ansehen. Sein größtes politisches Anliegen, das
allgemeine Wahlrecht für Männer, erreichte er nicht durch Drohungen,
sondern mit Hilfe geschickter Arrangements mit den Mächtigen. Einen Tag
vor Ausrufung der ersten Republik starb Adler, nachdem er zuvor noch
als Staatssekretär des Äußeren in das Kabinett Renner berufen worden
war.
DER 1. MAI
Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter gingen 1890 erstmals weltweit auf
die Straße, um für einen 8 Stundentag zu demonstrieren. Es kam auch in
der gesamten Monarchie zu nie erlebten Massenkundgebungen. Die
Forderungen waren neben der Reduktion der täglichen Arbeitszeit die
Einführung des allgemeinen Wahlrechts sowie die Pensions- und
Invaliditäts-, sowie die Witwen- und Waisenversorgung.
Ab 1919 wurde der 1. Mai in Österreich zum Feiertag und zum
„allgemeinen Ruhe- und Festtag". 1933 brachte die Regierung Dollfuß das
Ende der Maifeiern in ihrer bisherigen Form und in ihren traditionellen
Inhalten und funktionierte den 1. Mai zum „Tag der Verfassung" um. Als
„Tag der deutschen Arbeit" wurde der 1. Mai ab 1938 unter dem NS-Regime
gefeiert. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg nahmen die Feiern
zum 1. Mai allmählich die heute bekannte Gestalt an.
Februar 1934
Blutige Auseinandersetzungen, manchmal auch Bürgerkrieg genannt, fanden
vom 12.-15. Februar 1934 in vielen Teilen Österreichs, und auch im
Gölsental statt. Nach der, nach dem Ende des Ersten Weltkriegs
erfolgten, Demilitarisierung bildeten sich aus Angst vor Plünderungen
und Übergriffen in vielen Orten verschiedenste ortsgebundene,
bewaffnete Gruppen, aus denen dann die Heimwehren entstanden. Diese
bürgerlichen Wehrverbände standen eher rechts und den Eliten nahe, von
denen sie unterstützt wurden und von denen sie sich daher auch abhängig
machten. Ihr geplantes und tatsächliches Vorgehen richtete sich
vorwiegend gegen die Sozialdemokratie. Auf der anderen Seite bildete
sich aus Resten der k.u.k. Armee eine Volkswehr, eine Art besoldete
Freiwilligenarmee mit proletarischer Prägung, in der Soldatenräte das
Sagen hatten und aus der sich später der sozialdemokratische
Republikanische Schutzbund formierte. Sonntag für Sonntag
demonstrierten beide in Aufmärschen, Paraden und militärischen Übungen
ihre Macht. Sie führten eine radikale Sprache, es kam immer wieder zu
Zusammenstößen und Gewaltszenen, fallweise auch mit
nationalsozialistischen Gruppierungen. Eine politische Polarisierung
brachte es mit sich, dass sogar Freizeitvereine und Wirtshausbesuche
nach parteipolitischen Interessen geschieden wurden.
Die Heimwehr rekrutierte ihre Anhänger aus den bürgerlichen und
bäuerlichen Schichten. Sie entwickelte eine Wehrbereitschaft gegen den
angeblich drohenden Bolschewismus. Priester zeigten offen Sympathien
für sie und wetterten gegen den „Gottlosen Sozialismus". Dem Schutzbund
gehörten vorwiegend Arbeiter an. Dann gab es noch das Bundesheer, das
von der politischen Führung im Sinne ihrer Ideologie instrumentalisiert
wurde und das mit den Heimwehren dem Schutzbund gegenüberstand. Der von
Dollfuß nach der Ausschaltung des Parlaments im März 1933 erfolgte
Verfassungsbruch setzte an die Stelle des bisher herrschenden Systems
die Diktatur. In der Folge wurde der Schutzbund, später auch die
Kommunistische Partei und erst nach einem von vielen Terroranschlägen
schließlich auch die Nationalsozialistische Partei (NSDAP) verboten.
Die Wahrscheinlichkeit eines Bürgerkrieges stand im Raum und wurde
durch die planmäßigen Aktionen der Staatsgewalt noch unterstrichen.
Hausdurchsuchungen, eine systematische Verhaftungswelle der leitenden
Funktionäre des Schutzbundes, sowie Maßnahmen zur Ausschaltung des
Wehrpotentials des Schutzbundes fanden bereits im Jänner 1934 statt.
Es kam zum Februaraufstand - für die Sozialdemokraten ein letzter
Verzweiflungsschlag ohne Aussicht auf Erfolg. Durch Fehlkommunikation
innerhalb der Sozialdemokraten kam es zu unkoordinierten, von der
Parteiführung nicht gewollten, kämpferischen Auseinandersetzungen
zwischen dem Schutzbund und mit der, die Exekutive unterstützenden,
Heimwehr. „Selbstaktivierungstendenzen an der Basis, gegen den
ausdrücklichen Befehl der Wiener Leitung," nennt das der Historiker Mc
Loughlin. Angehörige des Schutzbundes wehrten sich mit Waffengewalt,
unterlagen aber gegen eine staatlich unterstützte Übermacht der
Heimwehr. Während der Kämpfe kam es zu weiteren Todesopfern auf allen
Seiten, auch Unbeteiligte starben. Insgesamt, so wird heute geschätzt,
gab es 260 bis 280 Tote. Die Angehörigen des Schutzbundes wurden
inhaftiert, neun von ihnen auch exekutiert.
DIE URSACHEN - VON SEUCHEN UND VERMEINTLICHE GRÜNDE
Über den Ursprung von Seuchen und Epidemien wird seit langem geforscht. Manches Rätsel ist noch nicht gelöst.
Die Pest ist die älteste bekannte Pandemie. Es ist nicht klar, ob es
sich immer um die gleiche Krankheit handelt. In den Aufzeichnungen wird
von ihr oder dem schwarzen Tod oder der Pestilenz gesprochen. Ihr Grad
der Ansteckung ist unterschiedlich. Die Pest von 1679 im Bezirk
Lilienfeld ist sehr ansteckend und tödlich. Die Pest im 19. Jahrhundert
im asiatischen Raum ist weniger ansteckend und verläuft auch nicht
immer tödlich. Die Cholera kommt 1830/31 das erste Mal aus dem
asiatischen Raum nach Europa. Sie erreicht den Bezirk erst 1832. Bei
der Spanischen Grippe herrscht bis heute Unklarheit über den
Ursprungsort. Die ersten Fälle werden zunächst in den USA geortet.
Neueste Forschungen lassen den Beginn auch in Frankreich oder China
vermuten. Bei Corona wissen wir, dass das Virus erstmals in China
aufgetaucht ist. Auch die Vogelgrippe und die Schweinegrippe wurden
zuerst dort festgestellt.
VERSCHWÖRUNGSTHEORIEN - ALTE UND NEUE FEINDBILDER, GERÜCHTE UND HALBWAHRHEITEN
Menschen brauchen offenbar immer einen Schuldigen bei Krisen. Bei
Epidemien steigt die Anfälligkeit für Irrationalität. So suchen die
Menschen auch bei der Pest nach scheinbar Schuldigen. Irgendwoher muss
das Unheil ja kommen. Volksgruppen oder Religionen werden dafür
verantwortlich gemacht. Mit dem heute nur mehr symbolisch verwendeten
Wort „Brunnenvergifter" werden damals ganze jüdische Gemeinden
bezichtigt und ausgelöscht. Zu Zeiten der Cholera 1832 berichtet der
Dichter Heinrich Heine aus Paris von todbringenden Gerüchten und einer
Massenhysterie. Es werde verbreitet, dass die Menschen gar nicht an der
Cholera sterben, sondern an Gift, das in alle Lebensmittel gestreut
worden sei. Das münde darin, dass Menschen auf offener Straße vom Mob
angegriffen, niedergeschlagen und sechs von ihnen ermordet werden.
Ebenfalls zur Cholerazeit findet sich in der Stadtchronik von Stettin
die Reaktionen der Menschen auf Maßnahmen der Behörden: „...die
aufgeregte Menge stand, von einigen Unruhestiftern irre geleitet, in
dem Wahn, dass man die Cholera und die Sicherungs-Maßregeln nur
gebrauche, um den gemeinen Pöbel auszurotten."
Während der Spanischen Grippe macht ein Land ein jeweils anderes
verantwortlich. Den feindlichen Ländern wird die Schuld an der Pandemie
zugeschoben. Die Seuche geht schließlich in Europa als „Spanische
Grippe" in die Geschichte ein. Das liegt erstaunlicherweise daran, dass
das im I. Weltkrieg neutrale Spanien als einziges Land wahrheitsgetreu
über die Krankheit berichtet. Im brasilianischen Satiremagazin Careta
wird behauptet, die Behörden würden, „die Gefährlichkeit der Krankheit,
die doch nur [...] alte Menschen dahinraffte, übertreiben, um eine
Diktatur der Wissenschaft zu errichten und die Bürgerrechte mit Füßen
treten zu können." „Schneller als das Virus verbreiten sich die
Verschwörungsmythen darüber", heißt es heute. Die Neuen Medien und
Social Media spielen hier eine bedeutende Rolle.
Josseline Engeler: The Crown of Creation.
(Die Krone der Schöpfung), Keramik glasiert, Kunstfell, Samt. Perg 2020.
Mit seiner Vorherrschaft auf dem Planeten Erde hat der Mensch für die
Ausbreitung eines Virus gesorgt, das in seiner Form an eine Krone -
Symbol für Macht - errinnert. Dieses Virus bestimmt und bedroht nun
schon seit Monaten weltweit das Leben seiner eigenen Spezies. Das Genie
des Menschen, das auch mit der Titulierung „Krone der Schöpfung" zum
Ausdruck gebracht wird, wird durch die Arbeit „Crown of creation"
augenzwinkernd in Frage gestellt.
RETTUNG DURCH SAUBERES WASSER - HYGIENEMASZNAHMEN VON PEST BIS COVID
Schon zu Zeiten der Pest wird versucht, ihre Verbreitung einzudämmen.
Zumindest in den Städten spielt dabei der Ausbau gepflasterter Straßen
eine wichtige Rolle. Sie lassen sich leichter von Unrat reinigen. Das
engt den Lebensraum der Ratten ein, deren Flöhe diese gefährliche
Krankheit verbreiten. In den Sommern des 15. Jahrhunderts kommt es
verstärkt zum Auftreten von Insekten wie Fliegen und Stechmücken. Diese
werden ebenfalls für Überträger des Pesterregers gehalten. Der
Erzählung nach werden daraufhin in verschiedenen Ländern Bestimmungen
erlassen. Zum Schutz vor den gefährlichen Insekten müssen sämtliche
Essensgefäße und Getränkebehälter abgedeckt werden. So entstand auch
der Deckel auf dem Bierkrug. Die Cholera erreicht das Kaisertum
Österreich 1830. In der Region tritt sie erst 1832 auf. Man sucht
weltweit nach den Ursachen und stellt fest, dass der Tod aus den mit
Fäkalien, Unrat und Tierkadavern verunreinigten Brunnen kommt. Die
Bedeutung sauberen Wassers wird erkannt.
Wien ist 1739 die erste Stadt Europas, die vollständig kanalisiert ist.
Regenfälle führen aber zu Überlastungen und das schmutzige Wasser
dringt in die Brunnen ein. 1830 werden deshalb als Abhilfe größere
Sammelkanäle entlang des Wienflusses gebaut. Auch die Errichtung der
Ersten Wiener Hochquellwasserleitung geht auf die gewonnenen
Erkenntnisse zurück. Ihre Eröffnung findet 1873 am Schwarzenbergplatz
in Wien statt. Der dortige Hochstrahlbrunnen erinnert sichtbar daran.
Die Region Hainfeld steht nicht nach. Als Lehre aus der Choleraepidemie
kommt es zur Errichtung von Wasserleitungen, Bädern und Kanälen. Zum
Beispiel wurde die Kanalisation in Annaberg 1835 gebaut. In Hainfeld
wird 1877 das Bad in Betrieb genommen. Es hat neben dem Freibecken auch
ein Wannenbad. 1899 wird in Türnitz ebenfalls ein solches Bad
eingerichtet. Die Wasserleitung in Annaberg stammt aus 1836, eine
modernere in Hainfeld aus 1902, die in Josefsberg folgt 1907.
Anonym: Tödlein.
Mischtechnik, verm. Mitte des 18. Jhdt.
Wohl nach dem Vorbild des 1514 von Hans Leinberger nach einem Entwurf
Hans Burgkmairs für Auftrag Kaiser Maximilians I. verfertigten Tödleins
(Kunst- und Wunderkammer, Schloss Ambras)
Das Tödlein ist ein „Memento mori" und soll an den immer gegenwärtigen
Tod erinnern. Memento-Mori-Darstellungen sind im Spätmittelalter und
der Renaissance üblich. Pfeil, Bogen und Köcher weisen darauf hin, dass
der Tod den Menschen jederzeit treffen kann. Die Rippen und die Knochen
liegen teilweise frei, Hautfetzen und Kleiderreste zeigen die Verwesung
an.
QUARANTÄNE UND LOCKDOWN - RÜCKZUGSVERORDNUNGEN VON PEST BIS COVID
Quarantäne ist eine vorübergehende Isolierung von Personen, die eine
ansteckende Krankheit haben oder bei denen sie vermutet wird, um die
Ausbreitung einer Epidemie zu verhindern. In Zeiten von Pest, Cholera
und Pandemien sowie im aktuellen Geschehen begegnen sie uns wieder. Bei
der Pestkatastrophe 1679 in Hainfeld und dem Bezirk kommt es zu keiner
nachweislichen Quarantäne. Es werden aber Maßnahmen zur Vorbeugung
gesetzt. So werden Neugeborene aus Rohrbach, Ramsau und Hainfeld
sicherheitshalber in das von der Seuche unberührte Kleinzell zur Taufe
gebracht. Die Pesttoten werden im Kirchental außerhalb des Ortes in
einem Massengrab begraben. Das Pestkreuz erinnert an die Menschen, die
hier immer noch liegen. In St. Veit werden Pesttote in einer Grube
begraben, wo heute noch das Pestkreuz von Kropsdorf steht. Bei einer
Überschwemmung kommen erst viel später die Skelette zum Vorschein.
Anfang des 18, Jahrhunderts lässt Kaiser Karl VI. an der Grenze zum
Osmanenreich im Süden einen Gebietsstreifen mit 2000 befestigten
Beobachtungstürmen einrichten. An diesem Cordon Sanitaire
(Gesundheits-Streifen) müssen alle Einreisenden 21 Tage in Quarantäne
bleiben.
In der Zeit der Cholera 1832 werden im ganzen Land Sperrbereiche, die
die Menschen nicht betreten oder verlassen dürfen, errichtet. Auf
Zuwiderhandeln steht die Todesstrafe. Das hilft aber nichts. Schon
damals hielten sich einige nicht an die Bestimmungen. Sie reisten
trotzdem und verbreiteten die Krankheit. Bei Ausbruch der Spanischen
Grippe 1918 ist noch der 1. Weltkrieg im Gange. Durch
Truppenverschiebungen und Fluchtbewegungen wird das Virus großräumig
weitergetragen. Die Krankheit wird zur Pandemie, wie sie die Welt in
dieser Schnelligkeit und Drastik bis dahin nicht erlebt hat.
Kurzfristig kommt es zur Schließung von Schulen, Theatern und Kinos.
Jetzt, in der Coronazeit, sind verordnete Schutzmaßnahmen, Quarantäne,
Lockdown und Social Distancing unsere Begleiter. Seit März 2020. Wie
lange wohl noch?
Egon Schiele: Selbstbildnis
Bronze um 1917, Nachguss: 1980
1890-1918, prominentes Opfer der Spanischen Grippe
WUNDERMITTEL IMPFUNG UND MEDIKAMENTE
„MAN HÜTE SICH VOR ZORN, ÄRGER UND ANGST UND SETZE SEIN VERTRAUEN AUF GOTT."
IMPFUNGEN
Impfungen können uns heute gegen verschiedenste übertragbare
Krankheiten schützen. Gegen die Pest gibt es sie erst seit 1890. Gegen
Cholera wird heute nur in Ausnahmefällen eine Schluckimpfung
verabreicht. Hygiene und Vorsicht im Umgang mit Wasser sind viel
wirksamer. Die frühere Impfung wird in Österreich nicht mehr
verabreicht. Gegen die Spanische Grippe und Covid 19 gab und gibt es
(noch) keine Impfung.
IMPFGEGNER
Seit Beginn des 19. Jahrhunderts werden in Österreich Menschen gegen
Pocken (Blattern) geimpft. Obwohl diese Erkrankung schlagartig zurück
geht, sind die Menschen zunächst sehr skeptisch. Die Impfrate ist
gering und so kommt es zu mehreren leichten und in den Jahren 1871 bis
1873 zu einer verheerenden Epidemie. In Deutschland wird 1869 eine
Organisation von Impfgegnern gegründet. Auch die Sozialdemokratie
stellt sich anfangs gegen das Impfen, weil damit echte Reformen von
Lebens- und Arbeitsverhältnissen überflüssig wären. Religiös motivierte
Impfgegner lehnen eine Impfung als künstlichen Eingriff in den
menschlichen Körper als nicht von Gott gewollt ab. Priester jedoch
helfen, das Vertrauen in die Impfungen zu fördern und rufen die
Gläubigen auf, sich
impfen zu lassen.
MEDIKAMENTE UND WUNDERMITTEL
Gegen Seuchen und Epidemien kommen zu jeder Zeit verschiedene Mittel
zum Einsatz. Als Vorbeugemittel gegen die Pest gilt zum Beispiel Essig,
ein früher Vorläufer der Desinfektionsmittel. Die Stiftsherrschaft
Lilienfeld erlässt 1831 „Vorschriften des Verhaltens in Betreff der
grassierenden Seuche Cholera Morbus". Es soll mit Wacholder geräuchert
und nicht zu stark geheizt werden. Man solle mit Essig aufgießen und
nicht im Freien schlafen. Am gefährdetsten seien betrunkene Menschen.
Pfeffer, Ingwer und Knoblauch sollten helfen. Zuletzt „hüte man sich
vor Zorn, Ärger und Angst und setze sein Vertrauen auf Gott".
Hausmittel und Wundermedizin sollen auch gegen die Spanische Grippe
helfen. Das sehr angepriesene Aspirin ist leider wirkungslos und ist
auch kaum zu bekommen. In der Coronakrise lernen die Ärzte weltweit,
immer besser auf die Erkrankten einzugehen. Ihnen lässt man die
bestmögliche Behandlung und Pflege angedeihen und erreicht damit in
vielen Fällen ihre Genesung. Auf heilende Medikamente warten wir aber
noch.
WIE KAM DIE PEST 1679 ZU UNS?
DER HOF REISTE ZUR GNADENMUTTER NACH MARIAZELL UND BRACHTE DEN TOD IM GEPÄCK.
Kaiser Leopold I. und seine Gemahlin, Kaiserin Eleonore Magdalena,
flüchten vor der Pest aus Wien nach Linz. Die Reise führt sie über
Mariazell, wo sie die Gottesmutter um Beistand gegen die Seuche bitten
wollen. Reisen des kaiserlichen Hofes werden immer genau vorbereitet.
Dazu reitet eine Vorhut voraus, die die Sicherheit der Wege und die
Raststationen erkundet. So auch diesmal. Jetzt aber reitet mit der
Vorhut auch die Pest mit. Einige, diesem Vorauskommando Angehörige,
tragen die Krankheit schon in sich, was niemand weiß. Und sie
verbreiten sie auf dem Weg.
Für Annaberg gibt es dazu Hinweise. Eva, die Frau eines kaiserlichen
Sesselträgers namens Hans Georg Heindl, wird bereits am 11. August 1679
hier begraben. Auch „die edle Jungfrau Anna Maria Langmandl,
Kammerjungfrau" der Oberst-Hofmeisterin der Kaiserin Eleonora stirbt an
der Seuche. Sie wird am 8. September 1679 begraben.
Aber auch die Oberst-Hofmeisterin selbst, Gräfin Maria Franziska von
Harrach, kommt nicht lebend davon. Ihr Grabstein in der Kirche und auch
der Eintrag im Sterbebuch zeugen davon. Zwar wird hier bei keiner die
Pest als Todesursache genannt, aber Zeitpunkt, Ort und die Häufung der
Todesfälle im kaiserlichen Gefolge legen diese Erkrankung sehr nahe.
Auf der in den Boden in der Mitte des Kirchenschiffs vor dem
Kommuniongitter eingelassenen Grabplatte der Gräfin steht: „Anno 1679,
dem 4ten Septembris ist in Gott seelig entschlafen die Hoch und
wohlgebohrne Frau, Frau Maria Francisca Gräfin v. Harrach, gebohrne
Fürstin von Eggenberg Herzogin zu Krumau, Ihro königlich Kayserlichen
Majestätt der regierenden Kayßserinn Eleonorae Magdalena Theresia erste
Oberste Hofmeisterin, welcher Gott die ewige Ruhe verleihe." Das
Begräbnis findet am 9. September statt. Der Chronik Annabergs von Franz
Hochreiter kann entnommen werden, dass bis November insgesamt 61
Menschen an der Pest sterben, und der Großteil von ihnen außerhalb des
Friedhofes begraben wird.
SCHUTZMASZNAHMEN - MASKEN UND ANDERE KLEIDUNGSSTÜCKE
Ärzte tragen in der Pestzeit Schutzkleidung, um sich selbst vor
Ansteckung zu schützen. Dazu gehören Maske, Brille, Handschuhe und ein
Umhang oder Mantel. In die Nasenöffnungen der Maske werden Kräuter wie
Wacholder oder Kampfer gestopft. Das macht die unangenehmen Gerüche
erträglicher. Gleichzeitig wird angenommen, dass die Kräuter die Luft
reinigen. So will man Ansteckung verhindern. Um möglichst viele Kräuter
verwenden zu können, müssen die Öffnungen groß sein. Daraus entwickelt
sich die Schnabelform. Sie ermöglicht besonders große Nasenlöcher. Die
Form der Masken kennen wir nur aus einigen Abbildungen aus Rom und
Marseille. Zu diesen Bildern gibt es auch Beschreibungen. Unsere
Vorstellung vom „Pestdoktor" ist von diesen typischen Zeichnungen und
Texten geprägt. Ähnliche Masken werden bis heute beim Karneval in
Venedig getragen. Der Zusammenhang mit der Maske des Pestarztes scheint
gegeben. Bis heute konnte das aber noch nicht genauer geklärt werden.
Bitte Abstand halten! (The distance between us can't be filled by a herd of elephants anymore).
MNS Vliesmasken auf Drahtgestell Matija Kac, 2020
Der Babyelefant als sich durch Absurdität und Witz in den Köpfen der
Österreicher*innen festzusetzendes Symbol von einer Werbeagentur Anfang
des Jahres 2020 ins Leben gerufen, um ein Bewusstsein für das „Social
Distancing" während der Corona-Pandemie zu schaffen, trägt hier als
Haut fast 200 Einwegmasken. Die Maske als Symbol der Solidarität für
die einen und als Symbol der Unterdrückung für die anderen, welche
gegen Anfang der Pandemie ein gar knappes Gut am Weltmarkt war und
jetzt neben Zigarettenstummeln und Gratiszeitungen am Trottoir das
Straßenbild der Stadt prägt. Hier in einem Kunstobjekt von ihrer
eigentlichen Funktion zweckentfrerndet um die dicke, nahezu
undurchdringbare Haut eines Elefanten nachzuahmen, stellt sie
unweigerlich dem/der Betrachter in die Frage nach der Verschwendung in
Zeiten einer weltweiten medizinischen Krise und reproduziert den
Überfiuss der „Gewinner*innen" und Profiteur*innen ebendieser.
Sammlung historischer Trinkgefäße
Nach der schrecklichen Zeit der großen Pestilenz im 14. Jahrhundert
waren die Menschen gierig darauf, das Leben in vollen Zügen zu
genießen. Dazu gehörte neben dem reichlichen Essen natürlich auch das
oft reichliche Trinken. Wein und Bier waren dabei je nach Region die
wohl wichtigsten Getränke und waren Bestandteil von Festen und
Ritualen, wie z. B. dem „Zutrinken" nach einem erfolgreichen Geschäfts-
oder Vertragsabschluss.
Aber die Menschen mochten es auch, ihre Trinkgefäße möglichst schön
gestalten zu lassen und dadurch ihren Stand, Wohlstand und Erfolg
auszudrücken. Begabte Zinngießer, Gold- und Silberschmiede, Töpfer und
Glasbläser sowie Maler, Ziseleure und Glasschneider fertigten wahre
kleine Kunstwerke für ihre Auftraggeber. Viele dieser wunderschönen
Trinkgefäße hielten sich in abgewandelter Form bis in das späte 19.
Jahrhundert. Eine Auswahl solcher Trinkgefäße kann im Museum
Historischer Bierkrüge bewundert werden.
Bierkrüge, Humpen, Kannen, Trinkgefäße (1500 bis 1950)
Unterschiedliche Trinkgefäße für Bier; Materialien: Holz, Steinzeug,
Steingut, Zinn, Glas, Porzellan u. a.; bekannte Produktionsstätten:
Rheinland (Köln, Frechen, Siegsburg, Raeren u. Westerwald), Creussen,
Sachsen, Schlesien, Nürnberg, Bayreuth, Thüringen, Bayrischer Wald,
Böhmen etc.; erzeugt und in Gebrauch: zwischen 1500 und 1950
Bier spielte schon in frühesten Zeiten (z. B. bei den Sumerern) eine
bedeutende Rolle. Es war ein fast lebenswichtiges Getränk im
Mittelalter und wurde auch von Kindern und Frauen getrunken. Es gehörte
zur Beköstigung der Mönche, der Gesellen, der Studenten, der
Landsknechte und der Hofbediensteten. Der Besitz des Braurechtes war
oft eine grundlegende Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg
einer Stadt. So feierte Dortmund 1993 den Erhalt des Braurechtes durch
König Adolf von Nassau im Jahr 1293. Ein neuzeitlicher Krug erinnert an
dieses für die Stadt Dortmund wichtige, geschichtliche Ereignis. Auch
viele andere Städte bemühten sich um das Braurecht. Laut einem
Berufsverzeichnis gab es um 1460 allein in Hamburg
vierhundertachtundfünfzig Brauer und mehr als einhundert Böttcher. Bier
wurde sogar schon damals aus den Hansestädten bis nach Indien
exportiert. Die Brauereien gaben vielen anderen Berufszweigen und
Menschen Arbeit und stellten somit einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor
dar.
Bier wurde in Holzfässern gelagert und transportiert, in Schenkkannen
serviert und aus verschiedensten Gefäßen getrunken. Diese Trinkgefäße
waren entweder aus Holz, Steingut, Steinzeug. Zinn, manchmal auch aus
Glas oder aus Edelmetallen. Krüge aus Steinzeug entwickelten sich bald
als sehr praktische und daher viel produzierte Form der Trinkgefäße.
Waren frühe Trinkkrüge noch einfache, schmucklose und zweckmäßige
Gefäße, so änderte sich dies sehr bald. Das gestalterische Bestreben
des Menschen führte dazu, auch Trinkkrüge künstlerisch zu gestalten und
zu verschönern. Trinkkrüge wurden nicht nur zum Konsumieren von
Getränken verwendet, sondern auch sehr gerne für Repräsentationszwecke.
Sie wurden damit auch zu Symbolträgern von Macht, Reichtum und
gesellschaftlichem Stand der jeweiligen Besitzer. Besonders Prunkkrüge
der Renaissance z. B. aus gebranntem Töpferton, mit ihren Formen und
ihrer Farbenpracht beeinflussten viele spätere Kunsthandwerker in ihren
Arbeiten. Ein Beispiel dafür ist Reinhold Hanke, einer der bekanntesten
Erzeuger von Steinzeugkrügen des Westerwaldes im Historismus. Er führte
die in Vergessenheit geratenen Formen und Dekorationstechniken der
Renaissance wiederum ein und produzierte Steinzeugkrüge im altdeutschen
Stil.
R. Hanke wurde 1876 zum Hoflieferanten „Ihrer Majestät der deutschen
Kaiserin" ernannt und gewann bei vielen nationalen und internationalen
Ausstellungen des Kunstgewerbes Auszeichnungen. Er produzierte bis 1882
ausschließlich graues und blaubemaltes Steinzeug und danach auch das
sogenannte Elfenbeinsteinzeug, welches sich neben Blau auch in Braun-
und Grüntönen bemalen ließ. Zu Hankes Konkurrenten gehörten die
bekannte Westerwälder Manufaktur Merkelbach & Wick; aber auch die
Firmen Hauber & Reuther; Marzi & Remy; Simon Peter Gerz;
Mettlach und Dümler & Breiden, welche auch ehemalige Mitarbeiter
von Hanke waren. Diese Firmen produzierten Bierkrüge aus Steinzeug in
der Zeit zwischen 1850 und 1910, welche unter Sammlern als die „goldene
Ära" der Bierkrugerzeugung bezeichnet wird. Viele der Bierkrüge des MHB
stammen aus diesen Manufakturen.
Bierkrugabdeckungen als Deckelkunst
Brauereikrüge
0,4, 1/2 und 1L; Typ. Materialien sind Steinzeug, Elfenbein- und
Feinsteinzeug, Glas, hauptsächlich mit Ritz- oder Stempeldekor
(Brauereinamen oder Symbol) oder Emailbemalung; bekannte
Produktionsstätten: Westerwald (insbes. R. Merkelbach), Bayern,
Mettlach; erzeugt und hauptsächlich verwendet: zwischen 1860 und 1940
Die Bierbrauereien und Braustätten waren verständlicherweise die
ersten, die ganz speziell Trinkgefäße für ihre Gäste erzeugen ließen.
Diese Bierkrüge mussten natürlich robust und praktisch sein und dafür
eigneten sich salzglasierte Steinzeugkrüge am besten. Sie waren relativ
billig in der Erzeugung, robust und bei normaler Verwendung kaum zu
zerbrechen und auch leicht zu reinigen. Dabei war es damals auch
durchaus üblich, dass viele Gäste ihre persönlichen Trinkgefäße mit
sich führten und aus diesen tranken. Genau so war es auch oft üblich,
dass sich mehrere Gäste ein Trinkgefäß teilten, das heißt, ihr Bier aus
einem gemeinsamen Trinkgefäß tranken. Sehr oft wurden damals auch große
Schenkkannen und riesige Krüge verwendet, welche dann die Runde machten
und so geleert wurden.
Erst im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts, entdeckten die Brauereien
den Bierkrug als Werbemittel. Seit ungefähr 1870 wurden die im
Westerwald, vorwiegend von der Firma Reinhold Merkelbach,
hergestellten, grauen und salzglasierten Steinzeugkrüge als typische
Brauereikrüge verwendet. Diese Krüge, die so genannten Masskrüge,
wurden mit Zinndeckeln versehen, auf denen vorerst nur der Name der
Brauerei und später auch das jeweilige Firmenemblem eingeprägt wurden.
Ab 1880 wurden in die Krüge selbst, die Namen der Brauereien und später
auch deren Firmensymbole anfangs händisch eingeritzt oder später
eingestempelt. Anfänglich wurden die Krüge nur mit kobaltblauer bzw.
später auch durch das in Mode kommende Umdruckverfahren mit leuchtenden
Emailfarben bemalt und gebrannt. Die Firmensignets wurden oft von
damals bekannten Künstlern entworfen und gestaltet. So ließ zum
Beispiel die Münchener Spaten Brauerei ihr heute so bekanntes
Firmenzeichen vom Künstler Otto Hupp entwerfen, während das
Firmensignet des Franziskaner-Bräu vom Grafiker Ludwig Hohlwein
entworfen wurde. Damit wurde eine Entwicklung eingeleitet, an deren
Ende die heute so begehrten, oftmals mit schönen Emailfarben, bemalten
Bierkrüge standen. Die Beschriftung und Dekoration der Krüge erfolgte
durch so genannte Veredelungsbetriebe, von denen die meisten in München
ansässig waren, wie zum Beispiel die Firma Martin Pauson.
Neben Brauereikrügen aus Steinzeug wurden auch Brauereikrüge aus
Pressglas hergestellt, nach einem Verfahren, welches ab ungefähr 1870
das bis dahin erzeugte, in Holzmodelformen geblasene Glas ablöste. In
diesem Zusammenhang war vor allem die Firma Sachsen Glas in
Ottenforf-Okrilla bekannt für ihre ziemlich robusten Brauereiglaskrüge.
Die Namen der jeweiligen Brauereien finden sich oft auf dem Boden
dieser Glaskrüge. Auch diese Krüge wurden oft mit Zinndeckeln versehen,
auf denen das Firmensignets der Brauereien geprägt waren. Manche
Brauereien ließen auch solche Glasbierkrüge in Emailfarben mit ihrem
Firmenemblem versehen. Solche Krüge sind heute ebenso begehrte
Sammlerstücke wie die alten Bierkrüge aus Steinzeug.
Erinnerungs- und Jubiläumskrüge
Typische Materialien: Stein- und Elfenbeinsteinzeug, Feinsteinzeug,
Glas, Porzellan, Zinn und Silber, emailbemalt oder mit Reliefdekor;
bekannte Produktionsstätten: Westerwald (z. B. Marzi u. Remy),
Thüringen, Österreich und Sachsen; erzeugt, aber nicht unbedingt auch
verwendet: zwischen 1860 und 1950.
Diese Art der Andenkenkräge wurden erzeugt um an spezielle Ereignisse
oder Jahresdaten zu erinnern. Diese Ereignisse oder Jahresdaten konnten
sich sowohl auf öffentliche Ereignisse (z. B. Krönung eines Monarchen;
Erklärung des Stadtrechtes etc.) als auch auf private bzw. nicht
öffentliche Ereignisse (z. B. Hochzeit; Sängerfest; Turnerfest;
Geburtstag; Firmenjubiläum etc.) beziehen.
Bekannte Beispiele dafür sind die Festkrüge des Oktoberfestes, welches
erstmals im Jahr 1810 gefeiert wurde. Am 12. Oktober dieses Jahres
heiratete Kronprinz Ludwig, der spätere König Ludwig I. die Prinzessin
Therese von Sachsen-Hildburghausen. Zu diesem Anlass wurden besondere
Trinkkrüge erzeugt, welche für den heutigen Sammler von großem Wert
sind. Seitdem findet nicht nur jährlich das mittlerweile berühmte
Oktoberfest statt, sondern es werden auch dazu spezielle
Oktoberfestkrüge produziert, die an das jeweilige Fest erinnern sollen.
Es gibt auch Erinnerungskrüge von Gewerbe- und Kunstausstellungen oder
zu wichtigen Jahresdaten und politischen Ereignissen wie z. B. die
berühmt gewordene Reichstagsrede von Otto von Bismarck am 06. Februar
1888, von der ein wunderschöner Charakterkrug mit dem Portrait
Bismarcks und seiner Kernaussage zeugt.
Andere Beispiele von Erinnerungskrügen sind die von Sammlern begehrten
Krüge von Sängerbundesfesten und Turnerfesten oder von großen
Schützenfesten. Auch hier erkennt man die Krüge bzw den Anlass ihrer
Erzeugung an typischen Symbolen und Spruchbändern.
Typische Erkennungsmerkmale sind die Portraits von Turnvater Jahn mit
dem Turnergruß „All Heil" oder die Symbole der Sänger, wie Harfe, die
Muse, Stimmgabel bzw. Dreizack oder die Zielscheibe und passende
Spruchbänder. Weitere Beispiele sind die Erinnerungskrüge von Gründungsjubiläen z. B.
von Firmen oder Institutionen, Dienstjubiläen, Weihnachtskrüge mit
Widmungen oder Geburtstage.
Vereinskrüge
Typische Materialien: Stein- und Elfenbeinsteinzeug, Feinsteinzeug,
Glas oder Porzellan, mit Reliefverzierungen und Rolldekor oder
Emailbemalung mit Vereinssymbolen, teilweise mit Widmungen und
typischen Sprüchen; bekannte Produktionsstätten: Thüringen, Westerwald,
Böhmischer und Bayrischer Wald; hergestellt und oft kaum in Verwendung:
zwischen 1880 und 1940
Menschen neigen schon seit jeher dazu, sich im Verein mit anderen, in
sportlicher oder künstlerischer oder gestalterischer Hinsicht zu
betätigen. Dementsprechend stark ausgeprägt war auch das Vereinswesen
schon im 19. Jahrhundert. So gab es schon um 1840 den großen und
berühmten Wiener Männergesangsverein, für den sogar Johann Strauß
später ein Musikstück komponiert hat und von dem ein schöner Bierkrug
des 1. Tenors des Gesangsvereines im Museum ausgestellt ist. Es gab
neben den vielen Musiker- und Gesangsvereinen auch Turnvereine;
Kegelvereine, Radfahrervereine, Schachspielervereine,
Kartenspielervereine und sogar Rauchervereine. Viele dieser Vereine
ließen sich für ihre Mitglieder auch Krüge bzw. Bierkrüge gestalten und
bemalen und mit ihren Vereinssymbolen oder mit einer eigenen Widmung
versehen.
Wie für andere gesellschaftliche Gruppen zum Beispiel für die Zünfte
und Stände oder die Studenten gibt es auch hier fallweise Figurenkrüge,
welche ganz speziell markante Symbole der jeweiligen Vereine
darstellen. So ist zum Beispiel ein Figurenkrug in Form eines Kegels,
mit bildlichen Darstellungen von Kegelaktivitäten ein typischer
Vereinskrug von passionierten Keglern aus dieser Zeit. Ein Symbol,
welches sich besonders oft auf Sportvereinskrügen findet, ist ein
Portrait von „Turnvater Jahn", dem Begründer der deutschen
Turnbewegung. Sein Portrait ist sehr oft in Kombination mit den
bekannten Turnergruß „Frisch, fröhlich, frei" oder „All Heil". Andere
Vereinskrüge sind jene von Musiker- und Gesangsvereinen.
Westerwälder Steinzeugkrüge, Humpen und Kannen
Elfenbeinsteinzeug (vorwiegend Historismus- und Jugendstil und später)
Material: salzglasiertes Steinzeug, gebrannt aus Westerwälder Ton;
durch neue Brandtechnik elfenbeinbrauner Farbton; dadurch sind neben
Kobaltblau, auch Farbtöne in Grün, Braun, Manganviolett, Mangan und
Schwarz möglich; verschiedene Reliefdekore mit Genreszenen oder
Sprüchen, teilweise bemalt; hergestellt und verwendet zwischen 1880 und
1950
Westerwälder Steinzeugkrüge, Humpen und Kannen
Graues Steinzeug („Altdeutscher Stil" bzw. „Historismusstil" u. tw.
später) Material: hoch gebrannter Ton aus dem Westerwald, graues und
graubraunes, salzglasiertes Steinzeug teils mit kobaltblau bemalten
Reliefdekors, teils unbemalt (Westerwälder „Modelkrüge" bzw. „gepresste
Kännchen"); Kartuschen mit Trinksprüchen und Symbolen, tw. mit
Zwergmotiven und klassizistischen, geometrischen bzw. auch figürlichen
Darstellungen und Genreszenen; erzeugt und in Verwendung zwischen 1840
und 1920
Steinzeug ist ein keramisches Produkt mit einem farbigen, harten
Scherben, der auch ohne Glasur wasserundurchlässig ist. Seine
Undurchlässigkeit erhält das Steinzeug durch den Brand zu besonders
hohen Temperaturen von über 1200 Grad. Dadurch wird die verwendete
Tonerde zum „Sintern" gebracht, das heißt zusammengebacken (daher
Westerwald oder Kannenbäckerland) und wasserundurchlässig. Die
Salzglasur dient hier im Prinzip nur zur Verschönerung und Belebung der
dadurch seidig glänzenden Oberfläche. Die Salzglasur ist im Gegensatz
zur früher verwendeten Bleiglasur auch nicht gesundheitsschädigend.
Steinzeug ist außergewöhnlich hart und ziemlich stoẞunempfindlich,
weswegen es wahrscheinlich auch gerne für Brauereikrüge verwendet wurde.
Die auf der Töpferscheibe aufgedrehten Gefäße wurden vor dem Brand an
der Luft „lederhart" getrocknet. Danach wurden die Zusatzteile, wie
Henkel und Reliefauflagen mit Tonschlicker angeklebt oder der Dekor
wurde eingeritzt bzw. gestempelt.
Richtig vollständig gesintertes Steinzeug gibt es erst seit dem späten
Mittelalter, aber schon im 13. Jahrhundert gelang es Töpfern in den
rheinischen Töpfereizentren geeigneten Ton durch höhere Temperaturen
zum Sintern zu bringen. Mit der Erfindung der Salzglasur im 15.
Jahrhundert in Köln, begann eine Blütezeit der rheinischen
Steinzeugzentren in Köln, Frechen, Siegsburg, Raeren und des
Westerwaldes. Andere berühmte Töpfereizentren entstanden auch in den
sächsischen, fränkischen und schlesischen Gebieten in den neben der
geeigneten Tonerde auch die notwendigen Kunsthandwerker zu finden
waren. Ab dem 16. Jahrhundert wurden zusätzlich zur Gebrauchsware der
bäuerlichen und kleinbürgerlichen Haushalte auch Steinzeuggefäße von
eleganterem und künstlerisch anspruchsvollerem Äußeren erzeugt. Von nun
an wurden Steinzeugkrüge auch für repräsentative Zwecke verwendet und
auch in zahlreiche Länder exportiert.
Seine erste Blütezeit erlebte der Westerwald nach der Erfindung der
Salzglasur durch kölnische Töpfer in der Mitte des 15. Jahrhunderts.
Diese erste Blütezeit dauerte bis ins 18. Jahrhundert. Die zweite
Blütezeit des Westerwaldes begann dann in der Mitte des 19.
Jahrhunderts. Ausgelöst wurde diese Entwicklung durch die seit der
Reichsgründung steigende Nachfrage nach Artikeln, die im altdeutschen
Stil dekoriert waren. Einer der Schlüsselfiguren in dieser Zeit des
Historismus war der aus Böhmen zugewanderte Reinhold Hanke. Er führte
die mittlerweile in Vergessenheit geratenen Formen und
Dekorationstechniken der Renaissance wiederum ein und hatte damit
beachtlichen Erfolg. So musste er unter anderem für die Burg Eltz Krüge
und Humpen im altdeutschen Stil produzieren, was eine ständig steigende
Nachfrage nach solchen Krügen auslöste.
Um der Nachfrage gerecht zu werden, gründete Hanke 1868 die „Fabrik
altdeutscher Steingut-Krüge" in Höhr-Grenzhausen. Als gelernter Töpfer
und Formengießer entwickelte er Gipsformen, in welche Auflagenmotive
bereits eingearbeitet waren. Von nun an wurden die Krüge per Hand oder
mit Hilfe einer Schablone in die von Hanke entwickelten Gipsformen
eingedreht und somit der Reliefdekor in gleich bleibender Qualität auf
die Wandung der Trinkgefäße übertragen. Dies war der Anfang der
preisgünstigen Serienproduktion und Manufaktur. Die von der Steinzeugfabrik hergestellten Produkte graues Steinzeug mit
kobaltblauer Bemalung in Reliefform erfreuten sich immer größerer
Beliebtheit und wurden auch bei diversen nationalen und internationalen
Ausstellungen ausgezeichnet und bis nach Amerika exportiert. Reinhold
Hanke wurde 1876 zum „Hoflieferanten Ihrer Majestät der deutschen
Kaiserin" ernannt.
Bis etwa 1882 stellte die Steinzeugfabrik nur graue, blau bemalte
Steinzeuggefäße her. Ab 1882/1883 gelang es, durch die Entwicklung
eines Rundofens mit
überschlagender Flamme ein gelbliches bzw. elfenbeinfarbenes Steinzeug,
das sogenannte Elfenbeinsteinzeug zur erzeugen. Dieses ließ sich nun
neben dem herkömmlichen Kobaltblau auch in Braun- und Grüntönen
bemalen. Natürlich waren auch andere Steinzeugfirmen nicht untätig und
begannen
nach den Erfolgen Hankes mit der Erzeugung von Krügen im altdeutschen
Stil. So begannen ehemalige Mitarbeiter Hankes, Dümler und Breiden ab
1883 und Rosskopf und Gerz ab 1901 mit eigenen Firmen mit der
Herstellung von Steinzeugkrügen in diesem Stil. Die Firma Merkelbach
und Wick begann bereits 1872 mit der Produktion von Steinzeugkrügen im
Historismusstil und fand mit ihren Produkten bei der Wiener
Weltausstellung 1873 größte Beachtung.
Die Produkte all dieser Westerwaldfirmen waren sich natürlich sehr
ähnlich. Die Krüge wurden mit Wappen, Bauerntänzen, Jagdszenen,
Allegorien, gotischen Spitzbögen und barocken Rocaillen verziert.
Besonders beliebte Reliefauflagen waren die Motive damals bekannter
Maler wie Defregger und Hugo Kauffmann, Wirtshausszenen, Trinksprüche,
Ritter, Landsknechte u. a. Neben den oben beschriebenen Steinzeugkrügen, wurden zwischen 1850 und
1900 im Westerwald auch sogenannte Modelkrüge erzeugt. Diese
Steinzeugkrüge sind graue bzw. graubräunlich, salzglasierte und mit
einem Reliefdekor verzierte Krüge, die durch das Hineinpressen in
mehrteilige Formen aus Messing (Modeln) produziert wurden. Sie werden
irrtümlicherweise oft als Regensburger Modelkrüge bezeichnet, da eine
der bekannten Firmen (Fritz Thenn, Produktion 1874 bis 1886) solche
Krüge am Firmenstandort Regensburg produzierte. Es gab aber im
Westerwald an die 15 kleinere Firmen, welche solche Krüge, die in ihrer
Einfachheit durchaus ansprechend und vor allem sehr robust sind, in
großer Stückzahl erzeugten.
Gambrinus und Bier - Interessantes und Merkwürdiges zum Thema Gambrinus Bier
Wussten Sie eigentlich, dass
.) die Herstellung von Bier erstmals vor cirka 10000 Jahren, vermutlich zufällig, durch feuchtes, gärendes Brot gelang?
.) die Sumerer (4000 bis 1800 vor Christus) neben der Erfindung der
Keilschrift, Bier systematisch brauten und somit als "Urväter" der
"Brauerei" gelten?
.) das 1. Schriftliche Dokument zum Brauverfahren den Sumerern zu verdanken ist und dieses Dokument ca. 6000 Jahre alt ist?
.) jeder Sumerer, je nach Standeszugehörigkeit, Anspruch auf sein
tägliches Bier hatte (2 bis 7 Kannen) und seine Kirchensteuer in Bier
zu bezahlen hatte?
.) schon Babylons bedeutender König Hamurabi (1728 bis 1686 vor
Christus) die Bedeutung des Bieres erkannte und dementsprechende
Gesetze erließ?
.) Bier sowohl als Göttertrank für Opfergaben, als Stimulierungstrank
der Priester und zur Herstellung von Heilmitteln verwendet wurde?
.) bei den Ägyptern auf Bierbrauen schon ein Staatsmonopol bestand, das
Bier selbst aber genau nach Status geregelten Mengen unentgeltlich an
Bürger abgegeben wurde?
.) Beamte, Offiziere und Soldaten hauptsächlich in Brot und Bier
bezahlt wurden und ihr Bier durch Röhren schlürften oder vorher siebten?
.) der römische Kaiser Flavius Valenz (4. Jhdt.) Bier sehr mochte,
besonders das "Sabaium" aus dem heutigen Österreich, welches den Namen
Sabazious oder Sabos, dem Gott der Thraker verdankte?
.) um 1500 v. Chr. auch in Mitteleuropa aus Fladenbrot Bier gebraut
wurde und die alten Germanen spätestens um 800 v. Chr. wenn nicht schon
früher zu brauen verstanden?
.) die Germanen begannen Getreidekörner nicht zu backen, sondern sie
keimen und trocknen zu lassen, um dann damit Bier zu brauen?
.) Karl der Große (8. Jhdt.) Bier schon als Getränk und als gute Einnahmenquelle schätzte und daher eigene Brauereien betrieb?
.) Bierbrauen lange Zeit Hausfrauensache war, bevor es von den Klöstern
und bürgerlichen Brauereien professionell betrieben wurde?
.) die Braukunst vor allem in den Klöstern hoch entwickelt wurde und die Braurezepte meist nur den Äbten bekannt waren?
.) Hopfen relativ spät (um 1150 in Weihenstephan) zur Verbesserung und Haltbarkeit des Bieres verwendet wurde?
.) die älteste Klosterbrauerei vom irischen Mönch Columban und seinem
Schüler Gallus (Anfang 7. Jhdt.) am Bodensee (St. Gallen) gegründet
wurde?
.) die entstehenden Klosterbrauereien durch eigene Landwirtschaften,
Steuerfreiheit und fast kostenlose Arbeitskräfte einen enormen
Wettbewerbsvorteil gegenüber den bürgerlichen Brauern hatten?
.) im Hochmittelalter über 500 Klosterbrauerein existierten bis Herzöge
und Könige aus Steuergründen an immer mehr Städte und Brauherrn die
Braugerechtigkeit verliehen und so deren Aufschwung einleiteten?
Figuren und Charakterkrüge
Typische Materialien: Steinzeug, Elfenbein- und Feinsteinzeug,
Porzellan; bekannte Produktionsstätten: Westerwald (z. B. Merkelbach u.
Wick), Thüringen (Bohne u. Söhne) Mettlach (Villeroy u. Boch); erzeugt
zwischen 1850 und 1950; kaum als Gebrauchsgefäße verwendet
Wie Felsenbilder und Höhlenzeichnungen zeigen, trieb schon seit
Urzeiten der künstlerische Instinkt den Menschen dazu, Erscheinungen
der Natur nachzuahmen und festzuhalten. Auch Töpfereinarbeiten aus
frühesten Zeiten zeugen von diesem Bestreben des Menschen,
Erscheinungen der Natur zu modellieren. Nicht allzu lange, nachdem die
Töpferei dazu übergegangen war, Gebrauchsgegenstände, wie Töpfe,
Schüsseln und Krüge etc. zu erzeugen, lenkten sie ihren künstlerischen
Gestaltungsdrang auch darauf und begannen, Gebrauchsgegenstände in Form
von verschiedensten Figuren und charakteristischen Darstellungen zu
erzeugen. Als im Europa des 13. Jahrhunderts die Steinguterzeugung
ihren Aufschwung nahm, begann gleichzeitig neben der künstlerischen
Gestaltung von verschiedensten Gefäßen auch die Erzeugung von figuralen
Gefäßen ihren Aufschwung und erlebte damit ihre Wiedergeburt.
Neben den berühmten Bartmannkrügen und den Eulenkrügen aus dem 16.
Jahrhundert, ist der Brixener Eulenpokal, der vermutlich um 1540
erzeugt wurde, der erste echte Charakterkrug, der speziell als
Trinkgefäß erzeugt wurde. Allerdings dauerte es dann doch bis Mitte des
19. Jahrhunderts (ungefähr 1850) dass die Erzeuger von Steinzeug- bzw.
Bierkrügen ganz speziell Charakter- und Figurenkrüge zu erzeugen
begannen. Ab dieser Zeit wurden nämlich Gefäße auch in Modeln geformt.
Die so erzeugten Figurenkrüge repäsentierten entweder bestimmte Tiere,
wie Eulen, Widder etc. oder menschliche Köpfe, meist berühmter Menschen
oder Menschen mit einer charakteristischen Ausstrahlung, aber auch die
Figuren von Mönchen und Nonnen, die Nachbildungen bekannter Bauwerke,
wie den Nürnberger Turm oder die Münchner Frauenkirche oder
verschiedenste mythologische oder bedeutsame Darstellungen wie z. B.
das Münchener Kindl oder der Totenschädel auf dem
Commersbuch. Die Darstellungen dieser Trinkgefäße bezogen sich fast
ausnahmslos auf Dinge, die für die Menschen der damaligen Zeit oder für
die Besitzer der jeweiligen Figurenkrüge von besonderer Bedeutung waren.
Die ersten richtigen Figurenkrüge waren z.B. Totenschädel aus
Porzellan, die von der Firma Bohne und Söhne in Thüringen erzeugt
wurden. Diese Schädel wurden besonders von Medizinern und
Medizinstudenten sowie von Gelehrten und Mitgliedern der Geheimbünde
gekauft. Zwischen 1870 und 1880 begannen dann auch andere bekannte
Manufakturen von Steinzeugkrügen damit, schöne Figuren- und
Charakterkrüge zu erzeugen. Zu diesen Firmen gehörten Merkelbach und
Wick, Reinhold Hanke; Dümler & Breiden; Simon Peter Gerz, Marzi und
Remy und später auch Villeroy & Boch aus Mettlach. Zur absoluten
Berühmtheit unter Sammlern brachten es die Porzellanfigurenkrüge der
Firma Schierholz in Plaue/Thüringen, welche heute zu den begehrtesten
Objekten fachkundiger Sammler zählen. Zwei bekannte und auch lustig
anzusehende Charakterkrüge von Schierholz sind der lachende und der
traurige Rettich. Aber die wohl berühmteste Charakterfigur, welche auch
auf vielen Andenkenkrügen gezeigt wird, ist jene des Münchener Kindls.
Das Münchener Kindl ist die künstlerische Darstellung eines Mönches,
der wiederum in der Gründungscharta der Stadt München, die ja von
Mönchen gegründet wurde, eine wichtige Rolle darstellt.
Zunft- und Standeskrüge
Typische Materialien: Porzellan, Steinzeug- und Feinsteinzeug, Glas -
meist mit Emailbemalung, manchmal mit Reliefdekor, seltener aus Zinn;
bekannte Produktionsstätten: Westerwald, Mettlach, Böhmen, Bayern,
Sachsen; erzeugt und auch teilweise in Gebrauch: zwischen 1840 und 1940
Zunft- und Standeskrüge wurden schon so früh wie im 17. Jahrhundert
erzeugt und verwendet. Dabei waren es die Zünfte der verschiedenen
Handwerker wie die Müller, Bäcker, Schuster; Bierbrauer; Zimmerleute
und die Maurer, welche ihre Trinkgefäße gerne mit den für sie typischen
Insignien versehen ließen. Aber auch wichtige Berufsgruppen wie
Feuerwehrleute, Jäger (Berufsjäger und Adelige mit Jagdrechten) und der
Stand der Kaufleute und der Gelehrten verwendeten gerne Trinkgefäße mit
ihren jeweiligen Standessymbolen. Dabei verwendeten diese Gruppen nicht
nur ihre typischen Handwerks- und Berufsinsignien oder Standessymbole,
sondern versahen ihre Trinkgefäße auch gerne mit Sprüchen wie - „Es
lebe das Handwerk der Müller", oder „Eher soll die Welt verderben, als
vor Durst ein Bäcker sterben", oder „Gott zur Ehr, dem Menschen zur
Wehr" und ein seit Jahrhunderten berühmter Zunftspruch der Bierbrauer
„Hopfen und Malz, Gott erhalts", ein Spruch der mittlerweile ein oft
gesehener Spruch auch auf modernen Krügen zu sehen ist. Standeskrüge
von gelehrten Berufsgruppen und Kaufleuten wurden auch in Form von
Charakterkrügen z. B. die Mettlacher Bücherkrüge erzeugt. Die Zunft-
bzw. Berufssymbole bestehen hier aus einer Reihe von Bücherrücken, mit
den für die jeweiligen Berufe relevanten Buchtiteln und einem
Berufssymbol und Spruch auf dem Krugdeckel.
Während die früheren Zunftkrüge nicht unbedingt mit den Namen ihrer
Besitzer versehen wurden, so wurde es jedoch zunehmend üblich, den
Zunftkrug auch mit dem Namen des jeweiligen Besitzers zu versehen, der
dann entweder knapp über dem Bodenrand, knapp unter dem Lippenrand oder
auf dem Deckel zu finden ist. Eine eigene Kategorie unter den Zunft-
und Standeskrügen bilden die offiziellen Amtskannen oder Amtkrüge,
welche als Teil der Ausstattung einer Zunfttruhe galt. Diese Amtkannen
waren oft von einer ziemlichen Größe, oft äußerst kunstvoll verziert
und gefertigt und zwischen 1800 und 1900 sehr oft aus Zinn.
Studentenkrüge
Typische Materialien: Stein- und Elfenbeinsteinzeug, Feinsteinzeug und
Glas, mit Emailbemalungen (Wappen u. Zirkel der Verbindung bzw.
persönl. Widmung) oder Reliefdekor, selten Porzellan und Zinn; bekannte
Produktionsstätten: Westerwald, Tübingen; Böhmischer und Bayrischer
Wald, Mettlach, Thüringen; erzeugt und teilweise heftig in Gebrauch:
zwischen 1870 und 1950
Ein Student hatte in früheren Zeiten wahrscheinlich ein stärkeres
Zugehörigkeitsgefühl, sowohl zur Universität an der er studierte, als
auch zu seinen Studienkollegen, mit denen er oft jahrelang zusammen
lernte, wohnte und lebte, als der typische Student von heute. Früher
gab es weniger Universitäten oder Hochschulen, was auch bedeutete, dass
jemand der ein Studium absolvierte, oft für Jahre seine Heimat und die
ihm vertraute Umgebung verlassen musste, um in einer fernen
Universitätsstadt zu studieren und zu leben. Wenn man berücksichtigt,
dass die Reise mit einer Postkutsche um 1850, von Wien nach München 86
Stunden bzw. dreieinhalb bis vier Tage dauerte, dann kann man sich gut
vorstellen, wie selten ein Student eine Heimreise absolvieren konnte.
Ein typischer Student dieser Zeit war also vorwiegend auf sich selbst
und seine sozialen Kontakte angewiesen, welche er an seinem Studienort
knüpfen musste. Dementsprechend wichtig waren die guten kollegialen
Beziehungen und Kontakte unter den Studenten, Professoren und den
verschiedenen Institutionen, welche im Studentenalltag eine Rolle
spielten. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich die Studenten und
Universitätsangehörigen in Gruppen bzw. den so genannten
Studentenverbindungen organisierten und dabei ein oft extrem starkes
Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelten. Dazu kam auch, dass es
zwischen den Universitätsangehörigen und den normalen Bürgern der
Universitätsstädte nicht immer nur friedlich zuging, wie man aus
verschiedenen Auszügen aus damaligen Chroniken weiß.
Die zahlreichen Studentenverbindungen, welche sich in diesen Zeiten
bildeten, hatten abgesehen von ihren individuellen und gemeinsamen
Ritualen, oftmals auch ihre eigenen Wappen und ihre Zirkel, die so
genannten Verbindungszirkel, mit denen sie ihre Wappen, Gerätschaften
und Utensilien kennzeichneten und schmückten. Natürlich gehörte auch
ein Bierkrug zur Grundausrüstung eines ordentlichen Studenten und wie
seine anderen persönlichen Utensilien, ließ er auch seinen Bierkrug,
sei er nun aus Steinzeug, Glas, Porzellan oder manchmal auch aus Zinn,
mit dem Wappen und dem Zirkel der Studentenverbindung versehen, der er
angehörte. Diese Krüge wurden typischerweise als Rohlinge von den so
genannten „Studentenartikel-Fabriken" oder „Coleurartikelhändlern"
bezogen und in einer „Hausmalerei" nach den Wünschen und Vorgaben des
Bestellers oft in leuchtenden Emailfarben handbemalt. Dabei wurden von
den Studenten gerne auch persönliche Widmungen verwendet, wie z. B.
„Konrad Lehmann seinem lieben Leibfuchs Max v. Creuzen zur eifrigen
Benutzung, Halle
a. d. Saale, Wintersemester 1888/89". Die Entwürfe von Studentenkrügen
aus der Jugendstilzeit wurden unter anderem auch von bekannten
Künstlern, wie Ludwig Hohlwein, Richard Riemerschmid und Albin Müller
geliefert. Die wunderschön gemalten Wappen und Zirkel und besonders die
persönlichen Widmungen machen jeden dieser einzelnen Krüge zu einem
Unikat und Zeugnis vergangenen Kunsthandwerkes.
Zinnkrüge / Humpen und Kannen
Verschiedene Legierungen wie „Nürnberger Probe" bzw. „gemeine
Reichsprobe" (Zinn 10 Teile/Blei 1 Teil), und „lauteres Zinn" bzw.
„Blockzinn" (kein Bleizusatz); bekannte Produktionsstätten: Erzgebirge
in Böhmen und Sachsen, Nürnberg und England; erzeugt und in Gebrauch:
zwischen 1750 und 1930
Zinngeräte wurden im Mittelalter ausschließlich in den Häusern der
höherstehenden Schichten, der wohlhabenden Bürger und von der Kirche
verwendet. Das wertvolle Metall kam hauptsächlich aus den Erzgruben von
Cornwall und von den sächsischen oder böhmischen Erzgebirgen. Zinn
kann, wegen seiner spröden Materialeigenschaft nicht in reinem Zustand
in Formen gegossen und weiter verarbeitet werden. Daher wurde es im
frühen Mittelalter oft mit Blei oder auch anderen Metallen vermischt.
Da zuviel Bleibeimengung schon damals als gesundheitsschädigend
erachtet wurde, durfte Zinn, welches für Trinkgefäße verwendet wurde,
nur einen geringen Anteil an Blei enthalten. Ein erlaubtes
Mischverhältnis war z. B. die „Nürnberger Probe", eine Legierung im
Verhältnis 10 zu 1, welche später auch als allgemeine Reichsprobe" von
anderen Zinngießern übernommen wurde. Trinkgefäße dieser Art erhielten
meistens eine oder auch mehrere Marken.
Allerdings wurden auch Krüge und Kannen aus so genanntem „Mankgut"
erzeugt, welche keine Marken aufweisen. Mankgut war einfach
Zinnmaterial das durch das Einschmelzen und Wiederverwerten von meist
unbrauchbar gewordenen Zinngeräten gewonnen wurde. Das bleifreie
„lautere Zinn" wurde erst sehr viel später verwendet. Für diese
Legierung wurden dem Zinn geringe Mengen von Kupfer, Messing und Wismut
beigemengt. Diese Legierung führte auch zu der fast silbrig glänzenden
Oberfläche der Erzeugnisse und war auch unter dem Namen „Britannia
Silber" bekannt. Bleihältige Zinnerzeugnisse sind wesentlich dünkler
als lauteres Zinngerät und auch schwerer als Zinnartikel aus lauterem
Zinn vergleichbarer Ausmaße. Die Zinnlegierung wurde auf etwa 350 Grad
Celsius erhitzt und im flüssigen Zustand in Formen gegossen. Aufwendige
Geräte wie z. B. Krüge und Kannen mussten aus mehreren separat
gegossenen Gefäßteilen zusammengesetzt werden. Bis zum 19. Jahrhundert
wurden die Gefäßteile eines Kruges durch Angießen miteinander fest
verbunden. Ab dem 19. Jahrhundert wurden die einzelnen Teile der Gefäße
mit Hilfe von Lötkolben und Gasstichflamme miteinander verbunden. Die
typischen Gefäßformen für Trinkkrüge waren Walzenkrüge mit
ausgestelltem Fuß, gedrungene Humpen, Birnkrüge und Kannen. Eine
Sonderform unter den Zinnkrügen nimmt der im Norden Deutschlands
erzeugte Rörken ein. Diese Krugform hat eine umgekehrte Kegelform, d.
h. er ist relativ hoch, ober dem Standfuß schlank und wird nach obern
zunehmend weiter. Diese Art der Trinkkrüge wurde gerne als Zunftkrüge
und Amtskrüge verwendet und mit dementsprechenden Gravuren versehen.
Ein Beispiel eines Zunftrörken ist die Amtskanne der Zimmerleute.
Die Wandungen der Krüge wurden oft mit einem mitgegossenen Reliefdekor
verziert oder durch später angebrachte Gravuren verschönert. Auch die
Zinndeckel wurden oft aufwendig und reich gestaltet und mit plastischen
Figuren, mitgegossenen Reliefdekoren oder mit Gravuren versehen. Krüge
mit Reliefmustern wurden anfänglich in Nürnberg und Augsburg erzeugt
und verbreiteten sich dann bis nach Sachsen.
Glaskrüge und Humpen
Entfärbtes, geschnittenes und facettiertes Glas; in Modelformen
geblasenes Glas und geschliffenes Glas, teilweise mit Emailfarben
bemalt; bekannte Produktionsstätten: Böhmischer und bayrischer Wald,
Österreich; hergestellt und teilw. in Verwendung: zwischen 1790 und 1940
Glas ist ein Schmelzprodukt aus Kieselsäure (Sand oder gemahlener
Kiesel) und einem Alkali (Soda z. B. aus Strandpflanzen in
Küstengebieten oder Pottasche gewonnen in waldreichen Gebieten). Das
zur Glaserzeugung benötigte Gemenge wurde schon in frühesten Zeiten in
Öfen, bei Temperaturen von etwa 1100 Grad bis 1200 Grad Celsius zum
Schmelzen gebracht. Dann wurde der mehr oder weniger zähflüssigen
Glasmasse mit der Glaspfeiffe ein Klumpen, die sogenannte „Glasspeise"
entnommen. Diese Glasspeise wurde dann unter ständigem Drehen,
Schwingen und Eindrücken mit der Zange zur Hohlform aufgeblasen. Beim
„optischen" bzw. „Formblasen" wurde die an der Pfeife sitzende
Glasblase in eine offene Form gedrückt (in eine Holzmodel geblasen),
wodurch die Glasblase deren Musterung annahm. Ein typisches und
bekanntes Beispiel dafür ist der sogenannte „Tübinger Igel". Der
Tübinger Igel hat die Form einer oben und unten abgeflachten Kugel,
deren Oberfläche mit zahllosen kleinen Noppen bzw. stumpfen Stacheln
bedeckt ist. Diese Krüge sind relativ schwer und wirken sehr massiv und
robust.
Während die Erzeugung von formgeblasenen bzw. die in Holzmodeln
geblasenen Krüge bis 1870 die übliche Herstellungsmethode war, wurden
ab ca. 1870 auch Glaskrüge hergestellt, welche maschinell gepresst
wurden. Dabei wurde die heiße Glasmasse mit einem Stößel in eine offene
metallene Form gepresst. Auch diese Krüge aus sogenanntem Pressglas
wurden oft mit ähnlichen Zinndeckeln oder bemalten Porzellandeckeln
versehen, wie sie auf den früheren Krügen verwendet wurden. Die
typische Gefäßform für Glaskrüge vor 1800 (bis ca. 1820) war die
zylindrische, walzenförmige Krugform. Danach wurden vermehrt Krüge
hergestellt, deren Form sich nach oben verengte und die auf einem
Podest aufgesetzt waren. In weiterer Folge kamen dann zahlreiche
Variationen dieser Grundformen auf den Markt. Da für den Schmelzvorgang
enorme Mengen an Holz benötigt wurden, waren die Glashütten vorwiegend
in waldreichen Gegenden angesiedelt. Wenn die Holzvorkommen in einer
Gegend erschöpft waren, dann wurden die Glashütten in andere waldreiche
Gegenden verlegt.
Wie schon im 17. und 18. Jahrhundert, wurden auch in der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts in der Masse gefärbte oder farblose (entfärbte)
Glaskrüge in den waldreichen Gegenden Böhmens, Schlesiens und im
Bayrischen Wald hergestellt. In einem weiteren Verarbeitungsprozess
wurden die Krüge dann von spezialisierten Veredelungsbetrieben entweder
mit farbprächtigen Emailfarben bemalt, geschliffen oder graviert. Krüge
in der Biedermeierperiode wurden vorwiegend mit Emailfarben bemalt, z.
B. mit Hochzeitsszenen, Erinnerungssprüchen oder Volksmotiven. In der
folgenden Phase des Historismus wurden Motive der Renaissance
wiederentdeckt. Wälder, Hirsche, Tiere, Gebäude, Volksthemen und
geometrische Muster in allen Variationen wurden dabei für die
Verzierung der Krüge verwendet.
Pfarrkirche St. Andreas in Hainfeld - Diözese St. Pölten, Bezirk Lilienfeld, Niederösterreich
Die römisch-katholische Pfarrkirche Hainfeld steht erhöht im Südwesten
über dem Ort Hainfeld in der Stadtgemeinde Hainfeld im Bezirk
Lilienfeld in Niederösterreich. Die dem Patrozinium des hl. Andreas
unterstellte Pfarrkirche – dem Stift Göttweig inkorporiert – gehört zum
Dekanat Lilienfeld in der Diözese St. Pölten. Die gotische Kirche wurde
wahrscheinlich auf der Stelle des älteren ehemaligen Burgstalls
Hainfeld erbaut.
Orgel
Das pneumatische Werk wurde von Johann Lachmayr aus Urfahr 1901 gebaut
und stand auf der zweiten Empore, die 1997 entfernt wurde. Jetzt
besitzt es 18 klingende Register auf zwei Manuale und das Pedal
verteilt. Es hat 992 Metall- und Holzpfeifen, die kleinste ist 1,7 cm
lang, die größte 5,80 m. 1998 wurde die Orgel von der Fa. Franz
Windtnerin St. Florian instand gesetzt. Seither steht im Chorraum ein
Orgelpositiv mit 3 Registern für Gesangsführung und Konzert zur
Verfügung, gebaut von Walter Vonbank.
Am Mittelpfeiler unter der Orgelempore eine qualitätvolle neugotische Statue des hl. Joseph mit Jesuskind.
Der Pfarrpatron
Der Apostel Andreas war einer der ersten von Jesus berufenen Jünger.
Geboren in Bethsaida, bewohnte er zusammen mit seinem Bruder Simon
Petrus ein Haus in Kapharnaum am See Genezareth. Beide waren Fischer.
Andreas schloss sich zuerst Johannes dem Täufer und dann Jesus an und
brachte auch seinen Bruder Petrus zu Jesus. Sein Missionsgebiet soll
laut einiger frühchristlicher Schriftsteller wie Origenes, Hieronymus
und Gregor von Nazianz die Gegend südlich des Schwarzen Meeres
(Bulgarien, Griechenland) gewesen sein. In der Stadt Patras erlitt er
dann den Martyrertod am schrägen Kreuz. Die Legende berichtet, er habe
Maximilia, die Frau des Statthalters Aegeas von Patras, geheilt und
getauft, worauf dieser ihn geißeln und an ein Gabelkreuz binden ließ.
Andreas soll vom Kreuz herunter noch zwei Tage gepredigt haben. Als
Aegeas ihn verhöhnen wollte, wird er auf dem Heimweg wahnsinnig und
stirbt. Die Kopfreliquie kam 1462 nach Rom. Papst Paul VI. schenkte sie
1964 der Kathedrale von Patras.
Patron von Russland, Griechenland, Schottland; der Fischer,
Fischhändler, Metzger, Bergwerksleute; gegen Gicht, Halsweh, eheliche
Unfruchtbarkeit.
Darstellung: Er wird meist mit dem X-Kreuz, dem Andreaskreuz, aber auch
mit Buch, Fischen und Fischernetz dargestellt. Sein Fest ist am 30.
November.
Kanzel
Am Korb die vier lateinischen Kirchenväter Augustinus, Gregor I.,
Ambrosius und Hieronymus. Im kunstvoll aufgebauten Schalldeckel, der
bis fast an das Gewölbe stößt, steht Christus als guter Hirte. An der
Rückwand eine Tafel, die auf die Zehn Gebote hinweist. Gepredigt werden
soll der gute Hirte, der es gut mit den Menschen meint und dem sich die
Menschen anvertrauen sollen, die christliche Lehre (Kirchenväter) und
Gott als der Geber des wahren Gesetzes, das Erlösung bewirkt.
Hochaltar
Der neugotische Flügelaltar zeigt vier Reliefs — Geburt Jesu,
Auferstehung, Himmelfahrt, Geistsendung — und zwei Tafelbilder- Jesus
schwitzt Blut und Jesus wird mit Dornen gekrönt. Er führt damit mitten
ins Zentrum
christlichen Glaubens. Im Auszug steht eine Statue des hl. Andreas, des Kirchenpatrons, unter einem Baldachin.
Die Bildhauerarbeiten stammen von Ludwig Linzinger, Linz 1897, die
Tafelbilder von Ludwig Haase, Linz 1897. Unter den Säulenbaldachinen,
zwischen den Fenstern im Rundder Apsis, stehen von links nach rechts
die Statuen derhl. Katharina, Petrus, Josef, Antonius, Paulus, Barbara.
Am Übergang vom Chor zum Langhaus befindet sich, entsprechend der
Empfehlung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965), der neue
Hauptaltar. Er ist wieder, wie in frühchristlichen Zeiten bis etwa zum
Beginn der Gotik, ein Tisch, um den sich die Gemeinschaft der Gläubigen
zur Mahlfeier versammelt. Damit soll der Gemeinschaftscharakter des
Geschehens betont werden.
Ein auffallend schönes, zweireihiges Chorgestühl stammt aus der Mitte
des 18. Jahrhunderts. Wahrscheinlich kommt die rückwärtige Sitzzeile
aus einem Stift, die vordere ist dann als spätere Ergänzung
dazugekommen. Jedenfalls deutet die Größe auf die Herkunft aus einer
Ordenskirche. Das Leinwandbild an der linken Chorwand stellt die
thronende Madonna mit Kind dar. Zwei musizierende Engel, der linke mit
einem Blasinstrument, der rechte mit Gesang, huldigen der Gottesmutter.
Der Jüngling auf der linken Seite könnte eine Darstellung des hl.
Johannes sein. Das Bild soll von Francesco Montemezzano gemalt
wordensein (oberitalienisch aus der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts).
Das Bild an der rechten Chorwand, in einem schönen barocken Rahmen,
stellt eine dramatische Szene dar: Kurz nach der Kreuzabnahme beweinen
Frauen den toten Jesus; eine gute Kopie
von 1823 eines flämischen Meisters.
Im Chor befinden sich noch eine schöne gotische Sessionsnische mit drei
Sitzplätzen und eine spitzbogige Nische, die heute zur Aufbewahrung der
heiligen Öle verwendet wird. In der gesamten Kirche befinden sich unter
dem Putz Reste von Fresken aus der Renaissancezeit.
Kreuzweg
Neugotische Reliefbilder von Ludwig Linzinger, Linz 1902.
Rechter Seitenaltar, Arme-Seelen-Altar mit einem beeindruckenden spätgotischen Kruzifix um 1500.
Es war eine Zeit in der man die grausige Realität einer Kreuzigung
möglichst realistisch darstellen wollte, um beim Beschauer eine tiefe
innere Bewegung auszulösen. Blut fließt über den ganzen Körper: von der
Dornenkrone, aus der Seitenwunde, aus den Nagelwunden an Händen und
Füßen. Die Farbfassung des Korpus stammt aus dem Barock, dürfte aber
der Originalfassung sehr nahe kommen. Darunter stehen, auf einem als
Golgotha angedeuteten Hügel, die von einem Schwert durchbohrte Maria,
Petrus links und Johannes rechts. Unter diesem Hügel, über die ganze
Länge der Sarkophagmensa, ein Fegfeuerbild aus der Schule des Kremser
Schmidt ineinem barocken Rahmen. Neben und hinter dem Altar befinden
sich aus rotem Marmor zwei gotische Priestergrabsteine und zwei barocke
Grabsteine.
Pietä
Die Verehrung der Schmerzhaften Muttergottes (sie hat ihren Ursprung in
der franziskanischen Frömmigkeit) findet auf vielfache Weise ihren
Ausdruck. Nicht nur die vom Schwert durchbohrte Maria gehört dazu,
sondern auch die sog. Pietä, Maria trägt den halberstarrten Sohn auf
ihrem Schoß (Nische links vom Altar). Eine spätgotische Arbeit, wobei
Maria keineswegs sehr schmerzerfüllt dargestellt ist, sondern eher eine
liebevolle Ergebenheit in den Willen Gottes ausdrückt. Maria nimmt
Abschied von ihrem toten Sohn. Diese Szene ist zwar biblisch nicht
bezeugt, aber schon im Mittelalter thematisiert, auch im vielfach
vertonten „Stabat mater‘‘. Das Mitleben und Mitleiden der Gottesmutter
soll hier verehrt werden.
Hans-Schaub-Epitaph
Neben der Pietä ist dieses interessante und weithin einmalige
Renaissance-Epitaph von 1593 in die Wand eingelassen. Es zeigt den
Lebens- und Heilsweg des Menschen bzw. der Menschheit nach der
damaligen Auffassung. Links oben Adam und Eva unter dem Baum, darunter
ein Sarg (der Ungehorsam gegen Gott bringt den Tod). In der Mitte ein
als jugendliche Idealgestalt dargestellter Mensch an einem Baumkreuz,
ein Baum, der
verdorrt (links) oder Früchte bringen kann (die Alternativen, die der
freien Entscheidung anheim gestellt sind). Links des Jünglings Moses,
der auf die kupferne Schlange, und rechts Johannes der Täufer, der auf
das Kreuz zeigt, darunter der auferstandene Christus. Das Gebet des
Mose und der Blick auf die kupferne Schlange bewahrte zwar die wegen
ihrer Auflehnung gegen Gott und Mose von den Schlangen gebissenen
Israeliten vor dem Tod. Aber allein der gläubige Aufblick auf das Kreuz
bringt Heil, Erlösung und ewiges Leben bei Gott. Im unteren Drittel in
Gebetshaltung die Darstellung von Hans Schaub, seiner beiden Frauen und
seiner Kinder.
Linker Seitenaltar, Marienaltar, Mitte 18. Jahrhundert.
Der Aufbau des Altars aus marmoriertem Holz ist sehr kunstvoll
gestaltet. Im Zentrum unter einem Baldachin zwischen schräggestellten
Doppelsäulen und Pilastern eine königlich gekrönte Maria mit Szepter
und gekröntem Kind. Darüber im Strahlenkranz das Marienmonogramm und
eine Krone. Außen links hl. Dominikus mit dem Attribut des Rosenkranzes
(Maria soll dem hl. Dominikus den Rosenkranz überreicht haben), rechts
die hl. Katharina von Siena mit Herz und Kreuz. Vor dem Altar ein
Baluster-Speisgitter.
Wer eine Kirche betritt, kommt zu einem Ort der Begegnung zwischen Gott
und den Menschen, der Beziehung zum Göttlichen, der Begegnung mit dem
Heiligen. Die gewölbte Decke verweist auf das Himmelsgewölbe und die
sichere Geborgenheit unter ihm, die zur Selbstbesinnung einlädt. Der
Raum hat im Gegensatz zu vielen profanen Räumen eine Richtung. Er führt
im Blick und im Voranschreiten direkt in sein Zentrum, den Altar, und
damit zur Mitte der Glaubenden, zu Christus. Die Beziehung zu ihm ist
ein Wesensmerkmal des Christen.
Die Mauern werden gestützt von zweifach abgetreppten Strebepfeilern.
Die Spitzbogenfenster mit Maßwerk sind im Chor und an der Südseite
zweibahnig, das östliche Fenster ist dreibahnig, gewissermaßen als
Hinweis, dass sich dahinter das Sanctissiımum befindet. An der
Nordseite befindet sich ein verstäbtes Portal, Anfang 16. Jahrhundert.
Das Hauptschiff ist gegen das nördliche Seitenschiff mit
Spitzbogenarkaden geöffnet. Eine Spitzbogenarkade führt zur südlichen
Seitenkapelle. Das Gewölbe wird von Kreuzrippen getragen, die im
Langhaus auf Konsolen, im Chor auf zum Boden gehenden sog. Diensten
aufsitzen. Die Orgelempore wird von einem wuchtigen, vieleckigen
Pfeiler gestützt, sie hat eine Brüstung aus reliefiertem Maßwerk.
GESCHICHTE - Kurze Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse
1120 Gründung der Kirche als Eigenkirche des steirischen Markgrafen Ottokar.
1161 wird It. Göttweiger Traditionsbuch (vom lateinischen tradere =
schenken) zwischen dem Markgrafen Ottokar VII. und dem Stift Göttweig
ein Tausch vereinbart: Göttweig erhält die Kirchen von Hainfeld und St.
Veit an der Gölsen, der Markgraf bekommt dafür im Gegenzug das Gut
Alkersdorf.
1202 Der Babenbergerherzog Leopold VI. stiftet das Zisterzienserstift
Lilienfeld und schenkt ihm sein Eigentum in Hainfeld. Lilienfeld übt
damit die Grundherrschaft mit dem Recht der Blutgerichtsbarkeit aus.
1303 Hainfeld wird von der Mutterpfarre Michelbach abgetrennt und
selbständige Pfarrkirche. Michelbach seinerseits gehörte zuvor zur
Mutterpfarre Pyhra.
Um 1400 wird der Chor der Kirche gebaut.
Ende 15. Jahrhundert Errichtung des dreischiffigen spätgotischen
Langhauses. Zu dieser Zeit wurde Hainfeld Zentrum der
Eisenverarbeitung, besonders der Sensenerzeugung, worauf auch das 1583
verliehene Wappen hinweist.
1526 Bauernaufstand, die Bauern dringen in das Stift Lilienfeld ein.
1529 Die Türken stecken Hainfeld, Rohrbach, Kaumberg, Ramsau in Brand.
In einer Urkunde des Stiftes Göttweig heißt es: „In Hainfeld und in
Kaumberg sind alle Häuser verbrunnen, das Volk erwürgt und weggeführt
worden.“
Mitte 16. Jahrhundert Christoph Jörger kauft die Araburg und u. a. die
Vogtei von Hainfeld und St. Veit. Helmhard Jörger holt protestantische
Prädikanten nach Hainfeld und anderen Orten und macht die Araburg zu
einem
Zentrum der Reformation. Die Jörger hatten in Niederösterreich
zahlreiche Besitzungen. Helmhard Jörger schloß sich dem Aufstand der
protestantischen Stände gegen den Kaiser an, wurde nach deren
Niederlage 1620 in der Schlacht am Weißen Berg bei Prag gefangen
genommen, seine Güter wurden beschlagnahmt. Kaiser Ferdinand II. gab
die Araburg, Bergau und Kreisbach für 75.000 Gulden dem Stift
Lilienfeld, dem sie noch heute gehören.
1583 wird von Kaiser Rudolf II. Hainfeld das Recht gewährt ein Wappen zu führen.
1597 Neuerlicher Bauernaufstand, der sich gegen den Grundherrn, das Stift Lilienfeld und dessen Abt richtet.
1616 Hainfeld erhält wieder einen katholischen Pfarrer, den späteren
Abt von Göttweig, David G. Corner, den Herausgeber des ersten
katholischen deutschen Kirchengesangbuches, die „Geistliche Nachtigal“.
1679 Ca. 1000 Menschen fielen der Pest zum Opfer, darunter der Pfarrer und der Lehrer.
1683 18. Juli: Türkische Reiterscharen kommen nach Hainfeld; 74 Häuser
im Markt, darunter Kirche und Pfarrhof, gingen in Flammen auf. Von den
ca. 1500 Bewohnern wurden 105 getötet, 376 in die Sklaverei verschleppt.
1805/1809 In den napoleonischen Kriegen Franzosenbesatzung, ohne größere Schäden anzurichten.
1888/1889 Einigungsparteitag der sozialistischen Arbeiterbewegungen unter Dr. Viktor Adler.
1896-1914 erhält die Kirche eine qualitätvolle neugotische Inneneinrichtung.
1914-1918 Erster Weltkrieg, 67 Gefallene.
1939-1945 Zweiter Weltkrieg, 188 Gefallene. Gegen Kriegsende heftige
Kämpfe zwischen deutschen und russischen Truppen um den Ort. 77 Häuser
und Geschäfte abgebrannt und zerstört, 50 zivile Bombenopfer.
1978 Eröffnung des neuen Pfarrzentrums als Treffpunkt und
Begegnungsort. Der Altbestand, soweit erhaltenswert, wurde gesichert
und ein ca. 350 Quadratmeter großer Zubau errichtet.
1991 Neubau der Sakristei.
1994-2001 Innenrenovierung der Kirche. Instandsetzung der Orgel.
Aufstellung eines Orgelpositivs im Chorraum. Errichtung des
Hauptaltars, in den die Reliquien des Kirchenpatrons Andreas und der
neuen Seligen Österreichs,
Schwester Restituta, sowie von Jakob Kern und P. Anton Schwartz eingesetzt werden.
2002 werden drei neue Glocken im sanierten Kirchturm aufgezogen.
2004 wird der Turmhelm neu eingedeckt.
Wem der viele Text zu lange war und lieber Bewegtbilder mit Musik mag,
kann sich gerne dieses Video antun: