Museum Horn

Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Mensch.Boden.Technik – 7.500 Jahre Landwirtschaft; neue Dauerausstellung auf 1.500 m²; große urgeschichtliche Sammlung, Stadtgeschichte, Räuberhauptmann Grasel, Mineralienausstellung, Antikenkabinett; Reformation und „der Horner Bund“ im ehemaligen Bürgerspital; Sonderausstellung: „Künstler sehen Horn“, „Handarbeiten aus früherer Zeit“ und „Mold-Dorf im Agrarwandel“.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Die Museen der Stadt Horn bestehen aus verschiedenen Sammlungen und Ausstellungen. Die Dauerausstellung zeigt in sechs Räumen die urgeschichtlichen Funde von Josef Höbarth. Die landwirtschaftliche Sammlung Mensch-Boden-Technik, 7500 Jahre Landwirtschaft ist in der Maderhalle zu sehen. Auch die Horner Stadtgeschichte wird beleuchtet und dem Räuberhauptmann Johann Georg Grasel ist eine eigene Dokumentation im alten Stadtturm gewidmet. Außergewöhnliche Funde birgt das Antikenkabinett mit Funden aus dem griechisch-römischen Mittelmeerraum.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Die Zeit in jene Johann Georg Grasel geboren wurde war eine von Veränderungen geprägte. Durch die Französische Revolution (1789) änderte sich die politische Konstellation in Europa. Die konservativen Mächte schlossen sich zu einem Bund gegen Frankreich zusammen. 1792-1815 gab es mit kurzen Unterbrechungen ständig Krieg in Europa. Die Napoleonischen Kriege brachten gravierende Umwälzungen mit sich, das Heilige Römische Reich Deutscher Nation löste sich (1806) auf und Österreichische Kaisertum entstand. Truppen zogen durch die Länder und rekrutierten junge Männer zum Heer. Auf die politischen Unruhen folgten wirtschaftliche Schwierigkeiten. Zur Ruhe kam Europa erst durch den Wiener Kongress 1815.

Auch die gesellschaftlichen Strukturen veränderten sich. Am Land hielten sich die alten Prägungen länger als in urbanen Gebieten, man unterschied zwischen ehrlichen und unehrlichen Berufen - und jener des Abdeckers oder Wasenmeisters zählte eindeutig zu den unehrlichen. Weitere unehrliche Berufe waren: Henker, Gaukler, Spielleute. Wenn man aus diesem Milieu kam, hatte man kaum Chancen in andere soziale Schichten aufzusteigen. Wasenmeister lebten außerhalb der Ortschaften, da die ihre Aufgabe die Verarbeitung von Tierkadavern war.

Die Verdienstmöglichkeiten und das Ansehen in der Gesellschaft waren für diese unangenehme Arbeit obendrein sehr gering. Die Wasenmeister blieben also meistens unter sich. So konnte auch die Familie Grasel auf ein breites Netz von Verwandtschaft und Freunden zurückgreifen. Die abgelegenen Behausungen boten ideale Möglichkeiten unterzutauchen. Das nützte Johann Georg Grasel auch leidlich aus, wenn er sich verstecken musste. Seine Versuche auf ehrliche Art Geld zu verdienen waren zum Scheitern verurteilt, wenn er nicht im Abdeckermilieu bleiben wollte. Die Möglichkeit in einem ehrlichen, angesehenen Beruf Fuß zu fassen war kaum gegeben, auch schon die Versuche seines Vaters schlugen alle fehl. Für die Gesellschaft waren Außenseiter selbst Schuld an ihrer Misere - auch verwundete Soldaten, welche gezwungen waren, betteln zu gehen. Ein weiterer Faktor für das Abrutschen in das Verbrechen war bei Grasel auch der Vater, welcher den Sohn schon frühzeitig in das Verbrechermilieu hineinzog. Doch bald verübte Grasel auch ohne seinen Vater Verbrechen. Hauptsächlich erbeutete er Wäsche, Geld, Kleidung und Goldhauben. Das Gestohlene verkauft er über Wirtsleute oder Hehler.

In den Jahren 1806 bis 1815 verübte Grasel insgesamt mindestens 205 Straftaten. Meist waren es kleinere Einbrüche. Aber auch einige größere, gewalttätigere Delikte kamen vor. 1814 erlag Anna Maria Schindler, den Verletzungen, welche sie während eines Raubüberfalls erlitten hatte. Ganz ohne mit den Obrigkeiten in Konflikt zu geraden konnte der Räuberhauptmann seine Taten aber nicht verüben, es gab immer wieder Schwierigkeiten mit der Gendarmerie. Doch waren die Strukturen in der Strafgerichtsbarkeit so aufgeteilt, dass sich die Kräfte nicht geeint gegen die Verbrecher richteten, sondern eher gegenseitig behinderten. Die Gerichtsbarkeit unterlag den Herrschaften, welche beim Sicherheitspersonal sparten und sich nicht gerade in hilfreicher Weise koordinierten. Es gab noch keine Gendarmerie oder Polizel In unserem Sinne. Unterdessen wuchs die Angst der Bevölkerung, nicht nur im Waldviertel, sondern auch in Wien. Sicher legten Grasel und seine Gefährten oft enorme Wegstrecken zurück, entweder zu Pferde oder auch zu Fuß, doch wurden ihm auch etliche Taten angelastet welche er unmöglich begangen haben konnte, auch er vermochte nicht gleichzeitig an mehreren Stellen zu sein. Steckbriefe und Maßnahmen zur Verhaftung, wie Kopfgeld, hatten nicht zur Festnahme geführt. Nun wurde 1815 einzig das Wiener Magistrat für den Fall Grasel zuständig. Die Prämie zur Ergreifung war schon auf 4000 Gulden erhöht worden.

David Mayer, der im Auftrage des Wiener Polizeiministers Grasel verhaften sollte, und der Drosendorfer Justiziar Franz Josef Schopf hegten einen Plan zur Ergreifung aus: Eine ehemalige Diebin, Therese Penkart, stellte sich als Lockvogel zur Verfügung Mit ihrer Hilfe wurde Johann Georg Grasel nach Mörtersdorf gelockt und dort überwältigt.

* * *

Der „Graselturm" verstärkt die Nordostecke der Stadtbefestigung. Er wurde in den 1480er Jahren errichtet, als Belagerungen bereits durch den Einsatz von Feuerwaffen geprägt waren. Das obere Wehrgeschoß ist daher mit Schlüsselscharten ausgestattet. Heute beherbergt der Turm eine Dokumentation über den berüchtigten Räuber Grasel.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Der 1790 in Mähren geborene und 1818 in Wien hingerichtete Räuber Johann Georg Grasel trieb im Wald- und Weinviertel sowie in Südmähren sein Unwesen. Schon zeitlebens erlangte er Berühmtheit.
Graseldokumente und Graselspiele für alt und jung im alten Stadtturm.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Hauswirtschaft
Drei Bereiche, die vom Eingangsbereich abzweigen, widmen sich den traditionellen Arbeitsbereichen der Frauen, der Männer sowie der Tierhaltung und Stallarbeit - also der Hauswirtschaft im weiteren Sinn.
In wechselnden Ausstellungen werden die verschiedenen Arbeitsfelder vorgestellt.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Die Arbeitswelt der Frauen
In bäuerlichen Familienbetrieben herrschte traditionell eine klare Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern. Die Bäuerinnen waren durch häufige Schwangerschaften, Geburten und die Versorgung der Kleinkinder stark an das Haus und den hausnahen Bereich gebunden. Dort übernahmen und leiteten sie die von der männlich dominierten Öffentlichkeit oft wenig wertgeschätzten hauswirtschaftlichen und sozialen Aufgaben: Nahrungszubereitung, Vorratswirtschaft, Kindererziehung, Altenpflege, Reinigung des Wohnraumes, Wäschepflege, Herstellung und Nähen von Textilien und vieles mehr. Zu den Aufgaben der Frauen gehörten aber auch die Betreuung von Kühen, Jungvieh, Schweinen, des Geflügels sowie der Gartenbau mit den daraus hervorgegangenen Arten des Pflanzenbaus wie Kraut-, Mohn-, Hackfrucht- oder Flachsanbau. Frauen waren aber auch in Feld- und Wiesenarbeit einbezogen, vor allem zu den saisonalen Arbeitsspitzen (Heuernte, Getreideernte) und zu diversen Hilfsarbeiten.

Mit den Haus- und Stallarbeiten übernahmen die Frauen das ganze Jahr hindurch kontinuierlich auslastende Tätigkeiten. Dagegen waren die Arbeiten der Männer stärker (jahres-)zeitlich gebunden, sodass Arbeitspausen entstanden, die den Frauen häufig fehlten. In den letzten Jahrzehnten wandelten sich die Rollenbilder und die familiäre Arbeitsteilung. Die Bäuerinnen gewannen deutlich an Kompetenzen hinzu. Die Zahl der Betriebsleiterinnen hat - vor allem bei Nebenerwerbsbetrieben - stark zugenommen, aber auch die außerbetriebliche Erwerbstätigkeit von Frauen. Meist sind die Frauen auch für betriebliche Zusatzangebote wie „Urlaub am Bauernhof" und Direktvermarktung verantwortlich. Neben den Aufgaben der Hofbewirtschaftung übernehmen die Bäuerinnen weiterhin einen Großteil der Haushalts- und Familienarbeit. Dies führt - besonders in Nebenerwerbsbetrieben - zu einer starken Arbeitsbelastung.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Feldwirtschaft
Über eine mit Lift barrierefrei ausgestattete Treppe (oder alternativ mit einer Rutsche) gelangt man in die große Halle. Hier wird die Feldwirtschaft dargestellt. Ausgehend von der Situation um 1850 bieten acht Infosäulen Interessantes zu Bodenbearbeitung, Getreidebau, Zuckerrübenbau, Kartoffelbau, Grünlandwirtschaft/Feldfutterbau, Düngung/Pflanzenschutz, Antrieb sowie Forschung/Innovation. Ein Highlight ist das Traktor-Schnittmodell.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Was ist Landwirtschaft?
Der Eingangsbereich befasst sich mit der Frage „Was ist Landwirtschaft?“. Dabei können Kinder erfahren, welche Laute unsere Nutztiere von sich geben oder welche Pflanzen auf den Äckern zu finden sind. Welche Formen von Landwirtschaft gibt es in Österreichund weltweit? Welche Auswirkungen hat die moderne Intensivlandwirtschaft auf die Umwelt?

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Bienenzucht und Honigerzeugung
Honig war in der vorindustriellen Zeit der wichtigste Süßstoff. Die Honigbiene wurde aber auch zur Erzeugung von Bienenwachs, Propolis und Met gehalten. Nicht zuletzt ist die Biene eine Voraussetzung für Landwirtschaft, da 80 Prozent aller Pflanzen auf Fremdbestäubung angewiesen sind. Die bäuerliche Bevölkerung kannte die Bedeutung der Biene als Blütenbestäuber. Auch der Staat förderte die Bienenzucht. So richtete Maria Theresia 1769 in Wien die weltweit erste staatliche Imkerschule ein.

Bis Anfang des 20. Jahrhunderts war die Imkerei ein wichtiger Beitrag zur Selbstversorgung. Später wurde sie zur Nebenbeschäftigung vor allem älterer Männer. In Österreich ist bis heute die kleinbetriebliche Struktur typisch. 2019 betreuten 30.237 Imkerinnen und Imker 390.607 Bienenvölker, die circa 4.000 Tonnen Honig produzierten. Der Pro-Kopf-Verbrauch lag bei etwa 1,0 Kilogramm pro Jahr, der Selbstversorgungsgrad bei 46%. Die meisten Imkerinnen und Imker sind in lokalen Vereinen (z.B. Bienenzuchtverein Horn, gegründet 1909), Landesverbänden und dem österreichischen Imkerbund organisiert.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Mold im Zeitalter der Grundherrschaften bis 1850
Der Name „Mold" stammt aus dem mittelhochdeutschen Wort „molt", was „Staub, Erde, Erdboden" bedeutet. Der Boden unter Mold ist jedenfalls von guter Qualität. Der Ort liegt in der fruchtbaren Ebene des Horner Beckens und wurde bereits in der Jungsteinzeit besiedelt. Nach der flächendeckenden Besiedlung im Hochmittelalter zählte er zu den größten Siedlungen im Horner Becken.

Mold hatte 1590 62 untertänige Häuser, ohne Kirche, Pfarrhof, Burg, Meierhof und anderen herrschaftlichen Bauten. Die meisten Häuser waren der Herrschaft Horn untertänig. Daneben hatten das Kloster Altenburg, die Herrschaft Stockern, die Pfarre Gars und das Bürgerspital Horn grundherrschaftliche Rechte. Die Häuseranzahl (und damit wohl auch die Bevölkerung) blieb bis ins 19. Jahrhundert stabil. 1830 zählte man mit den herrschaftlichen und Gemeindebauten 76 Häuser.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Die meisten Molder Häuser waren bäuerliche Lehen. Lehner verfügten über Höfe mit dazugehörigen Hausgründen. Die 30 Ganzlehner besaßen um 1830 jeweils etwa 18 bis 32 Joch, die 20 Halblehner etwa 12 Joch. Dazu kamen 14 Viertellehner und vier Häusler. Letztere hatten keine Hausgründe, konnten aber sogenannte Überlandgründe erwerben. Das waren Einzelparzellen, die im Gegensatz zu den Hausgründen frei veräußerlich waren. In Summe hatten die Molder Bauern ausreichend Grundbesitz, um einen kleinen Überschuss für den Verkauf zu erwirtschaften.

In den Jahren 1848/49 wurde die Grundherrschaft aufgelöst. Damit wurden die Rechte und Pflichten der Herrschaften gegenüber ihren Untertanen aufgehoben. Die ehemaligen Grundherren erhielten für die Ablösung der bisher von den Untertanen geleisteten Abgaben und Dienstleistungen (u. a. Grunddienst, Robot) eine Entschädigung. Mit dieser „Grundentlastung" avancierten die Haus- und Grundbesitzer zu freien Grundeigentümern. Außerdem übernahm die staatliche Bürokratie die ehemals von den Grundherrschaften wahrgenommenen administrativen Aufgaben. Die Ortsgemeinde wurde als unterste Einheit des neuen Verwaltungssystems eingeführt. Aus der „Herrschaft" Horn wurde das „Gut" Horn." Mold war ein „Bauerndorf", es waren nur wenige Gewerbetreibende ansässig, die klassische Landgewerbe ausübten: Wirt, Bäcker, Schuster, Schneider, Schmied, Wagner.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Nutztiere und Stallarbeit
In der europäischen Landwirtschaft erlangten als Nutztiere vor allem Rinder, Pferde, Schweine, Schafe, Ziegen und Geflügel Bedeutung. Sie dienten dem Menschen aufgrund ihrer Zugkraft (Pferde, Ochsen und Kühe), als Lieferanten von Nahrung (Fleisch, Milch, Eier) und anderen Produkten wie Wolle und Federn. Zudem stand bis ins 19. Jahrhundert für die Düngung der landwirtschaftlichen Flächen fast ausschließlich der Stallmist zur Verfügung.
Die Tiere wurden gewöhnlich auf Weiden oder am Hof in Ställen und speziellen Tierbehausungen gehalten. Ursprünglich verbrachten die wichtigsten Nutztierarten (Pferde, Rinder, Schweine) zumindest die warme Jahreszeit auf der Weide. Im Laufe des 19. Jahrhunderts setzte sich die ganzjährige Haltung im Stall durch. Dieser war in Bauernhöfen unmittelbar an das Wohnhaus angebaut. Um die Stalltiere ganzjährig ausreichend mit Futter zu versorgen, wurden Grünlandwirtschaft und vor allem der Feldfutterbau intensiviert. Da bei tierischen Produkten wie Milch und Fleisch die Produktion für den Markt stetig zunahm, schenkte man der Zucht und Fütterung eine größere Aufmerksamkeit.

Mit der Spezialisierung auf bestimmte Produkte nahmen in den letzten Jahrzehnten die Tierbestände pro Hof und damit auch die Technisierung zu. In den Betrieben entstanden neue und größere Stallbauten, wo Arbeiten wie Füttern, Entmisten und Melken maschinell erledig werden. In jüngster Zeit spielen zudem die Haltungsformen und das Tierwohl eine immer größere Rolle. Im Rahmen der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung war die Stallwirtschaft ein geteilter Bereich: Waren Frauen für Geflügel, Schweine, Kühe (inklusive Milchwirtschaft) und Jungvieh zuständig, wurden die Zugtiere ausschließlich von den Männern betreut. Mit zunehmender Kommerzialisierung, Technisierung und Spezialisierung übernahmen die Männer auch Arbeiten, die ursprünglich den Frauen vorbehalten waren. Heute wird die Stallarbeit von Bauer und Bäuerin gemeinsam erledigt.

Interaktiv
In der Ausstellung laden zahlreiche interaktive Stationen zur Betätigung ein - vom Spielzeugbauernhof bis zur Melkkuh und einem originalen Holzgöpel. Ein besonderer Anziehungspunkt für das junge Publikum ist die Wendelrutsche im nachgebauten Futtersilo.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Milchwirtschaft
Über Jahrhunderte hielten die Bauern Milchvieh zur Selbstversorgung. Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert stieg in den rasch wachsenden Städten die Nachfrage nach Frischmilch, Butter und Käse deutlich an. Die Milchkühe wurden zu einer Haupteinnahmequelle der Bauern. Um 1880 entstanden die ersten größeren Molkereien. Im Umkreis von Wien schlossen sich bäuerliche Betriebe zu Milchgenossenschaften zusammen, um die Frischmilch zu sammeln, zu kühlen und mit der Eisenbahn nach Wien zu transportieren. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die österreichische Milchwirtschaft - unter anderem mit Hilfe der Völkerbundkredite - modernisiert und ausgebaut. Auch im Waldviertel entstand in den 1920er und 1930er Jahren ein Netz von Molkereien mit angeschlossenen Milchgenossenschaften (z.B. Molkereigenossenschaft Horn, 1939). Seit den 1950er Jahren nahmen Produktion, Technisierung und Marktorientierung stark zu. Dazu wuchsen die Anforderungen an die Ställe.

Die Zahl der Produzenten und der Milchviehbestand gingen zurück. Dagegen stieg die Leistungsfähigkeit der
Milchkühe durch Züchtung, bessere und gezielte Fütterung und Einführung der Milchleistungsprüfung. Gab eine Kuh im 19. Jahrhundert etwa 1300 Kilogramm Milch pro Jahr, waren es 2020 über 7000 kg. Seit den 1930er Jahren war der österreichische Milchmarkt streng reglementiert. Die staatlichen Eingriffe sollten die Erzeugerpreise stabilisieren und den Export von Überschüssen fördern. Seit den späten 1980er Jahren wurde der Milchmarkt liberalisiert. Betriebserweiterung, Spezialisierung, Automatisierung und andere Rationalisierungsmaßnahmen sollten die sinkenden Preise kompensieren. Dennoch sank die Zahl der österreichischen Milchbetriebe seit dem EU-Beitritt auf ein Drittel (24.500 im Jahr 2020). Durchschnittlich werden heute 21 Kühe je Betrieb gehalten. Eine ähnliche Rationalisierungs- und Fusionswelle erfasste auch die milchverarbeitende Industrie. In den 1950er Jahren zählte man in Österreich 526 Milchverarbeitungsbetriebe. Im Jahr 1998 waren es nur noch 103 Betriebe. 1995 wurde auch die Molkerei Horn geschlossen.

ACHTUNG Milchlieferanten!
Es darf nur qualitativ gute Milch zur Ablieferung gelangen!
Tiefkühlung allein genügt nicht!
Folgende Mängel sind zumeist die Ursache für eine schlechte Rohmilchqualität:
1. Unsaubere Milchgewinnung (Naßmelken, verschmutzte Euter, unsauberes Milchgeschirr!)
2. Mangelhaftes Seihen nach dem Melken (Das Seihen im Milchhaus allein genügt nicht!)
3. Ablieferung von Mittagsmilch (Mittagsmilch darf nicht abgeliefert werden)
4. Mangelhaft gereinigte Melkanlagen (Melkanlagen müssen täglich gereinigt und regelmäßig desinfiziert werden!)
5. Mangelnde Reinlichkeit im Milchhaus
6. Einseitige, unsachgemäße Fütterung
Molkereigenossenschaft Horn

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Landwirtschaft umfasst die planmäßige Bewirtschaftung des Bodens und die Viehhaltung zur Gewinnung pflanzlicher und tierischer Produkte. Sie ist das Fundament der menschlichen Ernährung und stellt Rohstoffe zur gewerblich-industriellen Verarbeitung und zur Energiegewinnung bereit. Etwa ein Drittel der Landfläche der Erde wird heute landwirtschaftlich genutzt. In Österreich begannen die Menschen vor etwa 7500 Jahren mit Ackerbau und Viehhaltung. Durch die Rodung der Wälder und Nutzung des Bodens als Acker, Wiesen, Weiden und Gärten wandelte der Mensch Naturlandschaften in Agrarökosysteme um, die nur mit hohem Aufwand erhalten werden können. Durch ständige Maßnahmen schafft er günstige Lebensbedingungen für die Kulturpflanzen. Zugleich muss er durch eine nachhaltige Bewirtschaftung die Bodenfruchtbarkeit aufrechterhalten.

Von allen Wirtschaftssektoren ist die Landwirtschaft am stärksten in die natürliche Umwelt eingebettet. Klima, Böden und Gelände bestimmen die Art und Intensität der agrarischen Nutzung. Das natürliche Wachstum von Kulturpflanzen und Nutztieren erfordert eine bestimmte Abfolge der Arbeiten (z.B. von der Saat bis zur Ernte) und bedingt einen jahreszeitlichen Arbeitsrhythmus. Unbeständigkeiten des Wetters, Schädlingsbefall sowie Pflanzen- oder Tierkrankheiten bergen Ertragsrisiken. Durch die unterschiedlichen naturräumlichen Voraussetzungen und die breite Auswahl von Kulturpflanzen und Nutztieren gibt es eine große Vielfalt an Bewirtschaftungsweisen. Wie Landwirtschaft letztlich betrieben wird, hängt auch vom wirtschaftlichen Entwicklungsstand, von politischen und kulturellen Einflüssen ab.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Arbeit und Geschlecht
In der vorindustriellen Landwirtschaft bildete das Ehepaar als Arbeitspaar den Kern der bäuerlichen Familienwirtschaft. Viele Tätigkeitsbereiche waren nach Geschlecht zugeordnet, Arbeitszeiten und Arbeitsräume aber selten völlig getrennt. Oft wurde gemeinsam arbeitsteilig gearbeitet. Bäuerin und Bauer waren auf langfristige alltägliche Abstimmung und Kooperation angewiesen. Fehlte eine/r der beiden, dann fehlte nicht nur ein Familienmitglied, sondern eine Schlüsselarbeitskraft. Daher wurde nach dem Ableben eines Partners rasch wieder geheiratet.

Auf großen Höfen übernahmen Dienstboten Aufgaben des bäuerlichen Ehepaars. Entsprechend der Wertigkeit des Aufgabenbereichs gab es eine Dienstbotenhierarchie. Die „Kindsdirn" hatte den niedrigsten Rang bei den Mägden und kümmerte sich um die Kinder. Das „Kuchlmensch" half in der Küche mit. Eine Viehmagd, „Kuhdirn" oder „Saudirn" erledigte die Stallarbeit. Die älteren Mägde wurden stärker zu Außenarbeiten herangezogen. Die Knechte unterstützten den Bauern. Der Stallbub stand auf der untersten Rangstufe und half etwa beim Ausmisten. Ross- und Ochsenknechte hatten die prestigeträchtige Betreuung der Zugtiere über. Zum Teil schliefen die Dienstboten auch in den ihnen zugeordneten Ställen, weil die Tiere eine willkommene Wärmequelle waren.

Ställe und Stallarbeit
Bis ins 19. Jahrhundert wurde das Vieh in der warmen Jahreszeit auf die Weide getrieben. Die Nächte und die kalte Jahreszeit verbrachte es in beengten, stickigen Ställen. Ein besseres Stallklima boten die gewölbten Ställe in den alpinen Gebieten und im Alpenvorland. Die Rinder waren mit einem Strick, später mit einer Kette an den Futterbarn angebunden. Zum Füttern musste man sich zwischen den Tieren zum Barn durchkämpfen. Erst im 20. Jahrhundert rückte man den Trog von der Wand weg und fütterte von vorne ein. In den letzten Jahrzehnten stiegen die Anforderungen an die Ställe und die Technisierung nahm rasant zu. War der Rinderstall ursprünglich an das Wohnhaus angebaut, werden heute hallenartige Ställe errichtet. Von der Anbindehaltung ist man weitgehend zum Liegeboxenlaufstall übergegangen. Weide- und Almhaltung spielen nur in Berggebieten eine wichtige Rolle. Entmistung, Fütterung und Melken sind meist mechanisiert. In den 1950er Jahren begann der Umstieg vom Handmelken zur Melkmaschine. Ende 2019 arbeiteten in Österreich bereits rund 900 computergestützte automatische Melksysteme.

Stall um 1960: Lecksteinhalter, Fleckviehkuh in Anbindehaltung mit Kette, Selbsttränker, Leiter als Fressgitter, Melkschemel, Melkmaschine mit Alfa Laval Vakuumpumpe.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Die Arbeitswelt der Männer
Die Männer übernahmen vor allem die hausfernen Außenarbeiten und körperlich besonders anstrengende oder risikoreiche Tätigkeiten. Der Bauer besaß eine weitreichende Entscheidungsmacht und repräsentierte den Hof nach außen. Männliche Domänen waren die Wiesen- und Feldarbeit, besonders der Getreidebau, weiters die Waldarbeit und der Transport mit Wagen und Schlitten. Bei der Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen halfen auch die Frauen mit. Der Bauer war zudem für die Vermarktung der Hauptprodukte (Getreide, Vieh, Holz) zuständig, vor allem, wenn sie mit dem Wagen transportiert werden mussten. Dazu kamen einige hausnahe Tätigkeiten wie die Herstellung und Reparatur von Arbeitsgeräten, Bau- und Ausbesserungsarbeiten an den Wirtschafts-und Wohngebäuden, Wegen und Zäunen.

Besonders in abgelegenen Gebieten leistete die Hausgemeinschaft auch viele Arbeiten, die sonst selbständige Handwerker verrichteten. Mit den Aufgaben in der Außenwirtschaft hingen Fütterung und Pflege des Zugviehs (Pferde und Ochsen) zusammen. Auch die Bienenhaltung war eine überwiegend männliche Tätigkeit. In der Hauswirtschaft halfen die Männer bei Kraft fordernden Tätigkeiten wie z.B. Krauthobeln mit. Mostpressen und Schnapsbrennen waren ebenso Männersache. Auch in der Gegenwart wird meist der Bauer als hauptverantwortlich für den Betrieb gesehen. Er ist primär für die maschinelle Bodenbewirtschaftung zuständig und trifft auch die Entscheidung über Art und Zeitpunkt der Maßnahmen. Während die Stallarbeit aufgeteilt wird, ist der Beitrag der Männer zur Haushalts- und Familienarbeit nach wie vor gering, obwohl er allmählich zunimmt.

Fahrbarer Benzinmotor
Hersteller: Hofherr-Schrantz-Clayton-Shuttleworth A.G.; Typ: LC-A 110; Baujahr: 1917-20
Viertakt-Kleinmotor für Benzin oder Benzol auf Fahrgestell, Gewicht 1.750 kg, Normalleistung 6 PS, 350 Touren pro Minute. Hochspannungszündung, Aussetzerregulierung, 2 Schwungräder, Riemenscheibe, Auspufftopf, Benzinpumpe, eisernes Fahrgestell mit genietetem Pressstahlrahmen. Sonderausführung der Marke LC-A 110 hat eine Überdachung mit Aufhängmöglichkeit für Seitendecken. Solche Benzinmotoren sind laut Katalog von 1917 „in der Landwirtschaft sehr gut verwendbar zum Antrieb von Dreschmaschinen, Schrotmühlen, Häckslern, Rübenschneidern, Maisreblern etc." Der Preis betrug damals 6.150 Kronen.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Traktor Lanz „Bulldog"
Hersteller: Heinrich Lanz AG Typ: D 8506 Baujahr: 1940
Der von der Mitte der 1930er bis in die 1950er Jahre produzierte Lanz Bulldog D 8506 ist ein „Schlepper" der alten Art: Der einzylindrige Traktor ist eine Zugmaschine mit einer Höchstleistung von 35 PS, Zapfwelle und Riemenscheibenantrieb, jedoch noch ohne Hydraulik. Das Anlassen erfolgte durch eine Lötlampe unterhalb des Glühkopfes, die während des Anlassvorganges aufgestellt wurde. Legendär ist die Unempfindlichkeit des Lanz Bulldog gegenüber dem Treibstoff. Die Hinterräder sind mit Greifräder für den Ackereinsatz ausgestattet, die zum Schutz der Straße mit Laufringen versehen wurden. Der Bulldog ist bei Sammlern sehr beliebt und als Attraktion bei jedem Treffen historischer Traktoren zu finden.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Stiftendreschmaschine mit doppelter Reinigung
Hersteller: Heinrich Lanz A.G., Mannheim Baujahr: um 1910
Diese Dreschmaschine von Lanz war - dank leistungsfähiger Dampfmaschinen als Antriebskraft - mit Reinigungen und Entgrannern ausgestattet. Solche Großdrescher kamen vor allem in Gutsbetrieben zum Einsatz. Das Getreide wird von oben mit den Ähren voraus eingelegt und im Dreschwerk ausgedroschen. Die Körner, Spreu und andere Kleinteile fallen herab und gelangen ganz unten in die erste Gebläsereinigung. Die Langstroh-Schüttler treiben das Stroh zum Auslauf. Auch das Kurzstroh wird ausgesondert und zu einem eigenen Abgang transportiert. Ein Becherelevator befördert die Körner nach der ersten Reinigung nach oben zur zweiten Reinigung. Das gereinigte Getreide wird schließlich sortiert und in drei Sorten getrennt unten abgesackt. Durch die inbegriffene Körnerreinigung konnte an der Maschine marktfähiges Getreide abgesackt werden. Spreu, Kurzstroh und Langstroh wurden an verschiedenen Öffnungen ausgeworfen und ebenfalls verwertet.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Der Traktor und die Vollmechanisierung: Steyr-Agrar-System
Unter der Führung der Steyr-Daimler-Puch-AG als Traktorhersteller schlossen sich 1950 mehrere Landmaschinenhersteller zusammen, um eine Vollmechanisierung der Landwirtschaft zu erreichen. Es entstand das sogenannte „Steyr-Agrar-System". Die Landmaschinenhersteller konstruierten zu den Steyr-Traktoren passende Geräte für Bodenbearbeitung, Düngung und Beregnung, Saat, Pflanzenschutz, Ernte von Heu und Grünfutter sowie von Hackfrüchten, Transport, Weinbau und Forstwirtschaft. Die drei besonderen Vorzüge dieser Geräte waren neben der Vielseitigkeit:
* der einheitliche Anbau der Geräte an die Dreipunktaufhängung
* das mechanische Heben und Senken der Geräte durch das hydraulische Hubwerk
* die gleichmäßige Arbeitstiefe bei seichter und tiefer Arbeit durch eine Stützrolle

Durch das breite Spektrum der Geräte, den raschen Geräteaufbau und die einfache Bedienung wurde eine bedeutende Arbeitsbeschleunigung und eine vergrößerte Flächenleistung erreicht. Dadurch konnte die in den Wirtschaftswunderjahren einsetzende Abwanderung von Arbeitskräften aus der Landwirtschaft kompensiert werden. Beim Anbau der Arbeitsgeräte an den Traktor setzte sich der Dreipunktanbau weltweit durch. Das Steyr-Agrar-System ersetzte in den 1950er Jahren die noch fehlenden Normen für den Geräteanbau. Zu dieser Zeit konnte in Österreich neben dem Steyr-Agrar-System nur Ferguson mit seinem geschlossenen Gerätesystem Fuß fassen. Das komplette Angebot sicherte Steyr hohe Marktanteile bei den Traktoren.

Steyr 188 („28er")
Von diesem 28 PS starken Schlepper wurden in den Jahren 1960 bis 1966 23.223 Stück gebaut. Der Steyr Traktor 188 verfügte über einen wassergekühlten Zweizylinder-Viertakt-Dieselmotor (WD 209) sowie ein Getriebe mit acht Vorwärts- und sechs Rückwärtsgängen. Erstmals bei einem Steyr-Traktor war die Hydraulik serienmäßig. Sie war mit einem Raddruckverstärker von Bosch ausgerüstet, der einen Teil des Gerätegewichts auf die Hinterräder übertragen konnte und dadurch die Zugkraft des Schleppers wesentlich erhöhte.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Rübensämaschine
Hersteller: Hofherr-Schrantz AG, Wien; Modell: MC 6; Baujahr: 1963
Um 1960 setzten sich im Zuckerrübenbau einkeimiges Rübensaatgut und Einzelkornsämaschinen durch. Dadurch reduzierte sich die aufwändige Pflegearbeit deutlich. Einzelkornsägeräte werden für Kulturen wie Mais, Sonnenblumen oder Zuckerrüben verwendet. Dabei kommt es auf einen exakten Abstand der Samenkörner in der Reihe an. Diese sechsreihige Rübensämaschine für den Traktoranbau wurde im Zuckerrübenbau im Horner Becken eingesetzt. Die Maschine hat für jede Saatreihe separate Saatgutbehälter. Vor der Einsaat wird das Erdreich mit einer Stabwalze gekrümelt. Der Saatgutbehälter enthält ein Dosierelement, von wo die Samen in die von der Säschar geschaffenen Rinne fallen. Mit der anschließenden Walze und dem Zustreifer wird der Samen niedergedrückt und mit Erde bedeckt. Neben der Reihenweite ist auch die Tiefenbegrenzung bei der Säschar einstellbar. Die an den Auslegern montierten Markierscheiben ziehen eine Rille zur Orientierung bei der Anschlussfahrt.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Im Freigelände sind die Großgeräte (z.B. Mähdrescher, Kartoffelvollernter) zu besichtigen. Im historischen Stadel werden Traktoren, Leiterwagen und Schlitten präsentiert. In einem weiteren Stadel werden die Mechanisierungsschritte beim Dreschen dargestellt.

Zuckerrübenerntemaschine
Hersteller: Arvika Verken, Schweden 1960
Diese einfache Zuckerrrübenerntemaschine für den Traktorzug ist mit einer Rübenhebegabel und einer Reinigungstrommel ausgestattet. Die zuvor geköpften Zuckerrüben wurden aus der Erde gehoben, von der Erde grob gereinigt und in einer Reihe abgelegt. Das nachfolgende Aufladen der Rüben erfolgte händisch.

Erdäpfelvollernter
Hersteller: Ekengards Maskinfabrik, Sölvesborg/S, Baujahr: um 1960
Dieses frühe Modell eines einreihigen Kartoffelvollernters erledigt sämtliche Erntearbeiten in einem Arbeitsgang und sammelt das Erntegut in Säcken. Er wird mit dem Traktor gezogen und über die Zapfwelle angetrieben. Der Vollernter nimmt den Kartoffeldamm durch eine Schar auf. Die Erdäpfel fallen auf die Siebtransportkette und werden zur rotierenden Siebtrommel befördert, wo sie von der Erde befreit werden. Die Siebtrommel ist mit Krautstäben ausgestattet, mit deren Hilfe das Kraut abgehoben und nach hinten abgelegt wird. An der Rückseite befand sich das Leseband und die Absackung.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

McCormik Raupenschlepper
Modell: T9 Diesel Crawler; Baujahre: 1939-1962; Erzeuger: International Harvester Co, Chicago, Ilionois USA
Technische Beschreibung: Dieselmotor, Eigengewicht 5180 kg, zugelassene Höchstgeschwindigkeit 9 km/h, 5 Gänge. Die Zugraupe kam durch die Marshallplan-Hilfe nach Österreich und wurde auch in der Landwirtschaft eingesetzt.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Minneapolis RTU
Modell: RTU, Baujahr: 1946, Erzeuger: Implement, Minneapolis-USA
Technische Beschreibung: Der Traktor ist ein Spezialtraktor für die Reihenkultur, gummibereift, mit Riemenscheibe und Zapfwelle versehen und besitzt vier Vorwärtsgänge und einen Rückwertsgang. Der Motor hat eine Leistung von rund 18 PS. Das Kühlsystem beruht auf einer Thermo-Syphonwirkung und wird durch eine Wasserpumpe unterstützt. Der Traktor besitzt vorne zwei enggestellte und hinten in der Spurbreite verstellbare Räder.
-
Durch die besondere Art der Lenkung kann der Traktor auf einem Wendekreis von 2,29 m umdrehen.
Die Riemenscheibe läuft mit dem Motor mit und erreicht eine Drehzahl von 933 Umdrehungen/Minute. Die Zapfwelle kann vom Getriebe abgeschaltet werden und läuft mit 560 Umdrehungen/Minute. Das Gewicht der Maschine beträgt 1248 kg.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Deutz Traktor F3
Modell: F3 M317, Baujahre: 1935-42, Erzeuger: Klöckner-Humboldt-Deutz AG, Köln,

Technische Beschreibung: 50 PS, 5739 ccm
Der Deutz-Traktor ist bereits gummibereift und hat einen 3-Zylinder-Motor mit Dieselantrieb und Zapfwelle. Er besitzt noch eine ständig aufgebaute Riemenscheibe. Mit dem Traktor wurden in den 1940er und 1950er Jahren alle Feldarbeiten auf einem 60 ha-Betrieb erledigt. Auch die Dreschmaschine am Hof wurde mit dem Traktor betrieben.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Deutz Traktor F2
Modell: Deutz F2 M 315, Baujahr: 1941, Erzeuger: Klöckner-Humboldt-Deutz AG Köln

Technische Beschreibung: 28 PS, 3370 ccm, 2-Zylinder-Dieselmotor
Der Deutz-Ackertraktor besitzt Greifräder, die zum Schutz bei Überstellungsfahrten mit Eisenrädern versehen wurden. Am Führersitz war eine Kulissenschaltung für das Getriebe angebracht. Dem erfolgreichen Beispiel des Fordson-Schleppers folgend, konstruierten die Kölner einen Deutz-Schlepper in rahmenloser Blockbauweise. Das als Stahlkonstruktion gefertigte Getriebe brachte dem Deutz-F2 M 315 den Beinamen „Stahlschlepper". Dem Zeitgeist entsprechend wurde dieses Modell als Acker-, Straßen-und Universalschlepper angeboten.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Kartoffeldämpfkolonne
Hersteller: Buschmann, Lommatzsch/D; Baujahr: 1938 (?)
Die Kartoffeldämpfkolonne wurde von einer Dämpfgenossenschaft in Etzelsreith im Waldviertel 1938 angeschafft und betrieben. Die Anschaffung solcher Anlagen wurde nach dem „Anschluss" von der NS-Agrarverwaltung gefördert. Die Dämpfkolonne besteht aus einer Kartoffelwaschanlage, dem Dampfkessel, drei Dämpffässern, worin die Futterkartoffeln gedämpft wurden, und einem Kippwagen für den Transport der Fässer. Durch den gemeinschaftlichen Betrieb solcher Kolonnen wurde das Kartoffeldämpfen und die Schweinemast rationeller gestaltet.

Ursprünglich kochte man täglich kleine Mengen an Futterkartoffeln im „Erdäpfelhäfen" am Küchenherd oder später im transportablen Futterdämpfer. Die gekochten Kartoffeln wurden zerstampft, mit Schrot vermischt und den Schweinen verfüttert. Mit den gemeinschaftlich betriebenen Kolonnen konnte die gesamte Futterkartoffelernte unmittelbar nach der Ernte gedämpft und siliert werden. Damit sparten die Bauern Brennstoff und Arbeitszeit ein und verhinderten die während der Lagerung eintretenden Nährstoffverluste. Mit dem Abkommen der Kartoffelmast in den 1960er Jahren kamen auch die Dämpfkolonnen außer Gebrauch.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Selbstfahrender Mähdrescher mit Absackung
Hersteller: Massey-Harris-Ferguson, Coventry/England; Typ: 630 S, Baujahr: 1956
In den 1950er Jahren waren die selbstfahrenden Mähdrescher und die angehängten Mähdrescher, die über die Zapfwelle betrieben wurden, noch ähnlich verbreitet. Doch setzte sich zunehmend der Selbstfahrer durch, da er wendiger war und der Frontschnitt Vorteile hatte. Als Mäheinrichtungen übernahm man vom Bindemäher die Scherenschnittmähwerke, darüber hängt die sogenannte Raufhaspel, die ab 1950 für schwere europäische Erntebedingungen entwickelt wurde. Dahinter wurden leistungsfähige Schnecken zum Weiterfördern des Ernteguts positioniert - eine der wichtigsten Innovationen im damaligen Mähdrescherbau. Als Dreschmethode wurde vom stationären Drescherbau die Schlagleistentrommel mit gerippten Leisten übernommen, bei den Strohschüttlern die Schwing-, vor allem aber die Schaufelschüttler. Leistungsfähige windfegenartige Reinigungen ergänzten das System.

Die Mähdrescher waren vorerst noch „Absackmaschinen" und mit Strohpressen kombiniert, was eine nachfolgende Aufladung der Strohbunde erforderte. Auch die Bergung der Spreu komplizierte das Verfahren. Andere Verfahren (Mähdrescher mit Korntank und geteiltes Verfahren in Kornernte und Strohernte) setzten sich erst in den 1960er Jahren durch.In den 1950er Jahren produzierten in Österreich noch Hofherr-Schrantz und Epple-Buxbaum selbstfahrende Mähdrescher. Dieses 1700 kg schwere Modell von Massey-Ferguson hat einen VW-Motor mit 29 PS und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 15 km/h. Das Schneidwerk hat eine Breite von 175 cm, einen Absackstand mit Absackvorrichtung und eine Ballenpresse mit Schnurbindung.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Steyr - vom österreichischen Traktorenhersteller zur Marke eines multinationalen Konzerns
Die 1934 gegründete Steyr-Daimler-Puch AG war Österreichs größter Fahrzeug- und Rüstungskonzern. Nachdem die Steyr-Werke bereits in der Zwischenkriegszeit und während der NS-Zeit an der Entwicklung eines Traktors gearbeitet hatten, stieg der Konzern nach Ende des Zweiten Weltkriegs in die Traktorenerzeugung ein. 1947 startete die Serienproduktion von Steyr-Traktoren mit dem Typ 180. Steyr entwickelte sich zum Marktführer bei Traktoren in Österreich und zu einem international agierenden Unternehmen. Nach dem Staatsvertrag wurde das Werk St. Valentin in die Steyr-Daimler-Puch AG eingegliedert. In den 1970er Jahren verschlechterten sich die Bedingungen auf dem Traktormarkt. Die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe nahm ab, der Markt war gesättigt. Gleichzeitig stiegen die Anforderungen an die Traktoren in puncto Leistung, Verbrauch und Fahrkomfort. Der zunehmende Kostendruck führte zu Übernahmen, Fusionen, Ausstiegen und Kapazitätsabbau in der internationalen Landmaschinenindustrie. Die Zahl der Landtechnikhersteller sank.

Die Steyr-Daimler-Puch AG gliederte die Traktoren- und Landmaschinensparte als „Steyr Landmaschinentechnik" mit Sitz in St. Valentin aus. Diese wurde 1996 von der Case Corporation, einem der weltweit führenden Traktorenhersteller, übernommen. 1999 übernahm das zur Fiat-Gruppe gehörende Landtechnikunternehmen New Holland die Case Corporation, woraus Case New Holland (CNH) entstand. Zum Konzern gehören nun drei Traktormarken: New Holland, Case IH und Steyr. Im Jahr 2006 wurde St. Valentin Europazentrale von Case IH und Steyr. Auch wenn die ehemalige Dominanz am heimischen Markt der Vergangenheit angehört, hat Steyr in Österreich noch einen Marktanteil von etwa 20% bei Neuzulassungen von Standardtraktoren.

Warchalowski WT 20 / Austro Diesel
Gebaute Stückzahl: 6504; Bauzeit: 1958 - 1968; Motor: D 22; Getriebe: ZF 5/5; Gesamtgewicht: 855 kg

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Die neolithische Revolution
Hunderttausende von Jahren lebten die Menschen in kleinen Gruppen als Jäger und Sammler. Sie nutzten das Feuer und ernährten sich von Früchten und anderen essbaren Teilen von Pflanzen, von gejagten Tieren und von Fischen. Wurde das Nahrungsangebot knapp, zogen sie weiter. Im Mitteleuropa der letzten Eiszeit folgten sie als spezialisierte Großwildjäger den jahreszeitlichen Wanderungen ihrer Beutetiere.
Vor etwa 10.000 Jahren stellten sich in Mitteleuropa die heutigen Klimabedingungen ein. War der Alpenraum bisher von Gletschern und steppenartiger Tundra bedeckt, entstand nun eine Waldlandschaft. Die Menschen lernten, das Standwild in den Wäldern zu jagen und verstärkten den Fischfang. Gleichzeitig entwickelten die Menschen im Nahen Osten eine neue Wirtschaftsweise, die auf Ackerbau und Viehzucht beruhte. Die Zucht von Kulturpflanzen und Nutztieren aus Wildformen schritt so weit fort, dass die Menschen als Bauern in dauerhaften Siedlungen mit festen Häusern leben konnten. Während diese „neolithische Revolution" im Nahen Osten viele Jahrhunderte dauerte, verbreitete sich die Landwirtschaft in Mitteleuropa vor 7500 Jahren durch jungsteinzeitliche (neolithische) Siedler aus Südosteuropa. Zu ihren Hinterlassenschaften zählen Keramikgefäße, Gefäße aus gebranntem Ton für die Vorratshaltung und zum Kochen.

Die jungsteinzeitlichen Siedlungen Europas und Österreichs entstanden vorerst in Gunstlagen, in trocken-warmen Regionen mit fruchtbaren Lössböden. Durch bessere Agrartechnik und Brandrodung breitete sich die Siedlungstätigkeit auch auf naturräumlich ungünstige Gebiete aus. Werkzeuge aus Bronze (ab 2000 v. Chr.) und Eisen (ab 850 v. Chr.) erleichterten die Landgewinnung und -bewirtschaftung. Das Nutzvieh wurde bis in die Eisenzeit ganzjährig auf der Weide gehalten, weshalb Ställe in den Siedlungen fehlten. Der Hauptnutzen der frühen Haustierhaltung lag in der raschen Verfügbarkeit von Fleisch. Die Verwendung als Arbeitstiere und die Nutzung von Milch und Wolle kam erst in der Bronzezeit auf. Die Bevölkerungsdichte wuchs und die Gesellschaft differenzierte sich. In der Bronzezeit sind bereits spezialisierte Handwerker, urbane Zentren und territoriale Herrschaftsstrukturen festzustellen. Voraussetzung für ihre Entstehung war eine Intensivierung der Landwirtschaft.

Die Zweifelderwirtschaft der Eisenzeit und der Antike
Seit der Jungsteinzeit wurden durch Jahrhunderte immer neue Landstriche durch Brandrodung urbar gemacht und ausgebeutet. Während des ersten Jahrtausends v. Chr. setzte sich eine Bewirtschaftungsform durch, mit der die gerodeten Flächen nachhaltig bewirtschaftet werden konnten. Die Zweifelderwirtschaft mit Brache lieferte über mehr als ein Jahrtausend die Lebensgrundlage der mediterranen und europäischen Gesellschaften. Die Zweifelderwirtschaft basierte auf der Kombination von Getreidebau und Viehhaltung. Der Getreideanbau konzentrierte sich auf den fruchtbarsten Ackerboden, wo abwechselnd Wintergetreide angebaut und im Folgejahr Brache gehalten wurde. Das brachliegende chliegende Feld wurde als Weide genutzt, um die Fruchtbarkeit des Bodens durch den tierischen Dünger zu erneuern. Das Unkraut, das während der Brache zunahm, wurde durch ein- oder mehrmalige Bodenbearbeitung mit Pflug, Haue oder Spaten beseitigt.

In den Dörfern waren der Anbau und die Viehweide auf dem Ackerland gemeinschaftlich geregelt. Das gesamte Ackerland wurde in zwei Felder geteilt. Jeder Landwirt besaß in beiden Feldern je die Hälfte seines Ackerlandes. Auf dem einen Feld mussten die Bauern gleichzeitig Getreide anbauen und auf dem anderen Feld die Parzellen brach liegen lassen und umgekehrt im folgenden Jahr. Damit wurde das Brachfeld zu einem ungeteilten, allen offenstehenden Weideplatz. Das Vieh fand seine Nahrung vor allem auf den ausgedehnten Weiden. Im Herbst wurden die Schweine in die Wälder getrieben, damit sie sich an Eicheln, Bucheckern und Kastanien satt fraßen. Die Arbeitstiere hatten durch das Ziehen der Hackpflüge und den Transport mit dem Packsattel oder Karren eine besondere Bedeutung. In der Eisenzeit war der von einem Ochsengespann gezogene Hakenpflug bereits allgemein verbreitet. Das Zugvieh wurde nun in Siedlungsnähe und im Winter vermehrt in Ställen gehalten. Dadurch stand mehr Dünger zur Verfügung, der die Fruchtbarkeit des Ackerbodens förderte. Die Grünland- und Heuwirtschaft löste die Laubheunutzung ab.

Die Agrarrevolution des Hochmittelalters
Vom 9. bis zum 12. Jahrhundert ermöglichten einige wesentliche Neuerungen die Entstehung von dauerhaften Dörfern, Städten, Klöstern und Burgen. Die Wurzeln vieler Siedlungen in Österreich reichen ins Hochmittelalter zurück. Da der überlokale Austausch fehlte, mussten die Bauern ihre Nahrungs- und Futtermittel aus der eigenen Wirtschaft gewinnen. Was sie dem Boden an Nährstoffen entzogen, mussten sie ihm durch die internen Kreisläufe wieder zurückgeben. Nur so konnten sie die Fruchtbarkeit des Bodens langfristig erhalten. Durch die Dreifelderwirtschaft nahmen die Anbaufläche und die Intensität der Bewirtschaftung gegenüber der Zweifelderwirtschaft zu. Die Ackerfluren der neuen Dorfsiedlungen wurden in drei Gewanne („Felder") unterteilt, das später neu erschlossene Ackerland wieder in drei Felder. Jeder Betrieb besaß in jedem Feld
einen Ackerstreifen und die Dorfbewohner stimmten sich bei der Ackernutzung ab (Flurzwang). Abwechselnd bauten sie auf dem Feld im ersten Jahr nach der Düngung Wintergetreide und im zweiten Jahr Sommergetreide an. Im dritten Jahr lag das Feld brach. Dies ermöglichte auch die gemeinsame Viehweide auf den Feldern. Zu den Ackerfluren kamen noch die am Rand der Ortsflur gelegenen Viehweiden und Wälder, die die Dorfbewohner gemeinsam nutzten.

Die Viehwirtschaft war bei diesem System der Bewirtschaftung unverzichtbar. In der warmen Jahreszeit wurde das Vieh auf den Weiden gehalten, im Winter im Stall, wo es mit dem Heu der Wiesen versorgt wurde. Das Vieh war wegen der Zugkraft wertvoll. Es lieferte Milch, Fleisch und Rohstoffe und verwertete Stroh, landwirtschaftliche Nebenprodukte und Abfälle. Es konnte auf Flächen gehalten werden, die sich für den Ackerbau nicht eigneten. Über
den Mist konnten Pflanzennährstoffe von diesen extensiv genutzten Flächen (Wälder, Weiden) für die intensiv genutzten Ackerflächen genutzt werden. Jedes Dorf war ein kleinräumiges Mosaik verschiedener Landnutzungsformen: Gärten, Ackerland, Wiesen, Weiden und Wald. Der wichtigste Bau- und Werkstoff und die wichtigste Energiequelle blieb das Holz. Durch die fortschreitende Rodung bedeckte der Wald die für die Landwirtschaft ungünstigsten Flächen.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Dampflokomobil
Hersteller: Hofherr-Schrantz-Clayton-Shuttleworth A.G.; Baujahr: 1924
Das 2400 kg schwere Dampflokomobil stammt aus dem Jahr 1924. Es erbringt eine Leistung von 3 PS. Mit der Dampftechnik ließ sich eine Leistungssteigerung gegenüber dem Göpel erzielen. Ihre Kosten (z.B. Brennstoffe) waren jedoch so hoch, dass sie in der Regel nur für Gutswirtschaften und für eine genossenschaftliche Anschaffung in Frage kam. Mit Dampfmaschinen betrieb man in erster Linie Dreschmaschinen. Dies war in Österreich in stärkerem Ausmaß in Oberösterreich und im westlichen Niederösterreich der Fall. Ansonsten war das Dampfdreschen für Gutsbetriebe typisch. Durch die Transportfähigkeit des Dampflokomobils und der Dreschmaschine konnte das Dreschen nun auch auf dem Feld durchgeführt werden.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Steigerung der Produktion
Wegen der starken Konkurrenz auf dem wichtigen Wiener Markt durch ungarische und mährische Großbetriebe stieg die niederösterreichische Agrarproduktion bis in die 1870er Jahre nur langsam an. In den 1880er Jahren setzte die „Agrarrevolution" flächendeckend ein: Die Brachflächen wurden mit Futterpflanzen bebaut und die Stallwirtschaft intensiviert. Die Milchwirtschaft war der Motor dieser Entwicklung. Mit der florierenden Schweinehaltung dehnte sich der Kartoffelbau aus. Dagegen ging die Schafhaltung zurück, weil die Weideflächen verschwanden und preiswerte Schafwolle aus Übersee importiert wurde. Ab den 1890er Jahren expandierte der Zuckerrübenanbau im Umfeld der Zuckerfabriken. Die Produktionsstandorte in Niederösterreich waren Dürnkrut, Hohenau, Leopoldsdorf, Bruck an der Leitha und Tulln. Die Landwirte bebauten nicht nur mehr Ackerfläche, sondern erreichten auch höhere Erträge pro Fläche. Damit stiegen die Gesamterträge seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert deutlich.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Holzgöpel
Ein kleiner Mechanisierungsschritt war durch die Verwendung des Göpels als Antriebskraft seit der Mitte des 19. Jahrhunderts möglich. Der Göpel ist eine mechanische Kraftanlage, die durch den Rundlauf von Zugtieren betrieben wird. Er wurde zum Schutz vor Witterungseinflüssen in einem eigens errichteten Stadel oder zumindest unter einem Dach aufgebaut. Holzgöpel wurden von örtlichen Handwerkern gezimmert und oft erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts durch Elektro- oder Dieselmotoren ersetzt. Der Göpel trieb Geräte wie Häckselmaschine, Rübenschneider oder Schrotmühle und kleinere Dreschmaschinen an. Der Holzgöpel des Museums Horn stand ursprünglich auf einem Bauernhof in der Nähe von Zwettl.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Die erste Agrarrevolution der Moderne (1800-1950)
In den Niederlanden wurde die Landwirtschaft seit dem Spätmittelalter neuerlich intensiviert. In Österreich lässt sich diese Entwicklung im ausgehenden 18. Jahrhundert in den alpinen Bergbau- und Kleinindustriegebieten sowie im Umland von Wien beobachten. Durch die wachsende gewerbliche und städtische Bevölkerung stieg die Nachfrage nach Lebensmitteln. Die Industrialisierung und der Ausbau des Eisenbahnnetzes beschleunigten seit etwa 1870 die Intensivierung der Landwirtschaft noch wesentlich. In der Dreifelderwirtschaft wurde die Brache nun mit Futterpflanzen und Hackfrüchten bebaut, oft mit neuen, aus Amerika importierten Feldfrüchten wie Mais und Kartoffel. Dies führte zur verbesserten Dreifelderwirtschaft, Fruchtwechselwirtschaft oder zu anderen intensiveren Fruchtfolgesystemen. Das größere Futterangebot ermöglichte eine stärkere Viehwirtschaft und die ganzjährige Stallhaltung. Der Dünger trug zusammen mit dem Anbau von stickstoffbindenden Leguminosen wie Klee und Hülsenfrüchten zur Steigerung der Erträge bei. Die überwiegend importierten Mineraldünger verwendeten zunächst nur Großbetriebe.

Durch diese Neuerungen wurde die Produktivität mit betriebseigenen Mitteln erheblich gesteigert. Sowohl die Erträge im Pflanzenbau als auch in der tierischen Produktion stiegen vor allem seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert deutlich an. Da die Technik nur geringfügig modernisiert wurde, erhöhte sich der Arbeitsaufwand. Besonders die Arbeitsbelastung der Frauen stieg durch den zunehmenden Hackfruchtbau und die wachsende Bedeutung der (Milch-)Viehhaltung. Die landwirtschaftliche Produktion orientierte sich zunehmend am Markt und verflocht sich immer mehr mit vor- und nachgelagerten wirtschaftlichen Sektoren (Landmaschinenindustrie, Handel, verarbeitende Industrie etc.). Durch die Zunahme der Produktivität in der Landwirtschaft konnte die wachsende nichtagrarische und urbane Bevölkerung ernährt werden.

Die zweite Agrarrevolution der Moderne (ab 1950)
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die österreichische Landwirtschaft von der industriegesellschaftlichen Entwicklung voll erfasst. Viele Beschäftigte wanderten in den wachsenden Industrie- und Dienstleistungssektor ab, zuerst die familienfremden Arbeitskräfte (Knechte, Mägde, Tagelöhner), später die Kinder und Geschwister der Betriebsbesitzer/-innen. Schließlich nahmen auch immer mehr Bauern und Bäuerinnen eine Neben- oder Hauptbeschäftigung außerhalb der Land- und Forstwirtschaft auf. Trotz der Abwanderung von Arbeitskräften, nahm die Agrarproduktion enorm zu. Möglich wurde diese „Agrarrevolution" seit den 1950er Jahren durch den Ersatz menschlicher und tierischer Arbeit durch Maschinen - den Traktor mit Dreipunktaufhängung, hydraulischem Hubwerk und Zapfwelle, Mähdrescher etc. Dazu kamen ertragssteigernde („landsparende") Technologien - Mineraldünger, Pflanzenschutzmittel, Hochertragssaatgut. Durch den Einsatz von Handelsdünger im Feldbau konnte nun auf komplexere Fruchtfolgen verzichtet werden.

Der flächendeckende Ausbau der Transportinfrastruktur ermöglichte den günstigen Bezug von Betriebsmitteln wie auch den Verkauf der Endprodukte. Die Landwirtschaft war nicht länger von lokal verfügbaren Ressourcen abhängig und begann sich räumlich wie betrieblich zu spezialisieren. Die Betriebe produzierten nun hauptsächlich für den überregionalen Markt. Die Selbstversorgung rückte in den Hintergrund. Die Landwirtschaft verflocht sich mit vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereichen. Vorgelagert waren die Düngermittel-, Futtermittel-, Saatgut-, Maschinen-und Transportindustrie sowie die Energiewirtschaft, nachgelagert die Nahrungsmittelindustrie, sonstige verarbeitende Industrien und der Handel. Damit wurden der Anfang und das Ende der Kette von Nahrungsproduktion und -konsum aus den Höfen ausgelagert. Da die Landwirtschaft am unteren Ende der Wertschöpfungskette steht, nahm die wirtschaftliche Abhängigkeit der Betriebe zu. Die zunehmende Außenabhängigkeit der Familienwirtschaften wurde an der kostspieligen Traktorisierung seit Mitte des 20. Jahrhunderts deutlich: Der meist kreditfinanzierte Traktor brachte die Marktzwänge in die auf Bedarfsdeckung ausgerichteten Familienbetriebe. Wer mehr ausgab, musste mehr einnehmen - oder wegen Überschuldung aufgeben.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Die „Herrschaft" Horn
Das Schloss Horn bildete den Mittelpunkt eines ansehnlichen Herrschaftsbezirkes, der im Jahr 1590 487 untertänige Häuser umfasste und somit zu den größten „Herrschaften" Niederösterreichs zählte.
Eine „Herrschaft" war der Machtbereich eines Grundherrn, ein Bündel an Rechten über Land („Grund") und Leute. Sie war in der Regel räumlich nur schwer abgrenzbar, da Untertanen und Besitzrechte oft sehr stark verstreut lagen. Die bedeutendsten Besitzer der Herrschaft Horn waren die Maissauer (ab Mitte d. 13. Jh.), die Puchheimer (ab 1440), die Grafen Kurz (seit 1628) und schließlich die Hoyos (ab 1681). Diese vereinigten zum Teil eine Vielzahl von Herrschaften in ihrer Hand. Dass die Herrschaftsbesitzer oft auch selbst in Horn residierten, verdeutlicht die Bedeutung dieses Sitzes. Sie übertrugen jedoch die Amtsgeschäfte an Verwalter, die auch Burggrafen oder Pfleger genannt wurden. Die zunehmende Aushöhlung der Grundherrschaft durch staatliche Eingriffe seit dem Reformabsolutismus führte 1848 zur ihrer Aufhebung. Bis zu dieser Zeit kann sie als die wesentliche Verwaltungseinheit auf der unteren Ebene, als erste Gerichtsinstanz, Polizeiinstanz, Notariat und Steuereinnehmer, angesehen werden.

Das Schloss Horn der Familie Hoyos in der Gegenwart
Das Schloss war der Sitz der Inhaber der Herrschaft Horn und damit auch der Stadtherrschaft. Seine Ursprünge lagen im 13. Jahrhundert, als innerhalb der Stadtmauern auch eine Stadtburg entstand. Im 14. Jahrhundert dürfte es sich um eine große dreiseitige Burg mit mehreren Türmen gehandelt haben. Seit dem 16. Jahrhundert erfolgten Um- und Ausbauarbeiten, die erst gegen Mitte des 19. Jahrhunderts ihr Ende fanden und aus der Burg ein Schloss mit einheitlicher Fassade und Gartenanlagen machten. In unmittelbarer Umgebung entstanden weitere herrschaftliche Gebäude wie Meierhof, Brauhaus, Hofmühle und das „Große Haus" (seit 1657 Piaristenkolleg).

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Graf Ferdinand Sigmund Kurz von Senftenau (1592-1659)
Kopie eines Ölgemäldes im Schloss Horn

Ferdinand Sigmund Graf Kurz entstammte der schwäbischen Linie der Familie Kurz und gehörte als Reichsvizekanzler (1637-1659) zum innersten Führungskreis der Habsburger Monarchie. Durch seine Ehe mit Martha Elisabeth Muschinger 1627 kam er in den Besitz der Herrschaften Horn, Drosendorf und Rosenburg, wobei er noch weitere Domänen erwarb. Als Stadtherr von Horn unterstützte er die Rekatholisierung und das wirtschaftliche Leben was nicht zuletzt die Abgabefähigkeit der Stadt erhalten sollte. Mit der Stiftung des Piaristenkollegiums und -gymnasiums (1657) sowie der Altöttinger Kapelle (1656) als lokale Wallfahrtsstätte förderte er die katholische Reform. Wirtschaftlich versuchte er in der äußerst schwierigen Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg durch die Erwirkung eines dritten Jahrmarkts (1653) für die Stadt, die Bestätigung von mindestens zehn Zunftordnungen und die Vermeidung von zu hohen Belastungen durch einquartierte Soldaten Impulse zu geben. Als Pioniertat ist der Aufbau einer herrschaftlichen Tuchproduktion durch Ansiedlung von Tuchmachern und Färbern um 1650 anzusehen, was jedoch nur kurzzeitig Erfolg hatte.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Turmmodell Georgskirche, 1928
Die Niederösterreichische Landesausstellung in Horn vom 8. bis 16. September 1928 war eine Gewerbeausstellung mit Handwerk, Zünften, Landwirtschaft und Geschichte. Beim Festzug am 9.9.1928 nahmen 23.000 Besucher teil.
Dabei wurde das drei Meter hohe Modell des Turmhelms von Vertretern des Baugewerbes getragen. Die im 15. Jahrhundert erbaute Georgskirche im Stadtzentrum wurde beim Stadtbrand 1827 beschädigt, das zwiebelförmige Turmdach brannte ab. Nach einem langen Provisorium wurde 1880 durch den Stadtbaumeister Franz Bernhofer ein neuer Turmhelm errichtet. Da der neue, 60,5 m hohe Turm zu schwer für das Fundament war, neigte er sich bald 1,5 Meter Richtung Westen. Nach einer umfassenden Sanierung 1945 ist heute der Turm nur noch 60 cm aus dem Lot.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Der Pilot Karl Illner (1877-1935)
Geboren in Nordböhmen, erlernte Illner den Schlosserberuf und kam 1909 nach Wien, um als Mitarbeiter des österreichischen Flugzeugkonstrukteurs Ignaz Etrich an der Entwicklung der „Etrichtaube" mitzuwirken. 1910 legte er als dritter Österreicher die Pilotenprüfung ab. Im selben Jahr führte er mit der weiterentwickelten Etrichtaube den ersten Überlandflug in Österreich aus, indem er die 40 Kilometer lange Strecke von Wr. Neustadt nach Wien in 300 Meter Höhe in 30 Minuten zurücklegte. Später war Illner Fluglehrer, Feldpilot und Ausbildner (während des Ersten Weltkriegs), schließlich Direktor der Flugzeugwerke Weiser & Sohn. Das Verbot des Flugzeugbaus in Österreich aufgrund des Friedensvertrags von St. Germain hinderte ihn an seiner weiteren Berufsausübung. In Armut lebend verstarb er 1935.

Der Flug Wien-Horn
Am 10. Oktober 1910 flog der Flugpionier Karl Illner mit einer Etrich-IV „Taube" von Wien-Simmering nach Horn.
Der Flug über 80 Kilometer dauerte eine Stunde und 14 Minuten. Dabei erreichte er eine Höhe von 1000 Metern. Ein damaliger Rekord. Anlass für den Flug war ein von der Gemeinde Wien gestifteter Preis von 20.000 Kronen im Dauerfliegen. Dabei sollte die Strecke Wien-Horn mit Landung innerhalb von 24 Stunden bewältigt werden. Für Horn war es ein riesiges Spektakel. Auch Motorenkonstrukteur Ferdinand Porsche begrüßte Illner bei seiner Ankunft in Horn. Nach einer Mittagspause flog Illner wieder unbeschadet nach Wien.

Die Etrich-IV „Taube"
Der Monoplan besteht aus einem Rumpf, der durch Spanndrähte versteift und mit Stoff bespannt ist. Das lenkbare Fahrgestell enthält zwei Gummiräder und eine Mittelkufe. Die Flügel bestehen aus jeweils drei Längsträgern mit quer verlaufenden Holzrippen, die nach hinten in biegsame Bambusstäbe enden. Die seitliche Stabilisierung während des Fluges wird durch elastische Flügellappen, die Höhensteuerung durch den verwindbaren Schwanzteil bewerkstelligt. Die Seitensteuerung erfolgt mittels zwei seitlich drehbaren Steuerflächen am Heck. Für die Stabilität der Gesamtkonstruktion sorgt der Spannturm, auf dem auch die Kühler für den 65-PS Austro-Daimler 4-Zylinder-Motor befestigt sind. Der frei sitzende Pilot steuert den mit einem Holzpropeller angetriebenen „Aeroplan" mittels Lenkrad und Pedalen. Flügelspannweite: 14,5 m, Gesamtlänge: 10 m, Höhe: 3,2 m

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Kristalle des Waldviertels
Ein Leben lang sammelt Amand Körner Mineralien. Im Kristallgwölb zeigt er die prächtigsten Stücke.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Mineralien aus dem Waldviertel

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

HINTERGLASBILDER
1 HI Jacobus der Jüngere, Apostel mit Walkerstange
2 Hl. Simon Petrus, Apostel mit Schlüssel
3 Hl. Bartholomäus, Apostel mit Messer
4 Jesus Christus
5 Hl. Matthäus, Apostel und Evangelist
6 HI. Andreas, Apostel mit dem diagonalen Kreuz
7 Hl. Simon von Kanaa, Apostel mit Säge
8 HI. Antonius von Padua mit Jesuskind, sogenannter,,Kinditoni"
9 Hl. Florian
10 Jesus und Johannes als Kinder. Einsatzgraphik Hl. Nikolaus von Myra
11 Hl. Familie (auch Hl. Wandel genannt) mit Jesus, Maria und Josef. Darüber Hl. Geist als Taube.
12 Schmerzensmann (Dornenkrönung)
13 Kruzifix mit Leidenswerkzeugen
14 Jesus trägt das Kreuz
15 Schmerzhafte Mutter Gottes
16 Heilige Maria Inv.
17 Christus trägt das Kreuz
18 Schmerzensmann, Jesus mit Dornenkrone
19 Kruzifix
20 Schmerzhafte Muttergottes
21 Jesuskind mit Weltkugel
22 Hl. Maria mit Jesuskind, Typus Mariahilfbild

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Die Sammlung Nowak /Antikenkabinett
 Das Museum besitzt eine beachtliche Anzahl antiker Vasen und griechischer Terrakotten von hervorragender Qualität sowie eine Reihe römischer Funde. Prunkstück ist ein 2500 Jahre altes Marmorköpfchen der Göttin Athena. Die Objekte stammen aus dem kleinasiatischen Raum, Zypern, Griechenland, Dalmatien und Bosnien-Herzegowina sowie aus dem römisch-italienischen Gebiet. Der k. u. k. Offizier Arthur Nowak war ein kunstinteressierter Sammler antiker Gegenstände. Nowak wurde 1854 in Troppau (heute Opava, Tschechien) geboren; er besuchte die Militärakademie in Wiener Neustadt und wurde 1873 als Leutnant ausgemustert. Seine Laufbahn beendete er im Rang eines Feldmarschallleutnants 1912 in Cattaro (heute Kotor, Montenegro).

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Das Tiergefäß von Breiteneich
Die ovale Schale wurde aus Ton gefertigt und gebrannt. Sie besitzt Füßchen, Kopf und Hinterteil. Zwei Fortsätze - Hörner oder Ohren - sind abgebrochen. Möglicherweise wurde es in einem rituell-magischen Zusammenhang verwendet. Tierförmige Gefäße der jungsteinzeitlichen Lengyel-Kultur (ab ca. 5000 v. Chr.) sind in Österreich sehr selten erhalten. Deshalb gehört das Tiergefäß von Breiteneich zu den bedeutendsten Stücken des Museum Horn. Das Gefäß stammt aus der Sammlung von Leopold Winter. Er sammelte von 1976 -2000 auf Feldern urgeschichtliche Funde und beschrieb sie. Anschließend brachte er sie zum Zeichnen ins Bundesdenkmalamt. Daher sind seine Stücke in den Fundberichten Österreich veröffentlicht. Winter hat dadurch einen großen Beitrag zu den archäologischen Quellen in Niederösterreich geleistet.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Häuser und Siedlungen - Langhaus
Bevorzugt für die Standortwahl einer Siedlung waren ackerfähiger Boden, Waldgebiete für Sammeltätigkeiten, Holzentnahme und Viehhaltung sowie die Nähe von Gewässern. Die Siedlungen bestanden meist aus mehreren Häusern und wurden das ganze Jahr bewohnt. Die Langhäuser der jungsteinzeitlichen Menschen konnten eine Länge von über 40 m erreichen. Die Häuser besaßen ein tragendes Gerüst aus drei Reihen mit Innenpfosten, auf denen die Dachkonstruktion lastete. Das Dach war vermutlich mit Stroh oder Schilf gedeckt. Die Zwischenräume zwischen den Pfosten wurden mit Flechtwerk aus Ruten geschlossen. Diese Wände wurden dann mit Lehm verputzt und manchmal sogar bemalt, wie Funde aus Schwechat beweisen. Am Schanzboden von Falkenstein gibt es Hinweise, dass auch der Boden mit weißer Farbe bemalt wurde. Viele Häuser lassen eine Dreiteilung erkennen. Im Winter wurden die Tiere wahrscheinlich in einem der drei Räume untergebracht.

Aus Mold gibt es einen Hausbefund, wo es Hinweise auf eine Zwischendecke (Speicherboden?) gibt. In Wetzleinsdorf gibt es ein zweigeteiltes 27 m langes Haus mit einem anschließenden Hofplatz. Ob es sich dabei um ein Wohnhaus oder eine Art Versammlungshaus handelt ist nicht geklärt. Die Herdstellen befanden sich meist außerhalb der Gebäude und wurden nicht extra aufgebaut sondern direkt in den Löß gegraben. Entlang der Hauswand findet man meist eine Längsgrube deren Verwendung unklar ist.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Der Bronzeguss erlaubt den Austausch genormter Waren. Mit den Bronzebarren entsteht erstmals „echter" Handel, wobei genormte Barren als Zahlungsmittel gedient haben. Das führte zu einem verstärkten Austausch anderer Sach- und Kulturgüter wie Metalle, Salz und Bernstein. Erstmals können bei den frühbronzezeitlichen Ringen und Spangen sowie Miniaturbarren Gewichtsnormierungen erkannt werden. Die Verbreitung der Barrenformen deutet unterschiedliche Wirtschaftsräume an. In Niederösterreich und dem mährischen Gebiet gibt es fast ausschließlich Ringbarren. In der Salzburger Region, in Oberösterreich und im böhmischen Bereich findet man hauptsächlich Spangenbarren.

Bronzedepot / Hortdepot vom Königsberg
Depots sind in bestimmter Absicht vergrabene oder versenkte Objekte. Dabei handelt es sich weder um Grabbeigaben noch um Überreste von Siedlungen. Sie wurden zum Schutz vor Raub und Diebstahl angelegt. Man vergrub seine Schätze um sie später wieder zu holen. Es gibt aber auch Depots, die als Opfergabe gedeutet werden können. Der Metallreichtum und die metallurgische Leistung spiegeln sich in den Hort- und Depotfunden wider. Ein solches Barrendepot wurde auf dem Königsberg bei Roggendorf gefunden und zwar in der Nähe eines steinernen imposanten Restlings, der eine ausgewitterte Schale („Schalenstein") aufweist. Nach Meinung der Geologen dürfte dieser Stein bereits zur Zeit der Niederlegung der Barren ähnlich wie heute gestaltet gewesen sein, sodass er wohl als Merkzeichen für den Verwahrer gelten konnte. Auch eine kultische Hinterlegung ist denkbar, lässt sich jedoch nicht beweisen. Die 37 Ringbarren haben ein Gesamtgewicht von 7,86 kg.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Die Antikensammlung des Feldmarschalleutnants Arthur Nowak wurde dem Museum Horn 1935 durch Schenkung der Witwe übertragen. Der 1854 geborene Arthur Nowak stammte aus bescheidenen Verhältnissen. Durch eine beachtliche Offizierslaufbahn in der k.u.k. Armee gelang ihm jedoch ein sozialer Aufstieg. Ausdruck dessen war die Verehelichung mit Percyvalia Gilge, der Tochter des Wiener Gemeinderats Dr. Karl Gilge. 1908 erreichte seine Karriere den Höhepunkt, als er als Generalmajor die im dalmatinischen Kotor (Cattaro) stationierte 4. Gebirgsbrigade befehligte. Nach seiner Pensionierung 1912 wurde ihm der Titel Feldmarschallleutnant zugesprochen. Fortan lebte das Ehepaar in Wien und übersiedelte 1919 in eine Villa in Horn. Horn war damals wie heute eine kleine Bezirkshauptstadt und Schulstadt mit ausgeprägtem kulturellem Leben, in der sich Beamte und Pensionisten gerne niederließen. Nowak starb im März 1932 und wurde mit allen öffentlichen und militärischen Ehren in Horn begraben. Seine Frau Percyvalia Nowak verstarb im Jänner 1945.

Die Sammeltätigkeit Nowaks hatte vermutlich in der Begeisterung für die Antike ihren Ursprung. Durch die idealisierende Betrachtung der griechisch-römischen Kultur seit der Renaissance erhielt das Sammeln von antiken Kunstgegenständen eine besondere Bedeutung. Man konnte dadurch den Blick auf das „wahre Schöne" richten und die eigene Bildung und kulturelles Interesse unter Beweis stellen. Leider gibt es kaum Nachrichten über die Umstände, wie Arthur Nowak die einzelnen Objekte seiner Sammlung erwarb. Der Großteil der antiken Objekte dürfte wohl in Dalmatien, wo er sich von 1908 bis 1912 aufhielt, in seinen Besitz gekommen sein.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

URGESCHICHTE
Altpaläolithikum: 2,6 Mill. bis 350 000/300 000
Mittelpaläolithikum: 350 000/300 000 - etwa 40 000
Jungpaläolithikum: 40 000-12 000
Aurignacien: 40 000-28 000
Gravettien: 28 000-20 000
Magdalénien: 20 000-12 000
Spätpaläolithikum Mesolithikum:
Beuronien: 12 000-6000/5500
Neolithikum: 6000/5500-4000
Kupferzeit: 4000-etwa 2000
Bronzezeit: um 2000-800/750
Eisenzeit: 800/750 etwa Chr. Geb. bzw. 15. v. Chr. (Römische Besetzung weiter Teile Osterreichs)
FRÜHGESCHICHTE
Zeitenwende bis etwa 1000 n. Chr. Geb.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Mord in der Jungsteinzeit - Das Schädelnest von Poigen
1955 kamen beim Ausbau eines Feldweges bei Poigen menschliche Skelettreste zum Vorschein. Bei genauerer Untersuchung fand man in einer Grube Gefäßreste, Tierknochen, Lehmbrocken und fünf Schädel. Die menschlichen Überreste wirken als hätte man sie lieblos in eine Grube geworfen. Bei den Schädelresten handelt es sich um einen Mann und drei Frauen (30-40 Jahre) sowie ein Kind unter 6 Jahren. Bei allen Schädelresten konnten schwere Hiebverletzungen nachgewiesen werden. Bei drei Schädeln war noch der erste und zum Teil der zweite Halswirbel vorhanden. Das könnte bedeuten, dass nachdem der Kopf abgeschnitten wurde, er noch im Fleischverband in die Grube kam. In der Regel wurden Verstorbene in Gräbern liebevoll beigesetzt. Der vorliegende Befund zeigt, dass diese Menschen - aus welchen Gründen auch immer - gewaltsam ums Leben kamen. Sie starben ungefähr 4500 v. Chr. und werden somit der Lengyelkultur zugeordnet.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Das Marmorköpfchen der griechischen Göttin Athena aus der Zeit um 510 v.Chr. ist einer der Höhepunkte der Sammlung Nowak. Die ursprüngliche Gestalt der etwa 50 cm hohen Statuette lässt sich anhand der aus derselben Zeit überlieferten Bronzestatuetten rekonstruieren, die Athene stehend oder schreitend bewaffnet darstellen. Dabei trägt sie Helm, Schild und Lanze. Die Statuette diente wohl als Votivgabe in Heiligtümern. Da viele solcher Figuren auf einer Säule aufgestellt waren, lässt sich ein Pfeiler oder eine Säule von etwa 1 Meter dazu denken. Damit konnte der Betrachter der Antike der Figur in die Augen sehen.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Silensmasken zeigen einen vollbärtigen alten Mann mit Glatze, hervorquellenden Augen und einer breiten, flachen Nase. Diese komischen Masken dienten zur Ausschmückung römischer Villen und Privathäuser. Silenos ist eine Figur der griechischen Mythologie und wird in Skulptur und Malerei häufig betrunken und von seinen Zechgenossen gestützt dargestellt.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Reformation und Katholische Erneuerung im Waldviertel 1500-1660
Die Zeit zwischen 1500 und 1660 stellt in der Geschichte des Waldviertels eine bedeutsame Epoche dar. Sie ist geprägt von einer intensiven Konfessionalisierung der Menschen. Dabei kam es auch zu einer wesentlichen Veränderung des Verständnisses der Institution „Kirche". Heftige Auseinandersetzungen kennzeichnen diese Zeit.
Die Ausstellung versucht, diese Vorgänge in ihren positiven Inhalten aufzuzeigen, wobei die Einbindung in die Kulturlandschaft des Kamptales eine besondere Berücksichtigung erfährt.

Was war die Reformation?
Im 16. Jahrhundert verstand man allerlei Erneuerungen als „Reformation", später wurde die katholische Konfessionalisierung so bezeichnet, erst seit 1690 ist „Reformation" die zusammenfassende Bezeichnung der Bewegungen, die in der Kirche durch Martin Luther (und andere) ausgelöst wurden und von 1517 weg - über die spätmittelalterlichen Kirchenreformbestrebungen hinaus zu einer Erneuerung, aber auch zu einer Teilung der abendländischen Christenheit geführt haben. Auslösendes Moment war die Veröffentlichung der 95 Thesen des Wittenberger Augustinermönches Dr. Martin Luther am 31.10.1517 (Versand an die zuständigen Bischöfe, wahrscheinlich auch Anschlag an der Tür der Schlosskirche).

Nach und mit der dadurch ausgelösten Bewegung, die rasch politische Dimensionen erreichte, traten allenthalben kirchenreformerische Ansichten zu Tage, die angesichts des Widerstandes der kirchlichen Entscheidungsträger zu einer reformatorischen Bewegung anwuchsen. Diese reformatorische Bewegung sprengte den Rahmen bisheriger Kirchlichkeit: an die Stelle der Gemeinschaft im Kultus trat die Gemeinschaft im Bekenntnis. Die Christen hatten zwischen den sich ausbildenden „Religionsparteien", aus denen die abendländischen Konfessionen wurden, zu entscheiden - dabei blieb die Konfessionsfrage in hohem Maße ein politisches Geschehen, wie Reichstagsabschiede (Religionsfrieden) beweisen. Inhaltlich nahm die Reformation bestimmte Formen der Frömmigkeit und Demutstheologie von etwa 1500 auf und führte zu einer Konzentration des Glaubens und des Kirchenverständnisses auf Christus Jesus, den alleinigen Heiland. Seit 1555 lag es in der Hand des Landesherren im Reich, das Bekenntnis seiner Untertanen zu bestimmen, wenngleich das „beneficium emigrandi" (die Möglichkeit auswandern zu dürfen) das mittelalterliche Ketzerrecht (Todesstrafe) ersetzte.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

(hinten, vlnr) Hl. Sebastian - Mitte 18. Jahrhundert
Sebastian, Offizier der römischen Garde, weigerte sich als Christ, dem römischen Kaiser Diokletian zu opfern. Er wurde zum Tod durch Beschießen mit Pfeilen verurteilt, überlebte das aber und wurde schließlich mit einer Keule erschlagen. Die Skulptur von einem Pestaltar der Bürgerspitalskapelle zeigt Sebastian mit den Pfeilen im Körper.

Gottesmutter Maria mit dem Jesuskind „Madonna" - um 1430
Die Madonnendarstellung zeigt Maria mit einem Kelch in der Hand als Hinweis auf die Erlösungstat Christi. Das Jesuskind hält einen Granatapfel in der Hand, der auf den Sündenfall im Paradies hinweist.

Auferstandener Christus - 1. Hälfte 17. Jahrhundert
„Christus Salvator Mundi" - Christus als Retter der Welt. Die Figur stammt vom Bildhauer Caspar Leusering (1595-1673). Von ihm stammen auch die frühbarocken Hochaltäre hier in der Bürgerspitalskapelle und in der Stephanskirche am Horner Friedhof sowie in Mödring. Er lebte in Rosenburg und stand im Dienst der Rekatholisierung durch die Herrschaftsbesitzer und Klöster. Die sonst übliche Kreuzfahne ist unserer Figur abhandengekommen.

Hl. Johannes der Täufer um 1700
Johannes ist am Fellgewand erkennbar, der Kreuzstab fehlt. Er ist Patron der Bauern, Gastwirte, Sänger und Musiker. Sein Schutz gilt auch den Antialkoholikern, Architekten und Maurern sowie den Kürschnern. Als Wetterpatron hilft er bei Hagelschlag.

Hl. Rochus - Mitte 18.Jahrhundert
Rochus zählt wie Sebastian und die Rosalia zu den Pestheiligen. Er pflegte Pestkranke und erkrankte dann selbst. Kein Spital wollte ihn aufnehmen worauf er sich in eine Hütte im Wald zurückzog. Der Legende nach brachte ihm ein Hund so lange das Essen bis er sich wieder von der Krankheit erholt hatte. Die Skulptur von einem Pestaltar der Bürgerspitalskapelle zeigt Rochus mit der Pestwunde am Oberschenkel und dem Hund zu seinen Füßen. Er beschützt Vieh und Geflügel sowie die Ärzte und Apotheker, Kunsthändler, Tischler, Gefangene und Totengräber. Er ist auch Patron der Spitāler und hilft gegen Viehseuchen.

(vorne, vlnr) Hl. Peregrinus – um 1700
Peregrinus (eigentlich Pellegrino Laziosi) lebte von 1265-1345 in Forli (Italien). Er war Mönch im Servitenorden der Diener Mariens und litt an Beinkrebs. Davon wurde er auf wundersame Weise geheilt. Er ist in dunkler Ordenstracht dargestellt und zeigt seine offene Wunde am Bein. Er ist Schutzpatron der Gebärenden und hilft bei Krebs, Rheuma und neuerdings auch bei Aids.

Hl. Andreas - um 1700
In der griechischen Stadt Patras erlitt der Apostel Andreas sein Martyrium. Er wurde an ein X-förmiges Kreuz gehängt und starb zwei Tage später. Andreas ist Patron der Fischer, Fischhändler, Fleischhauer und Seiler. Er hilft bei Unfruchtbarkeit, Gicht und bei Krämpfen.

Apostelfigur um 1700
Die Skulptur ist als „Apostel" bezeichnet, genaue Daten sind nicht bekannt. Da keine Attribute mehr vorhanden sind, ist eine genaue Zuordnung, um welchen Heiligen es sich handelt, nicht möglich.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Weihnachtskrippen
Eine Weihnachtskrippe stellt die Geburt Christi (oder andere überlieferte Szenen aus dem Leben Jesu Christi) dar, meist durch Figuren in einer Modelllandschaft Betlehems. Die Grundlage für die Krippendarstellungen sind die Evangelien nach Matthäus und Lukas, die ihrer Darstellung des Lebens Jesu eine Vorgeschichte voranstellen. Die meisten Krippendarstellungen kombinieren Teile beider Erzählungen, etwa die Anbetung der Hirten (nach Lukas) und die der Könige (nach Matthäus).

Die Darstellungen der Geburtsszene der ersten Jahrhunderte n. Chr. zeigen nur das Jesuskind (nach dem Lukasevangelium in der Futterkrippe liegend) mit einem Ochsen und einem Esel. Die Figur der Maria kam erst im Mittelalter dazu, der Hl. Josef noch später. Hingegen gab es um 500 bereits bildliche Darstellungen, auf denen die drei Weisen ihre Geschenke dem Gotteskind darbringen. Als Begründer der anschaulichen Darstellung des Weihnachtsgeschehens gilt der Hl. Franz von Assisi. Denn dieser stellte die Weihnachtsgeschichte nachweislich erstmals im Jahr 1223 mit lebenden Personen und Tieren nach.

Kastenkrippe (Mitte 19. Jahrhundert)
Krippe mit bekleideten Wachsfiguren, Kleidung nur teilweise original. Die Palmen im Hintergrund versetzen das Geschehen in eine orientalisch anmutende Gegend.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Kastenkrippe in Empiregehäuse
Die aus Grafenberg (bei Eggenburg) stammende Krippe weist Figuren aus unterschiedlichen Epochen auf: Die Heilige Familie, die Engelsglorie sowie der Zug der Heiligen Drei Könige entstanden in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die Hirten im Vordergrund im Biedermeier (um 1830/40). Ergänzt werden diese Holzfiguren durch einzelne Figürchen aus Karton (im oberen Bereich) aus der Zeit um 1900. Bemerkenswert ist die aufwendige Szenerie: Auf den mächtigen Felsklippen, unter dem sich der strohgedeckte Stall mit der Heiligen Familie befindet, thront die mauerbewehrte Stadt Jerusalem mit der Burg Antonia, wo Jesus Christus durch Pontius Pilatus zum Tode verurteilt worden sein soll. Dazu kommen Burgruinen und bäuerliche Gebäude. Ausstattung und Figuren zeigen sowohl orientalische als auch europäische Merkmale. Über dem Felsvorsprung ist ein Gloriaengel in einem Strahlenkranz, darüber schwebt der weihnachtliche Stern. Im Giebel des Gehäuses befindet sich eine „Zweifaltigkeit", die Gottvater und den Heiligen Geist darstellt. Das Kind in der Krippe ergänzt diese zur „Dreifaltigkeit".

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Zeittafel
1495 Gravamen der „deutschen Nation" gegen Rom als Ausdruck der Unzufriedenheit mit den kirchlichen Verhältnissen.
1498 Girolamo Savanarola versucht in Florenz eine neue Form van Herrschaft und Kinche durchas setzen - er scheitert.
1517 Der Augustinerminch Nertin Luther veröffentlicht in Wittenberg 95 Theses zu Ablaß und Gnade. Das ist der Beginn der reformatorischen Bewegung.
1518 Ausschusslandtag der österreichischen Länder mit bewegten Klagen über kirchliche Zustände.
In Rom beginnt der Prozess gegen Luther, der 1520 mit der Verhängung des Kirchenbannes endet.
1519 Tod Kaiser Maximilians I. in Wels. Bemühungen um die Nachfolger im Reich.
1520 Luther veröffentlicht die Hauptschriften der Reformation, darunter „Von der Freiheit eines Christenmenschen" und „An den christlichen Adel".
1521 Reichstag in Worms, Reichsacht gegen Luther.
1523 König Ferdinand I. und die süddeutschen Landesherren vereinbaren in Regensburg ein unnachsichtiges Vorgehen gegen die lutherische Bewegung.
1525 Bauernkrieg mit religiösen Forderungen, Luther heiratet die Nonne Katharina von Barn.
1526 Erster Reichstag zu Speyer - verläufige Suspendierung der Religionsfrage.
1527/28 Organisation der ersten evangelischen Landeskirchen (Sachsen, Braunschweig).
1529 Erste Türkenbelagerung Wiens.
Zweiter Reichstag zu Speyer - Protestaktion der evangelischen Reichsstände gege Zwangskonfessionalisierung (Name „Protestanten").
1530 Reichstag zu Augsbung, Überreichung des Augsburgischen Bekenntnisses on Kaiser Karl V.
1534 Die Bibelübersetzung Luthers ins Hochdeutsche liegt vollständig vor.
1535/40 Zahlreiche deutsche Länder führen die Reformation durch.
1537 Das zur Vereinigung der Religionsparteien geplante Konzil zu Mantua scheitert, die Entwicklung der Konfessionen geht weiter.
1546  Luther stirbt im Alter von 63 Jahren, Religionskrieg.
1555 „Augsburger Religionsfrieden", der im Reich die Parität der Konfessionen herstellt und die Konfessionsfrage in die Länder verlagert („Cuius regio, eius religio" - der Landesfürst bestimmt die Religion der Untertanen!).
1563 Abschluss des Konzils von Trient (seit 1545), damit ist die Konfessionsbildung im Katholizismus abgeschlossen, die Reformdekrete führen zu einer allmählichen Erneuerung des kirchlichen und geistlichen Lebens.
1580 Mit der Annahme des Konkordienbuches, das die geltenden lutherischen Bekenntnisschriften enthält, durch die evangelischen Länder kommt die Konfessionsbildung im Luthertum zu ihrem Abschluss.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Grabplatte (1590)
Grabstein des am 11. September 1590 verstorbenen Horner Bürgers Georg Widenhofer. Er war zuvor Bürgermeister von Weitra. Die obere Hälfte des Grabsteins zeigt einen Mann mit kurzem Umhang und Weste, die Hände erhoben, sowie eine Umschrift nach Martin Luthers Bibelübersetzung von Hiob 19, 25-27. Möglicherweise musste Widenhofer wegen seines evangelischen Bekenntnisses Weitra verlassen.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Epitaph für Otto von Zinzendorf und Pottendorf (1589)
Die protestantischen Herren von Zinzendorf und Pottendorf hatten von 1558 bis 1606 die Herrschaft Pottendorf (Bez. Baden) inne. Obwohl Pottendorf nur ein kleiner Teil ihrer ausgedehnten Besitzungen war, diente die dortige Schlosskirche als Familiengruft.

Das einfach gehaltene Grabdenkmal zeigt das Wappen der Familie, darunter Name und Titel des Verstorbenen und sein Sterbejahr. Spezifisch evangelisch ist lediglich die Form des beigefügten Wunsches nach einer „fröhlichen Auferstehung". Die meisten Epitaphe für evangelische Adelige zitieren allerdings noch ein Bibelwort.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Wundertätiges Kreuz von Horn - 1618
In der Mitte Christus, links und rechts zwei Stifterfiguren in der Tracht des frühen 17. Jahrhunderts. Auf dem oberen Kreuzende Gott Vater und der Hl. Geist in Wolken, am unteren Teil eine Inschrift mit der Jahreszahl 1618; auch auf der Rückseite Inschriften.

Das Kreuz wurde 1657 vom Besitzer der Herrschaft Horn, Sigismund Graf Kurz von Senftenau, nach Horn gebracht und ließ es als „mirakulöses Kreuz" aufstellen. Es wurde berichtet, dass es von einem Prädikantensohn in Rautenberg bei Hildesheim mit einem Gewehrschuss durchlöchert worden war. Danach verbreitete sich die wundersame Behauptung, dass diese Wunde häufig zu bluten anfange. Das Einschussloch am rechten Unterarm Christi ist auf der Rückseite des Kreuzes noch zu sehen.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Worum hat man gestritten?
Das, was Heutigen als so beschämend erscheint, war den Menschen früherer Zeiten notwendiger Ausdruck ihres Glaubens. Man war von der Absolutheit des eigenen, als richtig und heilsnotwendig erkannten Bekenntnisses so überzeugt, dass man alle anderen Meinungen als für die Ewigkeit schädlich und verderblich ansah und dementsprechend bewertete. Daher setzte man sich über religiöse Fragen heftig auseinander, sodass es nicht nur bei einer gegenseitig grundsätzlich negativen Bewertung anderer religiöser Überzeugungen blieb, sondern auch zu unmittelbaren Auseinandersetzungen (Streitigkeiten) kam.

Dabei erwies sich der Prozess der Konfessionsbildung als besonders folgenschwer - das allmähliche Auseinandergehen der Konfession, die Entdeckung immer neuer Unterschiede in Lehre, Kirchenverständnis und Verkündigung bewogen zu immer neuen Streitigkeiten. Dabei war es nicht einfach Rechthaberei, die trieb, sondern der oft verzweifelte Versuch, den anderen von seiner „falschen", also verderblichen Meinung abzubringen. Und dort, wo man diesen Versuch als vergeblich aufgegeben hat, blieb nichts als eine deutliche Verurteilung, die eigentlich eine Verdammung war. Derartige Verwerfungen finden sich in den Dekreten des Konzils von Trient, wie auch in den Bekenntnisschriften der lutherischen Kirche, und zwar vom Augsburger Bekenntnis angefangen.
Besondere Streitpunkte waren dabei die Frage nach der Rechtfertigung und den guten Werken, der Bedeutung und dem Charakter der Kirche, den Sakramenten, der Tradition in der Kirche, der Ausschließlichkeit der Geltung der Hl. Schrift, der Unterscheidung von Priestem und Laien, der Fürbitte von Maria und den Heiligen, des Papsttums. Man bewertete qualitativ - wenn es da an einem Punkt Unterschiede gab, dann war die andere Kirche eine falsche Kirche, also die des Teufels.

Denn dieser suche ja - so war es bis ins 18. Jahrhundert fast allgemein anerkannte Meinung - die Kirche Christi zu verderben, indem er alles durcheinander bringe und an die Stelle des Richtigen und Wahren das Falsche zu setzen versuche. Der Grad der Heftigkeit der Auseinandersetzungen spiegelt diese gewissermaßen kosmische Dimension wieder, wobei freilich zwei Beobachtungen gemacht werden müssen: Mit den geistlichen Auseinandersetzungen wurden nicht selten auch rein innerweltliche, also solche um Macht und Einfluss zu legitimieren versucht. Es gab Bereiche, in denen ein faktisches Miteinander durchaus möglich schien, wie etwa über weite Strecken der Landespolitik oder in der Nachbarschaft. Hier begann jene Tabuisierung von religiösen Fragen, die später für die Ausbildung der Toleranz wichtig wurde. Vorerst aber setzte sich die Tendenz zur einheitlichen Konfessionalisierung aller Landbewohner durch - die kaiserlichen Reformationskommissionen sorgten seit 1629, 1652/54 und später für die Katholisierung oder Verdrängung aller Evangelischen.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Die 95 Thesen Martin Luthers
Der Handel mit sogenannten Almosenablässen, für deren Gewinnung ein Geldbetrag gespendet werden musste, war ein besonders in der Renaissancezeit verbreiteter Missbrauch. Ablassbriefe sollten den katholischen Gläubigen einen dem Geldbetrag entsprechenden Erlass „zeitlicher Sündenstrafen" im Fegefeuer für sie oder für bereits gestorbene Angehörige bescheinigen. Die Angst des Menschen vor himmlischer Strafe nach dem Tod schuf also die Grundlage für den einträglichen Ablasshandel der Kirche.

Für den an der angesehenen Wittenberger Universität lehrenden Augustinermönch Dr. Martin Luther (1483-1546) war die Praxis der Päpste, Ablassbriefe als Geldquelle (z. B. für den Bau des Petersdoms in Rom) zu missbrauchen, einer der Hauptkritikpunkte an der katholischen Kirche. Dies veranlasste ihn zur Abfassung von 95 Thesen, die er im Oktober 1517 veröffentlichte (im lateinischen Original Disputatio pro declaratione virtutis indulgentiarum). Ob Luther seine Thesen am 31. Oktober 1517 - gemäß der Überlieferung - eigenhändig am Hauptportal der Schlosskirche in Wittenberg anschlug, ist umstritten. Fest steht, dass sie einen unerwartet großen öffentlichen Widerhall fanden, der die Reformation in Mitteleuropa auslöste.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

MARTIN LUTHER: DIE 95 THESEN
Aus rechter wahrer Liebe und sonderlichem Fleiß, die Wahrheit ans Licht zu bringen, soll zu Wittenberg unter dem Vorsitz des ehrwürdigen Vaters Dr. Martin Luthers, Augustiners, der freien Künste und der Heiligen Schrift Magisters, auch deren ordentlichen Lehrers, daselbst über folgende Sätze disputiert werden. Er bittet deshalb die, die sich nicht anwesend mit uns darüber auseinandersetzen können, dies schriftlich zu tun. Im Namen unseres Herrn Jesu Christi. Amen.

1. Wenn unser Herr und Meister Jesus Christus sagt: „Tut Buße" usw., so will er, daß das ganze Leben seiner Gläubigen auf Erden eine stete Buße sein soll.
2. Und es kann solches Wort nicht vom Sakrament der Buße, das heißt, von der Beichte und der Genugtuung, die durch der Priester Amt geübt wird, verstanden werden.
3. Jedoch will er auch nicht verstanden haben die innerliche Buße; ja, die innerliche Buße ist nichtig und keine Buße, wenn sie nicht äußerlich allerlei Ertötung des Fleisches bewirkt.
4. Es währt deshalb die göttliche Strafe, solange der Mensch Mißfallen an sich selber hat, das ist die wahre innere Buße, nämlich bis zum Eingang aus diesem in das ewige Leben.
5. Der Papst will noch kann keine andere Strafe erlassen als die, die er nach seinem Gefallen oder nach den kirchlichen Satzungen auferlegt hat.
6. Der Papst kann keine Sündenschuld anders vergeben, als insofern, daß er erklärt und bestätigt, daß sie von Gott vergeben sei; oder aber, wenn er es tut in den Fällen, die er sich vorbehalten hat, in denen, wenn sie verachtet würden, die Schuld ganz unaufgehoben oder unerlassen bliebe.
7. Gott vergibt keinem die Schuld, den er nicht zugleich, durchaus gedemütigt, dem Priester als seinem Stellvertreter unterwirft.
8. Die kirchlichen Satzungen, wie man beichten und büßen soll, sind allein den Lebenden auferlegt, und nichts soll den Sterbenden auferlegt werden.
9. Daher tut uns der Heilige Geist wohl am Papste, wenn dieser allerwegen in seinen Erlassen den Fall des Todes und der äußersten Not ausnimmt.
10. Die Priester handeln unverständig und übel, die den sterbenden Menschen kirchliche Buße noch für das Fegfeuer, um dort erst genugzutun, aufbehalten.
11. Dieses Unkraut, daß man die kirchlichen Bußen oder Genugtuung in Strafen des Fegfeuers verwandelt, ist gesäet worden, während die Bischöfe geschlafen haben.
12. Vorzeiten wurden „kanonische Strafen", das ist: Buße oder Genugtuung für begangene Sünde, nicht nach, sondern vor der Absolution auferlegt, um dabei zu prüfen, ob die Reue aufrichtig sei.
13. Die Sterbenden tun für alles genug durch ihren Tod und sind den Strafen der kirchlichen Satzungen abgestorben und also mit Recht von ihnen entbunden.
14. Unvollkommene Frömmigkeit oder unvollkommene Liebe des Sterbenden bringt notwendig große Furcht mit sich, ja um wieviel die Liebe geringer ist, um soviel ist die Furcht größer.
15. Diese Furcht und dieser Schrecken sind an sich selbst - um von anderen Dingen zu schweigen - hinreichend, um des Fegfeuers Pein und Qual fühlen zu lassen, weil sie der Angst der Verzweiflung ganz nahekommen.
16. Hölle, Fegfeuer und Himmel scheinen sich voneinander zu unterscheiden wie rechte Verzweiflung, beinahe Verzweifeln und Gewißheit des Heils.
17. Wie es scheint, bedürfen die Seelen im Fegfeuer, daß Angst und Schrecken abnehme, zugleich aber auch die Liebe bei ihnen wachse und zunehme.
18. Es scheint auch unbewiesen zu sein, weder durch vernünftige Gründe, noch aus der Schrift, daß die Seelen im Fegfeuer sich nicht in dem Stande des Verdienstes oder des Zunehmens an Liebe befinden.
19. Es scheint auch dies unerwiesen zu sein, daß die Seelen im Fegfeuer, zum wenigstens alle, ihrer Seligkeit gewiß und unbekümmert seien, wenn wir auch dessen ganz gewiß wären.
20. Derhalben meint der Papst mit diesen Worten: „vollkommene Vergebung aller Strafen" nicht, daß schlechthin alle Strafen vergeben würden, sondern nur die Strafen, die er selbst auferlegt hat.
21. Daher irren alle diese Ablaßpredigter, die da sagen, daß durch des Papstes Ablaß der Mensch von aller Strafe los und selig werde.
22. Ja, der Papst erläßt keine einzige Strafe den Seelen im Fegfeuer, die sie in diesem Leben, laut der kirchlichen Satzungen, hätten büßen müssen.
23. Ja, wenn die Vergebung aller Strafen jemandem gegeben werden kann, so ist es gewiß, daß sie nur den Vollkommensten, d. h. sehr wenigen gegeben werde.
24. Darum muß der größte Teil des Volkes betrogen werden durch die unterschiedslose und prahlerische Verheißung, daß sie von aller Strafe befreit werden.
25. Die gleiche Gewalt, die der Papst über das Fegfeuer im allgemeinen hat, hat auch ein jeder Bischof und Seelsorger in seinem Bistum und seiner Pfarre im besonderen.
26. Der Papst tut sehr wohl daran, daß er nicht auf Grund der Gewalt der Schlüssel, die er nicht (in dieser Ausdehnung) besitzt, sondern mit Hilfe der Fürbitte den Seelen Vergebung schenkt.
27. Die predigen Menschenverstand, die da vorgeben, daß, sobald der Groschen, in den Kasten geworfen, klingt, die Seele aus dem Fegfeuer auffahre.
28. Das ist gewiß, daß, sobald der Groschen im Kasten klingt, Gewinst und Geiz zunehmen können, die Hilfe aber oder die Fürbitte der Kirche steht allein in Gottes Wohlgefallen.
29. Wer weiß, ob auch alle Seelen im Fegfeuer erlöst sein wollen, wie man sagt, daß es mit den Heiligen Severinus und Paschalis zugegangen sein.
30. Niemand ist doch gewiß, daß seine Reue aufrichtig sei; viel weniger kann er gewiß sein, ob er vollkommene Vergebung der Sünden bekommen habe.
31. So selten die sind, die wahrhaftige Reue haben, ebenso selten sind auch die, die wahrhaftigen Ablaß erwerben, das heißt, sie sind sehr selten.
32. Die werden samt ihren Lehrern verdammt sein, die vermeinen, durch Ablaßbriefe ihrer Seligkeit gewiß zu sein.
33. Vor denen soll man sich sehr hüten, die sagen, des Papstes Ablaß sei jene höchste und unschätzbare Gabe Gottes, durch die der Mensch mit Gott versöhnt werde.
34. Denn die Ablaßgnade bezieht sich nur auf die Strafen der sakramentlichen Genugtuung, die von Menschen auferlegt worden sind.
35. Die predigen Unchristliches, die da lehren, daß die, welche Seelen aus dem Fegfeuer loskaufen oder Beichtbriefe erwerben wollen, keiner Reue bedürfen.
36. Ein jeder Christ, der wahre Reue empfindet über seine Sünden, hat völlige Vergebung von Strafe und Schuld, die ihm auch ohne Ablaßbriefe gehört.
37. Ein jeder wahrhaftiger Christ, er sei lebend oder tot, ist teilhaftig aller geistlichen Güter Christi und der Kirche durch Gottes Geschenk, auch ohne Ablaßbriefe.
38. Doch ist des Papstes Vergebung und Beteiligung mitnichten zu verachten, weil seine Vergebung die Erklärung der göttlichen Vergebung ist.
39. Es ist über die Maßen schwer, auch für den gelehrtesten Theologen, die verschwenderische Spendung des Ablasses und zugleich die wahre Reue vor dem Volke zu rühmen.
40. Wahre Reue sucht und liebt die Strafe; die Fülle des Ablasses aber entbindet von der Strafe und macht, daß man ihr gram wird, wenigstens indem sie Gelegenheit dazu bietet.
41. Vorsichtig soll man von dem päpstlichen Ablasse predigen, auf daß der gemeine Mann nicht fälschlich dafür halte, daß er den anderen Werken der Liebe vorgezogen werde.
42. Man soll die Christen lehren, daß es des Papstes Meinung nicht sei, daß Ablaßlösen irgendeinem Werke der Barmherzigkeit halbwegs gleich sein sollte.
43. Man soll die Christen lehren, daß der, der dem Armen gibt oder dem Dürftigen leiht, besser tut, als wenn er Ablaß löst.
44. Denn durch das Werk der Liebe wächst die Liebe, und der Mensch wird besser. Durch den Ablaß aber wird er nicht besser, sondern nur freier von Strafen.
45. Man soll die Christen lehren, daß der, welcher seinen Nächsten darben sieht und dessen ungeachtet Ablaß löst, nicht des Papstes Ablaß gewinnt, sondern Gottes Ungnade auf sich ladet.
46. Man soll die Christen lehren, daß sie, wenn sie nicht überflüssigen Reichtum besitzen, schuldig sind, was zur Notdurft gehört, für ihr Haus zu behalten und mitnichten für Ablaß zu verschwenden.
47. Man soll die Christen lehren, daß das Ablaßlösen freiwillig sei und nicht geboten.
48. Man soll die Christen lehren, daß der Papst, wie er eines andächtigen Gebets mehr bedarf, dies auch mehr begehrt als Geld, wenn er Ablaß austeilt.
49. Man soll die Christen lehren, daß des Papstes Ablaß gut sei, sofern man sein Vertrauen nicht darauf setzt, dagegen nichts schädlicher, wenn man dadurch die Gottesfurcht verliert.
50. Man soll die Christen lehren, daß der Papst, wenn er von den Erpressungen der Ablaßprediger wüßte, lieber wollte, daß S. Petrus Münster zu Asche verbrannt würde, als daß es mit Haut, Fleisch und Gebein seiner Schafe erbaut werden sollte.
51. Man soll die Christen lehren, daß der Papst, wie er schuldig ist, sein eigenes Geld, und wenn auch S. Peters Münster dazu verkauft werden müßte, an die vielen Leute austeilen würde, die jetzt durch etliche Ablaßprediger um ihr Geld gebracht werden.
52. Durch Ablaßbriefe selig zu werden, ist ein nichtiges Vertrauen, wenn auch der Ablaßkommissar, ja der Papst selbst seine Seele dafür zu Pfande setzte.
53. Das sind Feinde Christi und des Papstes, die wegen der Ablaßpredigt das Wort Gottes in andern Kirchen zu verkünden ganz verbieten.
54. Es geschieht dem Wort Gottes Unrecht, wenn man in einer Predigt ebensoviel oder mehr Zeit aufwendet, den Ablaß zu verkünden, als auf das Wort Gottes.
55. Des Papstes Meinung kann nichts anderes sein, als daß, wenn man den Ablaß mit einer Glocke, mit einfachem Gepränge und einer Feier begeht, man dagegen das Evangelium als das Wertvollste mit hundert Glocken, hundertfachem Gepränge und festlichen Gebräuchen ehren und preisen sollte.
56. Die „Schätze" der Kirche, aus denen der Papst den Ablaß austeilt, sind bei der Gemeinde Christi weder genug bezeichnet noch bekanntgemacht worden.
57. Denn daß es nicht zeitliche Schätze sind, ist schon daran erkennbar, daß viele Prediger diese Schätze nicht so leicht hingeben, sondern sie vielmehr nur zu sammeln suchen.
58. Es sind auch nicht die Verdienste Christi und der Heiligen, denn diese bewirken allzeit, ohne Zutun des Papstes, die Gnade des innerlichen Menschen und zugleich das Kreuz, Tod und Hölle für den äußerlichen Menschen.
59. S. Laurentius hat die Armen der Gemeinde die Schätze der Kirche genannt; aber er hat dabei das Wort in dem Sinne seiner Zeit gebraucht.
60. Wir sagen mit gutem Grunde und ohne Leichtfertigkeit, daß dieser Schatz sei die Schlüsselgewalt der Kirche, die ihr durch das Verdienst Christi geschenkt worden ist.
61. Denn es ist klar, daß zum Erlaß der Strafe und zur Lossprechung in den dem Papste vorbehalten Fällen seine Gewalt für sich ausreicht.
62. Der wahre Schatz der Kirche aber ist das Heilige Evangelium der Herrlichkeit und Gnade Gottes.
63. Dieser Schatz ist aber natürlich sehr verhaßt; denn er macht, daß die Ersten die Letzten werden.
64. Der Ablaßschatz dagegen ist natürlich der allerangenehmste; denn er macht aus den Letzten die Ersten.
65. Darum sind die Schätze des Evangeliums Netze, mit denen man vorzeiten die reichen Leute gefischt hat.
66. Die Schätze aber des Ablasses sind die Netze, mit denen man zu jetziger Zeit den Reichtum der Menschen fischt.
67. Der Ablaß, den die Prediger für die größte Gnade ausrufen, ist freilich für eine große Gnade zu halten, da er großen Gewinst und Genuß einträgt.
68. Und ist doch solcher Anlaß wahrhaftig die allergeringste Gnade, wenn man ihn mit der Gnade Gottes und der Gottseligkeit des Kreuzes vergleicht.
69. Die Bischöfe und Seelsorger sind schuldig, des apostolischen Ablasses Kommissarien mit aller Ehrerbietung zuzulassen.
70. Aber viel mehr noch sind sie schuldig, mit Augen und Ohren aufzumerken, daß diese Kommissarien nicht anstatt des päpstlichen Auftrags ihre eigenen Hirngespinste predigen.
71. Wer wider die Wahrheit des päpstlichen Ablasses redet, der sei verflucht und vermaledeit!
72. Wer aber wider des Ablaßpredigers mutwillige und freche Worte Sorge trägt oder sich bekümmert, der sei gesegnet!
73. Wie der Papst die billig mit seiner Ungnade und dem Bann heimsucht, die zum Nachteil des Ablasses mit irgendwelchen listigen Anschlägen handeln,
74. So trachtet er viel mehr noch, diejenigen mit Ungnade und Bann zu treffen, die unter dem Vorwande des Ablasses zum Nachteil der heiligen Liebe und Wahrhaftigkeit listige Umtriebe ins Werk setzen.
75. Des Papstes Ablaß für so wirksam zu halten, daß er einen Menschen von der Sünde lösen könne, selbst wenn er, um von etwas Unmöglichem zu reden, die Mutter Gottes geschwächt hätte, heißt unsinnig sein.
76. Dagegen sagen wir, daß des Papstes Ablaß nicht die allergeringste läßliche Sünde hinwegnehmen könne, soweit es die Schuld derselben betrifft.
77. Daß man sagt, S. Peter, wenn er jetzt Papst wäre, vermöchte nicht größere Gnaden zu spenden, ist eine Lästerung gegen S. Peter und den Papst.
78. Dawider sagen wir, daß auch dieser und ein jeder Papst über größere Gnaden verfügt, nämlich über das Evangelium, die geistlichen Kräfte, die Gabe, gesund zu machen usw., von denen 1. Kor. 12 die Rede ist.
79. Zu sagen, daß das Kreuz, mit des Papstes Wappen herrlich aufgerichtet, soviel vermöge wie das Kreuz Christi, ist eine Gotteslästerung.
80. Die Bischöfe, Seelsorger und Theologen, die da gestatten, solche Worte vor dem Volke zu reden, werden Rechenschaft dafür geben müssen.
81. Solch freche und unverschämte Predigt vom Ablasse macht, daß es selbst den Gelehrten schwer wird, des Papstes Ehre und Würde zu verteidigen gegen Verleumdungen oder jedenfalls gegen die unleugbar scharfsinnigen Fragen des gemeinen Mannes.
82. Wie beispielsweise: Warum befreit der Papst nicht alle Seelen zugleich aus dem Fegfeuer um der allerheiligsten Liebe willen und wegen der höchsten Not der Seelen als der für ihn allerbilligsten Ursache, da er doch unzählig viele Seelen erlöst um des allerunheilvollsten Geldes willen zum Bau von S. Peters Münster, also um der leichtfertigsten Ursache willen?
83. Oder: Warum bleiben die Begängnisse und Jahrfeiern der Verstorbenen bestehen, und warum gibt der Papst nicht zurück oder vergönnt zurückzunehmen die Pfründen, die den Toten zugute gestiftet worden sind, da es doch unrecht ist, für die schon Erlösten noch weiter zu beten?
84. Oder: Was ist das für eine neue Frömmigkeit Gottes und des Papstes, daß sie dem Gottlosen und dem Feinde um des Geldes willen vergönnen, eine gottesfürchtige und von Gott geliebte Seele zu erlösen, und wollen doch nicht vielmehr um der großen Not der gottesfürchtigen und geliebten Seele selbst willen sie aus Liebe umsonst erlösen?
85. Oder: Warum werden die alten Satzungen von der Buße, die an sich schon längst in der Tat und durch Nichtgebrauch für abgetan und tot gelten müssen, noch mit Geld abgelöst im Zusammenhang mit dem Ablaß, als wären sie noch kräftig und lebendig?
85. Oder: Warum baut jetzt der Papst nicht lieber das eine S. Peters Münster von seinem eigenen als von der armen Christen Gelde, da doch sein Vermögen größer ist als des reichsten Crassus Güter?
87. Oder: Was erläßt oder teilt der Papst denen mit, die schon durch vollkommene Reue zu vollkommener Vergebung und zur Teilnahme an allen geistlichen Gütern berechtigt sind?
88. Oder: Was könnte der Kirche Besseres widerfahren, als wenn der Papst, wie er's jetzt nun einmal tut, also hundertmal am Tage jedem Gläubigen diese Vergebung und diesen Anteil schenkte?
89. Weil es doch dem Papste beim Ablaß mehr um der Seelen Seligkeit als um das Geld zu tun ist, warum hat er denn die früher bewilligten Briefe über Ablässe aufgehoben, da sie doch ebenso wirksam sind?
90. Diese recht spitzen und bedenklichen Einwendungen der Laien nur mit Gewalt dämpfen wollen und sie nicht durch Angabe von Gründen beschwichtigen, heißt die Kirche und den Papst den Feinden zum Gespött preisgeben und die Christen unglücklich machen.
91. Wenn der Ablaß nach des Papstes Geist und Meinung gepredigt würde, wären diese Einreden leicht zu verantworten, ja sie wären nie vorgefallen.
92. Mögen also alle die Propheten verschwinden, da sie sagen zu der Gemeinde Christi: „Friede, Friede", und doch ist kein Friede.
93. Den Propheten aber müsse allein es wohlergehen, da sie sagen zur Gemeinde Christi: „Kreuz, Kreuz", und ist doch kein Kreuz.
94. Man soll die Christen vermahnen, daß sie ihrem Haupte Christus durch Kreuz, Tod und Hölle nachzufolgen sich befleißigen.
95. Und sich mehr darauf verlassen, durch viel Trübsal ins Himmelreich einzugehen als im sorglosen Wahn, es sei Friede.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Martin Luther ist die zentrale Persönlichkeit der Reformation. Als Theologe orientierte er sich ausschließlich an Jesus Christus als dem „fleischgewordenen Wort Gottes". Die christliche Kirche müsse zu den Wurzeln Christi, zum Evangelium zurückkehren. Die Heilsbotschaft werde hinreichend durch die Bibel vermittelt und bedarf keiner Ergänzung durch kirchliche Überlieferungen. Das bedeutet keineswegs, dass jeder sie vollkommen verstehen kann (dazu brauchen wir doch Ämter) aber die kirchlichen Lehrämter sind fehlbar und müssen ständig unter der Autorität des Wortes Gottes stehen. Das widersprach den Lehren der römischen Kirche, die sich für die einzige Autorität in Glaubensfragen hielt und bestimmte, wie die Schrift zu interpretieren ist.

Auf der Basis seiner theologischen Überzeugungen wollte Luther die als Fehlentwicklungen wahrgenommene Erscheinungen der Kirche beseitigen und die Kirche in ihrem ursprünglichen Zustand wiederherstellen (reformieren). Die römische Kurie reagierte auf die im Oktober 1517 veröffentlichten 95 Thesen Luthers jedoch mit dem Vorwurf der Häresie. Beim Verhör am Reichstag zu Augsburg im Oktober 1518 weigerte er sich zu widerrufen. Doch der sächsische Kurfürst Friedrich „der Weise" lehnte eine Auslieferung ab. Nach der Exkommunizierung Luthers im Januar 1521 durch die päpstliche Bannbulle erreichte Friedrich, dass Luther seine Position vor dem nächsten Reichstag nochmals verteidigen durfte. Im April 1521 stand Luther vor dem Reichstag zu Worms, wurde vor den versammelten Fürsten und Reichsständen verhört und letztmals zum Widerruf aufgefordert. Nach einem Tag Bedenkzeit und im Wissen, dass dies seinen Tod bedeuten könne, lehnte er ab.
Daraufhin erließ Kaiser Karl V. das Wormser Edikt. Es verbot unter Berufung auf die Bannbulle des Papstes im gesamten Reich, Luther zu unterstützen oder zu beherbergen, seine Schriften zu lesen oder zu drucken, und gebot, ihn festzusetzen und dem Kaiser zu überstellen. Aufgrund der verhängten Reichsacht war er nunmehr „vogelfrei". Luther erhielt jedoch nach dem Reichstag freies Geleit und wurde auf dem Heimweg von Friedrichs Soldaten entführt und auf der Eisenacher Wartburg festgesetzt, um ihn der Gefahr zu entziehen. Auf der Wartburg blieb Luther bis zum 1. März 1522 inkognito als „Junker Jörg" und arbeitete an einer deutschen Übersetzung des Neuen Testaments, die im September 1522 - ohne Angabe des Übersetzers - erschien. 1522 kehrte er wieder als Professor nach Wittenberg zurück.

Die reformatorischen Hauptschriften, seine Exkommunikation und die über ihn verhängte Reichsacht machten Luther im ganzen Reich bekannt. Der Buchdruck, die allgemeine soziale Unzufriedenheit und der politische Umbruch verhalfen ihm zu einem außergewöhnlichen publizistischen Erfolg: Bis zum Jahresende 1521 waren bereits 81 Einzelschriften und Schriftsammlungen von ihm erschienen.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023

Im 16. Jhdt war Horn Zentrum der Reformation. Im „Horner Bund" kam es 1608 zum Konflikt mit dem Landesherrn. Anlässlich des Reformationsjubiläums wurde die Dauerausstellung in der Bürgerspitalskapelle "Als man um die Religion stritt..." neu gestaltet.

 Museum Horn, Höbarth- und Madermuseum, August 2023



Wem der viele Text zu lange war und lieber Bewegtbilder mit Musik mag, kann sich gerne dieses Video antun: