Theodor Kery WP 2/3, A-2491 Neufeld/L.
+43/2624/54014 - office@websteiner.com
Das Schloss Mayerling war bis 1889 Jagdschloss in
Mayerling bei Alland in Niederösterreich, südwestlich von Wien. Heute
beherbergt es den Karmel St. Josef der Unbeschuhten Karmelitinnen. Das
seit 1550 im Eigentum des Stifts Heiligenkreuz befindliche Anwesen
erwarb Reinhard August Graf zu Leiningen-Westerburg-Altleiningen, der
es 1886 an den österreichisch-ungarischen Thronfolger, Kronprinz
Rudolf, verkaufte. Dieser baute es zum Jagdschloss um. In der Nacht zum
30. Jänner 1889 starb dieser hier gemeinsam mit seiner Geliebten Mary
Vetsera.
Die näheren Umstände sind bis heute ungeklärt, da der Wiener Hof
Schlüsseldokumente vernichtete und Zeitzeugen zum Schweigen
verpflichtet hatte. Nach dem aktuellen Stand der Forschung erschoss der
unter Depressionen leidende Rudolf zunächst seine Geliebte, die fast
18-jährige Baronesse Vetsera; dann tötete er sich selbst durch einen
Kopfschuss. Entgegen seinem letzten Willen wurde Rudolf nicht gemeinsam
mit Mary von Vetsera auf dem Friedhof im benachbarten Alland bestattet,
sondern in der Kapuzinergruft in Wien beigesetzt, wo er neben seinen
Eltern Franz Joseph I. und Kaiserin Elisabeth ruht. Mary Vetsera wurde
in Heiligenkreuz beerdigt.
Wiener Zeitung. Nr. 26. Donnerstag, den 31. Jänner 1889.
"Seine k. und k. Hoheit der durchlauchtigste Kronprinz Erzherzog
Rudolph ist gestern, den 30. d. Mts., zwischen 7 und 8 Uhr früh in
seinem Jagdschlosse in Meyerling bei Baden, am Herzschlag plötzlich
verschieden."
WAS BLIEB VOM JAGDSCHLOSS?
Vom ehemaligen Jagdschlosses Mayerling ist nur der Teepavillon als
Orientierungshilfe geblieben. Dieses im Barockstil errichtete Gebäude
bildet damit den einzigen Baukörper, der unverändert von der ehemaligen
Schlossanlage blieb. Bei der Wiederherstellung der Deckenfresken im
Pavillon stieß man auch auf eine Signatur: "Gemalt von Jos. Mikulsky
1887". Die Fresken des heute weitgehend vergessenen polnischen Malers
Josef Mikulsky bilden somit die ältesten Gestaltungselemente des
Pavillons. Das Jagdschloss wurde am 19. und 20. Oktober 1887 feierlich
eingeweiht. Das Kaiserpaar erschien. Kronprinz Rudolf hat auch das
Ehepaar Coburg und einige Jagdfreunde eingeladen. Die Zigeunerkapelle
Pongrac aus Temesvar spielte dazu auf, es sang das Udel-Quartett.
Genutzt wurde das Schloss dann nur sporadisch. Vom 17. November 1887
bis zum Datum der Tragödie (30. Jänner 1889) sollen hier nur zehn
Jagden abgehalten worden sein. Vom 1. bis 17. Juni 1888 hielt sich nur
Rudolfs dreijährige Tochter Elisabeth aus gesundheitlichen Gründen für
längere Zeit in Mayerling auf, umsorgt von einem kleinen Hofstaat,
während ihre Eltern in Laxenburg weilten. Zur Hausmannschaft des
Jagdschlosses zählte die dicke böhmische Aja, zwei Aufsichtsdamen aus
Laxenburg, ein Kammerdiener, ein Lakai sowie eine kleine
Hof-Wirtschaftsabteilung und das Telegrafenamt, wie der Hoftelegrafist
in Mayerling, Julius Schuldes, der Nachwelt überlieferte. Ansonsten,
"war es zum Sterben langweilig", so sein Resümee.
Kirche Unserer Lieben Frau vom Berge Karmel und Karmel St. Josef in Mayerling
Marie Alexandrine Freiin von Vetsera, genannt Mary (* 19. März 1871 in
Wien; † 30. Jänner 1889 auf Schloss Mayerling), war eine
österreichische Adelige und Geliebte des Kronprinzen Rudolf von
Österreich-Ungarn.
Baronesse Mary Vetsera.
Nach einer Photographie des k. k. Hof-Atelier Othmar v. Türk.
Kronprinz Rudolf, um 1880
Bronzebüste (Nachguß nach einem Original aus der Sammlung Peter Poloma in Laxenburg), o. D.
Die Büste zeigt den Kronprinzen zur Zeit seiner Vermählung mit
Kronprinzessin Stephanie von Belgien im Mai 1881. Er trägt den Orden
vom Goldenen Vließ und eine damals beliebte Bartmode, die sogenannte
„Schifferkrause". Dabei wachsen die Koteletten am Kinn zusammen. Zum
modischen Statement wurde die Schifferkrause vor allem durch Abraham
Lincoln oder auch Rudolfs Onkel, Kaiser Maximilian von Mexiko.
Kronprinz Rudolf
1858 Kronprinz Rudolf wird am
21. August um 22.15 Uhr in Laxenburg als drittes Kind von Kaiser Franz
Josef und Kaiserin Elisabeth von Österreich geboren. Rudolf verbringt
seine Kindheit in Laxenburg, Reichenau und Wien. Elisabeth begegnet dem
vom Kaiserhaus so heiß ersehnten männlichen Nachkommen von Anfang an
mit Kälte und Gleichgültigkeit.
1862 Rudolf erhält bereits regelmäßigen Unterricht.
1864 Graf Leopold Gondrecourt
wird von Kaiser Franz Josef als Erzieher Rudolfs bestellt, um ihn zum
mutigen und starken Soldaten zu machen. Im Zuge dieser Abhärtung quält
Gondrecourt den Fünfjährigen mit Kaltwasserkuren, schreckt ihn nachts
mit Pistolenschüssen auf, sperrt ihn im Lainzer Tiergarten bei den
Wildschweinen ein und lässt ihn stundenlang bei Wind und Wetter
exerzieren.
1865 Gondrecourt wird auf
Anordnung Kaiserin Elisabeths durch Oberst Joseph von Latour ersetzt,
der erstmals Rudolfs wissenschaftliche Neigungen fördert.
1867 Für Rudolf beginnt der
Schulunterricht nach den Lehrplänen der österreichischen Grund- und
Mittelschulen. Dazu kommen Fremdsprachenunterricht und eine
militärische Ausbildung.
1870 Rudolfs Interesse an der Vogelkunde findet in der Schrift „Adlerjagden" Ausdruck.
1873 Erstes Zusammentreffen des Zoologen und Freimaurers Alfred Brehm mit Rudolf bei der Eröffnung der Wiener Weltausstellung.
1877 Für Rudolf endet am 24.
Juli die Studienzeit bei seinen geliebten liberalen Lehrern, wie dem
protestantischen Darwinisten und Geologen Ferdinand Hochstetter oder
dem slowenischen Historiker Josef von Zhisman. Rudolf unternimmt
ornithologische Forschungsreisen mit dem Zoologen Alfred Brehm und hält
sich im September in der Schweiz und danach in England auf. Der Kaiser
verbietet seinem Sohn jedoch das ersehnte Studium der
Naturwissenschaften und drängt Rudolf in eine militärische Laufbahn.
Als Obersthofmeister wird ihm nun der Junggeselle und Lebemann Karl
(Charles) Bombelles zur Seite gestellt. Er führt Rudolf in die Welt der
berauschenden und sinnlichen Vergnügungen ein. Man wirft Bombelles
später vor, mitschuldig an den Affären des Kronprinzen gewesen zu sein.
1878 Rudolf übersiedelt mit
seinem Hofstaat nach Prag, wo er im Infanterieregiment Nummer 36 seinen
Militärdienst leistet. Gemeinsam mit dem Wirtschaftsjournalisten Carl
Menger publiziert er anonym die kritische Broschüre „Der
österreichische Adel und sein constitutioneller Beruf", in dem er dem
Adel „grenzenlose Trägheit" vorwirft. Veröffentlichung von drei
Aufsätzen in Alfred Brehms „Thierleben". Ornithologische
Forschungsreise in die südungarischen Donauauen; Publikation „Fünfzehn
Tage auf der Donau".
1879 Rudolf unternimmt von April bis Mai auf der kaiserlichen Yacht „Miramar" eine wissenschaftliche Forschungsreise nach Spanien.
1880 Rudolf wird Generalmajor
und Kontreadmiral. Im März begibt er sich zur Brautschau nach Belgien.
Am 7. März wird die Verlobung mit Stephanie von Belgien in Brüssel
gefeiert.
1881 Am 9. Februar bricht
Rudolf zu einer dreimonatigen Studien-, Pilger- und Jagdreise nach
Ägypten und Palästina auf. Sie führt ihn und seine Begleiter von
Alexandria nach Kairo und ins Fayyum-Becken, dann mit dem Dampfer
nilaufwärts bis Assuan, danach zum ein Jahrzehnt zuvor eröffneten
Suez-Kanal und weiter ins Heilige Land nach Jerusalem und ins
Jordantal. Seine Beobachtungen und Erlebnisse schildert er in dem Buch
„Eine Orientreise". Er kehrt am 22. April zurück. Am 10. Mai folgt die
Heirat mit der sechzehnjährigen Prinzessin Stephanie von Belgien in der
Wiener Augustinerkirche. Stephanie stößt am Wiener Hof Zeit ihres
Lebens auf Missgunst und eine breite Front der Ablehnung. Übersiedlung
des frisch vermählten Paares nach Prag, Bekanntschaft mit Moritz Szeps,
jüdischer Herausgeber des Neuen Wiener Tagblatts.
1883 Übersiedlung von Prag nach
Wien: Das Kronprinzenpaar bezieht im Schweizertrakt der Wiener Hofburg
seine Wohnung. Am 2. September wird dem Kronprinzenpaar in Laxenburg
die Tochter Elisabeth („Erzsi") geboren. Rudolf kann seine Enttäuschung
nicht verbergen, dass er statt des erhofften Sohnes nur eine Tochter
bekam. Ernennung zum Kommandanten der 25. Infanterie-Truppendivision in
Wien.
1884 Repräsentationsreise des
Kronprinzenpaares in die Türkei, nach Serbien, Bulgarien und Rumänien,
Verleihung des Ehrendoktorats der Universität Wien; Arbeit an einem
umfangreichen literarischen Werk über die Donaumonarchie.
1885 Rudolfs Werk „Orientreise"
erscheint, Fertigstellung der ersten Ausgabe der Enzyklopädie „Die
österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild"
1886 Schwere Ehekrise. Es wird
ruchbar, dass Rudolf ernstlich an einer Geschlechtskrankheit leidet -
vermutlich Gonorrhö. Der Kronprinz infiziert auch seine Frau, die
dadurch unfruchtbar wird. Gemeinsame Erholungsreise mit Stephanie auf
die Insel Lacroma. Rudolf begegnet erstmals seiner letzten großen
Liebe, der erst 23-jährigen Grazerin Mizzi Caspar.
1887 Verschlechterung des
Gesundheitszustandes des Kronprinzen; Einweihung des 1886 erworbenen
und zum Jagdschloss umgebauten Gutshofes Mayerling.
1888 Anonyme Veröffentlichung
seiner letzten politischen Schrift als offener Brief an Kaiser Franz
Josef; Ernennung zum Generalinspektor der Infanterie. Im Sommer 1888
bittet er Mizzi Caspar wiederholt, sich mit ihm zu erschießen. Sie
lehnt jedoch ab und meldet die Suizidwünsche des Kronprinzen der
Polizei. Im Herbst Bekanntschaft mit der Baronesse Mary Vetsera.
1889 Am 28. Jänner fährt Rudolf
mit Mary Vetsera nach Mayerling. In den Morgenstunden des 30. Jänner
werden Rudolf und Mary Vetsera in seinem Schlafzimmer tot aufgefunden.
Am 5. Februar findet die feierliche Beisetzung des Kronprinzen in der Kapuzinergruft in Wien statt.
Warum in Mayerling?
Kaum ein Anwesen der Habsburger gilt als so geheimnisumwittert wie das
Jagdschloss in Mayerling. Seit 1550 war es im Besitz des
Zisterzienserstiftes Heiligenkreuz. 1886 erwarb es Kronprinz Rudolf von
Fürst Leiningen und baute es ab 1887 zum Jagddomizil aus. In dem noch
im Todesjahr des Kronprinzen (1889) erschienen historischen Roman „Das
Drama von Mayerling" schildert Egon von Wellershausen die Liegenschaft
folgendermaßen:
„Das Jagdschlösschen präsentiert sich als ein kleiner ebenerdiger Bau
mit grünem Anstrich und weissen Spaletläden, der nur theilweise ein
Stockwerk trägt. Der Kronprinz bewohnte das Erdgeschoss, dessen Fenster
nach dem Garten gehen. Die ganze Dienerschaft bestand, wenn sich der
Jagdherr einstellte, aus dem Kammerdiener Loschek, der seinem Herrn
mehr als ein Kammerdiener war, dem Jagdleiter Wodika, einem
Lampenputzer, einem Abstauber und zwei Köchinnen. An sonstigen
Baulichkeiten, die Beachtung verdienen, sind zu verzeichnen: die
gegenüber vom Schloss gelegene ehemalige gräfliche Leiningen'sche
Villa, welche in den Besitz des Kronprinzen überging, sowie das ...
Gasthaus, ein schlossähnliches Gebäude (...). Dort wohnten gewöhnlich,
wenn der Kronprinz auf Mayerling weilte, die Kavaliere seiner
Jagdbegleitung (...)."
Unmittelbar nach der Tragödie von Mayerling ließ Kaiser Franz Josef das
Jagdschloss in ein Kloster umwidmen, wodurch auch die äußerliche
Erscheinung der ehemaligen Schlossanlage einschneidende Änderungen
erfuhr.
Eine behütete Kindheit?
Als Kaiserin Elisabeth am 21. August 1858 Kronprinz Rudolf im Schloss
Laxenburg zur Welt brachte, war der Jubel groß. Die in ihn gesetzten
Hoffnungen verrät seine Namensgebung in Anlehnung an Rudolf von
Habsburg, den Gründer des Kaiserhauses. Bereits in den ersten fünf
Jahren seines Lebens wurde Rudolf von der Freifrau von Welden und dann
ab 1864 von Graf Leopold Gondrecourt erzogen. Die drakonischen
Erziehungsmethoden des Grafen gefährdeten zunehmend die seelische und
physische Gesundheit des Kindes, Gondercourt wurde daher auf Weisung
Elisabeths ein Jahr später durch Graf Joseph Latour von Thurmburg
ersetzt. Die väterliche Strenge des Kaisers aber blieb: „Nehmen Sie ihn
scharf her; der Junge nimmt mir die Sache zu leicht." (Franz Josef an
Rudolfs Geschichtslehrer, den damals neunjährigen Kronprinzen Rudolf
beim Unterricht keinesfalls zu schonen).
Was dem Kind am meisten fehlte, waren elterliche Liebe und Zuwendung.
Mit dem Erwachsenwerden Rudolfs sollten sich in seine politischen
Ansichten bald radikale und antiklerikale Töne mischen, die Vertreter
des Hofes hielten ihn für exzentrisch: „Das junge, exaltierte Gemüt des
Kronprinzen, die Unreifheit seiner Auffassung, die Überspanntheit
seines nicht zu leugnenden Verstandes ließen befürchten, daß er Ideen
und Tendenzen in sich aufnehmen werde, die dem konservativen Charakter
eines zukünftigen Monarchen nicht entsprechen würden."
(Generalstabschef Friedrich von Beck-Rzikowsky über den jungen
Kronprinzen).
Inneres der Klosterkirche im neogotischen Stil; Der Hochaltar an der Sterbestelle des Kronprinzen
Plauscht er nur, der junge Rebell?
Eine frühe politische Prägung in Rudolfs Leben trat mit der Niederlage
der österreichischen gegen die preußische Armee bei Königgrätz 1866
ein. Beim damals noch nicht einmal achtjährigen Erzherzog löste dies
erste Gefühle des Misstrauens und der Abneigung gegen Preußen und
später gegen Deutschland aus. In der Folge sah er daher die Zukunft
Österreichs im Osten und wollte den russischen Einfluss am Balkan
zurückdrängen. Damit entfremdete er sich der politischen Sicht seines
Vaters, mit dem ihn nur mehr die Jagd verband. Rudolf erwies Franz
Josef zwar seine Referenz als Kaiser und Vater, entwickelte aber zu
dessen konservativem Regierungsstil eine äußerst kritische Haltung und
drängte auf Änderungen. Zugleich bekam er seine eigene politische
Ohnmacht zu spüren, weil er vom Kaiser von den Regierungsgeschäften
ausgeschlossen wurde. Mit der Bemerkung „Der Rudolf plauscht wieder"
tat der Kaiser die politischen Bemühungen seines Sohnes ab, der sich
nach Beendigung seiner Studienzeit im Sommer 1877 - wie zum Trotz - in
diverse Affären stürzte. Vergessen schien auch bald der Rat eines
ehemaligen Lehrers, Max von Walterskirchen, an Rudolf:
„Sie haben eine schöne, freudenvolle Jugendzeit hinter sich; Sie haben
nicht Noth, den Becher des Lebens mit Hast - einem lange Dürstenden
gleich - hinunterzustürzen. Genießen Sie die Freude des Daseins mit
Maß. Sie haben ein Recht dazu. Und lassen Sie sich durch trübende
Spekulationen, deren Spuren ich ebenfalls aus den Augen Ihres Porträts
zu lesen glaube, die Lebensfreude nicht vergällen."
Angst vorm Journalisten Rudolf?
Nirgends zeichnete sich Rudolfs Rolle als Förderer von Wissenschaft und
Fortschritt, als Kämpfer für Liberalismus und gegen Nationalismus sowie
Antisemitismus besser ab als in seinen politischen Leitartikeln und
Reiseaufzeichnungen. Im Neuen Wiener Tagblatt konnte der Kronprinz
anonym beziehungsweise unter einem Pseudonym kritische Artikel sogar
gegen die Regierung seines Vaters veröffentlichen.
Da jedoch seine Freundschaft mit dem jüdischen Verleger des Tagblatts
Moriz Szeps nicht unentdeckt blieb, erntete Rudolf Kritik und
Feindseligkeit aus den antiliberalen und antisemitischen Lagern. Am Hof
wurde seine Beziehung zu liberalen und bürgerlichen Kreisen wie auch
seine neue Rolle als Journalist als nicht standesgemäß empfunden: „Ein
junger Prinz, am allerwenigstens ein Kronprinz, darf nicht als
Zeitungskorrespondent figuriren. Der Nimbus geht nur zu leicht
verloren." (Erzherzog Albrechts Kommentar zu Rudolfs erstem
Zeitungsartikel). Auch der Kaiser brachte der Entwicklung Rudolfs zum
begabten Schriftsteller nur Skepsis entgegen. „Hat denn wirklich mein
Sohn diesen einleitenden Artikel selbst geschrieben?" fragte er im
Dezember 1885 bei der Präsentation des ersten Heftes von Rudolfs
landeskundlicher Enzyklopädie über die Monarchie, dem Kronprinzenwerk.
Rudolf selbst schätzte seine Rolle in der Weltgeschichte hingegen
marginal ein:
„Einige nicht schlechte Reden halten, ziemlich gute Bücher oder
Aufsätze schreiben und moderne Bildung besitzen, sind Dinge, welche
weit entfernt sind vom großen Erfolg im Gang der Weltgeschichte."
Für welche Frau schlug sein Herz?
„Er ist noch ein sprudelndes Gemüt und hat das Herz leicht auf der
Zunge (...) ansonsten wird die Liebe bei ihm bald eine
Hauptbeschäftigung sein." (Generalstabschef Friedrich Baron
Beck-Rzikowsky über Kronprinz Rudolf). Dies sollte bald eintreten, denn
der jugendliche und einsame Kronprinz entwickelte sich schnell zu einem
der begehrtesten Junggesellen der Monarchie. Trotzdem fügte sich auch
Kronprinz Rudolf in die kaiserlichen Heiratspläne und ehelichte 1881
die erst 16-jährige Stephanie von Belgien. Als das Paar in ihre
Flitterwochen nach Laxenburg fuhr, war Stephanie bange zumute:
„(...) Allein mit einem Mann, den ich kaum kannte, überkam mich im
Zwielicht des hereinbrechenden Abends ein Gefühl furchtbarer
Bangigkeit. Wir wussten uns nichts zu sagen, wir waren uns völlig
fremd. Vergeblich wartete ich auf ein zärtliches oder liebevolles Wort,
das mich aus meiner Stimmung erlöst hätte..."
Leider hatte Stephanie nichts mit den Interessen und Visionen ihres
Gatten gemein. Mit den Jahren wuchsen sie auseinander. Auch die Geburt
der Tochter Elisabeth 1883 konnte das allmähliche Auseinanderleben
nicht verhindern. Rudolf suchte vermehrt Trost bei Damen der Demimonde,
insbesonders bei Mizzi Caspar, die er 1886 kennenlernte. Im Herbst 1888
begegnete Rudolf der 17-jährigen Baronesse Mary Vetsera, die ihn
abgöttisch verehrte. Rudolf sah in ihr nicht seine „große Liebe", aber
er war von ihrer innigen Zuneigung gerührt. Sie war sogar bereit, mit
ihm gemeinsam in den Tod zu gehen.
Gründe für Rudolfs Tat?
Die Mayerling-Tragödie wird bis heute auf eine romantisch-sentimentale
Liebestodversion verkürzt. Aus heutiger Sicht waren es vor allem
Rudolfs Schwäche, Verzweiflung und Krankheit (eine venerische
Krankheit), die Isolation in der kaiserlichen Familie, am Kaiserhof, in
der Politik, die zerstörten Hoffnungen auf die Thronnachfolge sowie auf
ein friedliches liberales Europa, die ihm das Leben sinnlos erscheinen
ließen. Obgleich sich die Katastrophe vielfach ankündigte, wurde sie
von oberster Stelle kleingeredet. So beschrieb Kronprinzessin Stephanie
bereits 1887 die Wandlung Rudolfs nach dessen Berlinreise in
eindringlichen Worten:
„Als ich nach Wien zurückkam, fand ich den Kronprinzen stark verändert.
Nicht nur, dass seine Gesundheit erschüttert war, auch seine Unrast
hatte zugenommen (...) seine Abende verlebte er in Kreisen, in die ich
ihm nicht folgen konnte. Ich fühlte deutlich, dass er mir jetzt völlig
entglitten war, hinabgezogen in eine andere Welt. (...) Das war die
Zeit, da sich das Schicksal des Kronprinzen Rudolf entschied... Es war
traurig, dass man von alledem, solange es sich noch vorbereitete,
nichts wusste oder aber wissen wollte."
Nachdem sich dieser Zustand zuspitzte, wurde Stephanie im Jänner 1889 beim Kaiser vorstellig, der alles bagetellisierte:
„Das ist eine Einbildung von dir. Rudolf fehlt nichts. Er sieht nur
blass aus, ist zu viel unterwegs, er mutet sich zu viel zu. Er soll
mehr bei dir bleiben; sei nicht ängstlich!"
Stiftungskelch
Silber, vergoldet, Glassteine, Durchbruchsarbeit mit hinterlegten emailierten Flächen, florales Dekor, Amethystcabochons, o. D.
Welcher Entschluss?
Mit dem 30. Jänner 1889 wird Mayerling zum Schicksalsort der
Habsburgermonarchie, den auch der Kaiser zum Gebet und stillen Gedenken
an seinen Sohn Rudolf aufsuchte. Der prunkvoll ausgeführte Betstuhl
erinnert noch heute an die Besuche Franz Josefs:
(...) Gestern war ich richtig in Maierling und kam befriedigt, wenn
auch traurig gestimmt zurück. Das Kloster ist gut ausgefallen und die
Kapelle ist wirklich sehr hübsch. (...) Ich hörte zuerst die Messe in
der Kapelle und besichtigte dann das Kloster und alle Nebengebäude. Die
Nonnen sind zufrieden und ihre Zellen mit der unendlich einfachen und
ärmlichen Einrichtung haben eine freundliche Aussicht in die Gegend und
gute Luft... (Brief Kaiser Franz Josefs an Katharina Schratt,
Schönbrunn den 3. November 1889).
Ursprünglich befand sich an der Stelle dieser Seitenkapelle das Zimmer
des Kammerdieners Loschek, das neben dem ebenerdigen Schlafzimmer des
Kronprinzen, dem Ort der Tragödie, lag. Die Statue der schmerzhaften
Gottesmutter, deren Herz von einem Dolch des Leidens durchbohrt wird,
stiftete Kaiserin Elisabeth. Sie konnte freilich nicht ahnen, dass sie
1898 selbst erdolcht werden würde...
Sonntag 27. Januar 1889
Kaiser Franz Josef empfängt seinen Sohn, Kronprinz Rudolf, zur Audienz.
Rudolf ist dabei „sehr erregt". Gleichzeitig entdeckt Helene Vetsera
die Beziehung ihrer Tochter Mary zum Kronprinzen. In der deutschen
Botschaft in Wien findet ein Geburtstagsfest für Kaiser Wilhelm II.
statt, an dem unter anderem Kaiser Franz Josef, Kronprinz Rudolf mit
Gemahlin wie auch Mary Vetsera mit Mutter und Schwester teilnehmen.
Montag 28. Januar 1889
10 Uhr: Gräfin Larisch „entführt" Mary, um sie dem Kronprinzen zuzuführen.
11 Uhr: Mary ist bei Kronprinz Rudolf und reist dann heimlich nach Mayerling voraus, wo sie um 15.30 Uhr einlangt.
12 Uhr: Gräfin Larisch meldet das Verschwinden Marys deren Mutter Helene und der Polizei.
12.30 Uhr: Kronprinz Rudolf folgt Mary nach Mayerling, wo er um 16 Uhr eintrifft.
Dienstag 29. Januar 1889
8 Uhr: Graf Hoyos und Prinz Coburg treffen aus Wien zur Jagd in
Mayerling ein. Der Kronprinz sagt jedoch seine Teilnahme wegen
Verkühlung ab und bleibt im Schloss.
Um 11 Uhr meldet Helene Vetsera das Verschwinden ihrer Tochter der Polizei.
15 Uhr: Coburg fährt nach Wien zum Galadiner in der Wiener Hofburg, das
um 19 Uhr aus Anlass der Verlobung von Rudolfs Schwester Marie Valerie
mit Erzherzog Franz Salvator gegeben wird. Im letzten Moment lässt sich
der Kronprinz als „verkühlt" entschuldigen, um nicht an diesem
Abendtermin bei Hof teilnehmen zu müssen. Er nimmt zur gleichen Zeit
(19 Uhr) im Jagdschloss Mayerling gemeinsam mit Hoyos das Abendessen
ein.
Um 22 Uhr geht der Kronprinz auf sein Zimmer und Hoyos in sein
Quartier. Bratfisch „singt und pfeift" für das Paar, Loschek hört den
Kronprinzen und Mary Vetsera die ganze Nacht „ernsthaft reden."
Mittwoch 30. Januar 1889
6.30 Uhr: Der Kronprinz befiehlt Loschek anzuspannen und ihn in einer Stunde zu wecken.
7.30 Uhr: Loschek will den Kronprinzen wecken, erhält aber keine
Antwort. Die Tür zum Schlafzimmer ist entgegen den Usancen versperrt.
Hoyos kommt und hört erst jetzt von der Anwesenheit Mary Vetseras. Er
wartet auf Coburg.
8.10 Uhr: Coburg erscheint und man beschließt, die Türe aufzubrechen.
Loschek meldet, dass sowohl der Kronprinz als auch die Vetsera tot sind.
8.30 Uhr: Hoyos fährt nach Wien, um den Kaiser zu benachrichtigen.
9 Uhr: Loschek telegrafiert Leibarzt Dr. Widerhofer und versteckt Marys Leiche.
10 Uhr: Hoyos trifft in der Hofburg ein und benachrichtigt zuerst
Obersthofmeister Bombelles, dann den Adjutanten des Kaisers. Die
Hofdame der Kaiserin, Ida von Ferency, meldet der Kaiserin und diese
dann dem Kaiser: Rudolf wurde von Mary vergiftet.
11 Uhr: Helene Vetsera erfährt von der Kaiserin vom Tod ihrer Tochter und Rudolfs. Version: „Schlaganfall".
12.30 Uhr: Dr. Widerhofer unternimmt in Mayerling die erste Totenbeschau und stellt fest: Beide erschossen.
16 Uhr: Eintreffen der offiziellen Kommission des Hofmeisteramtes in Mayerling unter der Leitung von Dr. Slatin.
19 Uhr: Rudolfs Leiche wird von Mayerling nach Baden und dann per Sonderzug nach Wien gebracht.
Doppelselbstmord oder Mord?
Der genaue Tathergang der Tragödie lässt sich wohl nie mehr
zweifelsfrei rekonstruieren. Die Abschiedsbriefe von Kronprinz Rudolf
und Mary Vetsera, wie auch der Bericht von Rudolfs Kammerdiener Johannn
Loschek, lassen hingegen wenig Zweifel an der Selbstmordversion:
„Spät abends war es, als wir alle schlafen gingen. Für Rudolf und Mary
gab es aber keinen Schlaf mehr. Ich schlief wie gewöhnlich im
Nebenzimmer, und Rudolf sagte mir beim schlafen gehen: Sie dürfen
niemand zu mir lassen, und wenn es der Kaiser ist!... Vetsera erwartete
Rudolf im Zimmer, wo sie auch das letzte Nachtmahl eingenommen hatte.
Ich hörte die ganze Nacht über Rudolf und Vetsera in sehr ernstem Tone
sprechen. Verstehen konnte ich es nicht. 5 Minuten vor 1/4 7 Uhr früh
[also 6:10 Uhr] kam Rudolf ganz vollständig angezogen zu mir in das
Zimmer heraus und befahl mir, einspannen zu lassen. Ich war noch nicht
im Hofe draussen, als ich 2 Detonationen hörte, ich lief sofort zurück,
der Pulvergeruch kam mir entgegen, ich stürmte zum Schlafzimmer, doch
es war entgegen der Gewohnheit - sonst sperrte Rudolf das Zimmer nie ab
- abgesperrt. Was nun machen, ich holte sofort Graf Hoyos, und mit
einem Hammer bewaffnet schlug ich die Türfüllung ein, so dass ich
gerade mit der Hand hineinkonnte, um die Tür von innen aufzusperren.
Welch grauenhafter Anblick - Rudolf lag entseelt auf seinem Bette
angezogen, Mary Vetsera ebenfalls auf ihrem Bette vollständig
angekleidet. Rudolfs Armeerevolver lag neben ihm. (...)"
Was sollte vertuscht werden?
Am Abend des 30. Jänner 1889 erfolgt unter strengster Geheimhaltung die
Überführung des toten Kronprinzen nach Wien. Das Verschweigen und
Vertuschen der Hintergründe wird zum Prinzip. Zur Legendenbildung trägt
vor allem der Wiener Hof bei, der anfänglich die Freitodversion des
Kronprinzen bestreitet, entscheidende Dokumente vernichtet, viele
Spuren verwischt und Zeitzeugen ein lebenslanges Schweigegelöbnis
abringt. Die Staatsräson forciert also die Desinformation. So heißt es
etwa noch in der Tageszeitung „Die Presse" vom 31. Jänner 1889, „dass
der durchlauchtigste Kronprinz in Folge eines Schlaganfalls seine edle
Seele ausgehaucht hatte". Die Wiener Zeitung berichtete in ihrer
Ausgabe vom gleichen Tag, dass Rudolf „am Herzschlag plötzlich
verschieden" sei. Schon Kammerdiener Loschek konstatierte als erster
Augenzeuge am Schauplatz, dass Rudolf zuerst Mary Vetsera erschossen
hatte und dann sich selbst entleibte. Es fielen nur zwei wohlgezielte
Schüsse. Die Anwesenheit einer dritten Person sowie dass Glasscherben
im Kopfe Rudolfs steckten, ist wie so vieles über Rudolfs Tod frei
erfunden. Bis zum Ende der Monarchie wurde im Grunde auch die
Anwesenheit der jungen Mary Vetsera in Mayerling verschwiegen, die mit
Rudolf in den Tod ging. Dieses Schweigen begünstigt bis heute unzählige
Gerüchte über das Ableben des Kronprinzen.
Aufbahrung Kronprinz Rudolf - Fotografie, Josef Székely, 31. Jänner 1889
Dieses Foto entstand am Totenbett in der Wiener Hofburg. Der Fotograf,
Dr. Josef Székely, fertigte es noch vor der Obduktion an. Er musste den
Kronprinzen von der linken Seite aufnehmen, um die zerstörte rechte
Gesichtshälfte nicht zu zeigen. Nach der Obduktion wurde für die rechte
Gesichtshälfte eine Wachsmoulage angefertigt. Daraufhin wurde der
Leichnam vom Direktor der Hofapotheke einbalsamiert. Rudolf wurde nun
in die Paradeuniform eines Feldmarschalleutnants eingekleidet.
Porträt Kaiser Franz Josef - Josef Kiss, Wien 1890 Öl auf Leinwand
Laut Klosterchronik von Mayerling versprach Kaiser Franz Josef dem
Kloster Porträts des Kaiserpaares. Diese trafen dann am Heiligen Abend
des Jahres 1890 gleichsam als Weihnachtsgeschenke ein:
Am Vormittag des 24. Dezembers (1890) erhielten wir (...) eine überaus
kostbare Christbescherung. Seine Majestät der Kaiser sandte uns nämlich
sein und der Kaiserin Portrait, zwei herrlich getroffene Ölgemälde, die
er uns bei seinem letzten Besuche versprochen, wo wir ihn gebeten
hatten, uns diese Freude zu gewähren, die als ewiges Andenken an unsern
erhabenen Stifter im Kloster aufbewahrt werden sollten. (Aus der
Klosterchronik)
Ein Abschied bei Nacht und Nebel?
„Auf dem Nachtkästchen Rudolfs war ein einfacher Zettel, an mich
adressiert, und darauf stand. 'Lieber Loschek! Holen Sie einen
Geistlichen und lassen Sie uns in einem gemeinsamen Grabe in
Heiligenkreuz beisetzen.'"
Rudolfs Kammerdiener Johann Loschek war sich im Klaren, dass die
Umsetzung dieses letzten Wunsches einer gemeinsamen Bestattung im
romantisch gelegenen Friedhof von Heiligenkreuz bei den Hofstellen
keine Chance hatte. Bei der erforderlichen gerichtsmedizinischen
Untersuchung der Leiche Rudolfs wurde Selbstmord als Folge krankhafter
Nervenaufregung konstatiert, was ein kirchliches Begräbnis des
Kronprinzen ermöglichte. Mary Vetsera trat ihre letzte Reise erst am
31. Jänner 1889 an - in Begleitung ihre beiden Onkel, Georg Graf
Stockau und Alexander Baron Baltazzi. Um alles möglichst unauffällig zu
gestalten, wurde ihr Leichnam völlig angekleidet und sitzend in einer
Kutsche nächtens nach Heiligenkreuz überführt, wie ihre Mutter
berichtete:
„So wurde die Leiche der Baronesse Mary in den Fonds des Wagens halb
liegend gesetzt und mußte (...) im Wagen, auf dessen rückwärtigen
Sitzen die beiden Verwandten Platz genommen hatten, halb sitzend in
tiefer finsterer Nacht nach Heiligenkreuz überführt werden."
Sie wurde in den Morgenstunden des 1. Februar auf dem Ortsfriedhof von
Heiligenkreuz beerdigt. Durch Veranlassung der Familie wurde am 16. Mai
1889 der provisorische Sarg mit dem Leichnam Mary Vetseras in einen
Kupfersarg gelegt und in eine neu erbaute Gruft umgebettet.
Warum vier Särge für Mary Vetsera?
Wahrend Kronprinz Rudolf in der Wiener Kaisergruft inmitten seiner
Ahnen die letzte Ruhestätte findet, wird Mary Vetsera am Friedhof von
Heiligenkreuz mehrfach der Grabesruhe beraubt. Die erste Beisetzung
erfolgt in einem einfachen Nadelholzsarg des Heiligenkreuzer
Stiftstischler Anton Fuchs. Bei der Umbettung am 16. Mai 1889 wird
dieser in den neuen prunkvollen Kupfersarg gelegt. Alexander Baltazzi,
der Onkel der Baroness Vetsera, bestellt ihn bei der renommierten
Wiener Sargmacherfirma Beschorner, die seit den 70er Jahren auch die
Prunksarkophage für Erzherzogin Sophie (1872), Kaiser Ferdinand I.
(1875) oder auch Kaiserin Elisabeth (1898) anfertigt. Laut einer
schriftlichen Anweisung des Herstellers soll der nunmehr zweite Sarg
einige Tage vor der Exhumierung getarnt nach Heiligenkreuz geschafft
werden. Den Sargdeckel mit dem gegossenen Kruzifix ziert eine
Inschriftkartusche mit Namen und Lebensdaten von Mary Vetsera. Der
Sargdeckel erinnert in seinem Aussehen an jenen des Kronprinzen. Dieser
Kupfersarg wird jedoch 1945 von plündernden Soldaten mit einer
Gartenhaue gewaltsam aufgeschlitzt und schwer beschädigt. Die
neuerliche Umbettung in den dritten Sarg (Zinksarg) der Städtischen
Bestattungsanstalt von Baden erfolgt am 7. Juli 1959. Dieser Sarg wird
in der Nacht zum 26. Juli 1991 von einem Linzer Möbelhändler und
Hobbyhistoriker aus der Gruft entwendet, um das Geheimnis der Tragödie
zu klären. Er lässt die sterblichen Überreste wissenschaftlich
auswerten, ohne dabei die Identität der Toten preiszugeben. Erst im
Dezember 1992 gelangt der Fall an die Öffentlichkeit, der schwer
beschädigte Sarg wird sichergestellt. Am 28. Oktober 1993 erfolgt die
nunmehr letzte Beisetzung im vierten Sarg (Metallsarg).
2007 wurde im Stift Heiligenkreuz der alte Kupferprunksarg durch Zufall
wiedergefunden. Er wurde restauriert und kann seit 2010 im Karmel
Mayerling besichtigt werden.
Donnerstag 31. Januar 1889
6 Uhr: Audienz von Dr. Widerhofer bei Kaiser Franz Josef in der
Hofburg. Er trägt zum Entsetzen des Kaisers eine neue Version von
Rudolfs Tod vor: „Selbstmord allein, in Sinnesverwirrung." Rudolfs
Leiche wird provisorisch in der Wiener Hofburg aufgebahrt.
Um 21 Uhr erfolgt die Obduktion durch den Gerichtsmediziner Dr. Hofmann
und den Pathologen Dr. Kundrat. Etwa zur gleichen Zeit bringen Georg
Graf Stockau und Alexander Baltazzi ihre Nichte Mary in einer Kutsche
heimlich von Mayerling auf den Friedhof nach Heiligenkreuz, wo sie in
der Totenkammer über Nacht aufgebahrt wird.
Freitag 1. Februar 1889
An diesem Morgen wird Mary Vetsera bei Sturm und Regen am Friedhof
Heiligenkreuz in einem einfachen Holzsarg im sogenannten
„Selbstmördereck" bestattet. In Wien erfolgt die offizielle Aufbahrung
des Thronfolgers in Paradeuniform: in weißem Waffenrock mit dem
Stephansorden am Band und weißen Handschuhen. Seine Kopfwunde wird
durch eine Wachsmoulage verdeckt. Für die bevorstehende Leichenfeier
des Kronprinzen werden auf Wunsch des Kaisers keine offiziellen
Einladungen ausgegeben.
Samstag 2. Februar 1889
Die Eltern von Kronprinzessin Stephanie von Belgien treffen abends am
Wiener Westbahnhof ein, wo sie von Kaiser Franz Josef begrüßt und in
ihre Appartements in der Wiener Hofburg begleitet werden. Die
einlangenden Kranzspenden füllen bereits vier Zimmer des
Kronprinzenappartements. Kaiserin Elisabeth schickt einen Kranz mit
Maiglöckchen, weißem Flieder und weißen Rosen. Rudolfs Witwe Stephanie
lässt einen Kranz aus Palmen, Fichtenreisig, Veilchen, weißen Rosen,
Nelken und Vergissmeinnicht binden und mit einer Schleife „Von deiner
Stephanie" versehen. Der Schriftstellerverein Concordia widmete dem
Toten einen Kranz mit dem Schleifentext „Dem Schriftsteller Kronprinz
Rudolf".
Sonntag 3. Februar 1889
21.30 Uhr: Übertragung von Rudolfs Leiche aus dem
Kronprinzenappartement der Wiener Hofburg in die Hofburgkapelle. „Der
Leichnam im Sarge, mit einem weisstaffeteten Ueberthane zugedeckt, auf
einer mit schwarzem Tuche überzogenen Bahre, wird von Kammerdienern,
unter Beihilfe von Leiblakaien (...) in die Kirche getragen, auf das
Schaubett gehoben und von dem Hof- und Burgpfarrer nochmals
eingesegnet." (aus dem Ceremoniell der Obertragung, Exponirung und
Bestattung der Leiche weiland Seiner kaiserlichen und königlichen
Hoheit des durchlauchtigsten Kronprinzen Erzherzogs Rudolph)
Montag 4. Februar 1889
Ab 8 Uhr: Einlass des Publikums in die Wiener Hofburgkapelle „zu der
auf dem Schaubette ausgestellten kronprinzlichen Leiche. (...) Das
ringsum reich beleuchtete Trauergerüste ist mit schwarzem Tuche, und
die Stelle wo der Sarg steht, mit Goldstoff bedeckt, oberhalb ist ein
schwebender schwarzer Baldachin aufgezogen. Auf dem Schaubette sind die
kaiserliche Prinzenkrone, der Erzherzogshut und der Generalshut samt
Säbel, dann die Orden des Höchstverblichenen auf schwarzen
Sammtpölstern ausgelegt. (...) um zehn Uhr vormittags (...) wird das
Miserere von der Hofburgkapelle abgesungen." (Aus dem Ceremoniell). Für
17 Uhr war die Schließung der Hofburgkapelle anberaumt. Ob des
Publikumsandrangs wurde sie erst um 19.30 Uhr geschlossen.
Dienstag 5. Februar 1889
Von 8 bis 12 Uhr nochmals Möglichkeit zum Abschiednehmen vom
Kronprinzen in der Wiener Hofburgkapelle. In dieser Zeit werden auch an
allen Altären Seelenmessen für den Verstorbenen gelesen.
Von 12 bis 13 Uhr werden die Kirchturmglocken geläutet.
Um 16 Uhr Beginn des Leichenbegängnisses: Nach nochmaliger Einsegnung
wird der Sarg vom Schaubett herabgenommen und zum sechsspännigen
Leichenwagen im Schweizerhof gebracht. Der Leichenzug nimmt den Weg
über den Burgplatz, Michaeler- und Josephsplatz und durch die
Augustinerstraße zu den Kapuzinern auf dem Neuen Markt. Der Sarg wird
in die Kapuzinerkirche getragen, wo sich die kaiserliche Familie
bereits eingefunden hat und wird hier neuerlich eingesegnet, während
die Hofmusikkapelle das Libera singt. Daraufhin wird der Sarg von
Kronprinz Rudolf in die Gruft getragen.
Wem der viele Text zu lange war und lieber Bewegtbilder mit Musik mag,
kann sich gerne dieses Video antun: