Karmel Mayerling

Jagdschloss im Wienerwald, Mai 2023

Das Schloss Mayerling war bis 1889 Jagdschloss in Mayerling bei Alland in Niederösterreich, südwestlich von Wien. Heute beherbergt es den Karmel St. Josef der Unbeschuhten Karmelitinnen. Das seit 1550 im Eigentum des Stifts Heiligenkreuz befindliche Anwesen erwarb Reinhard August Graf zu Leiningen-Westerburg-Altleiningen, der es 1886 an den österreichisch-ungarischen Thronfolger, Kronprinz Rudolf, verkaufte. Dieser baute es zum Jagdschloss um. In der Nacht zum 30. Jänner 1889 starb dieser hier gemeinsam mit seiner Geliebten Mary Vetsera.

Die näheren Umstände sind bis heute ungeklärt, da der Wiener Hof Schlüsseldokumente vernichtete und Zeitzeugen zum Schweigen verpflichtet hatte. Nach dem aktuellen Stand der Forschung erschoss der unter Depressionen leidende Rudolf zunächst seine Geliebte, die fast 18-jährige Baronesse Vetsera; dann tötete er sich selbst durch einen Kopfschuss. Entgegen seinem letzten Willen wurde Rudolf nicht gemeinsam mit Mary von Vetsera auf dem Friedhof im benachbarten Alland bestattet, sondern in der Kapuzinergruft in Wien beigesetzt, wo er neben seinen Eltern Franz Joseph I. und Kaiserin Elisabeth ruht. Mary Vetsera wurde in Heiligenkreuz beerdigt.

 Karmel Mayerling, Mai 2023

Wiener Zeitung. Nr. 26. Donnerstag, den 31. Jänner 1889.
"Seine k. und k. Hoheit der durchlauchtigste Kronprinz Erzherzog Rudolph ist gestern, den 30. d. Mts., zwischen 7 und 8 Uhr früh in seinem Jagdschlosse in Meyerling bei Baden, am Herzschlag plötzlich verschieden."

 Karmel Mayerling, Mai 2023

WAS BLIEB VOM JAGDSCHLOSS?
Vom ehemaligen Jagdschlosses Mayerling ist nur der Teepavillon als Orientierungshilfe geblieben. Dieses im Barockstil errichtete Gebäude bildet damit den einzigen Baukörper, der unverändert von der ehemaligen Schlossanlage blieb. Bei der Wiederherstellung der Deckenfresken im Pavillon stieß man auch auf eine Signatur: "Gemalt von Jos. Mikulsky 1887". Die Fresken des heute weitgehend vergessenen polnischen Malers Josef Mikulsky bilden somit die ältesten Gestaltungselemente des Pavillons. Das Jagdschloss wurde am 19. und 20. Oktober 1887 feierlich eingeweiht. Das Kaiserpaar erschien. Kronprinz Rudolf hat auch das Ehepaar Coburg und einige Jagdfreunde eingeladen. Die Zigeunerkapelle Pongrac aus Temesvar spielte dazu auf, es sang das Udel-Quartett. Genutzt wurde das Schloss dann nur sporadisch. Vom 17. November 1887 bis zum Datum der Tragödie (30. Jänner 1889) sollen hier nur zehn Jagden abgehalten worden sein. Vom 1. bis 17. Juni 1888 hielt sich nur Rudolfs dreijährige Tochter Elisabeth aus gesundheitlichen Gründen für längere Zeit in Mayerling auf, umsorgt von einem kleinen Hofstaat, während ihre Eltern in Laxenburg weilten. Zur Hausmannschaft des Jagdschlosses zählte die dicke böhmische Aja, zwei Aufsichtsdamen aus Laxenburg, ein Kammerdiener, ein Lakai sowie eine kleine Hof-Wirtschaftsabteilung und das Telegrafenamt, wie der Hoftelegrafist in Mayerling, Julius Schuldes, der Nachwelt überlieferte. Ansonsten, "war es zum Sterben langweilig", so sein Resümee.

Kirche Unserer Lieben Frau vom Berge Karmel und Karmel St. Josef in Mayerling

 Karmel Mayerling, Mai 2023

Marie Alexandrine Freiin von Vetsera, genannt Mary (* 19. März 1871 in Wien; † 30. Jänner 1889 auf Schloss Mayerling), war eine österreichische Adelige und Geliebte des Kronprinzen Rudolf von Österreich-Ungarn.

Baronesse Mary Vetsera.
Nach einer Photographie des k. k. Hof-Atelier Othmar v. Türk.

 Karmel Mayerling, Mai 2023

Kronprinz Rudolf, um 1880
Bronzebüste (Nachguß nach einem Original aus der Sammlung Peter Poloma in Laxenburg), o. D.
Die Büste zeigt den Kronprinzen zur Zeit seiner Vermählung mit Kronprinzessin Stephanie von Belgien im Mai 1881. Er trägt den Orden vom Goldenen Vließ und eine damals beliebte Bartmode, die sogenannte „Schifferkrause". Dabei wachsen die Koteletten am Kinn zusammen. Zum modischen Statement wurde die Schifferkrause vor allem durch Abraham Lincoln oder auch Rudolfs Onkel, Kaiser Maximilian von Mexiko.

 Karmel Mayerling, Mai 2023

Kronprinz Rudolf
1858 Kronprinz Rudolf wird am 21. August um 22.15 Uhr in Laxenburg als drittes Kind von Kaiser Franz Josef und Kaiserin Elisabeth von Österreich geboren. Rudolf verbringt seine Kindheit in Laxenburg, Reichenau und Wien. Elisabeth begegnet dem vom Kaiserhaus so heiß ersehnten männlichen Nachkommen von Anfang an mit Kälte und Gleichgültigkeit.
1862 Rudolf erhält bereits regelmäßigen Unterricht.
1864 Graf Leopold Gondrecourt wird von Kaiser Franz Josef als Erzieher Rudolfs bestellt, um ihn zum mutigen und starken Soldaten zu machen. Im Zuge dieser Abhärtung quält Gondrecourt den Fünfjährigen mit Kaltwasserkuren, schreckt ihn nachts mit Pistolenschüssen auf, sperrt ihn im Lainzer Tiergarten bei den Wildschweinen ein und lässt ihn stundenlang bei Wind und Wetter exerzieren.
1865 Gondrecourt wird auf Anordnung Kaiserin Elisabeths durch Oberst Joseph von Latour ersetzt, der erstmals Rudolfs wissenschaftliche Neigungen fördert.
1867 Für Rudolf beginnt der Schulunterricht nach den Lehrplänen der österreichischen Grund- und Mittelschulen. Dazu kommen Fremdsprachenunterricht und eine militärische Ausbildung.
1870 Rudolfs Interesse an der Vogelkunde findet in der Schrift „Adlerjagden" Ausdruck.
1873 Erstes Zusammentreffen des Zoologen und Freimaurers Alfred Brehm mit Rudolf bei der Eröffnung der Wiener Weltausstellung.
1877 Für Rudolf endet am 24. Juli die Studienzeit bei seinen geliebten liberalen Lehrern, wie dem protestantischen Darwinisten und Geologen Ferdinand Hochstetter oder dem slowenischen Historiker Josef von Zhisman. Rudolf unternimmt ornithologische Forschungsreisen mit dem Zoologen Alfred Brehm und hält sich im September in der Schweiz und danach in England auf. Der Kaiser verbietet seinem Sohn jedoch das ersehnte Studium der Naturwissenschaften und drängt Rudolf in eine militärische Laufbahn.
Als Obersthofmeister wird ihm nun der Junggeselle und Lebemann Karl (Charles) Bombelles zur Seite gestellt. Er führt Rudolf in die Welt der berauschenden und sinnlichen Vergnügungen ein. Man wirft Bombelles später vor, mitschuldig an den Affären des Kronprinzen gewesen zu sein.
1878 Rudolf übersiedelt mit seinem Hofstaat nach Prag, wo er im Infanterieregiment Nummer 36 seinen Militärdienst leistet. Gemeinsam mit dem Wirtschaftsjournalisten Carl Menger publiziert er anonym die kritische Broschüre „Der österreichische Adel und sein constitutioneller Beruf", in dem er dem Adel „grenzenlose Trägheit" vorwirft. Veröffentlichung von drei Aufsätzen in Alfred Brehms „Thierleben". Ornithologische Forschungsreise in die südungarischen Donauauen; Publikation „Fünfzehn Tage auf der Donau".
1879 Rudolf unternimmt von April bis Mai auf der kaiserlichen Yacht „Miramar" eine wissenschaftliche Forschungsreise nach Spanien.
1880 Rudolf wird Generalmajor und Kontreadmiral. Im März begibt er sich zur Brautschau nach Belgien. Am 7. März wird die Verlobung mit Stephanie von Belgien in Brüssel gefeiert.
1881 Am 9. Februar bricht Rudolf zu einer dreimonatigen Studien-, Pilger- und Jagdreise nach Ägypten und Palästina auf. Sie führt ihn und seine Begleiter von Alexandria nach Kairo und ins Fayyum-Becken, dann mit dem Dampfer nilaufwärts bis Assuan, danach zum ein Jahrzehnt zuvor eröffneten Suez-Kanal und weiter ins Heilige Land nach Jerusalem und ins Jordantal. Seine Beobachtungen und Erlebnisse schildert er in dem Buch „Eine Orientreise". Er kehrt am 22. April zurück. Am 10. Mai folgt die Heirat mit der sechzehnjährigen Prinzessin Stephanie von Belgien in der Wiener Augustinerkirche. Stephanie stößt am Wiener Hof Zeit ihres Lebens auf Missgunst und eine breite Front der Ablehnung. Übersiedlung des frisch vermählten Paares nach Prag, Bekanntschaft mit Moritz Szeps, jüdischer Herausgeber des Neuen Wiener Tagblatts.
1883 Übersiedlung von Prag nach Wien: Das Kronprinzenpaar bezieht im Schweizertrakt der Wiener Hofburg seine Wohnung. Am 2. September wird dem Kronprinzenpaar in Laxenburg die Tochter Elisabeth („Erzsi") geboren. Rudolf kann seine Enttäuschung nicht verbergen, dass er statt des erhofften Sohnes nur eine Tochter bekam. Ernennung zum Kommandanten der 25. Infanterie-Truppendivision in Wien.
1884 Repräsentationsreise des Kronprinzenpaares in die Türkei, nach Serbien, Bulgarien und Rumänien, Verleihung des Ehrendoktorats der Universität Wien; Arbeit an einem umfangreichen literarischen Werk über die Donaumonarchie.
1885 Rudolfs Werk „Orientreise" erscheint, Fertigstellung der ersten Ausgabe der Enzyklopädie „Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild"
1886 Schwere Ehekrise. Es wird ruchbar, dass Rudolf ernstlich an einer Geschlechtskrankheit leidet - vermutlich Gonorrhö. Der Kronprinz infiziert auch seine Frau, die dadurch unfruchtbar wird. Gemeinsame Erholungsreise mit Stephanie auf die Insel Lacroma. Rudolf begegnet erstmals seiner letzten großen Liebe, der erst 23-jährigen Grazerin Mizzi Caspar.
1887 Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Kronprinzen; Einweihung des 1886 erworbenen und zum Jagdschloss umgebauten Gutshofes Mayerling.
1888 Anonyme Veröffentlichung seiner letzten politischen Schrift als offener Brief an Kaiser Franz Josef; Ernennung zum Generalinspektor der Infanterie. Im Sommer 1888 bittet er Mizzi Caspar wiederholt, sich mit ihm zu erschießen. Sie lehnt jedoch ab und meldet die Suizidwünsche des Kronprinzen der Polizei. Im Herbst Bekanntschaft mit der Baronesse Mary Vetsera.
1889 Am 28. Jänner fährt Rudolf mit Mary Vetsera nach Mayerling. In den Morgenstunden des 30. Jänner werden Rudolf und Mary Vetsera in seinem Schlafzimmer tot aufgefunden.
Am 5. Februar findet die feierliche Beisetzung des Kronprinzen in der Kapuzinergruft in Wien statt.

 Karmel Mayerling, Mai 2023

Warum in Mayerling?
Kaum ein Anwesen der Habsburger gilt als so geheimnisumwittert wie das Jagdschloss in Mayerling. Seit 1550 war es im Besitz des Zisterzienserstiftes Heiligenkreuz. 1886 erwarb es Kronprinz Rudolf von Fürst Leiningen und baute es ab 1887 zum Jagddomizil aus. In dem noch im Todesjahr des Kronprinzen (1889) erschienen historischen Roman „Das Drama von Mayerling" schildert Egon von Wellershausen die Liegenschaft folgendermaßen:

„Das Jagdschlösschen präsentiert sich als ein kleiner ebenerdiger Bau mit grünem Anstrich und weissen Spaletläden, der nur theilweise ein Stockwerk trägt. Der Kronprinz bewohnte das Erdgeschoss, dessen Fenster nach dem Garten gehen. Die ganze Dienerschaft bestand, wenn sich der Jagdherr einstellte, aus dem Kammerdiener Loschek, der seinem Herrn mehr als ein Kammerdiener war, dem Jagdleiter Wodika, einem Lampenputzer, einem Abstauber und zwei Köchinnen. An sonstigen Baulichkeiten, die Beachtung verdienen, sind zu verzeichnen: die gegenüber vom Schloss gelegene ehemalige gräfliche Leiningen'sche Villa, welche in den Besitz des Kronprinzen überging, sowie das ... Gasthaus, ein schlossähnliches Gebäude (...). Dort wohnten gewöhnlich, wenn der Kronprinz auf Mayerling weilte, die Kavaliere seiner Jagdbegleitung (...)."
Unmittelbar nach der Tragödie von Mayerling ließ Kaiser Franz Josef das Jagdschloss in ein Kloster umwidmen, wodurch auch die äußerliche Erscheinung der ehemaligen Schlossanlage einschneidende Änderungen erfuhr.

 Karmel Mayerling, Mai 2023

Eine behütete Kindheit?
Als Kaiserin Elisabeth am 21. August 1858 Kronprinz Rudolf im Schloss Laxenburg zur Welt brachte, war der Jubel groß. Die in ihn gesetzten Hoffnungen verrät seine Namensgebung in Anlehnung an Rudolf von Habsburg, den Gründer des Kaiserhauses. Bereits in den ersten fünf Jahren seines Lebens wurde Rudolf von der Freifrau von Welden und dann ab 1864 von Graf Leopold Gondrecourt erzogen. Die drakonischen Erziehungsmethoden des Grafen gefährdeten zunehmend die seelische und physische Gesundheit des Kindes, Gondercourt wurde daher auf Weisung Elisabeths ein Jahr später durch Graf Joseph Latour von Thurmburg ersetzt. Die väterliche Strenge des Kaisers aber blieb: „Nehmen Sie ihn scharf her; der Junge nimmt mir die Sache zu leicht." (Franz Josef an Rudolfs Geschichtslehrer, den damals neunjährigen Kronprinzen Rudolf beim Unterricht keinesfalls zu schonen).

Was dem Kind am meisten fehlte, waren elterliche Liebe und Zuwendung. Mit dem Erwachsenwerden Rudolfs sollten sich in seine politischen Ansichten bald radikale und antiklerikale Töne mischen, die Vertreter des Hofes hielten ihn für exzentrisch: „Das junge, exaltierte Gemüt des Kronprinzen, die Unreifheit seiner Auffassung, die Überspanntheit seines nicht zu leugnenden Verstandes ließen befürchten, daß er Ideen und Tendenzen in sich aufnehmen werde, die dem konservativen Charakter eines zukünftigen Monarchen nicht entsprechen würden." (Generalstabschef Friedrich von Beck-Rzikowsky über den jungen Kronprinzen).

Inneres der Klosterkirche im neogotischen Stil; Der Hochaltar an der Sterbestelle des Kronprinzen

 Karmel Mayerling, Mai 2023

Plauscht er nur, der junge Rebell?
Eine frühe politische Prägung in Rudolfs Leben trat mit der Niederlage der österreichischen gegen die preußische Armee bei Königgrätz 1866 ein. Beim damals noch nicht einmal achtjährigen Erzherzog löste dies erste Gefühle des Misstrauens und der Abneigung gegen Preußen und später gegen Deutschland aus. In der Folge sah er daher die Zukunft Österreichs im Osten und wollte den russischen Einfluss am Balkan zurückdrängen. Damit entfremdete er sich der politischen Sicht seines Vaters, mit dem ihn nur mehr die Jagd verband. Rudolf erwies Franz Josef zwar seine Referenz als Kaiser und Vater, entwickelte aber zu dessen konservativem Regierungsstil eine äußerst kritische Haltung und drängte auf Änderungen. Zugleich bekam er seine eigene politische Ohnmacht zu spüren, weil er vom Kaiser von den Regierungsgeschäften ausgeschlossen wurde. Mit der Bemerkung „Der Rudolf plauscht wieder" tat der Kaiser die politischen Bemühungen seines Sohnes ab, der sich nach Beendigung seiner Studienzeit im Sommer 1877 - wie zum Trotz - in diverse Affären stürzte. Vergessen schien auch bald der Rat eines ehemaligen Lehrers, Max von Walterskirchen, an Rudolf:
„Sie haben eine schöne, freudenvolle Jugendzeit hinter sich; Sie haben nicht Noth, den Becher des Lebens mit Hast - einem lange Dürstenden gleich - hinunterzustürzen. Genießen Sie die Freude des Daseins mit Maß. Sie haben ein Recht dazu. Und lassen Sie sich durch trübende Spekulationen, deren Spuren ich ebenfalls aus den Augen Ihres Porträts zu lesen glaube, die Lebensfreude nicht vergällen."

 Karmel Mayerling, Mai 2023

Angst vorm Journalisten Rudolf?
Nirgends zeichnete sich Rudolfs Rolle als Förderer von Wissenschaft und Fortschritt, als Kämpfer für Liberalismus und gegen Nationalismus sowie Antisemitismus besser ab als in seinen politischen Leitartikeln und Reiseaufzeichnungen. Im Neuen Wiener Tagblatt konnte der Kronprinz anonym beziehungsweise unter einem Pseudonym kritische Artikel sogar gegen die Regierung seines Vaters veröffentlichen.

Da jedoch seine Freundschaft mit dem jüdischen Verleger des Tagblatts Moriz Szeps nicht unentdeckt blieb, erntete Rudolf Kritik und Feindseligkeit aus den antiliberalen und antisemitischen Lagern. Am Hof wurde seine Beziehung zu liberalen und bürgerlichen Kreisen wie auch seine neue Rolle als Journalist als nicht standesgemäß empfunden: „Ein junger Prinz, am allerwenigstens ein Kronprinz, darf nicht als Zeitungskorrespondent figuriren. Der Nimbus geht nur zu leicht verloren." (Erzherzog Albrechts Kommentar zu Rudolfs erstem Zeitungsartikel). Auch der Kaiser brachte der Entwicklung Rudolfs zum begabten Schriftsteller nur Skepsis entgegen. „Hat denn wirklich mein Sohn diesen einleitenden Artikel selbst geschrieben?" fragte er im Dezember 1885 bei der Präsentation des ersten Heftes von Rudolfs landeskundlicher Enzyklopädie über die Monarchie, dem Kronprinzenwerk. Rudolf selbst schätzte seine Rolle in der Weltgeschichte hingegen marginal ein:
„Einige nicht schlechte Reden halten, ziemlich gute Bücher oder Aufsätze schreiben und moderne Bildung besitzen, sind Dinge, welche weit entfernt sind vom großen Erfolg im Gang der Weltgeschichte."

 Karmel Mayerling, Mai 2023

Für welche Frau schlug sein Herz?
„Er ist noch ein sprudelndes Gemüt und hat das Herz leicht auf der Zunge (...) ansonsten wird die Liebe bei ihm bald eine Hauptbeschäftigung sein." (Generalstabschef Friedrich Baron Beck-Rzikowsky über Kronprinz Rudolf). Dies sollte bald eintreten, denn der jugendliche und einsame Kronprinz entwickelte sich schnell zu einem der begehrtesten Junggesellen der Monarchie. Trotzdem fügte sich auch Kronprinz Rudolf in die kaiserlichen Heiratspläne und ehelichte 1881 die erst 16-jährige Stephanie von Belgien. Als das Paar in ihre Flitterwochen nach Laxenburg fuhr, war Stephanie bange zumute:
„(...) Allein mit einem Mann, den ich kaum kannte, überkam mich im Zwielicht des hereinbrechenden Abends ein Gefühl furchtbarer Bangigkeit. Wir wussten uns nichts zu sagen, wir waren uns völlig fremd. Vergeblich wartete ich auf ein zärtliches oder liebevolles Wort, das mich aus meiner Stimmung erlöst hätte..."
Leider hatte Stephanie nichts mit den Interessen und Visionen ihres Gatten gemein. Mit den Jahren wuchsen sie auseinander. Auch die Geburt der Tochter Elisabeth 1883 konnte das allmähliche Auseinanderleben nicht verhindern. Rudolf suchte vermehrt Trost bei Damen der Demimonde, insbesonders bei Mizzi Caspar, die er 1886 kennenlernte. Im Herbst 1888 begegnete Rudolf der 17-jährigen Baronesse Mary Vetsera, die ihn abgöttisch verehrte. Rudolf sah in ihr nicht seine „große Liebe", aber er war von ihrer innigen Zuneigung gerührt. Sie war sogar bereit, mit ihm gemeinsam in den Tod zu gehen.

 Karmel Mayerling, Mai 2023

Gründe für Rudolfs Tat?
Die Mayerling-Tragödie wird bis heute auf eine romantisch-sentimentale Liebestodversion verkürzt. Aus heutiger Sicht waren es vor allem Rudolfs Schwäche, Verzweiflung und Krankheit (eine venerische Krankheit), die Isolation in der kaiserlichen Familie, am Kaiserhof, in der Politik, die zerstörten Hoffnungen auf die Thronnachfolge sowie auf ein friedliches liberales Europa, die ihm das Leben sinnlos erscheinen ließen. Obgleich sich die Katastrophe vielfach ankündigte, wurde sie von oberster Stelle kleingeredet. So beschrieb Kronprinzessin Stephanie bereits 1887 die Wandlung Rudolfs nach dessen Berlinreise in eindringlichen Worten:
„Als ich nach Wien zurückkam, fand ich den Kronprinzen stark verändert. Nicht nur, dass seine Gesundheit erschüttert war, auch seine Unrast hatte zugenommen (...) seine Abende verlebte er in Kreisen, in die ich ihm nicht folgen konnte. Ich fühlte deutlich, dass er mir jetzt völlig entglitten war, hinabgezogen in eine andere Welt. (...) Das war die Zeit, da sich das Schicksal des Kronprinzen Rudolf entschied... Es war traurig, dass man von alledem, solange es sich noch vorbereitete, nichts wusste oder aber wissen wollte."
Nachdem sich dieser Zustand zuspitzte, wurde Stephanie im Jänner 1889 beim Kaiser vorstellig, der alles bagetellisierte:
„Das ist eine Einbildung von dir. Rudolf fehlt nichts. Er sieht nur blass aus, ist zu viel unterwegs, er mutet sich zu viel zu. Er soll mehr bei dir bleiben; sei nicht ängstlich!"

 Karmel Mayerling, Mai 2023

Stiftungskelch
Silber, vergoldet, Glassteine, Durchbruchsarbeit mit hinterlegten emailierten Flächen, florales Dekor, Amethystcabochons, o. D.

 Karmel Mayerling, Mai 2023

Welcher Entschluss?
Mit dem 30. Jänner 1889 wird Mayerling zum Schicksalsort der Habsburgermonarchie, den auch der Kaiser zum Gebet und stillen Gedenken an seinen Sohn Rudolf aufsuchte. Der prunkvoll ausgeführte Betstuhl erinnert noch heute an die Besuche Franz Josefs:
(...) Gestern war ich richtig in Maierling und kam befriedigt, wenn auch traurig gestimmt zurück. Das Kloster ist gut ausgefallen und die Kapelle ist wirklich sehr hübsch. (...) Ich hörte zuerst die Messe in der Kapelle und besichtigte dann das Kloster und alle Nebengebäude. Die Nonnen sind zufrieden und ihre Zellen mit der unendlich einfachen und ärmlichen Einrichtung haben eine freundliche Aussicht in die Gegend und gute Luft... (Brief Kaiser Franz Josefs an Katharina Schratt, Schönbrunn den 3. November 1889).

Ursprünglich befand sich an der Stelle dieser Seitenkapelle das Zimmer des Kammerdieners Loschek, das neben dem ebenerdigen Schlafzimmer des Kronprinzen, dem Ort der Tragödie, lag. Die Statue der schmerzhaften Gottesmutter, deren Herz von einem Dolch des Leidens durchbohrt wird, stiftete Kaiserin Elisabeth. Sie konnte freilich nicht ahnen, dass sie 1898 selbst erdolcht werden würde...

 Karmel Mayerling, Mai 2023

Sonntag 27. Januar 1889
Kaiser Franz Josef empfängt seinen Sohn, Kronprinz Rudolf, zur Audienz. Rudolf ist dabei „sehr erregt". Gleichzeitig entdeckt Helene Vetsera die Beziehung ihrer Tochter Mary zum Kronprinzen. In der deutschen Botschaft in Wien findet ein Geburtstagsfest für Kaiser Wilhelm II. statt, an dem unter anderem Kaiser Franz Josef, Kronprinz Rudolf mit Gemahlin wie auch Mary Vetsera mit Mutter und Schwester teilnehmen.

Montag 28. Januar 1889
10 Uhr: Gräfin Larisch „entführt" Mary, um sie dem Kronprinzen zuzuführen.
11 Uhr: Mary ist bei Kronprinz Rudolf und reist dann heimlich nach Mayerling voraus, wo sie um 15.30 Uhr einlangt.
12 Uhr: Gräfin Larisch meldet das Verschwinden Marys deren Mutter Helene und der Polizei.
12.30 Uhr: Kronprinz Rudolf folgt Mary nach Mayerling, wo er um 16 Uhr eintrifft.

Dienstag 29. Januar 1889
8 Uhr: Graf Hoyos und Prinz Coburg treffen aus Wien zur Jagd in Mayerling ein. Der Kronprinz sagt jedoch seine Teilnahme wegen Verkühlung ab und bleibt im Schloss.
Um 11 Uhr meldet Helene Vetsera das Verschwinden ihrer Tochter der Polizei.
15 Uhr: Coburg fährt nach Wien zum Galadiner in der Wiener Hofburg, das um 19 Uhr aus Anlass der Verlobung von Rudolfs Schwester Marie Valerie mit Erzherzog Franz Salvator gegeben wird. Im letzten Moment lässt sich der Kronprinz als „verkühlt" entschuldigen, um nicht an diesem Abendtermin bei Hof teilnehmen zu müssen. Er nimmt zur gleichen Zeit (19 Uhr) im Jagdschloss Mayerling gemeinsam mit Hoyos das Abendessen ein.
Um 22 Uhr geht der Kronprinz auf sein Zimmer und Hoyos in sein Quartier. Bratfisch „singt und pfeift" für das Paar, Loschek hört den Kronprinzen und Mary Vetsera die ganze Nacht „ernsthaft reden."

 Karmel Mayerling, Mai 2023

Mittwoch 30. Januar 1889
6.30 Uhr: Der Kronprinz befiehlt Loschek anzuspannen und ihn in einer Stunde zu wecken.
7.30 Uhr: Loschek will den Kronprinzen wecken, erhält aber keine Antwort. Die Tür zum Schlafzimmer ist entgegen den Usancen versperrt. Hoyos kommt und hört erst jetzt von der Anwesenheit Mary Vetseras. Er wartet auf Coburg.
8.10 Uhr: Coburg erscheint und man beschließt, die Türe aufzubrechen. Loschek meldet, dass sowohl der Kronprinz als auch die Vetsera tot sind.
8.30 Uhr: Hoyos fährt nach Wien, um den Kaiser zu benachrichtigen.
9 Uhr: Loschek telegrafiert Leibarzt Dr. Widerhofer und versteckt Marys Leiche.
10 Uhr: Hoyos trifft in der Hofburg ein und benachrichtigt zuerst Obersthofmeister Bombelles, dann den Adjutanten des Kaisers. Die Hofdame der Kaiserin, Ida von Ferency, meldet der Kaiserin und diese dann dem Kaiser: Rudolf wurde von Mary vergiftet.
11 Uhr: Helene Vetsera erfährt von der Kaiserin vom Tod ihrer Tochter und Rudolfs. Version: „Schlaganfall".
12.30 Uhr: Dr. Widerhofer unternimmt in Mayerling die erste Totenbeschau und stellt fest: Beide erschossen.
16 Uhr: Eintreffen der offiziellen Kommission des Hofmeisteramtes in Mayerling unter der Leitung von Dr. Slatin.
19 Uhr: Rudolfs Leiche wird von Mayerling nach Baden und dann per Sonderzug nach Wien gebracht.

Doppelselbstmord oder Mord?
Der genaue Tathergang der Tragödie lässt sich wohl nie mehr zweifelsfrei rekonstruieren. Die Abschiedsbriefe von Kronprinz Rudolf und Mary Vetsera, wie auch der Bericht von Rudolfs Kammerdiener Johannn Loschek, lassen hingegen wenig Zweifel an der Selbstmordversion:
„Spät abends war es, als wir alle schlafen gingen. Für Rudolf und Mary gab es aber keinen Schlaf mehr. Ich schlief wie gewöhnlich im Nebenzimmer, und Rudolf sagte mir beim schlafen gehen: Sie dürfen niemand zu mir lassen, und wenn es der Kaiser ist!... Vetsera erwartete Rudolf im Zimmer, wo sie auch das letzte Nachtmahl eingenommen hatte. Ich hörte die ganze Nacht über Rudolf und Vetsera in sehr ernstem Tone sprechen. Verstehen konnte ich es nicht. 5 Minuten vor 1/4 7 Uhr früh [also 6:10 Uhr] kam Rudolf ganz vollständig angezogen zu mir in das Zimmer heraus und befahl mir, einspannen zu lassen. Ich war noch nicht im Hofe draussen, als ich 2 Detonationen hörte, ich lief sofort zurück, der Pulvergeruch kam mir entgegen, ich stürmte zum Schlafzimmer, doch es war entgegen der Gewohnheit - sonst sperrte Rudolf das Zimmer nie ab - abgesperrt. Was nun machen, ich holte sofort Graf Hoyos, und mit einem Hammer bewaffnet schlug ich die Türfüllung ein, so dass ich gerade mit der Hand hineinkonnte, um die Tür von innen aufzusperren. Welch grauenhafter Anblick - Rudolf lag entseelt auf seinem Bette angezogen, Mary Vetsera ebenfalls auf ihrem Bette vollständig angekleidet. Rudolfs Armeerevolver lag neben ihm. (...)"

 Karmel Mayerling, Mai 2023

Was sollte vertuscht werden?
Am Abend des 30. Jänner 1889 erfolgt unter strengster Geheimhaltung die Überführung des toten Kronprinzen nach Wien. Das Verschweigen und Vertuschen der Hintergründe wird zum Prinzip. Zur Legendenbildung trägt vor allem der Wiener Hof bei, der anfänglich die Freitodversion des Kronprinzen bestreitet, entscheidende Dokumente vernichtet, viele Spuren verwischt und Zeitzeugen ein lebenslanges Schweigegelöbnis abringt. Die Staatsräson forciert also die Desinformation. So heißt es etwa noch in der Tageszeitung „Die Presse" vom 31. Jänner 1889, „dass der durchlauchtigste Kronprinz in Folge eines Schlaganfalls seine edle Seele ausgehaucht hatte". Die Wiener Zeitung berichtete in ihrer Ausgabe vom gleichen Tag, dass Rudolf „am Herzschlag plötzlich verschieden" sei. Schon Kammerdiener Loschek konstatierte als erster Augenzeuge am Schauplatz, dass Rudolf zuerst Mary Vetsera erschossen hatte und dann sich selbst entleibte. Es fielen nur zwei wohlgezielte Schüsse. Die Anwesenheit einer dritten Person sowie dass Glasscherben im Kopfe Rudolfs steckten, ist wie so vieles über Rudolfs Tod frei erfunden. Bis zum Ende der Monarchie wurde im Grunde auch die Anwesenheit der jungen Mary Vetsera in Mayerling verschwiegen, die mit Rudolf in den Tod ging. Dieses Schweigen begünstigt bis heute unzählige Gerüchte über das Ableben des Kronprinzen.

Aufbahrung Kronprinz Rudolf - Fotografie, Josef Székely, 31. Jänner 1889
Dieses Foto entstand am Totenbett in der Wiener Hofburg. Der Fotograf, Dr. Josef Székely, fertigte es noch vor der Obduktion an. Er musste den Kronprinzen von der linken Seite aufnehmen, um die zerstörte rechte Gesichtshälfte nicht zu zeigen. Nach der Obduktion wurde für die rechte Gesichtshälfte eine Wachsmoulage angefertigt. Daraufhin wurde der Leichnam vom Direktor der Hofapotheke einbalsamiert. Rudolf wurde nun in die Paradeuniform eines Feldmarschalleutnants eingekleidet.

 Karmel Mayerling, Mai 2023

Porträt Kaiser Franz Josef - Josef Kiss, Wien 1890 Öl auf Leinwand
Laut Klosterchronik von Mayerling versprach Kaiser Franz Josef dem Kloster Porträts des Kaiserpaares. Diese trafen dann am Heiligen Abend des Jahres 1890 gleichsam als Weihnachtsgeschenke ein:
Am Vormittag des 24. Dezembers (1890) erhielten wir (...) eine überaus kostbare Christbescherung. Seine Majestät der Kaiser sandte uns nämlich sein und der Kaiserin Portrait, zwei herrlich getroffene Ölgemälde, die er uns bei seinem letzten Besuche versprochen, wo wir ihn gebeten hatten, uns diese Freude zu gewähren, die als ewiges Andenken an unsern erhabenen Stifter im Kloster aufbewahrt werden sollten. (Aus der Klosterchronik)

 Karmel Mayerling, Mai 2023

Ein Abschied bei Nacht und Nebel?
„Auf dem Nachtkästchen Rudolfs war ein einfacher Zettel, an mich adressiert, und darauf stand. 'Lieber Loschek! Holen Sie einen Geistlichen und lassen Sie uns in einem gemeinsamen Grabe in Heiligenkreuz beisetzen.'"
Rudolfs Kammerdiener Johann Loschek war sich im Klaren, dass die Umsetzung dieses letzten Wunsches einer gemeinsamen Bestattung im romantisch gelegenen Friedhof von Heiligenkreuz bei den Hofstellen keine Chance hatte. Bei der erforderlichen gerichtsmedizinischen Untersuchung der Leiche Rudolfs wurde Selbstmord als Folge krankhafter Nervenaufregung konstatiert, was ein kirchliches Begräbnis des Kronprinzen ermöglichte. Mary Vetsera trat ihre letzte Reise erst am 31. Jänner 1889 an - in Begleitung ihre beiden Onkel, Georg Graf Stockau und Alexander Baron Baltazzi. Um alles möglichst unauffällig zu gestalten, wurde ihr Leichnam völlig angekleidet und sitzend in einer Kutsche nächtens nach Heiligenkreuz überführt, wie ihre Mutter berichtete:
„So wurde die Leiche der Baronesse Mary in den Fonds des Wagens halb liegend gesetzt und mußte (...) im Wagen, auf dessen rückwärtigen Sitzen die beiden Verwandten Platz genommen hatten, halb sitzend in tiefer finsterer Nacht nach Heiligenkreuz überführt werden."
Sie wurde in den Morgenstunden des 1. Februar auf dem Ortsfriedhof von Heiligenkreuz beerdigt. Durch Veranlassung der Familie wurde am 16. Mai 1889 der provisorische Sarg mit dem Leichnam Mary Vetseras in einen Kupfersarg gelegt und in eine neu erbaute Gruft umgebettet.

Warum vier Särge für Mary Vetsera?
Wahrend Kronprinz Rudolf in der Wiener Kaisergruft inmitten seiner Ahnen die letzte Ruhestätte findet, wird Mary Vetsera am Friedhof von Heiligenkreuz mehrfach der Grabesruhe beraubt. Die erste Beisetzung erfolgt in einem einfachen Nadelholzsarg des Heiligenkreuzer Stiftstischler Anton Fuchs. Bei der Umbettung am 16. Mai 1889 wird dieser in den neuen prunkvollen Kupfersarg gelegt. Alexander Baltazzi, der Onkel der Baroness Vetsera, bestellt ihn bei der renommierten Wiener Sargmacherfirma Beschorner, die seit den 70er Jahren auch die Prunksarkophage für Erzherzogin Sophie (1872), Kaiser Ferdinand I. (1875) oder auch Kaiserin Elisabeth (1898) anfertigt. Laut einer schriftlichen Anweisung des Herstellers soll der nunmehr zweite Sarg einige Tage vor der Exhumierung getarnt nach Heiligenkreuz geschafft werden. Den Sargdeckel mit dem gegossenen Kruzifix ziert eine Inschriftkartusche mit Namen und Lebensdaten von Mary Vetsera. Der Sargdeckel erinnert in seinem Aussehen an jenen des Kronprinzen. Dieser Kupfersarg wird jedoch 1945 von plündernden Soldaten mit einer Gartenhaue gewaltsam aufgeschlitzt und schwer beschädigt. Die neuerliche Umbettung in den dritten Sarg (Zinksarg) der Städtischen Bestattungsanstalt von Baden erfolgt am 7. Juli 1959. Dieser Sarg wird in der Nacht zum 26. Juli 1991 von einem Linzer Möbelhändler und Hobbyhistoriker aus der Gruft entwendet, um das Geheimnis der Tragödie zu klären. Er lässt die sterblichen Überreste wissenschaftlich auswerten, ohne dabei die Identität der Toten preiszugeben. Erst im Dezember 1992 gelangt der Fall an die Öffentlichkeit, der schwer beschädigte Sarg wird sichergestellt. Am 28. Oktober 1993 erfolgt die nunmehr letzte Beisetzung im vierten Sarg (Metallsarg).

2007 wurde im Stift Heiligenkreuz der alte Kupferprunksarg durch Zufall wiedergefunden. Er wurde restauriert und kann seit 2010 im Karmel Mayerling besichtigt werden.

 Karmel Mayerling, Mai 2023

Donnerstag 31. Januar 1889
6 Uhr: Audienz von Dr. Widerhofer bei Kaiser Franz Josef in der Hofburg. Er trägt zum Entsetzen des Kaisers eine neue Version von Rudolfs Tod vor: „Selbstmord allein, in Sinnesverwirrung." Rudolfs Leiche wird provisorisch in der Wiener Hofburg aufgebahrt.
Um 21 Uhr erfolgt die Obduktion durch den Gerichtsmediziner Dr. Hofmann und den Pathologen Dr. Kundrat. Etwa zur gleichen Zeit bringen Georg Graf Stockau und Alexander Baltazzi ihre Nichte Mary in einer Kutsche heimlich von Mayerling auf den Friedhof nach Heiligenkreuz, wo sie in der Totenkammer über Nacht aufgebahrt wird.

Freitag 1. Februar 1889
An diesem Morgen wird Mary Vetsera bei Sturm und Regen am Friedhof Heiligenkreuz in einem einfachen Holzsarg im sogenannten „Selbstmördereck" bestattet. In Wien erfolgt die offizielle Aufbahrung des Thronfolgers in Paradeuniform: in weißem Waffenrock mit dem Stephansorden am Band und weißen Handschuhen. Seine Kopfwunde wird durch eine Wachsmoulage verdeckt. Für die bevorstehende Leichenfeier des Kronprinzen werden auf Wunsch des Kaisers keine offiziellen Einladungen ausgegeben.

Samstag 2. Februar 1889
Die Eltern von Kronprinzessin Stephanie von Belgien treffen abends am Wiener Westbahnhof ein, wo sie von Kaiser Franz Josef begrüßt und in ihre Appartements in der Wiener Hofburg begleitet werden. Die einlangenden Kranzspenden füllen bereits vier Zimmer des Kronprinzenappartements. Kaiserin Elisabeth schickt einen Kranz mit Maiglöckchen, weißem Flieder und weißen Rosen. Rudolfs Witwe Stephanie lässt einen Kranz aus Palmen, Fichtenreisig, Veilchen, weißen Rosen, Nelken und Vergissmeinnicht binden und mit einer Schleife „Von deiner Stephanie" versehen. Der Schriftstellerverein Concordia widmete dem Toten einen Kranz mit dem Schleifentext „Dem Schriftsteller Kronprinz Rudolf".

Sonntag 3. Februar 1889
21.30 Uhr: Übertragung von Rudolfs Leiche aus dem Kronprinzenappartement der Wiener Hofburg in die Hofburgkapelle. „Der Leichnam im Sarge, mit einem weisstaffeteten Ueberthane zugedeckt, auf einer mit schwarzem Tuche überzogenen Bahre, wird von Kammerdienern, unter Beihilfe von Leiblakaien (...) in die Kirche getragen, auf das Schaubett gehoben und von dem Hof- und Burgpfarrer nochmals eingesegnet." (aus dem Ceremoniell der Obertragung, Exponirung und Bestattung der Leiche weiland Seiner kaiserlichen und königlichen Hoheit des durchlauchtigsten Kronprinzen Erzherzogs Rudolph)

Montag 4. Februar 1889
Ab 8 Uhr: Einlass des Publikums in die Wiener Hofburgkapelle „zu der auf dem Schaubette ausgestellten kronprinzlichen Leiche. (...) Das ringsum reich beleuchtete Trauergerüste ist mit schwarzem Tuche, und die Stelle wo der Sarg steht, mit Goldstoff bedeckt, oberhalb ist ein schwebender schwarzer Baldachin aufgezogen. Auf dem Schaubette sind die kaiserliche Prinzenkrone, der Erzherzogshut und der Generalshut samt Säbel, dann die Orden des Höchstverblichenen auf schwarzen Sammtpölstern ausgelegt. (...) um zehn Uhr vormittags (...) wird das Miserere von der Hofburgkapelle abgesungen." (Aus dem Ceremoniell). Für 17 Uhr war die Schließung der Hofburgkapelle anberaumt. Ob des Publikumsandrangs wurde sie erst um 19.30 Uhr geschlossen.

Dienstag 5. Februar 1889
Von 8 bis 12 Uhr nochmals Möglichkeit zum Abschiednehmen vom Kronprinzen in der Wiener Hofburgkapelle. In dieser Zeit werden auch an allen Altären Seelenmessen für den Verstorbenen gelesen.
Von 12 bis 13 Uhr werden die Kirchturmglocken geläutet.
Um 16 Uhr Beginn des Leichenbegängnisses: Nach nochmaliger Einsegnung wird der Sarg vom Schaubett herabgenommen und zum sechsspännigen Leichenwagen im Schweizerhof gebracht. Der Leichenzug nimmt den Weg über den Burgplatz, Michaeler- und Josephsplatz und durch die Augustinerstraße zu den Kapuzinern auf dem Neuen Markt. Der Sarg wird in die Kapuzinerkirche getragen, wo sich die kaiserliche Familie bereits eingefunden hat und wird hier neuerlich eingesegnet, während die Hofmusikkapelle das Libera singt. Daraufhin wird der Sarg von Kronprinz Rudolf in die Gruft getragen.

 Karmel Mayerling, Mai 2023



Wem der viele Text zu lange war und lieber Bewegtbilder mit Musik mag, kann sich gerne dieses Video antun: