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Das Kunsthistorische Museum Wien (kurz KHM) ist ein
Kunstmuseum in der österreichischen Hauptstadt Wien. Es zählt zu den
größten und bedeutendsten Museen der Welt. Es wurde im Jahr 1891
eröffnet und beispielsweise im Jahr 2018 von ca. 1,75 Millionen
Menschen besucht. Das Haupthaus beheimatet Gemäldegalerie,
Ägyptisch-Orientalische Sammlung, Antikensammlung, Kunstkammer Wien,
Münzkabinett und Bibliothek.
Das Kunsthistorische Museum gehört mit seinem Schwestergebäude, dem
gegenüber liegenden Naturhistorischen Museum, zu den bedeutendsten
historistischen Großgebäuden der Ringstraßenzeit. Zusammen umschließen
sie den Maria-Theresien-Platz (neben dem Burgring), auf dem das
Maria-Theresien-Denkmal steht. Den Auftrag zum Bau des Museums gab
Kaiser Franz Joseph I., der zu Weihnachten 1857 den Abriss der
Stadtmauer entschieden hatte, im Zuge der 1858 anlaufenden
Stadterweiterung.
1867 wurde ein Wettbewerb für die Museen ausgeschrieben, und dabei
deren heutige Platzierung festgelegt – auf Wunsch des Kaisers sollten
die Museen nicht zu nahe an der Hofburg, sondern jenseits der
Ringstraße entstehen. Der Architekt Carl von Hasenauer beteiligte sich
an diesem Wettbewerb und konnte dabei den damals in Zürich tätigen
Gottfried Semper zur Zusammenarbeit bewegen. Die beiden Museumsbauten
sollten dabei im Stilempfinden der italienischen Renaissance errichtet
werden. Die Pläne fanden das Wohlwollen des Kaiserhauses. Im April 1869
erfolgte eine Audienz Sempers beim Kaiser und dabei die mündliche
Auftragsvergabe, im Juli 1870 erging der schriftliche Auftrag an Semper
und Hasenauer.
Entsprechend dem kaiserlichen Wunsch nach einer prunkvollen Ausstattung
des Stiegenhauses wurde 1881 Hans Makart, der gefeierte Meister
großformatiger und effektvoller Malerei des Wiener Historismus, mit der
prominenten Aufgabe betraut. Zu realisieren waren: das Deckenbild, in
der Zone darunter 12 halbkreisförmige Lunettenbilder und - im Bereich
der Arkaden - 40 Darstellungen in den Zwickeln und Interkolummnien.
Doch Makart starb 1884 noch vor Vollendung der Arbeiten - allein die
Lunettenbilder waren ausgeführt. Schließlich erhielt der in Ungarn
geborene Mihály Munkácsy den Auftrag für das Deckengemälde, Franz
Matsch und die Brüder Ernst und Gustav Klimt waren nun verantwortlich
für die Zwickel oberhalb der Arkadenbögen und die Flächen zwischen den
Marmorsäulen.
* * *
Mihály Munkácsy „Apotheose der Kunst" bzw. „Apotheose der Renaissance"
Ein Mann - er erleichtert dem Betrachter den Einstieg in das Geschehen
- betritt die gewaltige Treppenanlage. Vor der zentralen Loggia, in der
Papst Julius II. (?) als einer der größten Auftraggeber und Förderer
der Kunst der Renaissance zu sehen ist, sind einige der berühmtesten
Meister versammelt: Am ersten Treppenabsatz vorne links unterhalten
sich Leonardo da Vinci und Raffael; rechts davon, hinter der
Balustrade, erscheint Michelangelo in Denkerpose. Am zweiten
Treppenabsatz steht links auf einem Malgerüst Paolo Veronese vor einer
großen Leinwand, in der Mitte unterweist Tizian seine Schüler. Über
allen schweben Gloria und Fama als Personifikationen der Ehre und des
Ruhms der Kunst.
Antonio Canova (1757-1822)
Theseus besiegt den Kentauren Rom, 1805-1819, Marmor
Auf der Hochzeit des Lapithenkönigs Peirithoos versuchten die
Kentauren, die Frauen der Lapithen, unter ihnen auch die Braut des
Königs, Hippodameia, zu rauben. Mit Hilfe des athenischen Helden
Theseus gelang es den Lapithen jedoch, die Kentauren zu besiegen.
Schon im antiken Griechenland sah man in diesem Mythos ein Sinnbild für
die Überwindung der animalischen Natur durch menschliche Vernunft. Auch
Canovas monumentale Gruppe symbolisiert dies. Sie wurde von Napoleon
für den Corso in Mailand in Auftrag gegeben. Nach Napoleons Sturz
erwarb Kaiser Franz I. Canovas Werk. Es wurde 1822/23 nach Wien
gebracht und hier im eigens dafür gebauten Theseustempel im Volksgarten
aufgestellt. 1891 erhielt die Skulptur ihren heutigen Platz im neu
erbauten Kunsthistorischen Museum.
Saal der Gemäldegalerie
Das Museum ist aus den Sammlungen der Habsburger entstanden, vor allem
aus der Porträt- und Harnischsammlung Ferdinands von Tirol, der
Sammlung Kaiser Rudolfs II. (deren größter Teil jedoch verstreut ist)
und der Gemäldesammlung von Erzherzog Leopold Wilhelm. 1833 forderte
Joseph von Arneth, Kustos (und später Direktor) des kaiserlichen Münz-
und Antikenkabinetts, die Zusammenführung aller kaiserlichen Sammlungen
in einem einzigen Gebäude.
Möbel: Jakob Herman
Nachtuhr: Pietro Tommaso Campani
Malerei: Carlo Maratta, Guglielmo Cortese, Pietro del Po, Francesco Legerino
Alle tätig in Rom
Prunkschrank mit Nachtuhr, 1663-1668
In diesem Hauptwerk barocker römischer Möbelkunst vereint sich die
Meisterschaft verschiedener Kunstzweige. Das reich mit Ebenholz,
Lapislazuli und Marmor verzierte Gehäuse bildet den Rahmen für
Darstellungen von Szenen aus dem Leben Konstantins des Großen. Die
Nachtuhr im Aufsatz, die das Ablesen der Uhrzeit im Dunkeln ermöglicht,
verdankt ihren Ursprung den Schlafstörungen Papst Alexanders VII. und
seinem Wunsch nach einer lautlosen Schlafzimmeruhr.
Alonso Sanchez Coello (1531/32-1588)
Elisabeth von Valois, Königin von Spanien, um 1560
Elisabeth von Valois (1545-1568), Tochter König Heinrichs II. von
Frankreich, wurde in der Folge des Friedensschlusses zwischen
Frankreich und Spanien 1559 die dritte Frau König Philipps II. von
Spanien, nachdem sie vorher mit Don Carlos, dem ältesten Sohn Philipps
II., verlobt gewesen war. Der vom höfischen Porträt geforderte Abstand
zwischen Porträtiertem und Betrachter wird durch den Prunk und die
Starre der reich bestickten Kleidung erhöht.
Das Kunsthistorische Museum wurde am 17. Oktober 1891 von Kaiser Franz
Joseph I. offiziell eröffnet. Seit 22. Oktober 1891 ist es der
Öffentlichkeit zugänglich. Bereits am 3. November 1889 hatte die
Waffensammlung, heute Hofjagd- und Rüstkammer, ihre Türen geöffnet. Am
1. Januar 1890 nahm die Bibliothek ihren Dienstbetrieb auf. Die
Zusammenführung und Aufstellung der anderen Sammlungen des
Allerhöchsten Kaiserhauses aus dem Unteren und Oberen Belvedere, der
Hofburg und Schloss Ambras in Tirol dauert weitere zwei Jahre.
Luca Giordano (1634 - 1705 Neapel)
Ausschnitt aus: Erzengel Michael stürzt die abtrünnigen Engel, um 1660/1665
Als sich ein Teil der Engel gegen Gott empörte, wurden diese vom
Erzengel Michael in den Abgrund der Hölle gestürzt. Die verzweifelt
schreienden, verzerrten Gesichter der besiegten Engel – nun zu Teufeln
geworden – zeugen vom krassen Realismus des spanisch-neapolitanischen
Hofmalers Jusepe de Ribera. Auch in der raffinierten Farbigkeit des
Michael ist das Werk von der venezianisch beeinflussten Palette Riberas
bestimmt. Das Altarbild, dessen ursprünglicher Bestimmungsort unbekannt
ist, wurde im späten 18. Jh. aus der Wiener Minoritenkirche in die
kaiserliche Gemäldegalerie gebracht.
Prunkstiege
Hoogstraten, Alter Mann im Fenster, 1653
Ein alter Mann steckt seinen Kopf aus einem Fenster und blickt uns an.
Akribisch schildert Van Hoogstraten verschiedene Materialien: Falten,
Barthaare, den weichen Pelz der Kopfbedeckung, den harten, behauenen
Kalkstein, der das Fenster rahmt. Die glasigen Augen des Mannes, das
kleine Fläschchen auf dem Gesims und nicht zuletzt die Butzenscheiben
des Fensters bezeugen das Interesse des Malers für Licht und dessen
Reflexion auf unterschiedlichsten Oberflächen.
Eindrucksvoll führt Van Hoogstraten in diesem Demonstrationsstück sein
Können vor Augen. Es war wohl sein letztes Werk für die kaiserliche
Sammlung in Wien. Ein Inventareintrag legt eine ungerahmte Präsentation
vermutlich in einer Wandvertiefung nahe, die das illusionistische Spiel
noch gesteigert hätte. Das Ziel, den Kaiser zu beeindrucken, dürfte Van
Hoogstraten sicher erreicht haben.
Pieter Bruegel d. Ä. (um 1525/30-1569) tätig in Antwerpen
Turmbau zu Babel 1563
Bruegels monumentale Komposition wurde zum berühmtesten, mannigfach
kopierten und variierten Klassiker der Turmbaudarstellungen. Die im
Vergleich zum Turm beeindruckend winzige, flämisch anmutende Bebauung
der Hafenstadt liefert den Größenmaßstab. Mit Akribie und
enzyklopädischem Interesse schildert Bruegel eine Unmenge
bautechnischer und handwerklicher Vorgänge. In der steinernen
Außenhülle vermischt er antike und romanische Architekturelemente.
Pieter Bruegel d. Ä. (um 1525/30–1569) tätig in Antwerpen
Kampf zwischen Karneval und Fasten, 1559
Bruegel präsentiert im Vordergrund dieser Enzyklopädie nie-
derländischen Karnevals- und Fastenzeitbrauchtums ein allegorisches
Lanzenstechen, das im 15. und 16. Jh. tatsächlich so aufgeführt wurde:
Links reitet der feiste Karneval auf einem Fass und führt einen
Bratspieß als Waffe; von rechts rollt die magere Fastenzeit, eine
Bäckerschaufel mit zwei Fischen ins Treffen führend, heran. Auch die
übrigen szenischen Details entsprechen damaliger Wirklichkeit und
lassen sich volkskundlich identifizieren. Die räumlich-zeitliche
Gleichzeitigkeit des Geschehens ist allerdings Bruegels Erfindung.
Frans Floris, 1519/20-1570, tätig in Antwerpen
Jüngstes Gericht, 1565
Der Romanist Floris war einer der angesehensten und bestbezahlten Maler
seiner Zeit. Auf der Suche nach neuen Möglichkeiten will der Maler in
seinem Jüngsten Gericht durch „Nahaufnahmen" der Verdammten dem Grauen
eine psychologische Dimension verleihen. Auf dem Steinsockel ist eine
lateinische Inschrift (aus dem 6. Buch Salomonis) zu lesen: „Denn die,
die Gerechtigkeit beobachtet haben, werden gerecht gerichtet werden,
und die im Rechten unterwiesen waren, werden sich zu verantworten
wissen."
Michiel Coxcie, 1499-1592, tätig in Mecheln und Brüssel
Der Sündenfall, Die Vertreibung aus dem Paradies, ca. 1550
Dies sind die zwei Seitenflügel eines Flügelaltares, dessen Mitteltafel
nicht mehr nachweisbar ist. Coxcie war vermutlich ein Schüler des
Romanisten Bernaert van Orley und in den 1530er Jahren längere Zeit in
Rom. Neben Wand- und Tafelmalereien schuf er auch Entwürfe für
Tapisserien. In den Aktdarstellungen versucht Coxcie zwischen
anatomisch genauer Zeichnung und malerischer Behandlung auszugleichen.
Reizvoll und belebend wirkt die nicht ohne Symbolik eingefügte
Tierstaffage.
Jakob Seisenegger, 1505-1567, tätig in Innsbruck, Wien und Linz
Kaiser Karl V. (1500-1558), 1532
Karl V. war der älteste Sohn Philipps d. Schönen und Juanas von
Kastilien. Nach dem Tod seines Großvaters Kaiser Maximilian I.
vereinigt er in seiner Hand die österreichischen Länder mit Spanien,
den Niederlanden, Unteritalien sowie den überseeischen Besitzungen in
Amerika. 1530 wurde er zum Kaiser gekrönt. Seisenegger malte dieses
Bildnis Karls V. 1532 in Bologna, und zwar im Auftrag von dessen Bruder
Ferdinand. Das Werk diente Tizian als Vorbild für sein Porträt des
Kaisers von 1533 (Madrid).
Lucas Cranach d. Ä. (1472-1553)
Judith und Holofernes, um 1530
Durch Mut und List war es der alttestamentlichen Heldin gelungen, in
das vor der Stadt Bethulia aufgeschlagene Zeltlager des Holofernes
vorzudringen und der Bedrohung durch die Truppen des feindlichen
Feldherrn mit seiner Enthauptung ein Ende zu setzen. Alle bekannten
Versionen einer halbfigurigen Judith-Darstellung aus der
„Bildermanufaktur" Cranachs entstehen um das Jahr 1530 - eine
auffällige Konzentration, die offensichtlich mit der Gründung des
Schmalkaldischen Bundes zusammenhängt: Judith wurde zur Symbolfiqur
„protestantischen Wehrwillens" gegen die Heere Karls V. erkoren.
Melchior d'Hondecoeter (1636-1695) tätig in Utrecht, Antwerpen
Geflügelhof, Ende 17. Jh.
Hondecoeter spezialisierte sich auf malerisch brillante Darstellungen
von Geflügel, das er zu dekorativen Kompositionen arrangierte.
Johannes Vermeer (1632-1675) tätig in Delft
Die Malkunst, um 1666/68
Mit der Darstellung des Malers im Atelier überhebt Vermeer das
Genrebild zu einer Allegorie der Malkunst. Sein Modell posiert als
Klio: Die Muse der Geschichte inspiriert den Maler und verkündet den
Ruhm der Malkunst der Alten Niederlande, den sie im Buch der Geschichte
verewigt. Auf die Einheit der Künste deuten Bildhauermodell,
Skizzenbuch und das entstehende Bild auf der Staffelei. Die Landkarte
mit den 17 Provinzen der Niederlande, vor ihrer Trennung in Nord und
Süd, weist auf das Land, dessen Ruhm von altersher die Malkunst
ausmacht.
Peter Paul Rubens (1577-1640) tätig in Antwerpen
Ildefonso-Altar, 1630/32
Isabella Clara Eugenia, Statthalterin der Niederlande, stiftete dieses
Triptychon der Ildefonso-Bruderschaft in Brüssel. Es zeigt eine
Begebenheit aus dem Leben des Heiligen: Die Madonna erscheint in
überirdischem Glanz und überreicht ihm ein Meßgewand. Die Szene
veranschaulicht Rubens' Gabe, erhaben Heiliges mit emotional
Menschlichem zu einer wunderbaren Einheit zu verbinden. Die
Seitenflügel zeigen Erzherzog Albrecht und seine Gemahlin, von ihren
Schutzpatronen, dem hl. Albrecht von Löwen und der hl. Elisabeth von
Ungarn, begleitet.
Peter Paul Rubens (1577-1640) tätig in Antwerpen
Wunder des hl. Franz Xaver, um 1617/18
Das Gemälde schmückte alternierend mit den Wundern des hl. Ignatius von
Loyola (Inv.-Nr. GG 517) den Hochaltar der Jesuitenkirche in Antwerpen.
Franz Xaver steht predigend vor einer Menschenmenge; im Sinne der
Gegenreformation sowie als Vorbereitung für die Seligsprechung (1619)
Franz Xavers werden hier einzelne Wunder im Rahmen seiner
missionarischen Tätigkeit in Asien anschaulich geschildert: Ein Toter
wird auferweckt, Blinde und Gelähmte werden geheilt, im Tempel
zerbricht ein Götzenbild.
Peter Paul Rubens (1577–1640) tätig in Antwerpen
Wunder des hl. Ignatius von Loyola, um 1617/18
Das monumentale Gemälde schmückte abwechselnd mit den Wundern des hl.
Franz Xaver (Inv.-Nr. GG 519) den Hochaltar der Jesuitenkirche in
Antwerpen, deren künstlerische Ausstattung Rubens oblag. Er vereint
hier einzelne Elemente, die zum Teil auf reale Begebenheiten im Leben
des Ordensgründers zurückgehen, ansonsten aber allgemein zum
„Repertoire" der Vita eines Heiligen gehören. Die Spontaneität der
Bilderfindung des modello (Inv.-Nr. GG 530) tritt im ausgeführten Werk
zugunsten eines lehrhaften Charakters zurück.
Lucas I. van Valckenborch (1535-1597) tätig in Antwerpen, Linz
Frühlingslandschaft (Mai), 1587
Der Mai als Monat der Liebe macht die Landschaft zum Schauplatz
galanter Szenen. Das Heckenlabyrinth mit einem „tempietto d'amore"
(links) ist ein im 16. Jh. beliebter Gartenbestandteil. Seine Form
wiederholt sich in dem kreisrunden Brunnen, der mit anspielungsreichen
Figuren (eine nackte Göitin und Satyrn) ausgestattet ist. Im
Hintergrund sind in einer Phantasielandschaft das erzherzögliche
Schloss, der Belfried und St. Gudula in Brüssel zu identifizieren. Am
Platz vor dem Schloss findet ein Turnier statt.
Lucas I. van Valckenborch (1535-1597) tätig in Antwerpen, Linz
Detail: Frühlingslandschaft (Mai), 1587
David Teniers d. J. (1610-1690) tätig in Antwerpen und Brüssel
Das Vogelschießen in Brüssel, 1652
Zu den Aufgaben als Hofmaler Erzherzog Leopold Wilhelms gehörte die
Dokumentation offizieller Ereignisse. Hier zeigt Teniers das Ende des
Vogelschießens im Rahmen eines alten Brüsseler Festes, der Prozession
zu Ehren Unserer Lieben Frau von Zavel (Notre Dame du Sablon). Der
Brauch verlangte, dass der Landesherr den zuvor für Schießübungen der
Gilde benutzten, auf einer Stange angebrachten Eichelhäher
herunterschoss. Anschließend beglückwünschen der Bürgermeister und die
Offiziere der Schützengilde den Erzherzog.
David Teniers d. J. (1610-1690) tätig in Antwerpen und Brüssel
Detail: Das Vogelschießen in Brüssel, 1652
Peter Paul Rubens (1577-1640) tätig in Antwerpen
Das Haupt der Medusa, 1617/18
Perseus tötete mit List die schlangenhaarige Medusa, die mit ihrem
Blick Mensch und Tier versteinert hatte (Ovid, Metamorphosen). Das aus
ihrem abgeschlagenen Haupt tropfende Blut verwandelte sich in
Schlangen. Zur Zeit des Rubens wurde die Darstellung politisch oder
allegorisch als Zeichen des Sieges der stoischen Vernunft über die
Feinde der Tugend verstanden. Die drastische Schilderung mit den weit
aufgerissenen, herausquellenden, blutunterlaufenen Augen stammt von
Rubens selbst, das Getier wurde dem Spezialisten Frans Snyders
zugeschrieben.
Kuppelhalle
Kuppelhalle
Die Kunstkammer Wien. Wiege des Museums
Der Begriff „Kunstkammer" bezeichnet einen Sammlungstypus des 16. und
17. Jahrhunderts. Dabei sollen möglichst vielfältige Zeugnisse der
Natur und der menschlichen Kunstfertigkeit ein Abbild des Kosmos in
eigens dafür ausgestattete Räume bringen. Diese Idee steht am Beginn
dessen, was wir heute als Museum kennen.
In den historischen Kunstkammern der Habsburger finden sich Werke aus
Bergkristall, Elfenbein und Bronze, Gemälde, Waffen, Antiken, Münzen
und Bücher ebenso wie Gegenstände aus der Welt der Tiere, Pflanzen und
Mineralien. Die Zahl, Vielfalt und Qualität der Objekte, die Sammler
wie Erzherzog Ferdinand II. und Kaiser Rudolf II. erwerben, sollen den
Rang ihrer Familie als einer der mächtigsten Dynastien Europas
widerspiegeln. Sie setzen Maßstäbe und werden Vorbild für die anderen
Fürsten ihrer Zeit.
Diese Bestände bilden den Grundstock der heutigen Kunstkammer Wien.
Ihre ehemalige Vielfalt und die Form ihrer Aufbewahrung ist aus
verschiedenen Gründen nur mehr bedingt erlebbar zu machen. Aufgrund
späterer Ergänzungen der musealen Sammlung bietet sie dafür heute einen
Blick auf insgesamt rund 800 Jahre europäische Kunst- und
Kulturgeschichte.
Die Präsentation in insgesamt 20 Sälen folgt dem Lauf der Epochen. Ein
wichtiger thematischer roter Faden bleibt dabei die Idee des Sammelns
von Dingen, die für ihre Besitzer materiell und ideell kostbar sind.
„Cofanetti nuziali" um 1400 aus Venedig
Diese polygonalen Kassetten zeigen Reliefs mit höfisch gekleideten
Paaren bzw. mythologischen Szenen aus der Geschichte des Paris, den
Raub der Helena und die Geburt des Adonis. Solche Behältnisse
entstanden in großer Zahl in der Werkstatt der Embriachi in Venedig.
Bei Hochzeiten wurden in ihnen Schmuckstücke als Geschenke an die Braut
überreicht. Die von nackten Männern bzw. Genien gehaltenen Schilde
konnten mit den Wappen des Paares bemalt werden.
Detail: „Cofanetti nuziali" um 1400 aus Venedig
Sechseckige Kassette
Werkstatt der Embriachi
Venedig, Ende 14./Anfang 15. Jh.
Holz mit Certosina-Intarsien, Bein, Reste von Bemalung und Vergoldung
Allegorie der Vergänglichkeit, sog. Vanitas-Gruppe
Michel Erhart (um 1440/45-nach 1522) 1491 oder Jörg Syrlin d. Ä (um 1425-1491)
Ulm, um 1470/80, Lindenholz, bemalt
Die drei Figuren, die aus einem einzigen Stück Holz geschnitzt wurden,
stellen die Schönheit der Jugend und ihre Vergänglichkeit dar. Der
Verfall des Körpers im Alter wird durch den Realismus der meisterhaften
Farbfassung drastisch betont. Es ist unklar, ob die Gruppe ursprünglich
zu einem größeren Kontext, z. B. einem Uhrengehäuse, gehörte oder
bereits als eigenständige Kleinskulptur geplant wurde.
Zwischen Tradition und Aufbruch. Die Kunst des 15. Jahrhunderts nördlich und südlich der Alpen
In der Zeit um 1430 gehen von Italien und von den Niederlanden
zukunftsweisende Neuerungen in der Kunst aus. In Italien wird die
Antike zum Vorbild für Formensprache und Themen. In den Niederlanden
streben die Künstler nach einer möglichst genauen und realistischen
Wiedergabe ihrer Umwelt. Damit etablieren sich auch neue
Kunstgattungen. Das neue, humanistisch geprägte Weltbild rückt den
Menschen und damit das Porträt in der Form von Gemälde, Relief und
Büste ins Zentrum.
In Italien entstehen die kleinformatige Bronzestatuette und die
Plakette, welche die begehrten Vorbilder der Antike in Nachbildungen
verfügbar und „begreifbar" machen. Diese zweckfreien Kunstobjekte
werden wie die Kameen zu Sammlerstücken. Die Idee des gezielten
Sammelns etabliert sich in Italien zuerst am Hof der Medici in Florenz,
die dem Vorbild des französischen Königshauses folgen und sich so
gewissermaßen „nobilitieren".
Altar- und Andachtsbilder bleiben im 15. Jahrhundert wichtige
Gestaltungsaufgaben. Dem Antikenbezug in Werken italienischer Bildhauer
wie Donatello steht dabei die Sichtweise von nordischen Künstlern wie
Riemenschneider gegenüber. Deren Werke bleiben bis nach 1500 stark an
mittelalterliche Konventionen gebunden. Das wird an der Darstellung des
nackten Körpers besonders deutlich, die in Italien mit dem Rückgriff
auf die Antike größere Freiheit genießt: Spätgotik hier,
Frührenaissance dort.
* * *
Kabinettschrank
Giovanni Battista Panzeri, gen. Serabaglio (um 1520-nach 1591?),
Plattnerarbeit Marco Antonio Fava (tätig 2. Hälfte 16. Jh.),
Goldschmiedearbeit
Giuseppe de Vico (nachgewiesen 1567-1576), Bildhauerarbeit
Mailand, 1567 datiert Holz, Eisen, vergoldet, Gold- und Silbertauschierung, Bronze
Detail: Kabinettschrank
Giovanni Battista Panzeri, gen. Serabaglio (um 1520-nach 1591?),
Plattnerarbeit Marco Antonio Fava (tätig 2. Hälfte 16. Jh.),
Goldschmiedearbeit
Giuseppe de Vico (nachgewiesen 1567-1576), Bildhauerarbeit
Mailand, 1567 datiert Holz, Eisen, vergoldet, Gold- und Silbertauschierung, Bronze
Szenen aus dem Buch Tobias: Tobias stellt dem Vater seinen Reisebegleiter vor Brüssel, um 1540/50, Wolle, Seide
Großformatige Tapisserien waren ein bedeutendes Element höfischer
Repräsentation. Für ihren Erfolg spielten die dargestellten Sujets eine
maßgebliche Rolle. Sie hatten dem repräsentativen Charakter dieses
Mediums zu entsprechen. Erzählungen aus dem Alten oder Neuen Testament
waren sehr beliebt. Die alttestamentarische Erzählung von Tobias wurde
gerne in Tapisserienserien überführt. Diese spielten im Kontext von
Hochzeiten eine besondere Rolle, da einer der Behänge in der Regel eben
diesem Thema gewidmet war.
Kunst für Kenner und Sammler. Die Hoch- und Spätrenaissance in Italie (1500-1600)
Italien besteht im 15. und 16. Jahrhundert aus zahlreichen unabhängigen
Stadtstaaten und Fürstentümern. Florenz, Rom, Neapel, Venedig, Mailand,
Mantua und Padua bilden die maßgeblichen Zentren dieser Zeit, die nicht
nur politisch und wirtschaftlich, sondern auch künstlerisch miteinander
im Wettstreit stehen. Hier entsteht eine Kultur des Mäzenaten- und
Sammlertums, die auf breiter Ebene von den politisch, geistig und
wirtschaftlich bestimmenden Eliten getragen wird; und damit eng
verbunden der Künstler im neuzeitlichen Sinn. Künstler, Kenner, Händler
und Gelehrte stehen in direktem Austausch und bilden Netzwerke, welche
die Produktion, Verbreitung und Rezeption von Kunst von nun an
wesentlich bestimmen.
An die Stelle der Bemühungen der Frührenaissance, antike Vorbilder
möglichst genau nachzuahmen, tritt im 16. Jahrhundert der Wunsch, diese
durch künstlerische Kreativität und Virtuosität zu übertreffen. Auf dem
Gebiet der Bronzestatuetten erreicht diese Entwicklung mit den Werken
des Bildhauers Giambologna ihren Höhepunkt. Seine allansichtigen
Kompositionen scheinen die Gesetze der Schwerkraft zu überwinden.
Paläste, Villen und Gärten werden nach den neuen Vorstellungen einer
verfeinerten höfischen Lebensweise ausgestattet. Dazu gehören neben den
Werken der Malerei und Skulptur auch aufwendig dekorierte Möbel und
Majoliken, Goldschmiedearbeiten und aus Flandern importierte
Wandbehänge.
* * *
Flügelaltar
Heinrich Füllmaurer (nachgewiesen 1536), Werkstatt
Deutsch, um 1540, Öl auf Fichtenholz
Bei diesem Altar handelt es sich um das bilderreichste Werk der
deutschen Kunstgeschichte dieser Zeit. Er entstand für die evangelische
Kirche in Mömpelgard (Montbéliard), und zwar noch vor dem radikalen
Bilderverbot der Reformatoren.
Generation der Gründer. Der Beginn der habsburgischen Kunstkammern im 16. Jahrhundert
Die Ehe Maximilians I. (1459-1519) mit Maria von Burgund lässt das Haus
Habsburg zur Weltmacht aufsteigen. Die gemeinsamen Kinder sichern der
Dynastie einerseits die Herrschaft in den burgundischen Niederlanden
und andererseits die spanische Krone mit den Gebieten in Übersee.
Maximilians Enkel Karl V. (1500-1558) regiert daher ein Weltreich, in
dem „die Sonne nicht untergeht". Karl teilt die Herrschaft mit seinem
Bruder Ferdinand I. (1503-1564), wodurch sich die für die Zukunft
bedeutsame Trennung in eine spanische und eine österreichische Linie
der Habsburger ergibt.
Die Tochter Maximilians I., Margarete von Österreich (1480-1530),
übernimmt 1507 die Regentschaft in den Niederlanden und macht ihre
Residenz in Mecheln zu einem Zentrum für Künstler und Gelehrte. Dort
verwahrt sie ihre Bibliothek und ihre Sammlung von Kunstwerken und
Naturgegenständen in eigenen Räumen. Diese stehen am Beginn der
Entwicklung der „Kunstkammern" nördlich der Alpen. Zugleich ist
Margarete die erste in der Reihe jener Habsburger, deren Leidenschaft
für die Kunst die Wiener Bestände bis heute prägen. Unter ihrem
Einfluss gründet ihr Neffe Ferdinand I. in Wien seine „Kunsst Camer",
die 1554 erstmals erwähnt wird. Um 1520 etabliert sich in den
Reichsstädten Nürnberg und Augsburg die erste Generation jener Meister,
die bereits võllig im Banne des Vorbildes der italienischen Renaissance
stehen.
* * *
Allegorien der vier Jahreszeiten
Johann Gregor van der Schardt (um 1530-um 1581), zugeschrieben
Wenzel Jamnitzer (um 1508-1585), Entwurf (?), Nürnberg, um 1570 Bronze, vergoldet
Um 1568/69 gab Kaiser Maximilian II. beim Goldschmied Wenzel Jamnitzer
einen über drei Meter hohen mechanischen Brunnen aus Silber in Auftrag.
Mit seinem Programm seinem Programm und der raffinierten Technik sollte
er das Haus Habsburg verherrlichen. Erst neun Jahre später wurde er an
den Sohn und Nachfolger, Rudolf II., geliefert. Die Silberteile wurden
im 18. Jahrhundert eingeschmolzen, um die Neuaufstellung der Wiener
Schatzkammer zu finanzieren. Nur diese vier Trägerfiguren aus Bronze
blieben erhalten.
Prunkkanne, sog. Onyxkanne
Richard Toutain d. J. (Meister 1558-1579) Paris, 1570 Sardonyx, Achat, Gold, Email, Rubine, Berle Diamanten, Smaragde, Perle
Der obere Teil mit dem Henkel und dem Ausquss kann abgehoben und
separat als Kanne verwendet werden. Ältere, byzantinische Onyxteile
wurden dabei in ein Gefäß im Stil der Zeit umgearbeitet. Im Februar
1570 ist dieses Meisterwerk französischer Hofkunst noch in der Pariser
Werkstatt des Goldschmieds dokumentiert. Wenig später kam es als
Geschenk an Erzherzog Ferdinand II. von Tirol.
Die Saliera des Benvenuto Cellini. Kunst und Kultur am Hof der Könige von Frankreich im 16. Jahrhundert
1540 fertigt Cellini in Rom für seinen Förderer Ippolito d'Este ein
Wachsmodell für einen Salzbehälter, eine „Saliera". Er entwirft eine so
außergewöhnlich anspruchsvolle Goldschmiedearbeit, dass der Kardinal
befindet, nur der König von Frankreich könne ein solches Werk
beauftragen. Bald darauf tritt Cellini in den Dienst des französischen
Königs Franz I. (1494-1547), der ihm auch tatsächlich den Auftrag zur
Ausführung erteilt.
In Frankreich trifft Cellini auf weitere italienische Künstler, die der
König für die Arbeiten an der Neugestaltung seines Schlosses
Fontainebleau bei Paris berufen hat. Maler wie Rosso Fiorentino und
Francesco Primaticcio bringen die Formvorstellungen der italienischen
Renaissance nach Frankreich. Der dort geprägte Stil der „Schule von
Fontainebleau" gilt als französische Variante der Kunstrichtung des
Manierismus.
Die Könige von Frankreich fördern Kunst und Wissenschaft nicht zuletzt
im Wettstreit mit dem Haus Habsburg, dem erbittertsten Gegner im Kampf
um die Vorherrschaft in Europa. Franz I. sammelt Arbeiten der
berühmtesten Maler wie Raffael, Tizian und Leonardo da Vinci. Ebenso
erwerben und beauftragen er und seine Nachfolger Goldschmiedearbeiten,
Tapisserien sowie Gefäße und Kameen aus edlen Steinen. Deren
künstlerische Qualität, Raffinement und Eleganz sind charakteristisch
für die hochstehende Kultur am Hof der französischen Könige.
* * *
Saliera
Benvenuto Cellini (1500-1571), Paris, 1540-43, Gold, Email, Ebenholz, Elfenbein
Die einzige erhaltene Goldschmiedearbeit des schon zu Lebzeiten
berühmten Florentiner Künstlers ist weit mehr als ein kostbares
Tischgerät für Salz und Pfeffer. Mit seinem Bildprogramm ist es ein
Sinnbild des Kosmos, auf den die Gottheiten Neptun (Meer) und Tellus
(Erde) ebenso verweisen wie die Motive der Tageszeiten und der vier
Winde am Sockel. Diesen Kosmos beherrscht der in Wappen und Emblemen
präsente Auftraggeber: König Franz I. von Frankreich.
Allen Fürsten ein Vorbild. Kaiser Maximilian II. (1527-1576) und die Idee der Kunstkammer
Im Laufe des 16. Jahrhunderts entstehen an verschiedenen Höfen nördlich
der Alpen Sammlungen mit reichen und vielfältigen Beständen. Parallel
dazu beginnen Gelehrte, Kriterien für die Ordnung dieser Vielfalt zu
erarbeiten. Der konkrete Einfluss dieser Konzepte auf die Praxis des
fürstlichen Sammelns war wohl eher gering. Sie erläutern aber die
Vorstellungen, die sich mit dem Prinzip „Kunstkammer" in dieser Zeit
verbinden. Demnach werden die Kunstkammern als Spiegel des gesamten
Kosmos und als Summe des Wissens über die Welt verstanden, als
„Theatrum mundi" und „Archiv der Weisheit". Sie sollen ein bildhafter
Beleg für den Anspruch des Fürsten auf die Herrschaft über seine Welt
sein, aber ebenso der Unterhaltung dienen und Künstler zu neuen Werken
anregen.
Die Wiener Kunstkammer Kaiser Maximilians II. muss diesen Ideen so
unmittelbar entsprochen haben, dass sie in einem 1565 erschienenen
Traktat von Samuel Quiccheberg als das anschaulichste Beispiel einer
solchen enzyklopädischen Sammlung gepriesen wird. Ihr Reichtum an
Naturalien und Kunstobjekten, Erinnerungsstücken und wissenschaftlichen
Instrumenten lässt sich leider nur mehr ansatzweise aus den wenigen
vorhandenen Quellen erschließen. Der größte Teil der Sammlung ging
später in der seines Sohnes, Kaiser Rudolfs II., auf. Die hier
gezeigten Objekte illustrieren verschiedene Facetten einer fürstlichen
Kunstkammer, sind aber nur in Einzelfällen tatsächlich für Maximilian
II. gesichert.
Ensemble aus Doppel- und Deckelpokalen Friedrich Hillebrand (um
1555-1608) Nürnberg, um 1593/1600 Silber, vergoldet, Perlmutter,
Smaragde, Rubine
Im Jahr 1600 schenkte Herzog Wilhelm V. von Bayern dieses Ensemble
seiner Tochter Maria Anna zur Hochzeit mit ihrem Cousin, dem späteren
Kaiser Ferdinand II. Es bezeugt die engen familiären Bindungen zwischen
den Häusern Wittelsbach und Habsburg ebenso wie die große Bedeutung von
Geschenken für die Bestände fürstlicher Kunstkammern. Der Perlmuttdekor
zitiert indische Vorbilder.
Tafelaufsatz in Form einer Galeere Joss Mayer (tätig 1573-1609) (?), Ulm, Ende 16. Jh., Silber, teilweise vergoldet
Pokal, sog. Mühlenbecher, Deutsch, 2. Hälfte 16. Jh., Kokosnuss, Silber, teilweise vergoldet
Kaiser Rudolf II. (1552-1612) und seine Kunstkammer in Prag. Leben und Persönlichkeit
Kaiser Rudolf II. ist ohne Zweifel der bedeutendste Sammler und Mäzen
in der Geschichte des Hauses Habsburg. Seine Jugend verbringt er in
Spanien, am Hof seines Onkels, König Philipp II. (1527-1598). Dessen
große Sammlung prägt das Kunstverständnis des jungen Erzherzogs
nachhaltig. Rudolf folgt seinem Vater, Kaiser Maximilian II.
(1527-1576), als König von Böhmen und Ungarn sowie als Kaiser des
Heiligen Römischen Reiches nach. 1583 verlegt er seine Residenz von
Wien nach Prag und unterhält dort einen großen und repräsentativen
Hofstaat.
In die Politik seiner Zeit, die von der Glaubensspaltung und der
osmanischen Bedrohung dominiert ist, greift er kaum ein. Maßstäbe setzt
er jedoch mit seiner Sammeltätigkeit, die das mit seiner Stellung
verbundene Rangbewusstsein unmittelbar widerspiegelt. Sie ist vom
unbedingten Anspruch auf höchste Qualität und Exklusivität getragen.
Dafür nützt er familiäre und diplomatische Verbindungen und holt
Künstler und Handwerker an seinen Hof, die dort Werke nach seinen ganz
persönlichen Vorstellungen schaffen. Getrieben von der Suche nach dem
tieferen Sinn hinter den Dingen gelten seine Interessen ebenso der
Magie und Alchemie. Aufgrund seiner politischen Untätigkeit verliert
der Kaiser zunehmend den Rückhalt im Reich und bei seiner Familie. Ohne
legitime Nachkommen und von seinem Bruder Matthias entmachtet, stirbt
er 1612 in Prag.
Automat in Form eines Schiffes, Hans Schlottheim (um 1544/47-1625)
Augsburg, 1585 datiert, Silber, vergoldet und teilweise bemalt, Kupferlegierung, Eisen
Tafelaufsätze in Form von Schiffen haben eine lange Tradition. Hier
verherrlichen Wappen- und Figurenschmuck den Kaiser und seine
Herrschaft. Ein komplexer Mechanismus lässt das Schiff über den Tisch
fahren, während sich die Besatzung an Bord zur Musik bewegt. Als
Höhepunkt feuern Kanonen eine Salve ab.
Tischautomat mit Diana auf dem Kentauren
Hans Jakob I. Bachmann (1574-1651), Augsburg, um 1602/06
Silber, teilweise vergoldet, Email, Perlen, Granate, Holz, Eisen
Der „Mechanicus" als Nachahmer des Schöpfers
Von Federkraft bewegte Automaten gehörten zu den begehrtesten Objekten
fürstlicher Kunstkammern. Sie können als Höhepunkte der mechanischen
Künste gelten und sind Ausdruck des Wunsches, unbelebte Dinge mit Leben
erfüllen zu können. Durch die Fähigkeiten des Menschen ließ sich der
göttliche Schöpfungakt scheinbar nachahmen und die Natur beherrschen.
* * *
Automatenuhr mit reitendem Pascha
Süddeutsch, um 1580/90
Kupferlegierung, vergoldet, Eisen
Prunkbecken mit der Geschichte der Europa
Christoph Lencker (1556-1613) Augsburg, um 1602/06 ver Silber, teilweise vergoldet, Email
Dieses Becken erwarb Kaiser Rudolf II. von einem der besten Augsburger
Goldschmiede seiner Zeit. Es zeigt Europa, die von dem in einen Stier
verwandelten Göttervater Jupiter aus dem Kreis ihrer Gefährtinnen
entführt wird. Zu diesem Becken gehörte ursprünglich eine Kanne in
Gestalt des Stieres mit Europa. Sie ist heute verloren.
Kaiser Rudolf II. (1552-1612) und seine Kunstkammer in Prag. Die Sammlung
In der Prager Burg lässt Rudolf II. insgesamt neun Räume für die
Unterbringung der Gemälde, der Bibliothek und der Kunstkammer
adaptieren. Zur sogenannten „großen Kunstkammer" hat sich ein zwischen
1607 und 1611 erstelltes Inventar erhalten. Aus dieser wichtigen
historischen Quelle lässt sich erschließen, dass die Objekte dort in
insgesamt 20 Kästen, in Truhen und in Kabinettschränken lagern, zum
Teil aber auch frei stehen. Von den zahlreichen Naturgegenständen, die
das Inventar nennt - darunter Präparate seltener Tiere und Früchte,
Korallen, Muscheln, Mineralien und Fossilien - hat sich nichts
erhalten. Die ursprüngliche enzyklopädische Vielfalt der Sammlung geht
durch die Zerstörungen und Plünderungen des 30-jährigen Krieges schon
im 17. Jahrhundert verloren. Auch von den Kunstgegenständen wie Gold-
und Steinschneidearbeiten, Tapisserien, Keramik, Waffen, Münzen,
Automaten und Uhren blieben nur Teile erhalten. Der größte geschlossene
Bestand davon befindet sich heute in Wien, aufgeteilt auf verschiedene
Sammlungen des Kunsthistorischen Museums.
Die in diesem Raum ausgestellten Objekte stammen fast zur Gänze aus der
Prager Kunstkammer. Es handelt sich um Werke der bedeutendsten
Vertreter ihrer jeweiligen Gattung: Adriaen de Vries, Ottavio Miseroni
oder Jan Vermeyen. Hofkünstler wie diese hatten stets Zugang zum Kaiser
und seiner Sammlung; ein Privileg, das damals nur wenigen zuteil wurde.
Bodenschatz und Kunstobjekt. Edle Steine in fürstlichen Kunstkammern um 1600
Edlen Steinen kommt von jeher ein hoher Stellenwert zu, wenn es gilt,
Status und Rang zu demonstrieren. In den fürstlichen Kunstkammern des
16. und 17. Jahrhunderts zählen die Gefäße und Kameen aus Achat,
Jaspis, Lapislazuli oder Onyx zu den kostbarsten und teuersten
Prunkstücken. Man erfreut sich am Material und seiner Schönheit, die
als Abglanz des Göttlichen verstanden wird. Zugleich bewundert man die
Fähigkeit der Steinschneider, das harte Naturmaterial in einem
schwierigen und zeitintensiven Arbeitsprozess so zu formen, dass Gefäße
wie aus Wachs modelliert wirken, oder die Färbung für Kameen und
Steinmosaike so zu nutzen, dass das Ergebnis wie mit dem Pinsel gemalt
erscheint. Die Natur ist hier, so wie auch bei den bemalten
Alabasterplatten, Ausgangspunkt und Inspirationsquelle für den Künstler
zugleich.
Kaiser Rudolf II, bringt den edlen Steinen besonderes Interesse
entgegen. Agenten suchen für ihn nach den schönsten und seltensten
Stücken. Als König von Böhmen verfügt er über entsprechende
Bodenschätze, die er abbauen und verarbeiten lässt. Er holt
Spezialisten wie Ottavio Miseroni und Cosimo Castrucci an seinen Hof,
die exklusiv für ihn tätig sind. Sie kommen aus Mailand bzw. Florenz,
den führenden Zentren der Steinschneidekunst in dieser Zeit. In Florenz
wird die Produktion von den Medici ebenfalls gezielt gefördert und
eingesetzt, um Pracht und Ansehen ihres Hofes zu steigern.
Prunkbecken mit Kanne
Nikolaus Schmidt (um 1550/55-1609), Nürnberg, um 1592
Silber, teilweise vergoldet und bemalt, Perlmutt, Perlen, Granate
Diese Garnitur entstand in Nürnberg, imitiert aber eine im indischen
Gujarat verbreitete Dekorationsform mit schuppenartig angeordneten
Perlmuttplättchen. Süddeutsche Handelshäuser importierten entsprechend
gestaltete Gefäße und Kästchen als Sammlerstücke, die Anregungen für
das heimische Kunsthandwerk boten. Hier beleben zudem abgegossene Tiere
und große Perlen den Rand des Beckens.
Erzherzog Ferdinand II. (1529-1595). Die Kunst- und Wunderkammer auf Schloss Ambras
Erzherzog Ferdinand II., der Bruder Kaiser Maximilians II., wird 1564
Statthalter von Tirol und den habsburgischen Vorlanden. Er trägt auf
Schloss Ambras bei Innsbruck eine Sammlung zusammen, die er selbst
bereits mit dem Begriffspaar der Kunst- und Wunderkammer bezeichnet.
Schon vor seinem Neffen, Kaiser Rudolf II., legt er ein „Universum im
Kleinen" an, das zu seiner Zeit weithin berühmt ist. Verwahrt wird die
Sammlung in einem eigenen Gebäudetrakt des Schlosses, einem der ersten
Bauwerke nördlich der Alpen, das eigens für einen solchen Zweck
errichtet und als „Musaeum" bezeichnet wird. Dort stehen in einem Saal
20 Kästen mit den Objekten, die vor allem nach dem Prinzip der
Materialgleichheit geordnet sind.
Ein 1596 angelegtes Inventar des Nachlasses und die in großer Zahl
überlieferten Objekte geben noch heute eine gute Vorstellung von der
immensen Vielfalt an Natur- und Kunstgegenständen, Erinnerungsstücken,
Raritäten und Kuriositäten in der Ambraser Kunstkammer. 1605 erwirbt
Kaiser Rudolf II. die Sammlung, zu der auch zahlreiche Rüstungen und
Bildnisse von Berühmtheiten gehören, belässt sie aber in Ambras. 1806
gelangt sie nach Wien.
Heute verteilen sich die erhaltenen Bestände auf verschiedene museale
Sammlungen im Kunst- und Naturhistorischen Museum, im Museum für
Völkerkunde und in der Nationalbibliothek. Besondere Vorlieben des
Erzherzogs, wie etwa sein großes Interesse an Glas- und Keramikobjekten
sowie an Handsteinen, bleiben in der Wiener Kunstkammer immer noch gut
erkennbar.
* * *
Tantalus als Scherzgefäß
Christoph Gandtner (um 1560/65-1605), Innsbruck, um 1580/90, Ton, Zinnglasur
Landsknecht als Scherzgefäß
Christoph Gandtner (um 1560/65-1605) Innsbruck, Ende 16. Jh. Ton, Zinnglasur
Holzkastenuhr
Johann Schönmann (tätig 2. Hälfte 16. Jh.), Konstanz, 1584, Holz, Papier, Zinn, Eisen, teilweise bemalt
Sog. Trompeterautomat
Hans Hans Schlottheim (um 1544/47-1625), Augsburg, 1582
Ebenholz, Palisander, Silber, vergoldet, Email, Messing vergold Email, Messing, vergoldet, Eisen
Im Inneren des niedrigen Turmes befindet sich die ausgeklügelte
Mechanik für das Spielwerk und die Bewegungen der Paukenspieler und
Trompeter.
Kaiser Ferdinand II., Süddeutsch, um 1630/40, Elfenbein
Konterfettenkugel, Lorenz Zick (1594-1666), Nürnberg, vor 1657, Elfenbein, Muschelkameen, Gouachemalerei
Inszenierung einer Dynastie. Die Sammlungen des Hauses Habsburg im 17. Jahrhundert
Der große Konflikt des 17. Jahrhunderts, der 30-jährige Krieg
(1618-1648), hinterlässt seine Spuren auch in den habsburgischen
Sammlungen. In der Auseinandersetzung, die als Ringen um Glaubensfragen
zwischen Katholiken und Protestanten beginnt und als Kampf um die
Vorherrschaft verschiedener Mächte in Europa endet, setzen die Kaiser
Ferdinand II. (1578-1637) und Ferdinand III. (1608-1657) auch ihre
Kunstschätze ein, um den Führungsanspruch ihrer Dynastie zu
demonstrieren.
Nach dem Tod Rudolfs II. (1612) gelangen Teile seiner Kunstkammer aus
Prag nach Wien. Kaiser Ferdinand II. lässt die Eigentums- und
Erbfolgerechte für die gesamten Kunstbestände des Hauses festschreiben.
Sein Sohn, Ferdinand III., richtet in der Wiener Hofburg eine „Schatz
Cammer"-Galerie ein, die gegen Eintrittsgeld zugänglich gemacht und in
Folge auch in Reiseberichten beschrieben wird.
Mit ihren über Generationen hinweg angesammelten Beständen zeigt sie
nach wie vor ein vielfältiges Nebeneinander von Natur- und
Kunstgegenständen. Aufträge und Ankäufe erweitern den Bestand nun aber
vorrangig um Goldschmiede- und Steinschneidearbeiten, Werke der
Elfenbein- und der Uhrmacherkunst. Sie sollen dem Besucher der
kaiserlichen Schatzkammer, die seit dieser Zeit in eine weltliche und
geistliche Bestandsgruppe geteilt ist, Bedeutung, Größe und Frömmigkeit
des Hauses Habsburg so wirkungsvoll als möglich vor Augen führen.
* * *
Prunkbecken mit Kanne
Georg Pfründt (1603-1663), Schnitzerei
Hans Jakob Mair (um 1641–1719), Montierung
Georg Strauch (1613–1675), Email
Augsburg, um 1663 (Elfenbein und Montierung);
Nürnberg, 1664 datiert (Email)
Elfenbein, Silber, vergoldet, Email
Triumph Kaiser Leopolds I.
Christoph Maucher (1642-um 1706/07)
Danzig, 1700 datiert
Elfenbein, Ebenholz
Mit seinem Sohn und Nachfolger Joseph I. zur Seite thront der Kaiser
hier über seinen osmanischen Gegnern und Symbolen des Bösen.
Inschriftenbänder am Sockel benennen seine siegreich geführten
Schlachten. Engel mit Insignien sowie die Personifikationen der
Vorsehung und der gerechten Rache verweisen auf die göttliche Gnade,
die die Herrschaft und die Siege des Kaisers trägt.
Detail: Triumph Kaiser Leopolds I.
Christoph Maucher (1642-um 1706/07)
Zwischen Hofkultur und Musealisierung. Vom Spätbarock zum Klassizismus (1710-1835)
Kaiser Karl VI. (1685-1740) nützt wie seine Vorgänger alle Formen und
Mittel barocker Herrschaftsrepräsentation. Seine Tochter und
Nachfolgerin in den habsburgischen Erblanden, Maria Theresia
(1717-1780), veranlasst die Umgestaltung der kaiserlichen Schatzkammer
und die Einrichtung der Gemäldegalerie im Oberen Belvedere. Unter dem
Eindruck der Aufklärung beginnen sich die Formen der Repräsentation nun
grundsätzlich zu verändern. Das Interesse an virtuosen
Kunstkammerstücken schwindet; in den Vordergrund treten Aufträge und
Erwerbungen zur Ausstattung der neu gestalteten Residenzen mit
Gemälden, Skulpturen, Tapisse- rien, Möbeln und Tafelgerät.
Porträtbüsten bleiben wichtige Mittel herrschaftlicher Repräsentation
und Propaganda.
Im 18. Jahrhundert steigt das Interesse an den Wissenschaften, der
Technik und der Vergangenheit. Archäologische Funde in Italien lösen in
ganz Europa eine neue Welle der Antikenbegeisterung aus. Es entsteht
der strenge, direkt an antiken Vorbildern orientierte Klassizismus.
Bereits vor der Mitte des Jahrhunderts tritt in Wien in den Werken des
Bildhauers Georg Raphael Donner eine antikisierende Formensprache in
Erscheinung („Barockklassizismus"), die hier bis nach 1770 an der
kaiserlichen Hofakademie als Vorbild wirkt. In weiterer Folge wird
Antonio Canova zur europäischen Autorität auf dem Gebiet der Skulptur,
dessen Arbeiten auch das Haus Habsburg schätzt.
Erzherzogin Marie Antoinette, Dauphine von Frankreich
Jean Baptiste Lemoyne II (1704-1778), Paris, 1771 datiert, Marmor
Deckenbild
Venus und Amor
Pompeo Marchesi (1783-1858), Mailand, 1838 datiert, Marmor
Erzherzog Leopold Wilhelm (1614-1662). Ein Sammler und seine Zeit
Im 17. Jahrhundert hat die Malerei nach einem fast zweihundert Jahre
dauernden Streit um die Frage, welcher der Künste der Vorrang vor allen
anderen gebührt, endgültig gesiegt. Damit verlagern sich auch die
Interessen der fürstlichen Sammler. Erzherzog Leopold Wilhelm, der
jüngere Bruder Kaiser Ferdinands III., erwirbt in seiner Zeit als
Statthalter in den habsburgischen Niederlanden rund 1400 Gemälde. Diese
Sammlung bildet heute den Kernbestand der Gemäldegalerie des
Kunsthistorischen Museums. 1656 bringt er sie nach Wien, wo in der
Stallburg seine „Kunstkammer" vor allem mit Gemälden und Skulpturen
eingerichtet wird. Die Dominanz der Gemäldegalerie als des Ortes der
ästhetischen und intellektuellen Auseinandersetzung mit Kunst beginnt.
Objekte aus edlen Materialien und technische Meisterwerke wie Uhren und
Automaten bleiben jedoch auch weiterhin hochgeschätzte Zeichen von
Status und Reichtum in fürstlichen Sammlungen. Eine Brücke zu den
Werken der bildenden Kunst schlagen dabei besonders die Statuetten und
Reliefs aus Elfenbein und Bronze. Sie setzen sich häufig mit den Werken
berühmter Bildhauer und Maler wie Gian Lorenzo Bernini oder Peter Paul
Rubens auseinander und übertragen sie ins kleine Format kostbarer
Werkstoffe. Mit den Vorbildern werden zugleich die Formvorstellungen
und Themen des Früh- und Hochbarock rezipiert.
Deckelpokal
Nikolaus Pfaff (um 1556-1612), Prag, 1611
Rhinozeroshorn, Warzenschweinhauer, Silber, vergoldet, teilweise bemalt
Dieser Prunkpokal aus der Kunstkammer Kaiser Rudolfs II. trägt einen
Deckel, der die Kieferteile eines Warzenschweines umhüllt. Dessen Hauer
bilden die Hörner einer Monsterfratze. Zusammen mit den kleinen Tieren
verkörpert sie vermutlich die dämonische Seite der Natur, die man durch
die heilenden Kräfte des scheinbar mit Korallenästen besetzten Gefäßes
aus Rhinozeroshorn zu bannen glaubte.
JUNGLING VOM MAGDALENSBERG
Abguss des 16. Jhs. nach römischem Original Vom Magdalensberg (Kärnten, Österreich), Bronze
1986 erbrachte ein Forschungsprojekt zur Guss- und Farmtechnik des
Jünglings vom Magdalensberg ein überraschendes Ergebnis: Die Statue,
die als der bedeutendste römerzeitliche Bodenfund im Ostalpenraum
gegolten hatte, ist nicht das vermeintliche antike Original, sondern
cin Abguss aus dem 16. Jahrhundert. Das Original wurde 1502 von einem
Bauern beim Pflügen am Magdalensberg in Kärnten gefunden. Durch den
Erzbischof Matthäus Lang von Wellenburg gelangte die Statue nach
Salzburg, bereits 1534 erschien als erste Abbildung des Jünglings ein
Holzschnitt. 1551 entsprach das Salzburger Domkapitel dem Wunsch
Ferdinands 1. und übergab die Statue dem König. Für Salzburg ließ man
einen Abguss anfertigen, doch scheint das Wissen um diesen Vorgang in
Vergessenheit geraten zu sein, sodass der Abguss, der 1806 in die
Wiener Antikensammlung gelangte, für das antike Original gehalten
wurde. Dieses ist leider verschollen, doch führen Spuren nach Spanien
(Aranjuez), wo sich ab dem 17. Jahrhundert ein Doppelgänger des
Jünglings (das Original?) befand, der in den Wirren der Napoleonischen
Kriege in Verlust geraten ist.
Wesentliche Beweise, dass es sich beim Jüngling um einen
Renaissance-Abguss handelt, liegen in der Guss- und Formtechnik, die
von der in der Antike üblichen abweicht, sowie in Analysen der
Legierung und des Gusskerns. Das Original gilt als Werk der römischen
Idealplastik aus dem 1. Jh. v. Chr., die sich an klassischen
griechischen Skulpturen orientierte. Der Inschrift am rechten
Oberschenkel zufolge haben zwei Freigelassene, Aulus Poblicius Antiocus
und Tiberius Barbius Tiberi[a]nus, die auf dem Magdalensberg gefundene
Statue gestiffel.
MUSE („WIENER KORE")
Römisch, Mitte 2. Jh. n. Chr. nach griechischem Original Ende 4. Jh. v. Chr. Wahrscheinlich aus Rom oder Umgebung, Marmor
Die leicht unterlebensgroße Muse trägt einen Chiton, ein Untergewand,
das nur an den Schultern und um die Knöchel des Mädchens als reich
gefältelter dünner Stoff sichtbar ist, und darüber einen Mantel, das
Himation. Dieser liegt scheinbar so eng am Körper an, dass der Nabel
des Mädchens zu erkennen ist. Mit dieser Übertreibung werden die
Feinheit des Stoffes und die Kunstfertigkeit des Steinmetzen
gleichermaßen zur Schau gestellt. Beide Arme der Statue sind ergänzt;
wir wissen also nicht, was die Muse ursprünglich anstelle der später
ergänzten Flöten in ihren Händen hielt. Gestus und Gewand lassen sich
aber mit zahlreichen erhaltenen Musenstatuen vergleichen. Früher wurde
die Statue auch mit Persephone (Kore) identifiziert. Zwar wurde das
Standbild, wie an der Ausarbeitung sowie an Details der Frisur und des
Gewandes erkennbar ist, in römischer Zeit hergestellt, doch geht das
Motiv wohl auf eine aus dem letzten Viertel des 4. Jahrhunderts v. Chr.
stammende griechische Statue zurück.
ÖSTERREICH IN DER ROMERZEIT
Auf dem Staatsgebiet des heutigen Österreich siedelten in vorrömischer
Zeit großteils keltische Stämme. Bereits im 2. Jh. v. Chr. etablierte
sich zwischen Inn, Donau und Enns das regnum Noricum, ein
Stammesverband, der rege Handelsverbindungen mit Rom pflegte. Begehrt
war neben den Goldvorkommen besonders das ferrum Noricum, ein speziell
verhüttetes, stahlähnliches Eisen.
Als um Christi Geburt Kaiser Augustus das römische Imperium nach Norden
erweiterte, scheint der norische Stammesverband, wohl als Folge der
schon bestehenden engen Kontakte, kampflos annektiert worden zu sein.
Raetien wurde durch Tiberius und Drusus erobert. Den größten Widerstand
leistete Pannonien, das nach einem Aufstand 9 n. Chr. endgültig
unterworfen wurde.
Neben dem Ausbau des Straßennetzes galt das Augenmerk der Römer
insbesondere der Sicherung der befestigten Nordgrenze, des „Limes".
Hier entstanden Kastelle und Wachtposten. Daneben wurden Siedlungen
gegründet, ausgebaut und zu Städten erhoben. Die Provinzen existierten
bis in die Spätantike, ehe der römische Einfluss durch die
Völkerwanderung zurückgedrängt wurde.
HELLENISTISCHE SKULPTUR
Durch die Feldzüge Alexanders des Großen und die Aufteilung der
eroberten Gebiete kam es am Ende des 4. Jhs. v. Chr. zu einer
umfassenden Neugestaltung der antiken Welt. In der Nachfolge Alexanders
(gest. 323) errichteten die Diadochen rund um das östliche Mittelmeer
hellenistische Herrschaftsbereiche. Im Unterschied zum einheitlichen
Stil der Klassik entstanden nun im Bereich der Kunst zahlreiche
Mischformen; sie gehen auf Anregungen und Einflüsse aus den lokalen
Traditionen der neuen Königreiche (Ägypten, Naher Osten, Anatolien)
zurück, deren Herrscher auch die wichtigsten Auftraggeber und Förderer
der Künstler waren.
Die hellenistische Skulptur ist von bewegtem Pathos geprägt; sie zeigt
Götter und Menschen zum Teil in starker Bewegung und in reich
drapierten Gewändern. Züge des Alters oder auch körperliche Mängel sind
realistisch wiedergegeben. Für die Entwicklung des Porträts bedeutet
dies eine Abkehr vom idealisierten Bildnis zugunsten von lebensnahen
Darstellungen.
Im Relief wurde nicht nur durch Staffelung, sondern auch durch
perspektivische Darstellung die Illusion räumlicher Tiefe erzeugt;
erstmals fanden landschaftliche Elemente Berücksichtigung.
Frühhellenismus: 330/320-230 v. Chr.
Hochhellenismus: 230-150 v. Chr.
Späthellenismus: 150-30 v. Chr.
* * *
THESEUS UND ARIADNE
MOSAIK ROMISCH 2. JAHRH.
LINKS: ARIADNE REICHT THESEUS DEN WOLLKNÄUEL
MITTE: THESEUS BEZWINGT DEN MINOTAUROS.
DAS UMGEBENDE MUSTER STELLT DAS LABYRINTH DAR
OBEN: THESEUS UND ARIADNE BESTEIGEN DAS SCHIFF
RECHTS: DIE VERLASSENE ARIADNE AUF NAXOS
GEFUNDEN 1815 AUF DEN LOIGER FELDERN BEI SALZBURG
DIONYSOS-BACCHUS
Römisch, 2. Jh. n. Chr., nach griechischem Vorbild des 4. Jhs. v. Chr., Aus Karthago (Tunesien), Marmor
Der Gott des Weines und der Fruchtbarkeit hält in der gesenkten Rechten
ein Trinkgefäß (Kantharos), die Linke hielt wohl den Thyrsos, einen mit
einem Pinienzapfen bekrönten Stab. Das Haupt und der als Stütze
dienende Baumstrunk sind mit Efeu, Weinlaub und Trauben geschmückt.
Rechts sitzt ein Panther, das Begleittier des Gottes.
Die römische Geschichtsschreibung überliefert für das Jahr 509 v. Chr.
eine große Wende im römischen Staatsgefüge: Damals erfolgten der Sturz
des Königtums und die Gründung der römischen Republik (res publica) mit
dem Senat und dem Volk von Rom (SPQR = senatus populusque Romanus) als
Träger des staatlichen Handelns. Neben der Ausbildung der Verfassung
und von deren Institutionen (Magistratur, Senat und Volksversammlung)
im Laufe der vorchristlichen Jahrhunderte war die Expansion Roms in
Italien und im Mittelmeerraum die Grundlage für die spätere Bedeutung
der Stadt.
In den im Saal XII ausgestellten Denkmälern spiegelt sich die
Gesellschaft der römischen Republik und der frühen Kaiserzeit wider.
Die Inschriften überliefern Gesetze, Senatsbeschlüsse und Bauurkunden.
Religion und Kult als Grundlagen des Lebens finden ihren Niederschlag
in der Darstellung von antiken Mythen und Opferhandlungen sowie in
Objekten des Grabkultes. Die römische Münze wurde zu einem wichtigen
Propagandamittel. Lebende Personen oder aktuelle Ereignisse
darzustellen war jedoch bis zum Ende der Republik verpönt.
Als besondere Errungenschaft der römischen Kunst gilt die Entwicklung
des realistischen Porträts. Unter dem Einfluss der hellenistischen
Kultur erfolgte die Charakterisierung einer Person durch die Betonung
individueller Züge. Die deutliche Darstellung von Altersmerkmalen
unterstreicht den hohen Stellenwert und die Würde des Alters in der
Gesellschaft der späten Republik.
* * *
C. JULIUS CAESAR (geb. 100 v. Chr. – 44 v. Chr.)
Letztes Viertel 1. Jh. v. Chr., augusteische Kopie Marmor, neuzeitlich ergänzt (Büste und Rundsockel) und überarbeitet (Kopf)
Julius Caesar, mit dessen Diktatur die Republik zu Ende ging, hat sich
als seriöser Staatsmann mit hageren Zügen und einnehmendem Lächeln
darstellen lassen.
VENUS UND AMOR
Die Liebesgöttin Venus (griechisch Aphrodite) lockt mit einer Frucht
den kleinen Amor, der auf seine Mutter zugeflogen ist und den sie an
sich drückt. Die idyllische Szene ist eine hellenistische Erfindung,
die fülligen Körperformen der Venus, die afrikanische Löckchenfrisur
und die Form des Diadems machen die Herkunft der Statuette aus Ägypten
wahrscheinlich.
RÖMISCHES TAFELGESCHIRR
Das römische Prunkgeschirr wird ab dem 1. Jh. v. Chr. im italischen
Raum, später vor allem in Gallien und Germanien, aus einem klingend
harten, tiefroten Ton hergestellt und modern als terra sigillata
bezeichnet. Die Gefäße wurden vornehmlich in Formschüsseln hergestellt
oder mit Stempeln und Relief aus aufgelegtem Tonschlicker verziert. In
der Spät- antike waren die nach ihrer Herkunft als „Trierer Becher"
bezeichneten bauchigen Gefäße sehr beliebt, die umlaufend eine
Inschrift tragen, in der dem Trinker Glück und langes Leben gewünscht
wird.
Antike Gefäße aus Gold, Silber oder Bronze, aber auch Waffen (Helme,
Schilde, Panzer) wurden meist in Treibarbeit hergestellt, wobei häufig
eine gegossene Rohform durch Treiben in die endgültige Form gebracht
wurde. Neben der Vergoldung (Feuer- oder Blattvergoldung) kam bei
Gefäßen auch die Emailtechnik zur Anwendung: Das mit Metalloxyden
gefärbte Glaspulver wurde in flache Gruben eingeschmolzen
(Grubenemail") und anschließend überschliffen.
Spätestens mit der Erfindung der Glasbläserpfeife im 1. Jahrhundert v.
Chr. wurde Glas in großer Menge produziert. Neben komplizierten
Techniken, bei denen Glasstäbe unterschiedlicher Farbe
zusammengeschmolzen wurden (Millefiori"), stellen die spätantiken,
zweischaligen Diatretgläser einen Höhepunkt des Kunsthandwerks dar: Der
Glas- becher wird dabei von einem dichten Netz dünner Stege und Rippen
umfangen, das wohl aus einem zweischalig gepressten Rohling geschliffen
wurde.
* * *
GEMMA AUGUSTEA
Römisch, 9 - 12 n. Chr., Zweischichtiger Sardonyx, Fassung: Goldreif
Rückseite in ornamentierter Durchbruchsarbeit, Deutsch, 17. Jh.
Im oberen Bildstreifen thront Augustus in der Tracht und Pose Jupiters,
in den Händen Szepter und Augurenstab. Zur seiner Rechten sitzt Roma,
die Schutzherrin der Stadt. Zwischen den Köpfen der beiden Figuren der
Steinbock, das Zeugungsgestirn des Augustus, zu seinen Füßen der Adler.
Auf der rechten Seite befindet sich eine Gruppe allegorischer Figuren:
Oikumene, die bewohnte Erde (sie hält einen Eichenlaubkranz über das
Haupt des Kaisers), Okeanos, die Personifikation des Meeres, sowie
Italia mit Füllhorn und zwei Knaben. Neben Roma steht in
Offizierstracht der Großneffe des Augustus, Germanicus. Auf der linken
Seite steigt Tiberius, der Stiefsohn und designierte Nachfolger des
Kaisers, von einem Zweigespann, das von Viktoria gelenkt wird; er ist
lorbeerbekränzt und hält ein langes Szepter. Im unteren Bildstreifen
errichten Götter (?) ein Tropaion (Siegesmal) und führen gefangene
Barbaren heran.
s
Die Darstellung bezieht sich vielleicht auf die Niederwerfung des
Dalmateraufstandes: Am 16. Jänner des Jahres 10 n. Chr. zog der
Oberbefehlshaber der römischen Truppen, Tiberius, in Rom ein; als
Sieger tritt er hier vor den Kaiser.
ANTIKE GLYPTIK
Die Prunkkameen der Antike sind Meisterwerke der Steinschneidekunst
(Glyptik). Als kulturgeschichtliche, politische und religiöse Zeugnisse
ihrer Zeit faszinieren sie durch ihre virtuose Technik und das kostbare
Material. Sie dienten der politischen Repräsentation und der
Verherrlichung des Kaiserhauses. Während Gemmen vertieft geschnitten
sind, stellen Kameen Miniaturreliefs dar. Sie wurden erhaben aus dem
Stein geschliffen, wobei meist die Figuren in der hellen Schicht
gearbeitet sind und die dunkle den Reliefgrund bildet. Gemma (Knospe)
wurde bei den Römern jeder geschliffene Edelstein genannt, während im
heutigen Sprachgebrauch nur die geschnittenen, mit einem vertieft
eingearbeiteten Bild verzierten Steine so bezeichnet werden. Die Gemmen
waren meist in Fingerringen gefasst und wurden als Siegel verwendet
oder als Schmuckstücke getragen.
Schon in der Antike waren Kameen und Gemmen Sammelobjekte der römischen
Kaiser. Der Wiener Bestand an geschnittenen Steinen ist zum größten
Teil aus habsburgischem Besitz hervorgegangen und lässt sich bis ins
16. Jahr- hundert zurückverfolgen. Die überragende
Sammlerpersönlichkeit war in diesem Bereich Kaiser Rudolf II. (reg.
1576-1612). Er und sein Nachfolger Matthias legten das Fundament der
heutigen Sammlung. Die Wiener Antikensammlung besitzt heute beinahe
6000 geschnittene Steine und zählt damit zu den bedeutendsten archäo-
logischen Sammlungen auf diesem Gebiet. Hinsichtlich der Prunkkameen
ist der Wiener Bestand zweifellos der größte und bedeutendste überhaupt.
GOLDSCHATZ VON NAGYSZENTMIKLÓS
Im Jahr 1799 wurde durch Zufall im Gebiet der Stadt Nagyszentmiklós
(heute Sânnicolau Mare, Rumänien) der größte bisher bekannt gewordene
Goldschatz des europäischen Frühmittelalters entdeckt. Obwohl man
versuchte, den Fund zu verheimlichen und seine Teile getrennt zu
veräußern, konnten 23 Goldgefäße mit einem Gesamtgewicht von 9.926 g
sichergestellt werden.
Die Krüge, Schalen, Becher, Pokale und das Trinkhorn bestechen durch
ihre hohe künstlerische Qualität und vermitteln zunächst einen
einheitlichen Charakter, wurden jedoch zu unterschiedlichen Zeiten von
verschiedenen Händen gefertigt und später teilweise umgearbeitet.
Awarische Elemente finden sich neben säsänidischen und
römisch-byzantinischen, Fabeltiere neben dem christlichen Kreuz. Bis
heute fehlen exakte Vergleichsstücke.
Aufgrund dieser Uneinheitlichkeit und der Einzigartigkeit wurden bisher
die unterschiedlichsten Zuweisungen und Datierungen vorgeschlagen (7.
Jh.: Kuvralbulgaren; 7./8. Jh.: Awaren; 9. Jh.: Balkanbulgaren; 10./11.
Jh.: Ungarn oder Petschenegen). Die jüngere Forschung ist sich einig,
dass die Gefäße in der Zeit vom 7. bis zum 9. Jahr- hundert n. Chr. im
Lauf mehrerer Generationen hergestellt wurden, und tendiert dazu, einen
Zusammenhang mit der Kultur der Awaren anzunehmen.
ΑΜΑΖΟΝΕNSARKOPHAG
Griechisch, um 320 v Chr.
Weiblicher Torso
Frühe Ptolemäerzeit, ca. 270-250 v. Chr., Diorit, 1878 aus der Sammlung Miramar übernommen
Diese Figur zeigt eine stehende Frau in traditioneller Haltung, jedoch
in dem für die Ptolemäerzeit typischen ästhetischen Stil. Das eng
anliegende Kleid erweckt den Eindruck von Nacktheit. Da kein
Kopfschmuck und keine Krone erhalten sind, kann nicht bestimmt werden,
ob eine Göttin, eine königliche Frau oder eine Privatperson dargestellt
ist.
Statuengruppe des Gottes Horus und des Königs Haremhab
Neues Reich, 18. Dynastie, Zeit Haremhabs, 1343-1315 v. Chr., Kalkstein;
1918 aus dem Besitz des Erzherzogs Franz Ferdinand übernommen
Der König trägt hier das Nemes-Kopftuch mit der Uräus-Schlange sowie
die Doppelkrone von Ober- und Unterägypten. Horus ist
menschengestaltig, aber mit Falkenkopf dargestellt. Bereits in der
Frühzeit wurde er als Himmels- und Sonnengott verehrt. Wie der König
ist auch er mit einem plissierten Schurz bekleidet und trägt die
Doppelkrone. In der linken Hand hält er das Anch-Zeichen.
Mut, Isis und Chons
Harpokrates
CHRONOLOGIE ÄGYPTENS
Prädynastische Zeit ca. 5500-ca. 3050 v. Chr.
Frühdynastische Zeit ca. 3050-2687 v. Chr.
Altes Reich 3.-6. Dynastie ca. 2687-2191 v. Chr.
Erste Zwischenzeit 7. 10. Dynastie Frühe 11. Dynastie ca. 2190-2061 v. Chr.
Mittleres Reich Späte 11. Dynastie 12.-14. Dynastie 2061-1665 v. Chr.
Zweite Zwischenzeit 15.-17. Dynastie ca. 1664 1569 v. Chr.
Neues Reich 18. Dynastie 19. und 20. Dynastie ca. 1569-1081 v. Chr.
Dritte Zwischenzeit 21. 23. Dynastie 1081-724 v. Chr.
Spätzeit 24.-31. Dynastie 724-332 v. Chr.
Griechisch-römische Zeit Makedonische Dynastie Ptolemäerzeit Römische Zeit 332 v. Chr.-337 n. Chr.
USCHEBTI (SHABTI)
Ab dem Mittleren Reich wurden dem Verstorbenen kleine mumienförmige
Figuren als Arbeiter für das Jenseits mit ins Grab gegeben. Sie sollten
dort die Arbeiten verrichten, zu denen der Tote verpflichtet ist. Nach
der altägyptischen Bezeichnung Uschebti werden sie „Antworter" genannt,
denn sie sollen mit „hier bin ich" antworten, wenn der Aufruf an sie
ergeht, die Felder zu bewässern, Sand zu tragen etc.
Als Material wurde Holz, Stein, Ton und glasierte Fayence verwendet.
Ton und Fayence konnten in Modeln geformt werden und waren für die
Massenproduktion geeignet. Meist waren die Figuren mit dem Namen und
auch den Titeln der Person beschriftet, für die sie bestimmt waren.
Besondere Exemplare tragen den so genannten Uschebti-Spruch, das
sechste Kapitel des Totenbuches, in dem die zu verrichtenden Arbeiten
aufgezählt werden. Billige Produkte waren klein und ohne Beschriftung,
die mindeste Qualität aus gebranntem Ton und nahezu formlos. Die Idee
an sich war wichtig.
Es wurde eine Vielzahl von Uschebti mitgegeben, ideal war mindestens
ein Arbeiter für jeden Tag des Jahres, also 365 Stück, und pro
Zehnereinheit zusätzlich ein Aufseher. Die Arbeiter halten in den über
der Brust gekreuzten Händen die Hauen für die Feldbearbeitung, auf dem
Rücken tragen sie Körbe oder das Tragjoch mit den Wassertöpfen. Die
Aufseherfiguren sind im Gewand der Lebenden dargestellt und halten eine
Peitsche.
Sowohl Königen als auch Privatpersonen wurden Uschebti als Grabbeigabe
mitgegeben. Die Figuren wurden meist in Kästchen gelegt, die als Haus,
Speicher oder in der Spätzeit auch als Kapelle gestaltet waren. Eine
besondere Art stellten Figuren dar, die einzeln in passende Särge
eingeschlossen waren.
Der Schutz des Abendlandes vor den Osmanen war für Kaiser Karl V.
(1500-1558), den Sohn Philipps des Schö- nen und Johannas der
Wahnsinnigen, ein erklärtes Ziel. Bedroht wurde der Friede, als im
August 1534 Chair-ed-Din Barbarossa, ein Berberfürst und Admiral der
osmanischen Flotte, die strategisch wichtige Hafenstadt Tunis eroberte.
Er vertrieb Muley Hasan, den dortigen Regenten und Vasallen Karls V. Im
Juni 1535 brach der Kaiser daher mit einer Flotte von 400 Schiffen und
über 30.000 Soldaten nach Afrika auf, um das Königreich zu befreien,
eine weitere Ausweitung des osmanischen Reiches zu unterbinden und den
Osmanen den Zugriff auf das westliche Mittelmeer zu verwehren. Er
rechtfertigte seine militärische Unternehmung damit, dass es sich um
einen Kreuzzug handelte, galt es doch, an die 20.000 (?) christliche
Sklaven zu befreien. Nach dreiwöchiger Belagerung gelang es den
kaiserlichen Truppen, die Tunis vorgelagerte Festung La Goleta
einzunehmen. Unweit von Tunis kam es schließlich zur entscheidenden
Schlacht, aus der Karl als Sieger hervorging.
Um die Ereignisse des Feldzuges gegen Barbarossa und seinen erhofften
Sieg in allen Details der Nachwelt zu überliefern, hatte Kaiser Karl V.
neben Historikern und Dichtern auch den Hofmaler Jan Cornelisz.
Vermeyen (um 1500-1559) als Begleiter und „Kriegsberichterstatter"
ausgewählt. Elf Jahre nach dem Kriegszug erhielt der flämische Künstler
den Auftrag, Vorlagen für insgesamt zwölf Tapisserien mit Darstellungen
der militärischen Unternehmung anzufertigen.
Als Grundlage dienten Vermeyen Zeichnungen und Skizzen, die er selbst
vor Ort angefertigt hatte. Bei der Ausführung der Kartons, der original
großen Vorlagen zur Anfertigung der Tapisserien, wurde er unter anderem
durch den flämischen Maler Pieter Coecke van Aelst (1502-1550)
unterstützt. Das inhaltliche Programm, das vermutlich der spanische
Historiker und Kosmograph Alonso de Santa Cruz entwickelte, huldigt den
strategischen Qualitäten des Kaisers, betont seinen Mut und seine
Stärke und feiert ihn als Beschützer der christlichen Welt. Die
originale, ab ca. 1535 in Brüssel angefertigte Tapisserienserie ist in
Madrid erhalten. Noch im 18. Jahrhundert wurde nach denselben Kartons
eine Serie für Kaiser Karl VI. (1685-1740) hergestellt, die heute zum
Bestand des Kunsthistorischen Museums gehört.
Das Münzkabinett zählt zusammen mit der Antikensammlung zum Kern des
Kunsthistorischen Museums. In der heutigen Form wurde die
Schausammlung, die seit der Eröffnung des Hauses 1891 besteht, im Jahre
1998 eingerichtet.
Das Münzkabinett sieht die Numismatik nicht nur als Geschichte der
Münze, sondern als Zusammenschau aller Geldformen. Zunächst wurden
ausschließlich Münzen, Medaillen und Ehrenzeichen gesammelt, wobei die
römischen Münzen, die österreichischen Prägungen des Mittelalters und
der Neuzeit sowie die Medaillen stets Sammlungsschwerpunkt waren.
Dieser verlagerte sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts, Hand in Hand
mit dem Ende der Monarchie, auf Gebiete von mehr systematischer wie
ästhetischer Bedeutung. Seither befinden sich auch Naturalgeld,
Papiergeld, Prägestempel, Waagen und Gewichte, Münzschatzgefäße sowie
vergleichbare Objekte in den Beständen.
Heute zählt die Wiener Sammlung mit ihren rund 600.000
geldgeschichtlichen Objekten zu den bedeutendsten und größten
Kabinetten der Welt. Bei einem Rundgang durch die zwei Säle der
Dauerausstellung durchwandert man beinahe dreitausend Jahre Geschichte,
beginnend mit der Vorzeit bis herauf in das 21. Jahrhundert. An den
Wänden ist als umlaufendes Band die Porträtsammlung Erzherzog
Ferdinands von Österreich-Tirol, des Begründers der Ambraser Sammlung,
zu sehen. Die etwa 1.000 Bildnisse umfassende, ab 1579 entstandene
Galerie wird in ihrer historischen Anordnung auf acht Tafeln
präsentiert.
* * *
ANTON SCHARFF:
VOTIVTAFEL DER FAMILIE KRUPP ZUM FÜNFZIGJÄHRIGEN REGIERUNGSJUBILÄUM KAISER FRANZ JOSEPHS, 1898
Dargestellt sind Szenen wichtiger Ereignisse seit dem Jahr 1848:
Sieg bei Santa Lucia (1848)
Thronbesteigung Kaiser Franz Josephs (1848)
Vermählung Franz Josephs mit Elisabeth (1854)
Eröffnung der Eisenbahnstrecke über den Semmering (1854)
Eröffnung der Ringstraße (1865)
Erlaß des Februarpatents (1861)
Sieg bei Custozza (1866)
Seesieg bei Lissa (1866)
Krönung Franz Josephs zum König von Ungarn (1867)
Reichsvolksschulgesetz (1869),
Festzug der Stadt Wien (1879),
Bündnis zwischen Österreich-Ungarn, Deutschland und Italien (1883),
Enthüllung des Maria-Theresien-Denkmals (1888)
GUSTAV WEIDANZ
Ehrenpreis der Stadt Halle. 1925
ALBRECHT DÜRER - HANS KRAFFT
Kaiser Karl V. 1521
ANTON SCHARFF
Eröffnung des Wiener Rathauses. 1883
CARL RADNITZKY
Kaiser Franz Joseph I. 1853
Oesterreichische Nationalbank Banknote zu 1.000 Schilling Wien, 2. Jänner 1961 Muster
Oesterreichische Nationalbank Banknote zu 1.000 Schilling Wien, 1. Juli 1966
Oesterreichische Nationalbank Banknote zu 1.000 Schilling Wien, 3. Jänner 1983
Oesterreichische Nationalbank Banknote zu 1.000 Schilling Wien, 1. 1. 1997
Votivkirche hl. Karl Borromäus (Karlskirche) in Wien
Rückseite einer Medaille auf Kaiser Karl VI.
Daniel Warou, Münzstätte Wien, 1716
Kaiser Franz Josef I. und Kaiserin Elisabeth
Widmung der Stadt Wien zur Silbernen Hochzeit
Anton Scharff, Wien, 1879
Kaiser Karl I. und Kaiserin Zita
Widmung der Stadt Wien zur Feier der Thronbesteigung
Arnold Hartig, Wien, Hauptmünzamt, datiert 21. November 1916 (1917/18)
DIE PORTRÄTSAMMLUNG ERZHERZOG FERDINANDS II. VON TIROL
Erzherzog Ferdinand II. (1529-1595), der seit 1567 in Innsbruck
residierte und Schloß Ambras für seine Kunstsammlung ausbauen ließ,
legte in den letzten zwanzig Jahren seines Lebens eine Sammlung von
etwa 1000 Bildnissen berühmter Persönlichkeiten der Vergangenheit und
seiner eigenen Zeit an. Es handelt sich um die umfangreichste aller
erhaltenen Bildnissammlungen dieser Zeit. Alle Porträts sind von
gleicher Größe und haben etwa Postkartenformat. Ferdinand II. legte
Wert auf möglichste Einheitlichkeit der Sammlung und fügte den
Bestellungen der Bilder, etwa bei befreundeten Fürstenhöfen, Muster der
Größe bei. Auch sollten die Bildnisse in Öl auf Papier gemalt sein, um
die Zusendung zu erleichtern, und den Namen des Dargestellten auf der
Vorderseite aufgemalt tragen.
Möglichst große Bildnisähnlichkeit war Ferdinand II. ebenfalls sehr
wichtig. Die Bildnisse zeitgenössischer Persönlichkeiten geben im
allgemeinen deren tatsächliches Aussehen zuverlässig wieder. Bei den
mit Ferdinand II. ungefähr gleichaltrigen Angehörigen des Hauses
Habsburg beziehungsweise sonstigen nahen Verwandten, so besonders bei
den Gonzaga - Erzherzog Ferdinand II. war in zweiter Ehe mit einer
Prinzessin aus dem Haus Gonzaga vermählt - können wir mit authentischen
Vorbildern, wenn nicht sogar mit einer Ausführung nach dem Leben,
rechnen. Je weiter zurück allerdings die Lebenszeit der Dargestellten
liegt, desto weniger kann Porträtähnlichkeit erwartet werden.
Bildnisse berühmter Menschen zu sammeln war eine Erfindung der
Renaissance. Der italienische Humanist Paolo Giovio legte die
bekannteste dieser Sammlungen an und nannte sie „Musaeum". Kopien nach
den dort zusammengetragenen Porträts finden sich auch in der Sammlung
Ferdinands II. Die zweite Quelle waren Bildnisreihen von
Herrscherfamilien, die ursprünglich meist in Form von
Familienstammbäumen überliefert wurden. So geht die größte einheitliche
Gruppe, die Porträts der Habsburger seit Rudolf I., auf einen großen,
im Auftrag Kaiser Maximilians I. angefertigten Stammbaum zurück.
Weitere umfangreiche Reihen bilden die Porträts der Gonzaga und die
Bildnisse der Herzöge von Sachsen, die von Lucas Cranach d. J. stammen.
Die Sammlung, die beim Tod Ferdinands II. noch nicht vollendet war,
wurde nur unwesentlich um spätere Bildnisse, die meist an ihrem
kleineren Format erkennbar sind, erweitert. Sie gelangte in Schloß
Ambras nie zur Aufstellung, sondern wurde in Laden aufbewahrt, erst mit
der Übersiedlung der Ambraser Sammlung nach Wien in napoleonischer Zeit
wurden die Bildnisse in Tafeln vereinigt. Seit der Erbauung des
Kunsthistorischen Museums im Münzkabinett ausgestellt, wurde die alte
Zusammenstellung seither beibehalten. Die Bildnisgruppen sind nach
Ländern geordnet, auf die Mitglieder der fürstlichen Familien folgen
die sogenannten „Zelebritäten", wie Feldherrn, Künstler, Dichter,
Rechtsgelehrte und Philosophen.
ANTON DOMANÖCK
Kaiser Franz I. und Maria Theresia. 1754
JOHANN PERMANN
Kaiser Leopold I. 1677
SEBASTIAN DADLER
Kaiser Ferdinand III. und der Westfälische Friede. 1649
KARL WILHELM HOECKNER
Grundsteinlegung zur Kreuzkirche in Dresden. 1764