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Das mumok ist eines der größten Museen im Zentrum Europas für die Kunst seit der Moderne. Es macht die internationale und österreichische Avantgarde in ihren unterschiedlichen Facetten für alle Kunstinteressierten zugänglich. Wechselnde Ausstellungen und ein vielseitiges Vermittlungsprogramm bieten spannende Begegnungen für Kinder und Erwachsene.
Emília Rigová befasst sich in ihrem medial breit aufgefächerten Œuvre
vor ihrem eigenen biografischen Hintergrund mit aktuellen Fragen zur
Identität und gesellschaftlichen Rolle der Roma sowie mit deren
geschichtlichen Grundlagen. Ihre Arbeiten, die auf umfangreichen
Recherchen aufbauen, richten sich gegen gesellschaftliche Polarisierung
und Ausgrenzung. Sie untersuchen und akzentuieren die symbiotischen
Aspekte im Verhältnis von Roma und Nicht-Roma, ohne dabei historische
und gegenwärtige Konfliktfelder zu verdrängen. Dies kommt auch darin
zum Ausdruck, dass sich die Künstlerin seit 2012 „Bári Raklóri" nennt
und damit ein Alter Ego annimmt, das unterschiedliche Identitäten in
sich vereint.
Die Ausstellung Nane Oda Lavutaris / Who Will Play for Me? verweist auf
das musikalische Erbe der Roma als Ausdrucksform einer
gesellschaftlichen Identität, die integraler Teil europäischer Kultur
und widerständigen Lebens zugleich ist. Emília Rigová hat Noten alter
Roma-Lieder aus der ganzen Welt gesammelt und so ein eigenes Archiv
zusammengetragen. Daraus verwendet sie drei Lieder, die sich auf
bestimmte Ereignisse beziehen, wie zum Beispiel den Porrajmos, den
Völkermord an den Roma und Sinti im Nationalsozialismus. Sie schaffen
in der Ausstellung einen nach wie vor brisanten historischen Kontext.
Das während der Eröffnung im Rahmen einer Performance in Stein
gemeißelte walachische Volkslied „Či čorav či drabara" („Ich stehle
nicht, und ich betreibe keine Wahrsagerei") bleibt als Monument gegen
die Verflüchtigung von Geschichte in der Ausstellung präsent. Da die
Roma selbst über keine schriftliche Aufzeichnung ihrer Geschichte
verfügen, leistet Rigovas Arbeit eine Art Geschichts- und
Traditionsvermittlung, die gegen das Vergessen und Verdrängen gerichtet
ist
Betritt man die Ausstellung, so begibt man sich in ein Ambiente aus
Klavieren und Pflanzen. Bewegungsmelder lösen die präparierten Klaviere
aus, sobald man sich den Instrumenten nähert - Melodiefragmente
erklingen. Als Pflanzen, denen der „Wirt" nur als Verankerung dient,
signalisieren Epiphyten ein symbiotisches und synergetisches Verhältnis
gegen jegliche Vorstellungen des Parasitären, Exotischen und Wilden,
die als stereotype Vorurteile nach wie vor zur Ausgrenzung und
Stigmatisierung der Roma dienen.
MECHANISCHER MUSIKER, 2022
Piano, Klavierspielgerät, Holz, Pflanzen | Liedtext in Granitplatte graviert, Pflanzen, 2022
Die Wachen haben uns geschnappt
Die Wachen haben uns geschnappt, um unsere Köpfe zu rasieren.
Rasiert mir nicht den Kopf, ich gehe lieber ins Lager!
Die Sammlung des mumok umfasst heute rund 10.000 Werke von etwa 1.600
Künstlern. 1959 wurden die ersten Ankäufe für das neu gegründete Museum
des 20. Jahrhunderts getätigt, das 1962 bei seiner offiziellen
Eröffnung 90 Werke besaß. Ein wesentlicher Impuls für die Ausstellungs-
und Sammlungspolitik des Hauses ging Ende der 1970er-Jahre von den
Sammlungen Ludwig und Hahn aus, die seit 1979 in einem zweiten Haus,
dem Palais Liechtenstein, gezeigt wurden. War die Sammlung Hahn ein
Ankauf der Republik, konnten die Leihgaben von Peter und Irene Ludwig
durch die Gründung der Österreichischen Ludwig-Stiftung dauerhaft für
das Haus gesichert werden. Die im Gegenzug von der Republik Österreich
in die Stiftung eingebrachten Budgetmittel dienen bis heute zur
Erwerbung von internationalen Hauptwerken moderner und zeitgenössischer
Kunst.
Charlotte Moorman (1933 Little Rock, AR - 1991 New York City, NY, USA)
Neon Cello, 1989
Neonröhren, Acrylglas, Transformator, Glas | Leihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung seit 1993
Nam June Paik (1932 Seoul, Südkorea - 2006 Miami, FL, USA)
Klavier Intégral, 1958-1963
Fluxus-Klavier präpariert mit verschiedenen Materialien | Ehemals Sammlung Hahn, Köln | Erworben 1978
Aktionen. Bühnen. Hierarchien.
Abweichend von traditionellen Formen der Kunst und des Theaters sowie
in bewusstem Gegensatz dazu entwickelten sich im Rahmen eines
künstlerischen Aufbruchs um 1960, der auch gegen konservative
gesellschaftliche Normen gerichtet war, neue performative und
aktionistische Kunstformen. Der Wiener Aktionismus mit dem Orgien
Mysterien Theater von Hermann Nitsch sowie den Arbeiten und Manifesten
seiner Künstlerkollegen Otto Muehl, Günter Brus und Rudolf
Schwarzkogler zählen ebenso dazu, wie die Auftritte der Wiener Gruppe
mit H.C. Artmann, Gerhard Rühm, Konrad Bayer, Friedrich Achleitner und
Oswald Wiener. Deren literarisches cabaret steht in der Tradition des
dadaistischen Theaters und setzt Sprache und Bühnenspiel auf
experimentelle Weise ein.
Gegen die männerdominierten Kunstrichtungen etablierte sich parallel
eine feministische Szene, die den weiblichen Körper als Sinnbild von
Unterdrückung und Gegenwehr gegen die patriarchalen Verhältnisse in
Stellung brachte. VALIE EXPORT, Marina Abramović, Gina Pane oder
KwieKulik (Zofia Kulik, Przemysław Kwiek) setzten sich dabei zum Teil
schmerzhaften Prozeduren aus oder verwendeten metaphorische Bilder und
Handlungen, um das Spannungsfeld von Macht und Ohnmacht sichtbar zu
machen.
Derartige Positionen bilden die historischen Grundlagen für
nachfolgende Generationen. So thematisiert etwa Carola Dertnig die
Ausgrenzung weiblicher Protagonistinnen im Umfeld des Wiener
Aktionismus und verschafft ihnen auf einer leeren Bühne Gehör. Die
Wahrheit über das autoritäre und teils kriminelle Verhalten Otto Muehls
in der nach ihm benannten Kommune bringen die Töchter und Söhne der
Kommunard*innen zur Sprache, die als Aktivist*innengruppe MATHILDA
auftreten. Sie enttarnen die vorgeblich offene Gesellschaft der Kommune
als geschlossenes System mit Gewaltpotenzial. Das Nahverhältnis von
heiterer Geselligkeit und roher Gewalt, von Folklore und Unduldsamkeit
veranschaulicht Paul McCarthys Bavarian Kick. Auf einer bühnenartigen
Plattform bewegt sich ein mechanisch angetriebenes Trachtenpaar
aufeinander zu. Prosten sie sich zunächst noch einander zu, so treten
sie bald aufeinander ein.
Saskia De Boer (1945 Amsterdam, Niederlande)
Liz Taylor, 1969
Puppe aus Draht, Haar, Pelz, Polyurethan, Schmuckgegenständen, Textilien | Ehemals Sammlung Hahn, Köln | Erworben 1978
Nicholas Monro (1936 London, England)
Douglas Fairbanks sen., 1966
Polyester, Farbe | Leihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung seit 1981
Paul McCarthy (1945 Salt Lake City, UT, USA)
Bavarian Kick, 1986/7-1993
Stahl, Holz, Elektromotor, Zeituhr, Microschalter, Kettenantrieb, Gestänge | Erworben 1995
Adam Pendleton Blackness, White, and Light
Fragmentierung spielt in der künstlerischen Praxis von Adam Pendleton
eine zentrale Rolle. Sie ist die formale Logik, welche die wesentlichen
Komponenten seiner Arbeit bildet, einschließlich Geste, Sprache und
Sichtweise. Im mumok wird die Idee der Fragmentierung erneut
aufgegriffen, indem die großen weißen Weiten der Museumsräumlichkeiten
durch drei dreieckige schwarze Videoräume gebrochen werden, in denen
die filmischen Porträts Ishmael in the Garden: A Portrait of Ishmael
Houston-Jones (2018), So We Moved: A Portrait of Jack Halberstam (2021)
und Ruby Nell Sales (2020-22) gezeigt werden. Die Außenwände der
dreieckigen Prismen dienen zugleich als Hängefläche für die Untitled
(WE ARE NOT)- (seit 2019) und Untitled (Days)-Gemälde (seit 2020). In
den ebenfalls zu Videoräumen umfunktionierten rechteckigen
Seitenschiffen sind zudem die filmischen Arbeiten What Is Your Name?
Kyle Abraham, A Portrait (2018-19) und Toy Soldier (Notes on Robert E.
Lee, Richmond, Virginia/Strobe) (2021-22) zu sehen.
Pendletons Beschäftigung mit einer elementaren geometrischen
Formensprache, die visuell und konzeptuell komplexe Räumlichkeiten
entstehen lässt, verbindet beide Geschosse Die Rechtecke und Kreise der
Code Poem-Skulpturen im Erdgeschoß tauchen hier gemeinsam mit den
Tropfen, Spritzern und Sprühspuren der Untitled (Days)-Gemälde und
seinen Zeichnungen auf Polyesterfolie auf. Diese Formen und Gesten, die
in den letztgenannten Arbeiten manchmal mit gefundenem Bildmaterial
verbunden sind, fungieren als eine Art fortwährende Schrift, die
Sprache und gestische Markierungen aufnimmt, transponiert und
überschreibt und damit den Begriff der Lesbarkeit selbst infrage stellt.
In der Filmarbeit Toy Soldier (Notes on Robert E. Lee, Richmond,
Virginia/Strobe) findet dieser Arbeitsprozess erstmals Einzug in
Pendletons filmische Praxis. Zum einen fokussiert die Arbeit auf eine
mit Graffiti übersäte Reiterstatue von Robert E. Lee, einem General des
konföderierten Heeres. Zum anderen dokumentiert sie eine visuelle
Transformationsgeschichte von der Enthüllung des Denkmals im Jahr 1890
bis zu den Black-Lives-Matter-Protesten im Jahr 2020, die bereits auf
die künftige Entfernung der Statue im darauffolgenden Jahr verweisen -
Vergangenheit. Gegenwart und Nachwirkung, um es mit Pendletons eigenen
Worten zu sagen. Der über dem Film liegende Stroboskopeffekt
fragmentiert den Blick der Besucherinnen erneut, ähnlich der
architektonischen Intervention auf dieser Ausstellungsebene. Die
Kreisbewegungen der Spotlights heben im Laufe des Films bestimmte
Ausschnitte hervor und treten in eine Art spielerischen Dialog
miteinander. Dagegen gleichen die Graffitis auf der Statue von Robert
E. Lee einem kommunal gestalteten Gemälde, das seinerseits an die
mehrfach überlagerten Bild- und Schriftfragmente der Untitled (Days)-
und Untitled (WE ARE NOT)-Gemälde erinnert.
Was es mit der Form des Dreiecks auf sich hat, lässt uns der Künstler
nur erahnen. Vielleicht lassen sich die drei Eckpunkte als ein
Zeitdreieck aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft lesen oder aber
als die drei Eckpunkte des Titels Blackness, White, and Light. Dieser
Titel bietet eine Art Bedeutungsspektrum, da er nicht nur auf das
vorherrschende schwarzweiße Farbspektrum von Pendletons künstlerischer
Praxis verweist, sondern auch auf die Mehrdeutigkeit der Begriffe
Blackness" und "White". Der Begriff des Lichts darf als eine Art Ausweg
verstanden werden, um sich sämtlicher soziokultureller Konnotationen zu
entledigen.
Pendleton interessiert die Ausstellung als Form, er kreiert ein
Labyrinth der Visualität, das die Wahrnehmung zwischen Innen- und
Außenraum vollständig verunmöglicht. Wo es scheint, als tauche man
gleichsam in eine Malereilandschaft ein, fungieren die Filmarbeiten als
klar definierte Anker. Individuelle Sichtweisen treffen auf kollektive.
Eine Polyfonie von Ideen wird sichtbar - und der Konversationsraum wird
schließlich hör- wie sichtbar.
Adam Pendleton Blackness, White, and Light
Blackness, White, and Light bildet die erste umfassende europäische
Einzelausstellung des in New York lebenden Künstlers Adam Pendleton (*
1984, Richmond, VA, USA). Sein facettenreiches Werk bestehend aus
Malerei, Zeichnung, Skulptur und Film beschäftigt sich mit den
komplexen Sinneserfahrungen während des Navigierens durch die Welt des
21. Jahrhunderts. Seine Ausstellungen stellen eine Art immersives
Kunstwerk dar. Ihr Ziel ist es, den Ausstellungsraum zu einem
Konversationsraum zu erweitern, einen Dialog zwischen Kunstwerken und
Betrachter innen zu ermöglichen und manofone Stimmen zu einer Polyfonie
von Ideen zu vervielfältigen.
Pendleton erforscht Blackness als eine Farbe, eine Identität, eine
Methode und ein politisches Subjekt - kurz: als Vielfalt. Er stellt
dringliche, doch offene Fragen nach dem Vermächtnis der Moderne in der
Gegenwart und reaktiviert dazu quer durch die Medien und Zeiträume
Ideen historischer Avantgarden. Seit 2008 organisiert er einen Großteil
seiner Arbeit unter dem Begriff Black Dada, einem Konzept, mit dem er
eine sich beständig fortschreibende Untersuchung des Verhältnisses von
Blackness, Abstraktion und Avantgarde bezeichnet. Black Dada stellt
eine visuelle Philosophie dar, in der Unterscheidungen zwischen
Lesbarkeit und Abstraktion, Vergangenheit und Gegenwart, vertraut und
frend, durcheinandergebracht werden und uns daran erinnern, dass
Bedeutung immer erst durch Differenz entsteht.
Stellt Black Dada die Basis von Pendletons Prozess im Gesamten dar, so
lassen sich seine Black Dada Paintings als Basis seiner malerischen
Praxis und seine Code Poems als Basis seiner skulpturalen Praxis
begreifen. Die Idee eines unvollkommenen Blicks - unserem fragmentierten Blick auf
die Welt und ihrer Geschichtsschreibung vergleichbar - zeigt sich
besonders deutlich in den Black Dada Paintings. Als Pendleton 2008 mit
diesen Arbeiten begann, beruhten sie auf Ausschnitten von Sol LeWitts
Incomplete Open Cubes (1974), einer seriellen Arbeit, die alle 122 Wege
durchdekliniert, die Skelettstruktur eines Kubus unvollständig zu
lassen. Für jedes Gemälde wählte Pendleton eine einzelne Linie aus
LeWitts Fotografien aus und verwendete sie als kompositorische
Grundlage. Anschließend positionierte er die Wörter BLACK" und „DADA"
in der Schrift Arial Bold darüber, druckte jedoch nur einige dieser
Buchstaben in Schwarz auf die Leinwand und überließ es den
Betrachter*innen, die fehlenden zu ergänzen. In den neuesten Black Dada
Paintings haben Pendletons eigene malerische Gesten den Platz von
LeWitts geometrischen Formen eingenommen. Tropfen, Spritzer und Kleckse
aus seinem Atelier liefern den neuen visuellen Index für die
Komposition der Gemälde, während kräftige Farben eine chromatisches
Partitur einführen.
Für die Skulpturenserie der Code Poems arbeitete sich Pendleton an der
gleichnamigen Publikation (1982) der Dichterin Hannah Weiner ab.
Basierend auf Weiners experimenteller Bildsprache, die wiederum auf dem
Internationalen Signalkodex beruht, einem System zur Kommunikation auf
See, kreierte Pendleton eine Ansammlung von Quadraten, Rechtecken und
Kreisen aus Keramik. Mit Glasuren, die an die gesprühten Markierungen
seiner Gemälde erinnern, sind sie auf niedrigen Podesten aus dunklem
Glas angeordnet. Damit lenken sie den Blick der Betrachter innen von
der Wand auf den Boden und konfrontieren diese mit einer codierten
Sprache, die ähnlich wie die der Black Dada Paintings zur
Entschlüsselung einlädt.
Während uns die Eingangsebene mit der Grammatik von Pendletons
codierter Sprache konfrontiert und mit seinen elementaren Formen und
seiner Syntax vertraut macht, spricht das zweite Obergeschoß mit einem
erweiterten visuellen Vokabular. Erstmals zeigt der Künstler zeitgleich
fünf Filmarbeiten, die von einer noch nie da gewesenen Anzahl von
Malereien und Zeichnungen umgeben sind und so die gesamte Bandbreite
seines Repertoires präsentieren.
Am 15. September 2001 wurde das mumok im Wiener MuseumsQuartier neu
eröffnet. Das kubische, mit Vulkangestein ummantelte Gebäude der
Architekten Ortner & Ortner bietet auf 4800 m² Ausstellungsfläche
Platz für die Hauptwerke der heute rund 10.000 Exponate umfassenden
Sammlung moderner und zeitgenössischer Kunst. Gleichzeitig wurde es als
Bundesmuseum mit 1. Jänner 2003 in die Vollrechtsfähigkeit entlassen.