Landesgalerie Niederösterreich

Krems an der Donau, Oktober 2023

Am Tor zur Wachau, nur 5 Gehminuten von der Schiffstation Krems-Stein entfernt, zeigt die Landesgalerie Niederösterreich Klassiker und Meisterwerke der österreichischen Kunst. Von der Dachterrasse genießen Sie einen herrlichen Ausblick auf die Donau und die Wachau.

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

Die Landesgalerie Niederösterreich ist das neue Zuhause für die Kunstschätze des Landes Niederösterreich. Die Landessammlungen Niederösterreich (Abteilung Kunst und Kultur der Niederösterreichischen Landesregierung) beherbergen rund 9 Mio. Objekte – 100.000 davon sind dem Sammlungsbereich Kunst zugewiesen. Neben Arbeiten des Mittelalters und Barocks liegen Sammlungsschwerpunkte auf der Kunst des 19. Jahrhunderts sowie der zeitgenössischen Kunstentwicklung in Niederösterreich und Österreich. Die Sammlungen beinhalten Gemälde, Plastiken, Arbeiten auf Papier, Fotografien, zeitbasierte Medien sowie installative und textile Kunst.

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

Auf fünf Ebenen stehen 3.000 m² Ausstellungsfläche zur Verfügung. Die Terrasse bietet einen Blick zur Donau, zum gegenüberliegenden Stift Göttweig, sowie zur Altstadt von Stein an der Donau. Aufgrund ihrer markanten Architektur ist die Landesgalerie Niederösterreich die Landmark im Zentrum der Kunstmeile Krems.

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

Die Landesgalerie Niederösterreich ist ein dynamischer Ausstellungsort für österreichische Künstler:innen. Sie ist Bühne für die herausragenden Kunstschätze des Landes Niederösterreich. Spektakuläre Installationen treten mit der außergewöhnlichen Architektur des Hauses in Dialog. Durch ihr einzigartiges Äußeres ist die Landesgalerie Niederösterreich die Landmark im Zentrum der Kunstmeile Krems. Von der Dachterrasse aus hat man einen herrlichen Ausblick in die Wachau.

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

Frenzi Rigling (*1958) ist eine Entdeckerin und eine Entdeckung! Die gebürtige Schweizerin, die seit vielen Jahren in Niederösterreich und Wien lebt, entdeckt im Alltäglichen eine eigentümliche Poesie. Ihr Werk ist eine Entdeckung, weil es sich auf feinsinnige Weise mit aktuellen feministischen Themen und gesellschaftspolitischen Fragen auseinandersetzt.

Über Das - so lautet der Titel ihrer Ausstellung. Der bestimmte Artikel bleibt unbestimmt. „Das" ist weder männlich noch weiblich. Es könnte das Konzept, das Material oder das künstlerische Schaffen als solches meinen. „Das" lässt vieles offen und entspricht der künstlerischen Haltung von Frenzi Rigling, die sich auf gängige Zuschreibungen nur schwer festlegen lässt.

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

Die Künstlerin verfügt über ein äußerst präzises Gespür für die Schönheit gewöhnlicher Dinge und verleiht ihnen Ausdruck in Malereien und Zeichnungen, in textilen Objekten, Collagen und Assemblagen. Die 24-teilige Leinwandarbeit In Blau wirkt auf den ersten Blick wie eine monumentale Farbfeldmalerei, erst nach und nach lassen Nähte aus weißem Garn eine feine Zeichnung erkennen. Aus den Stoffresten der Mutter imaginiert sie vergängliche Gärten (Transitory Garden), aus Silikon formt sie botanische Pflanzennamen, die an die hängenden Gärten von Babylon erinnern (Semiramis).

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

Frenzi Rigling gibt dem Nebensächlichen Raum und macht sichtbar, was häufig im Verborgenen bleibt. In ihren Schrift- und Textbildern findet sie das Wesentliche zwischen den Zeilen und Buchstaben. Ein eigenes Alphabet verleiht jenen eine Stimme, die keine haben. In der eigentlich harmlosen Arbeit Schaf geben farbige Markierungen preis, ob ein Schaf mit Zwillingen oder mit Einlingen trächtig oder „leer" ist. Diese Vorgehensweise sagt weniger über das Schaf als über uns Menschen und unseren Umgang mit Nutztieren aus.

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

So legt Frenzi Rigling aus der Form und dem Material heraus Bedeutungen nicht fest, sondern frei. Ihre Werke setzen dem Kreislauf des Verschwindens eine Ästhetik des Bewahrens entgegen. Im bunten Reigen der zeitgenössischen Kunst ist ihr vielstimmiges Schaffen singulär.

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

Frenzi Rigling macht sichtbar, was häufig im Verborgenen bleibt. In ihrer künstlerischen Praxis widmet sie sich vornehmlich Alltagsgegenständen und Fundstücken aus der Natur, die sie inszeniert, verfremdet und zu vielschichtigen Objekten und Installationen arrangiert. Ihre Werke reflektieren die Zyklen unserer Existenz und die Fragilität des täglichen Lebens. In der Tradition künstlerischer feministischer Praxis thematisieren sie aber auch gesellschaftspolitische Fragestellungen. Die Kunst von Rigling setzt dem Kreislauf des Verschwindens eine Ästhetik des Bewahrens entgegen.

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

KUNSTSCHÄTZE - VOM BAROCK BIS ZUR GEGENWART
Die Schau zeigt rund 130 ausgewählte Schätze aus der umfangreichen Kunstsammlung des Landes Niederösterreich. Beginnend mit spätbarocken Werken des Kremser Schmidt, über Biedermeiergenres von Ferdinand Georg Waldmüller und expressionistische Arbeiten Oskar Kokoschkas und Egon Schieles endet der Parcours mit Höhepunkten der österreichischen Gegenwartskunst. Dabei begegnet man nicht nur berühmten Hauptwerken, sondern auch kleinformatigen, intimeren „Schätzen“, die neu entdeckt werden können. Das Besondere an der Ausstellung ist, dass die Kunstschätze in einen spannungsgeladenen Dialog mit literarischen Textpassagen treten und die Zusammenschau von bildender Kunst und Literatur das Blickfeld erweitert.

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Martin Johann Schmidt (1718-1801) zählt zu den bedeutendsten Malern des österreichischen Spätbarocks. Er wurde 1718 in Grafenwörth geboren und verbrachte die meiste Zeit seines Lebens in Stein an der Donau, weshalb er heute noch unter dem Namen „Kremser Schmidt" bekannt ist. Sein ehemaliges Wohnhaus liegt knappe zehn Gehminuten von der Landesgalerie Niederösterreich entfernt. Bekanntheit erlangte er vor allem aufgrund seiner zahlreichen Kirchenausstattungen, wobei die Altarbilder des Hl. Florian und des Hl. Nepomuk vor der Gnadenmadonna von Altbunzlau, die 1772 für die Pfarrkirche St. Vitus in Stockern im Waldviertel entstanden, diesen Schaffensbereich repräsentieren. Besonders hervorzuheben ist auch die Kreuzigung Christi von 1795, ein Spätwerk, bei dem der Künstler die Figuren ausdrucksstark gestaltete und das sich durch eine ganz besondere Lichtstimmung auszeichnet. Neben der sakralen Malerei schuf der Kremser Schmidt auch mythologische Szenen und eine kleine Gruppe von Genres, in denen sich die Malerei der Biedermeierzeit ankündigt. Zu den Höhepunkten dieser von der flämischen und niederländischen Kunst beeinflussten Kleinformate zählt Der Zahnbrecher von 1787.

MARTIN JOHANN SCHMIDT - Hl. Florian, 1772, Öl auf Leinwand
MARTIN JOHANN SCHMIDT - Hl. Nepomuk vor der Gnadenmadonna von Altbunzlau, 1772, Öl auf Leinwand

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

Schätze warten darauf, entdeckt zu werden. Das gilt auch für die einzigartigen Kunstschätze Niederösterreichs. Das Land besitzt eine Kunstsammlung von internationalem Rang, die heute mehr als 100.000 Werke umfasst. Wir haben diese bedeutenden Bestände gesichtet und rund 120 Arbeiten ausgewählt: Meisterwerke, die selten und kostbar sind, einen hohen ideellen oder kulturellen Wert haben und allesamt eine Menge über die (Kunst-) Geschichte unseres Landes erzählen.

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JOHANN PETER KRAFFT - Freifrau Josephine Dietrich von Landsee mit ihren Töchtern, 1819, Öl auf Leinwand

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

Wir laden Sie ein zu einer Entdeckungsreise durch die österreichische Kunstgeschichte vom Barock bis zur Gegenwart. Auf zwei Stockwerken begegnen Ihnen sowohl prominente als auch weniger bekannte Werke. Und manche entpuppen sich erst bei näherer Betrachtung als regelrechter „Schatz".
Eine Besonderheit der Ausstellung besteht darin, dass ausgewählten Werken Textpassagen aus der Literatur gegenübergestellt sind. Diese Zitate sollen die Kunstwerke nicht erklären oder beschreiben, sondern die Kunsterfahrung assoziativ bereichern. Denn oft kann ein Bild etwas ausdrücken, für das man selbst keine Worte findet. Und manchmal bekommt durch ein paar Zeilen ein Gemälde eine ganz unerwartete Dimension.

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ANTIQUITÄTEN VON JOSEF RENZ - Sitzgruppe, 19. Jahrhundert
Einem barocken Ensemble (Mitte 18. Jahrhundert)

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

Zu Beginn des Rundgangs durch das zweite Obergeschoss werden Sie in eine Zeit versetzt, die 250 Jahre zurückliegt: Zwei Kremser Künstler - die spätbarocken Maler Martin Johann Schmidt und Michael Wutky - waren damals berühmt für ihre Altartafeln und Heiligenbilder. Ihre Werke zählen auch heute noch zu den bedeutendsten Schätzen unserer Sammlung. Doch die feinen Malereien aus dem 18. oder 19. Jahrhundert, in denen das einfache Leben der Landbevölkerung aufscheint, erweisen sich bei genauem Hinsehen als nicht weniger kostbar: Im Halbdunkel nascht bei Ferdinand Georg Waldmüller ein kleines Mädchen heimlich von einem reich gefüllten Korb voller Trauben; für das Mädchen in einem Gemälde von Anton Romako wiederum ist ein Hase das Wertvollste auf der ganzen Welt. Und in nahezu allen vorgestellten Epochen werden die prächtigen Landschaften Niederösterreichs eindrucksvoll in Szene gesetzt.

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ANTIQUITÄTEN VON JOSEF RENZ - Sitzgruppe, um 1915

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

ANTIQUITÄTEN VON JOSEF RENZ - Sitzgruppe, um 1905, Entwurf Josef Hoffmann

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

ANTIQUITÄTEN VON JOSEF RENZ - Bugholzsessel, um 1900, Entwurf Fırma Thonet Sessel Nr. 18
ANTIQUITÄTEN VON JOSEF RENZ - Kindermöbel, um 1900, Entwurf Firma Thonet

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

Die Gemälde von Olga Wisinger-Florian, Robert Russ und Carl Moll verbindet, dass jeweils ganz spezifische Lichtstimmungen das Hauptmotiv ausmachen. Einer ähnlichen Verbindung von Lichtstimmung und religiöser Botschaft bedient sich auch Robert Russ (1847-1922). In dem Monumentalgemälde Die Windmühlen bei Retz (1895) öffnet sich im rechten Bildbereich der Blick auf die „weltliche" Stadt, während man links im Hintergrund die Kreuzigungsgruppe eines Kalvarienbergs ausmacht. Das Zentrum wird durch die titelgebenden Windmühlen besetzt, die das Zusammenwirken von Natur und Mensch sowie den Lebenszyklus verkörpern. Besonders im linken Bildbereich ergibt sich - wenn man das Gemälde aus einigen Metern Entfernung betrachtet - der Effekt eines die Wolkendecke durchleuchtenden, gleißenden Sonnenlichts. Es löst sich in der rechten Bildhälfte in ein locker gestaffeltes Wolkenfeld auf, das den Blick in die Tiefe Richtung Horizont lenkt.

ROBERT RUSS - Die Windmühlen bei Retz, 1895, Öl auf Leinwand

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

Würde man die Kunstwerke aus den Landessammlungen Niederösterreich in eine Art Playlist laden, dann könnte man sie vor- und zurückspulen - von der Vergangenheit bis heute oder umgekehrt. Genauso ist das auch in unserer Ausstellung. Doch anders als bei einer digitalen Playlist erleben Sie die Kunstschätze nicht medial vermittelt, sondern ganz unmittelbar. Es ist ein Streifzug durch das österreichische Kunstschaffen von der Gegenwart bis zum Barock - oder umgekehrt. Und es handelt sich um einen Auszug aus der bedeutenden Kunstsammlung des Landes Niederösterreich, die seit ihrer Gründung vor 120 Jahren stetig gewachsen ist und heute mehr als 100.000 Werke umfasst.

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„Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit." Noch heute prangt die Parole der 1897 gegründeten Vereinigung bildender Künstler Österreichs in goldenen Buchstaben über dem Portal der Wiener Secession. Das Gebäude steht wie kein anderer Ort für den Aufbruch der Österreichischen Avantgarde in die Moderne. Unter diesem Eindruck entstanden im frühen 20. Jahrhundert auch die Werke der hier gezeigten Künstler:innen. Anton Hanak (1875-1934), der bedeutendste österreichische Bildhauer seiner Zeit, wurde 1906 in die Wiener Secession aufgenommen. Im selben Jahr schuf er seinen weiblichen Torso, in dem Form und Material, Bildnis und Menschenbild eine überaus sinnliche Einheit bilden.

ANTON HANAK - Torso, 1906, Marmor

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

Rund 120 von ihnen haben wir ausgewählt - das jüngste und das älteste trennen 250 Jahre. Aus dieser Zeitspanne gibt es - über zwei Etagen hinweg - viele einzigartige Kunstschätze zu entdecken. Einigen Werken sind Textpassagen aus der Literatur zur Seite gestellt, die im Dialog mit der Kunst ganz neue Perspektiven eröffnen. Und dank der Architektur der Landesgalerie wird die Betrachtung zu einem ganz besonderen Erlebnis, weil kein Kunstwerk und keine Epoche für sich allein bleibt, sondern immer in Blickkontakt zum vorherigen oder späteren Umfeld steht.

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ANTON HANAK - Der Letzte Mensch, 1917/1927, Bronze

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

Hier im ersten Obergeschoss können Sie erleben, wie die Moderne im 20. Jahrhundert Fahrt aufnimmt. Legendär sind die Anfänge in der Wiener Secession als Treffpunkt der europäischen Avantgarde und die öffentliche Entrüstung über die expressionistischen Malereien von Egon Schiele und Oskar Kokoschka. Auch in der Nachkriegszeit und bis in die 1970er-Jahre hinein haben österreichische Künstler:innen maßgeblichen Anteil an der Auflösung konventioneller Kunst- und Werkbegriffe. Dazu gehören die fast ausnahmslos männlichen Vertreter des Wiener Aktionismus, während die feministische Kunst ironisch oder humorvoll, aber stets kritisch auf sich aufmerksam macht. In den 1980er-Jahren wird wie entfesselt gemalt. International erfolgreiche Künstler wie Franz West und später Erwin Wurm erweitern den Skulpturbegriff.

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Hermann Nitsch (1938-2022) und der von ihm mitbegründete Wiener Aktionismus nehmen in der Österreichischen Nachkriegskunst eine Ausnahmestellung ein. Nitschs Kunst ist Prozess, Malerei das Ergebnis einer rituellen Handlung, aufgehoben in dem von ihm erdachten Gesamtkunstwerk des Orgien Mysterien Theaters. Die Kreuzigung ist bei Nitsch ein wiederkehrendes Motiv - so auch in dem mit schwarzer Ölfarbe getränkten Bildwerk Kreuzwegstation (1992), in dessen Mittelachse das gekreuzigte „Malhemd" des Schöpfers an einer horizontalen Holzlatte aufgehängt ist.

HERMANN NITSCH - Kreuzwegstation, 1992, Öl auf Leinwand, Baumwolle

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

Auf ihren Haupt- und Nebenwegen steckt die österreichische Kunst voller Entdeckungen. Sie werden staunen - und am Ende eines inspirierenden Rundgangs vielleicht ein Stück zurückspulen und sich Ihre favorisierten Kunstschätze noch einmal vergegenwärtigen.

von vorne: DANIEL SPOERRI - Tableau-piège - Sevilla Serie Nr. 33, Akt mit Hund, 1991, Assemblage

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

Wie man die angestammten Gattungen erfolgreich entfesselt, wird in den Werken von Daniel Spoerri und Franz West mehr als deutlich. Daniel Spoerri (*1930), Erfinder der Eat-Art, begann in den 1960er-Jahren die Überreste einer Mahlzeit auf einer Tischplatte festzukleben und sozusagen als „Tafelbild" an die Wand zu hängen. Seine Tableaux pièges („Fallenbilder") sind malerisch auf ihre eigene Art: Es sind klassische Stillleben und zugleich plastische Gebilde.

von unten: DANIEL SPOERRI - Tableau-piège - Sevilla Serie Nr. 33, Akt mit Hund, 1991, Assemblage

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

Dass die Kunstwelt eine männerdominierte war und ist, darauf machen Künstlerinnen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit verschiedenen Mitteln aufmerksam: bissig oder mit Humor, systemkritisch oder politisch. Die älteste der hier gezeigten Künstlerinnen, Florentina Pakosta, wurde 1933 geboren. In ihrem zeichnerischen und malerischen Werk durchdringt sie männliche Gesichtszüge und schabloniert Massenszenen, in denen sie wie etwa in dem Werk Zuschauer (1987) – einen Männerkopf zigfach multipliziert. Die männliche Dominanz ist eine Macht, möchte man sagen, und in Massen geradezu bedrohlich.

Um diesem Umstand etwas entgegenzusetzen, gründeten 1987 vier Künstlerinnen die Gruppe DIE DAMEN, eine „Agentur für selbstbewusste Kunst von Frauen" In der Fotografie Aus gegebenem Anlaß ließen sich ONA B. (*1957), Evelyne Egerer (*1955), Birgit Jürgenssen (1949-2003) und Ingeborg Strobl (1949-2017) nach dem realen Vorbild einer österreichischen „Künstler-Männerclique" ablichten. Diese ironisch-kritische Selbstinszenierung war Bestandteil ihrer ersten Aktion im Bahnhofsrestaurant des Wiener Westbahnhofs (1988). Im Rahmen der 45. Biennale di Venezia inszenierten sie eine Taubenfutteraktion, bei der DIE DAMEN in eleganten Rosenkostümen auftraten. Der augenzwinkernde Titel der Aktion: Böse ist besser.

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

Eher hintergründig setzt sich Johanna Kandl (*1954) mit gesellschaftlichen Themen auseinander. Als genaue Beobachterin und unermüdliche Rechercheurin blickt sie dorthin, wo andere wegsehen. Oft findet Kandl ihre Bildmotive auf kleinen Märkten, fotografiert diese und überträgt sie dann in die Malerei - wie etwa die farbenfrohen Stoffbahnen in der hier präsentieren Arbeit Ohne Titel (Stoffgeschäft) von 2013. Dass man dabei auch an Burkas denken kann, ist durchaus beabsichtigt.

JOHANNA KANDL - Ohne Titel (Stoffgeschäft), 2013, Tempera auf Holz

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

Voller hintergründigem Witz ist auch das Werk von Renate Bertlmann (*1943). Sie beschäftigt sich ab den 1970er-Jahren intensiv mit weiblichen Rollenmustern und Frauenbildern. In Werken wie Schneewittchen (1988/89) seziert sie Geschlechterstereotype und -beziehungen, jedoch stets mit einem ironischen Unterton.

RENATE BERTLMANN - Schneewittchen, 1988/89, Holz, Glas, Spiegel, Kunststoff, gebrannter Ton, Organza

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

Eine Liegende aus Knackern und Frankfurtern (Declining, 2013); Menschen, die mit zweckentfremdeten Alltagsgegenständen ungewöhnliche Posen einnehmen bei Erwin Wurm (*1954) zieht der Humor in die Kunst ein. Dass es ihm Ernst ist, wird dabei allzu oft vergessen: Denn tatsächlich hat es der Künstler seit den 1990er-Jahren geschafft, mit seinen One Minute Sculptures und aufgeblasenen Statussymbolen den Grenzbereich zwischen Skulptur, Aktion und Performance ebenso pointiert wie konsequent auszuloten.

ERWIN WURM - Declining, 2013, Bronze, lackiert

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

ERWIN WURM - One Minute Sculptures, 1997, C-Prints

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

Auch die Künstlergruppe Gelitin, 1993 als Gelatin gegründet, ist in ernstzunehmender Weise unernst. Wolfgang Gantner (*1970), Ali Janka (*1970), Florian Reither (*1970) und Tobias Urban (*1967) agieren im Grenzbereich von Kunst und gutem Geschmack. Die Realität liefert ihnen genügend Material, um in die Abgründe von Hässlichkeit und Schönheit, von Plüsch und Fetisch, Lust und Laster hinabzusteigen. Gelitins Bürohengst von 2004 steht für all das.

GELITIN (GELATIN) - Bürohengst, 2004, Kunststoff, Metall, Textil, Tierpräparat

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

ALPINE SEILSCHAFTEN - BERGSPORT UM 1900
Die Zeiten, in denen man das Hochgebirge gefürchtet und nur aus wissenschaftlichem Interesse bestiegen hatte, gehörten längst der Vergangenheit an. Berge waren nun eine atemberaubende Kulisse für Schöngeister, ein Trainingsgerät für Gesundheitsbewusste, eine Herausforderung für Bergsportler:innen und vielfach auch nur ein Ort für gesellschaftliche Ereignisse. Aus den Pionierleistungen wagemutiger Individualist:innen begann sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts aus bürgerlichen Kreisen heraus eine Massenbewegung zu formieren. Die Gründung alpiner Vereine zeugt von dem Aufschwung, den der Trend innerhalb nur weniger Jahrzehnte nahm. Neue Wege wurden erschlossen und das Hüttenwesen organisiert. Freizeit am Berg garantierte Abenteuer, Erlebnis und Vergnügen selbst für die kleine Brieftasche. Auffällig ist der steigende sportliche Aspekt im Wettbewerb um die Erkundung und Begehung neuer, schwierigerer Routen. Das Aufkommen neuer Trendsportarten wie Skilaufen oder Rodeln machte schließlich auch die bislang touristisch tote, kalte Jahreszeit als Urlaubszeit attraktiv.

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Gustav Jahn (1879-1919) - Der Semmering (Blick vom Eselstein gegen die Rax), um 1907/08, Öl auf Leinwand
Südbahnhotel Semmering, Christian Zeller

Es ist Gustav Jahns größtes bekanntes Werk, annähernd acht Quadratmeter gemalte Fläche und eines der Glanzstücke des traditionsreichen Südbahnhotels am Semmering. Der Künstler schuf hier ein Idealbild der UNESCO-Welterbe-Region: im Vordergrund Idylle eine junge Frau inmitten von Alpenrosen -, im Hintergrund der mächtige Gebirgsrücken der Raxalpe, links das Südbahnhotel im Bauzustand des Jahres 1903. Derart eingefasst präsentiert sich im Bildzentrum die Semmeringbahn, eine Meisterleistung Carl Ritter von Ghegas und Welterbe seit 1998.

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Die aus Wien stammende Familie Kronich bewirtschaftete seit 1884 das vom Österreichischen Touristen-Club in Pacht genommene Baumgartnerhaus am Schneeberg. 1893 trennte sich Gertrude Kronich von ihrem Mann und zog mit ihren Kindern als Hüttenwirtin in das neu errichtete Ottohaus auf der Rax. Den Grund für die Trennung behandelte Sigmund Freud in seinem „Fall Katharina". 1903 wurde Camillo, der zweitälteste Sohn, Pächter des Ottohauses. Das Leben als Hüttenwirt war ihm in die Wiege gelegt worden. Nicht nur die Bergwelt, sondern auch die Wünsche der Besucher:innen waren ihm bestens vertraut. Die Fotografie, die er als Hobby zu betreiben begann, die bald in Vorträgen und bei Ausstellungen zu bewundern war und auch zu Werbezwecken eingesetzt wurde, brachte ihm Anerkennung und trug wesentlich zur öffentlichen Wahrnehmung von Kronich und dem Ottohaus bei.

Als Reaktion auf den ständig wachsenden Publikumsandrang kam es in den Jahren 1908 und 1909 zur großzügigen Erweiterung des Ottohauses durch die Alpenvereinssektion Reichenau, im Zuge derer Kronich sein exklusives Alpenhotel Knappenhof, beim Törlweg zum Ottohaus gelegen, errichten ließ. Sein unternehmerischer Geist fand immer neue Attraktionen, um das Publikum sommers wie winters auf die Rax zu locken. Er ließ durch Gustav Jahn neue Klettersteige erkunden und sie dann versichern und erschloss seinen Hausberg auch für den Wintersport. Stets war Kronich um die Sicherheit seiner Gäste bekümmert. Er rettete persönlich 18 Menschen aus Bergnot, führte 1909 erstmals eine Stangenmarkierung für den Winter ein und betrieb eine Bernhardinerzucht.
Seit 1910 setzte sich Kronich auch für den Bau einer Raxbahn ein. Es sollten Jahre vergehen, bis die erste Personenseilbahn der Republik am 9. Juni 1926 ihren Betrieb aufnehmen konnte - mit Kronich als Betreiber der Bergstation. Bis 1952, als sich der „Raxkönig" vom Ottohaus in sein Hotel Kronichhof zurückzog, waren nicht weniger als 2,25 Millionen Besucher:innen mit der Bahn auf das Raxplateau gelangt.

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

Mit der Einrichtung von eigenen Landesverbänden für Fremdenverkehr, 1903 etwa für Wien und Niederösterreich, begann die Werbemaschinerie auch in Hinblick auf Berg- und Wintersport rasch und zielgerichtet zu laufen. Dabei wurde mit dem k. k. Eisenbahnministerium, das die infrastrukturelle Erschließung der Alpenregionen betrieb, eng zusammengearbeitet. Als wichtigstes alpines Übungsgelände im Nahbereich der Haupt- und Residenzstadt Wien galt seit jeher die 2.007 Meter hohe Rax. Ihre sich über 34 Quadratkilometer erstreckende Hochfläche und ihre anspruchsvollen, hunderte Meter aufragenden Felswände boten Betätigungsfelder für unterschiedlichste Bedürfnisse. Dieser „Klettergarten" gigantischer Dimension brachte Generationen von Alpinist:innen hervor, denen wesentlicher Anteil an der Erschließung der Bergwelt national wie international zukommt. Durch das Einzugsgebiet der Großstadt stärker belastet als die meisten anderen Erhebungen der Alpen, lassen sich an der Rax sämtliche die Bergwelt berührenden Themen, wenn auch in kleinem Rahmen, so doch in ganzer Vielfalt aufzeigen, und das schon zu einem verhältnismäßig frühen Zeitpunkt.

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelten sich die Rax und die Alpen zum Fremdenverkehrs-Hotspot. Die Künstler und Bergsteiger Gustav Jahn und Otto Barth leisteten mit ihrer eindrucksvollen Bergmalerei einen wesentlichen Beitrag dazu. Sie bildeten „Seilschaften“ mit anderen einflussreichen Persönlichkeiten wie Mizzi Langer-Kauba, der „Touristenausstatterin” aus Wien, dem Werbefachmann Fritz Benesch oder dem Gastronomen Camillo Kronich. Letztere waren beide angesehene Fotografen. Die Ausstellung erzählt von den Errungenschaften im Bereich des Bergsports und der Erschließung der Alpen als Tourismusgebiet. Hochkarätige Gemälde, zahlreiche Zeichnungen, Fotografien, Landkarten, Werbeplakate und Reliefkarten vermitteln einen lebendigen Eindruck von der Bergwelt um 1900.

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ANGELA GLAJCAR - TRAUMFÄNGER
Die renommierte deutsche Künstlerin Angela Glajcar entwickelt für den lichtdurchfluteten Ausstellungsraum im Erdgeschoss der Landesgalerie Niederösterreich eine raumgreifende Installation aus Papier und Glasgewebe. Sie nimmt sowohl auf die Architektur als auch auf den Standort des Museums Bezug. Mit dem federleichten und dennoch monumentalen Kunstwerk erweckt die Künstlerin Landschaftsassoziationen und erschafft einen einzigartigen Erlebnisraum, der zum Verweilen und Tagträumen einlädt.

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

Bei Arbeiten auf Papier handelt es sich in der Regel um Zeichnungen oder Aquarelle. Künstler:innen, die Arbeiten aus Papier erschaffen, sind hingegen eher selten. Angela Glajcar (*1970) ist eine solche Ausnahmeerscheinung. Seit fast zwei Jahrzehnten arbeitet die aus Deutschland stammende Bildhauerin mit weißen Papierbögen, denen sie negative Formen buchstäblich entreißt. Geschichtet oder gestapelt, formt die Künstlerin daraus äußerst feinsinnige dreidimensionale Objekte, in deren Hohlräume oder Krater man physisch und psychisch geradezu hineingezogen wird. Vor allem dann, wenn es sich um große, raumgreifende Installationen handelt.

Die Arbeit Traumfänger, die Angela Glajcar für den Ausstellungsraum im Erdgeschoss der Landesgalerie Niederösterreich entwickelt hat, ist wahrlich ein großer Wurf. Es ist ihre bislang größte ortsspezifische Installation. Zudem hat die Bildhauerin darin erstmals Papier und Glasgewebe kombiniert. Während die markanten Risskanten der hintereinander gestaffelten Papierbahnen spannende Durchblicke eröffnen, entsteht durch das Glasgewebe ein feines durchsichtiges Gespinst. Je nach Tageslicht verändern sich Anmutung und Raumeindruck der filigran-kunstvollen Installation.

Die Bezüge und Assoziationen, die Angela Glajcar dieser ortsspezifischen Arbeit einschreibt, sind vielfältig. Vom ersten Moment an fand die Künstlerin die außergewöhnliche Architektur des Ausstellungsraumes enorm reizvoll. Auch spielt der Blick von außen ins Innere in ihrem Werk von jeher eine zentrale Rolle. Und die geschichteten Risskanten erinnern nicht zufällig an die Höhenlinien der hügeligen Landschaft der Wachau. In diesem Sinne will die Künstlerin ihre Intention und Intervention auch als Einladung verstanden wissen: „Genauso wie ein Traum, in dem man vieles auf einmal denken und fühlen kann, soll das Erlebnis der Installation sein. Ich hoffe, dass die Besucher:innen beim Erfahren der Arbeit in inneren Landschaften spazieren gehen und mit ihren Träumen und Sehnsüchten in Verbindung treten können."

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023

Die Landesgalerie Niederösterreich ist eine Kunst-Institution des Landes Niederösterreich in Krems-Stein. Sie befindet sich in der Kunstmeile Krems, in unmittelbarer Nähe zur Kunsthalle Krems, dem Karikaturmuseum Krems, dem Forum Frohner und der Steiner Minoritenkirche. Die Niederösterreichische Landesregierung hat im April 2014 den Bau eines Museums für die Kunstsammlung des Landes beschlossen. Die Stadt Krems an der Donau wurde als Standort der neuen Landesgalerie definiert, um im Verbund mit der Kunstmeile Krems das künftige Kompetenzzentrum für bildende Kunst des Landes Niederösterreich zu bilden.

Der zentrale Akzent des auffälligen Gebäudes liegt auf seiner spektakulären Achsendrehung. Als Vorbild dafür diente die figura serpentinata, ein manieristisches Gestaltungsmotiv, das spiralförmig dargestellte Figuren von jedem Standpunkt aus unterschiedlich erscheinen lässt. Ihre Bedeutung und Wirkung erzielen die Skulpturen in ihrer Ganzheit erst dann, wenn man sie umschreitet und dadurch ihre Vielansichtigkeit deutlich wird. Diesen Effekt erzeugt auch der Kubus der Landesgalerie, der durch seine Torsion und Verjüngung nach oben hin wie ein dynamisches Volumen wirkt und von jeder Seite neue Perspektiven eröffnet. Durch den rotierenden Baukörper werden die mit Zinkschindeln verkleideten Außenwände zu hyperparabolischen Flächen, die für das menschliche Auge nur schwer zu fassen sind. Die Raumkrümmungen setzen sich auch im Inneren des Gebäudes fort.

 Landesgalerie Niederösterreich, Oktober 2023