Schell Collection in Graz

Schlüsselmuseum, August 2024

Die Schell Collection beherbergt mit rund 13.000 Exponaten auf drei Stockwerken eine einzigartige Sammlung.
Außergewöhnliche Schlüssel, kostbare Kästchen und prunkvolle Schlösser aus Europa, Asien und Afrika kann man im Museum bestaunen. Neben versperrbaren Objekten kann man auch die interessante Welt des Eisenkunstgusses und des Schmiedeeisens entdecken.

 Schell Collection in Graz, August 2024

Schlüssel und Schlösser aus Afrıka
Die afrikanischen Schlüssel und Schlösser der Schell Collection stammen überwiegend aus Nord- bzw. Westafrika. Dabei handelt es sich um Objekte von drei verschiedenen Ethnien: den Tuareg, den Dogon und den Bamana.

Tuareg
Das Volk der Tuareg lebt nördlich der Sahara und pflegt eine nomadische Lebensweise. Sowohl Männer als auch Frauen verfügen über Besitz. Bei den Frauen ist es vor allem das Zelt mit samt den Gegenständen darin. Bei den Tuareg tragen die Männer Gesichtsschleier und nicht die Frauen. Die Metallverarbeitung und damit auch das Schmieden von Schlüssel ist eine männliche Domäne. Dies bringt die Schmiede allerdings in Konflikt mit den Erdgeistern, da sie das Eisen aus dem Boden abbauen. Bei den Schlössern der Tuareg handelt es sich um Vorhangschlösser mit Spreizfedern mit bis zu 3 verschiedenen Schlüsseln. Die großen Schlüssel der Tuareg werden auch dazu verwendet, um die Gewänder der Frauen zu beschweren. So kann der starke Wind diese nicht hochwehen.

Dogon
Das sesshafte Volk der Dogon lebt südlich der Sahara auf dem Gebiet von Mali. Die Ethnie zählt ca. 400.000 Menschen. Zum Versperren werden Fallriegelschlösser aus Holz verwendet, bei denen sich das Schlüsselloch auf der Seite des Riegels befindet. Der Schlüssel ist ein einfacher Stab, der an seinem Ende eine oder zwei Reihen von Zähnen aus Holz oder Eisen besitzt. Tiere wie Krokodile (Symbol für Kreislauf des Lebens) oder Landschildkröten sind ein häufiges Dekorationselement auf den Schlössern. Zweitere werden von vielen Dogon Familien als Haustiere gehalten. Auf einigen Schlössern sind zwei menschliche Figuren zu sehen. Dabei handelt es sich um Zwillinge, die bei den Dogon die Fruchtbarkeit symbolisieren.

Bamana
Bei den Bamana handelt es sich um das zweite sesshafte Volk (ca. 3 Mio.) aus Mali, von denen Schlüssel und Schlösser in der Schell Collection ausgestellt sind. Auch sie benutzen Fallriegelschlösser aus Holz, allerdings ist das Schlüsselloch an der Oberseite des Riegels angebracht. Bei den Formen der Schlösser gibt es zahlreiche Varianten - meistens handelt es sich um stilisierte menschliche Figuren. Die dargestellten Masken werden bei Zeremonien von Geheimgesellschaften der Bamana benutzt. In der heutigen Zeit sind zusätzlich zu den Fallriegelschlössern noch industrielle Vorhangschlösser aus Sicherheitsgründen in Gebrauch.

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Schlösser mit Signaturen
Die Schmiede verwenden gelegentlich die Zeichen der traditionellen Schrift der Imajeghen um ihre Werkstücke auf der Rückseite zu signieren. Da der Schreiber bei der Verwendung der Schrift die Bedeutung der einzelnen Zeichen und die Schreibrichtung selbst festlegen kann, bleibt die Aussagekraft solcher Signaturen beschränkt.

3 Vorhangschlösser aus derselben Werkstatt: 2 sind fast identisch, das dritte, größere, weist auf der Rückseite dieselbe Markierung auf
Schriftzeichen erfüllen hier eine dekorative Funktion: Die Schlösser sind mit einer Reihe von „L"s markiert.
Eigenname „Abdallah Hamaduni" in arabischer Schrift, auf der Rückseite das Datum „1963". Niger (?)

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SCHLÖSSER UND SYMBOLE
Das Schloss selbst ist ein Symbol für das Festhalten. Bei der ersten Waschung eines Neugeborenen und zur Feier des „Vollen Monats" wurden silberne Vorhangschlösser, die mit Segenswünschen oder Glückssymbolen verziert waren, verschenkt. Das Kind wurde mit dem Schloss berührt und sollte so an die Erde und das Leben gebunden werden. Schwächlichen Kindern hängte man ein kleines, silbernes Schloss an einem roten Band um den Hals, um es zusätzlich zu schützen. Aus demselben Grund gab man Kindern auch sog. Milchnamen mit der Bedeutung „Eisenschloss" oder „Doppelschloss".

Schlösser mit Schriftzeichen
Das gesamte Schloss kann die Form eines Schriftzeichens haben. Die „Drei Wünsche" - Glück, Langes Leben und Reichtum wurden häufig gewählt, das „Doppelte Glück" findet sich im Zusammenhang mit Heirat und Eheglück. Diese Zeichen wurden ebenso auf die Schlösser geschrieben. Säuglingen schenkte man oft ein „Schloss des Langen Lebens" - auf diesem waren die entsprechenden 4 Zeichen eingraviert. Häufig überreichte man Schlösser mit Aufschriften wie „Mögest du den 3. Grad der Beamtenprüfung erreichen" oder „Der Examensbeste besteht die kaiserliche Prüfung". Ein öffentliches Amt zu bekleiden bedeutete Erfolg und Wohlstand.

Schlösser in Tierform
Das häufigste Tier auf Schlössern ist der Fisch. Er steht für Reichtum, was durch den Gleichklang der chinesischen Worte für Fisch und Reichtum abgeleitet wird. Außerdem ist der Fisch eines der 8 Glückssymbole des Buddhismus. Die Fledermaus ist anders als in Europa ein Glück verheißendes Tier. Auch hier ergibt sich diese Bedeutung aus dem Gleichklang der Worte. Die Schildkröte tritt seit der Urzeit immer wieder als Begleiterin der chinesischen Kulturheroen auf. Auch die 12 Tierkreiszeichen finden sich auf Schlössern, hier allen voran der Affe, der in Südchina besonders verehrt wurde. Der Schmetterling ist lautgleich mit einem „70jährigen Mann" und soll ein langes Leben verheißen. Saiteninstrumente stehen für Reinheit und Treue. Neben den traditionellen chinesischen Saiteninstrumenten und Trommeln wurden ab dem 19. Jh. auch europäische Gitarren und Violinen in Schlossform nachgebildet. Runde Münzen mit 4-eckigem Loch und traditionelle Silberbarren sollen Reichtum bringen.
Der Lotos ist in einer seiner vielen Bedeutungen ein Sinnbild der Reinheit, die Chrysantheme eines für Dauer und langes Leben. Kaum ein Baum ist so symbolgeladen wie der Pfirsichbaum. Die Frucht ist das häufigste Symbol der Langlebigkeit. Manche Formen, wie etwa Schlösser in der Form von zwei Weltkugeln weisen klar auf europäische Einflüsse hin.

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GEHEIMGESELLSCHAFTEN
Obwohl die Bamana vorwiegend Muslime sind, existieren sogenannte Initiationsgesellschaften. Die Aufnahme in diese Geheimgesellschaften erfolgt im Rahmen von aufwändigen Initiationsriten, in deren Verlauf die zukünftigen Mitglieder in die Geheimnisse rund um das Funktionieren der Welt eingeführt werden.

Im N'tomo-Bund werden die unbeschnittenen Knaben aufgenommen. Die Korè-Gesellschaft hat die Aufgabe, die jungen Männer auf das Erwachsenenleben vorzubereiten und in ihrer männlichen Identität zu festigen. Komo und Kono hingegen sind Bünde, die der Erhaltung des Gleichgewichts sowohl unter den Menschen als auch zwischen ihnen und der übersinnlichen Welt, zu der auch die Ahnen gehören, dienen sollen. Diese Geheimgesellschaften kommen nicht unter allen Bamana vor, in manchen Gegenden gibt es auch weitere Gruppen und Initiationsbünde für Mädchen und Frauen.

Die Masken, die bei den öffentlich aufgeführten Tänzen getragen werden, und geschnitzte Figuren, die bei rituellen Handlungen eingesetzt werden, sind beliebte Sammelobjekte für Kenner der afrikanischen Kunst. Bei den Schlössern greifen die Handwerker der Bamana auf die Formen dieser Objekte zurück.

Acht hölzerne Fallriegelschlösser, in der Form von Masken des Korè - Geheimbundes.
Fallriegelschloss in der Form einer Maske des N'tomo - Geheimbundes.

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SENUFO
Die Wohngebiete der Senufo liegen im Norden von Côte d'Ivoire, in Burkina Faso und in Mali. Insgesamt gibt es etwa 4 Millionen Senufo. Reich beschnitzte Türen waren Prestigeobjekte für die Häuser von mächtigen Persönlichkeiten. Die ausgestellte Tür folgt zwar dem Aufbau der traditionellen Arbeiten, sie dürfte aber erst im späten 20. Jahrhundert geschnitzt worden sein. Im Mittelpunkt der in 3 Teile gegliederten Schnitzerei steht ein Kreis, der eine Kalebasse oder das Zentrum der Welt repräsentiert. In diese eingeschrieben ist eine Schildkröte, die neben der Python, dem Krokodil, dem Chamäleon und dem Vogel Calao zu jenen Tieren zählt, die in den Schöpfungsgeschichten der Senufo eine Rolle spielen. Die Gesichter im oberen Teil sind Abbildungen von Masken des Poro Bundes, Darstellungen von Europäern und modernen Waffen beziehen sich zumeist auf Ereignisse der jüngsten Vergangenheit. Das Krokodil, das ein Schlange verschlingt ist ein Motiv, welches sich auch bei den benachbarten Baule findet und auf die Rangordnung im Universum hinweist.

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Tür aus Nordindien 20. Jh.

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Prunkkassette „Palden Lhamo", Silber vergoldet und getrieben. Tibet/Nepal, 18./19. Jahrhundert

Um das Bildprogramm der Truhe zu verstehen, müssen einige Worte vorausgeschickt werden. Palden Lhamo ist die bedeutendste Schutzgottheit des tibetischen Buddhismus und die einzige weibliche Gottheit in der mächtigen Gruppe der acht Dharma- Beschützter. Die Göttin Palden Lhamo die als Hauptmotiv am Deckel platziert ist, gilt als Beschützerin der Dalai Lamas und der Regierung Tibets. Sie reitet auf einem Esel durch ein Meer von Blut und Fett und hält eine Schale aus dem Schädel eines Kindes in der einen Hand. Darin liegen die Sinnesorgane, das Herz und die Augen. In der anderen Hand hält die Göttin eine Keule, bekrönt mit einem Vajra. Um ihren Körper ist eine Schnur aus 15 abgetrennten Köpfen geschlungen, ein Schwert steckt im Gürtel, eine Menschenhaut ist über ihren Rücken gebunden. Der Sattel auf dem sie reitet, ist ebenfalls eine abgezogene Menschenhaut, deren Hände und Füße zusammengebunden sind und deren Kopf nach daran hängt. Die Mondsichel in ihrem Haar und die Sonnenscheibe an ihrem Nabel sind Gaben des Gottes Vishnu. Eine Krone aus Schädeln mit flammenden Edelsteinen sitzt auf ihrem Kopf.

Das Zaumzeug des Esels besteht aus Schlangen. Das Würfelpaar, das an der Flanke des Esels hängt wird von Palden Lhamo benutzt, um das gute oder schlechte kharmische Geschick der Lebewesen zu bestimmen. Ihre Tasche ist gefüllt mit Gebrechen der Menschheit, da sie aus Mitgefühl so viele Gebrechen wie möglich schluckt. Diejenigen, die sie nicht schlucken kann, stopft sie in diese Tasche. Die Göttin hat zwei Begleiter, die ihr zur Seite stehen, Makarsya und Simhasya. An den Seitenwänden ist die gefesselte, rabenköpfige Frau mit Hängebrüsten „linga" dargestellt. Skorpione fressen an ihr, die Inschriften und Mantras in Sanskrit auf der Seite, sind Beschwörungsformeln. Auf der anderen Seitenwand ist ein affengesichtiger, männlicher Geist zu sehen, der anstatt der Fesselung mit verschiedenen Waffen durchbohrt ist. Sanskrit-Inschriften an der Seite.

Die Vorderseite der Truhe zeigt den Esel der Palden Lhamo inmitten eines Getümmels zwischen aasfressenden Vögeln, abgetrennten Gliedmaßen, Schädelschalen, abgezogenen Häuten und Tieren. Daran schließen die acht Glückssymbole an. Auf der Rückseite, auf einer Elefantenhaut, zwei Schädelschalen mit senkrecht stehendem Donnerkeil, kreisförmig umgeben von Gliedmaßen, Waffen und anderen Attributen. Daran schließt sich ein Ring mit Tieren, der von den acht Glücksymbolen umgeben ist. Alle Außenränder mit einer Leiste grinsender Totenköpfe, bekrönt von Donnerkeilen, die mit Bänder, die ihnen aus dem Mund hängen, verbunden sind. Zwischen ihnen züngeln Flammen. An der Unterseite schließlich ist ein vierfacher Vajra mit umlaufender Inschrift und zwei tanzenden Skeletten eingraviert.

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Chitipati-Kabinett (tib. Torgam)
Holz mit getriebenem Silber beschlagen. Je ein tanzendes Skelett (Chitipati) auf den Türflügeln umgeben von einer umlaufenden Leiste aus Schädeln. Die tanzenden Skelette gehören zum Gefolge der zornvollen Gottheit Mahakala.
Sie halten einen tantrischen Stab, eine gefüllte Schädelschale und sind umgeben von Körperteilen, Vögeln und Schakalen.

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Kassette, Silber getrieben, vergoldet
Mit Halbedelsteinen besetzt und Sanskrit-Inschriften.
Darstellung der Palden Lhamo und tanzenden Skeletten an den Wandungen Deckel mit fünfacher Darstellung der Vajravarahi. Nepal, Tibet, 19./20. Jh.

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Chitipati-Kabinett (Torgam)
Silbernes Kabinett mit zwei Türen und Sockellade. Die tanzenden Skelette gehören zum Gefolge der zornvollen Gottheit Mahakala. Sie halten einen tantrischen Stab, eine gefüllte Schädelschale und sind umgeben von Körperteilen, Vögeln und Schakalen. Eine umlaufende Leiste aus Schädeln sowie die Deckelblende mit Organen, menschlichen Häuten und Vögeln ergänzen die Ornamente.

Gebetsmühle, Nepal 20.Jh.
Silberne Gebetsmühle mit getriebenen Symbolen der acht Gottheiten, die Opfer darbringen. Acht Glückssymbole.
Der Deckel der Trommel mit dem Chakrenrad und einem Lotus. Im Inneren dicht eingedrehtes Papier mit Gebeten. Durch das Gewicht gerät die Gebetsmühle in Bewegung. Bei jeder Umdrehung werden die Mantras im Inneren genutzt um gutes Karma anzuhäufen.

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Schlüssel, Schlösser und Kästchen aus Asien
Im asiatischen Raum findet man eine Vielzahl an Schlüsseln, Schlössern, Kästchen und Kabinetten. Einige weisen interessante Besonderheiten oder zusätzliche Funktionen auf.

Amulettschlösser
In China war es üblich Neugeborenen ein kleines Vorhangschloss aus Silber oder Alpaka (Neusilber) als Anhänger um den Hals zu hängen. Diese Tradition ist mit den Schutzengelketten in Österreich vergleichbar. Die Vorhangschlösser hatten häufig die Form von Wolken. Diese geht zurück auf den Lin Zhu Pilz, der für ein langes Leben steht. Die Schlösser waren mit guten Wünschen und Glückssymbolen versehen. Oftmals wurde das Geld von den Nachbarn und Freunden der jeweiligen Familie gesammelt, was durch Inschriften auf dem Schloss belegt ist.

Wurfschlüssel
In Tibet kannte man für die großen Schlüssel der Vorhangschlösser noch eine weitere Verwendung außer sie zum Sperren zu benutzen. Tibetische Kriegermönche, die so genannten „Dob Dob“, verwendeten die Schlüssel als Wurfwaffe. Der Schlüssel wurde an einem Lederband befestigt, im Kampf dem Gegner entgegengeschleudert und am Band wieder zurückgezogen.

Türklopfer
In einigen Teilen der islamischen Kultur war es Frauen nicht gestattet, einem Mann die Tür zu öffnen. Um das zu verhindern, wurden die Türen mit zwei Türklopfern mit unterschiedlichem Klang ausgestattet. Wenn eine Frau anklopfte, musste sie den kleinen Türklopfer mit hellerem Klang betätigen. So wusste die Bewohnerin, dass sie die Tür ohne Probleme öffnen konnte. Ertönte der tiefere Klang des größeren Türklopfers, so stand ein Mann vor der Tür. Dann öffnete entweder der Hausherr oder ein Diener dem Gast die Tür.

Chitipati-Kabinette
Ihre Bezeichnung haben diese silbernen Kabinette aufgrund der darauf dargestellten. tanzenden Skelette, den „Chitipati“. Der Name bedeutet "Herr der Leichenhalle". Diese Wesen gehören zum Gefolge der Göttin Palden Lhamo, der einzigen zornvollen, weiblichen Gottheit im Buddhismus. Um die Chitipati herum sind häufig Vögel, Schakale und abgetrennte, menschliche Gliedmaßen zu sehen. Weiters halten sie tantrische Gegenstände. Die Kabinette dienten zur Aufbewahrung von Opfergaben an die Gottheit, die auf tibetisch „torma“ genannt werden. Weiße, runde Tormas waren für die friedvollen Gottheiten, rote, spitze, für die zornvollen Gottheiten.

Sadeli-Mosaik
Eine spezielle Technik der Einlegearbeiten (Intarsien) stellen die Sadeli-Mosaike aus Indien dar. Verschiedene Materialien wie Ebenholz, Bein oder Zinn werden stabweise miteinander verbunden und dann in dünne Scheiben geschnitten. Diese werden dann einzeln auf das Objekt geklebt. Diese Technik kam über Persien nach Indien und erfreute sich im England der Kolonialzeit großer Beliebtheit. Vor allem Näh- und Schreibkassetten sowie Kabinette wurden mit Sadeli-Mosaiken verziert.

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Nepalesische Vorhangschlösser
Spreizfedernschloss in der typischen nepalesischen Form mit Stupa, Flügeln und Kette. Schlosskörper und Flügel mit durchbrochener, in florale Muster geschnittener Eisenplatte. Bügel und Flügel mit durchbrochenem Messing verkleidet. Schlüsselgriff ziseliert. 19. Jh.
Nepalesische Form mit Elefanten und Schneelöwen als geschnittenes Motiv. 19. Jh.

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Nähkassette, Elfenbein geschnitzt
Rechteckige, reich geschnitzte Kassette mit Messing- beschlägen. Als Einsatz zahlreiche Spulen, Dosen und Zubehörteile aus Elfenbein. Die feine Schnitzerei zeigt Figuren in einer Stadtlandschaft oder in einem Garten mit Brücke, Weiden und Pavillons. China, Kanton, Mitte 19. Jh.

Kassette Elfenbein
Deckel zum Aufschieben, im Inneren verschieden Unterteilungen. Wandungen mit bewaffneten Kriegern in mehrfach gewölbten Arkaden. Mogul-Zeit (1500-1850)

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Indische Vorhangschlösser, 19./20. Jh.
Messing-Pfau, ehemals Sammlung Peter Phillips
Fünf Messing-Tiger, Provinz Gujarat
Vier Skorpione aus Eisen, Region Rajasthan
Stehender Mann, Messing mit Gewindeschlüssel.
Segnende Göttin mit erhobener Hand, Messing
Zwei goldtauschierte Schlösser in Form des Affengottes „Hanuman" mit Krone und Keule

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Im Zusammenhang mit den napoleonischen Kriegen stand die große Verbreitung des Eisengusses sowohl im Öffentlichen Bereich wie für Brücken, Denkmäler oder Brüstungen, als auch im privaten Bereich. Hier hat der Mangel an Edelmetall die aufkommende patriotische Gesinnung symbolisiert unter dem Motto „Gold gab ich für Eisen" und im Tragen von eisernem Schmuck. Im Schmuck aus Gusseisen vereinigte sich der dekorative mit dem nationalen Charakter. Eisen war billig und im eigenen Land abzubauen, es hatte Symbolcharakter und forderte zum Kampf auf. Zur Aufwertung des Eisenschmuckes trug auch der höchste Orden der Befreiungskriege bei, das „Eiserne Kreuz“, welches 1813 erstmals verliehen wurde.

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Das eiserne Gold - Das 19. Jahrhundert war die Hochblüte des Eisens.
In den stürmischen Zeiten der Napoleonischen Kriege waren die Menschen auf ein Material angewiesen, das es überall ausreichend zu finden gab und mit dessen Hilfe die Gegenstände des Alltags hergestellt werden konnten. So begann man mit dem Abbau des Eisens und dessen Verarbeitung in den Hütten und Gießereien der Länder Zentraleuropas. Durch diverse Erfindungen wurde das Gießen immer weiter erleichtert und schon bald hatten sich viele Gießereien in den Städten angesiedelt, die ihre Öfen zuerst mit Holz und danach mit Koks beheizten.
Neben Alltagsgegenständen wie Kerzenleuchtern, Aufsatzschalen, Waffeleisen und Christbaumständern wurden auch Taschenuhrenhalter, Spiegelrahmen, Zettelhalter und Tintenfässer, kleine Kästchen, aber auch Schachfiguren, Spielmarken, Medaillen und Büsten berühmter Persönlichkeiten gegossen. Herausragend sind die sogenannten Neujahrskarten, die von einigen Gießereien zu Jahresbeginn verschickt wurden.

Erwähnenswert ist auch der gusseiserne Schmuck, der nicht nur ausnehmend filigran war, sondern auch eine patriotische Komponente bekam, als Königin Louise von Preußen verstarb und sich die feinen Stücke zu einer Art Trauerschmuck entwickelten. Interessant sind auch die Lithophanienständer, jene gusseisernen Rahmen, die fein gepresste Porzellanplatten hielten, hinter denen eine angezündete Kerze ein feines Bild erscheinen ließ. Beliebt waren auch Nachgüsse von historischen Funden, wie etwa jener der,,Warwick-Vase" oder des,,Hildesheimer Silberschatzes". Doch nicht nur die Räume der Häuser waren gefüllt und dekoriert mit dem schwarzen Eisen. Auch Balkongeländer und Treppenhäuser, Gartenzäune, Bänke und Laternenpfähle wurden aus Gusseisen hergestellt. So ergibt sich ein recht deutliches Bild, wie wichtig das Eisen im 19. Jahrhundert gewesen war. Übrigens verdankt das Eisen seine Schwärze dem Graphit, welches das Rosten bis zu einem gewissen Grad zu verhindern weiß. Bevor der Bronzeguss jedoch den Eisenguss verdrängte, wurde das schwarze Eisen noch verzinnt, vernickelt, bemalt oder emailliert, um etwas mehr Farbe in die Häuser zu bringen.

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Büste eines unbekannten Mannes Ev. Solon, Athenischen Staatsmann Königl. Preuß. Gießerei, 19. Jh.
Statuette Graf von Reden, Nachbildung eines Denkmals, Gießerei Gleiwitz 1887
Heinrich IV. v. Frankreich, 1553-1610, Gießerei Sayn 1824/26
Kaiser Franz Joseph I., 1830-1916, Gießerei unbekannt, 20. Jahrhundert

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Amazonen- und Germanensäule - Eisen gegossen und Silber tauschiert.
Nach einem Modell von August Fischer, gegossen von Ferdinand Daniel Otto Grüttner und ziseliert von Ludwig Wilhelm Vollgold. Königlich Preußische Eisengießerei Berlin. Datiert 1837 und 1860

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Bei der Amazonensäule verteidigt eine auf dem Pferd sitzende Amazone ihre Mitstreiterin. Diese Säule ist auf der Neujahrskarte von 1837 abgebildet und wurde 1838 auf der Akademie-Ausstellung gezeigt. König Friedrich Wilhelm erhielt diese als Geschenk und die Säulen standen bis 1856 in seinem Vorzimmer. Er verehrte ein Exemplar dem König Ludwig Philipp von Frankreich, der sie 1848 in den Louvre abgab, wo sie heute noch stehen. Beide Säulen lassen sich in viele Einzelteile zerlegen.

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Büste der Kaiserin Elisabeth (1837-98)
Abguss der Marmorbüste von Victor Tilgner (1844-96)
Bildhauer und Vertreter des neobarocken Historismus. Die Kaiserin ist in der Robe dargestellt, die sie zur ungarischen Krönung 1867 trug. Gießerei Meindl-Breit, Wien

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Komplettes Schachspiel „Die Hermannsschlacht"
Könige: Germanenführer Arminius und röm. Feldherr Varus, Gießerei Zimmermann, Hanau, Um 1850

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Mechanische Sparkasse, Ein Jäger schießt auf Baum, Gießerei unbekannt, 20. Jh.

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Münzschlucker in Form eines Skeletts. Gießerei unbekannt. 20. Jh.

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Rechteckige Kassette. Auf dem Deckel sitzt Putto mit Perlenkette. Gießerei unbekannt,s 19. Jh.

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Kamin- und Ofenzubehör
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts gelang durch die Verbesserung der Heizsysteme (z. B. „Hinterlader-Ofen", der vom Flur aus den Salon beheizte), eine Kultur um Ofen und Kamin. Dazu gehörten neben einem repräsentativen Ofen auch ein offener Kamin mit den dazu passenden Accessoires wie Kaminbesteck zum Schüren des Feuers, Feuerböcken zum Auflegen der Holzscheite und ein Kohlekasten.

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Der Aufstieg der Zünfte
Die mittelalterliche Struktur der Zunft, als wirtschaftlicher und sozialer Verband, der ähnliche Grundbedingungen für alle Gewerbetreibenden schaffen sollte, um so Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen, blieb bis ins 19. Jahrhundert erhalten. Neben Schriftquellen setzten sie auf Symbole und Zeremonien, die vom Leiter der Zunft, dem Zunftmeister, bei geselligen und geschäftlichen Zusammenkünften ausgeführt wurden. Zünfte regulierten das private und soziale Leben der Handwerker, sie verbanden soziale Sicherheit mit sozialer Enge. Die strenge Befolgung aller Regeln wurde akribisch überwacht, um die Qualität des Handwerkers hoch und um unliebsame Konkurrenz nieder zu halten. Durch die vorgeschriebenen Zunftordnungen nahmen Zünfte unmittelbar auf die Qualität der Erzeugnisse und deren Verarbeitung Einfluss. Durch ein sichtbares Zeichen wie dem Meisterstempel, kam es zur Qualitätskontrolle aller Stücke und bewahrte Kunden vor Mängel und Manipulation.

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Zunfttruhe, datiert „1628"
Große Truhe mit Deckelfach, Geheimfach im Inneren und Geheimfach im Boden. Gebläutes und geätztes Schloss Initialen und Jahreszahl im Deckel.

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Zunftzeichen der Leinenweber mit Darstellung des Hl. Severin und von Maria mit Kind. 1833

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Lehrzeit
Nur wer selbst mit seinen Angehörigen eine christlich-redliche Lebensweise nachweisen konnte, also ehrlich war, durfte ein Handwerk erlernen und dazu gehörte u.a. eine eheliche Geburt. Zwischen 12 und 18 Jahren lag das Alter beim Antritt, dem „Aufdingen" vor der offenen Zunftlade und die Lehre dauerte zwischen drei und fünf Jahren. Der Lehrling wohnte im Haushalt des Meisters und musste, neben dem Handwerk auch Rechnen und Schreiben erlernen. Jeder Lehrling hatte einen Bürgen, der seine Redlichkeit bezeugte und für die Bezahlung des Lehrgeldes haftete. Am Ende der Lehrzeit wurde der Lehrling los- oder freigesprochen, eine Prüfung gab es nicht.

Gesellenzeit
Nach der Lossprechung (der heutigen Lehrabschlussprüfung) wurde der Geselle zum wichtigsten Werkstattmitarbeiter - alleine durfte er noch keine eigene Werkstatt führen. Diese konnte er erst nach dem Ablegen der Meisterprüfung leiten. Die Wanderschaft der Gesellen konnte ein bis vier Jahre dauem. Wandernde Gesellen kehrten in Zunftherbergen ein, erhielten für einige Tage Unterkunft und ein „Geschenk" in Form von Geld. Einschreibbücher dienten der Kontrolle und Koordinierung der wandernden Gesellen, sogar die Reihenfolge der besuchten Meister, wurde während der „Umschau" in Meisterlisten eingetragen. Nach Beendigung der Arbeit erhielt der Geselle ein Zeugnis, „Kundschaft" genannt. Vor der Einführung dieser schriftlichen Bestätigung dienten Redewendungen („...Stück davon...") oder das Abfragen von Sehenswürdigkeiten als Nachweis zur Identifizierung eines ehrlichen Gesellen. Gesellen „auf der Walz" waren bis ins 19. Jahrhundert die größte Gruppe der Reisenden im deutschsprachigen Raum, wobei die meisten auch im deutschsprachigen Gebiet blieben. Nach der Wanderzeit ließ sich der Geselle fix für mehrere Jahre bei einem Meister nieder und begann die „Muthzeit". Mit der Muthung, d.h. der Anmeldung zur Meisterschaft und dem Ablegen des Meisterstückes, endete die Gesellenzeit. Söhnen von Meistern oder Gesellen, die eine Meisterswitwe geheiratet hatten, konnte diese Frist verkürzt oder gat erlassen werden. Mancherorts verbot man die Wanderung der Gesellen und sorgte für ein „gesperrtes Handwerk" um Produktionsgeheimnisse zu wahren. Das Zunftwesen geriet im 18. Jahrhundert zunehmend unter Druck die Zahl der Gesellen vergrößerte sich ohne dass sie Meister werden konnten. Ursache dafür waren Bevölkerungswachstum, Absatzkrisen und Konkurrenzdruck. Spontan und gezielt setzten sich die Gesellen dagegen zur Wehr, was wiederum für spezielle Verordnungen und die Auflösung der „Gesellenschaften" innerhalb der Zunft sorgte. Neben dem Streik nutzten Gesellen das Mittel des Verrufs oder der „Schimpfung", das ein besonders starkes Druckmittel war. Das „geschimpfte Handwerk" einer Stadt erhielt so lange keine Gesellen mehr, bis der Streit beigelegt werden konnte.

Meisterprüfung
Nach der Wanderzeit und der Muthjahre konnte der Geselle ein Meisterstück abgeben, das als Befähigungsnachweis diente. Es musste alle gängigen Be- und Verarbeitungstechniken des jeweiligen Gewerbes umfassen und bestand aus mehreren Teilen, die bei der Prufung eingehend untersucht wurden. Danach war er als Meister berechtigt Lehrlinge auszubilden und eine eigene Werkstatt zu betreiben. Um die Anzahl der Meister eines Handwerkes nieder zu halten, führte eine Auslese in Form von üppigen Meistermahlen, hohem Meistergeld, der Beschaffung von Werkzeugen und der Anschaffung von teuren Materialien für das Meisterstück zu Hürden, deren Bewältigung viele Gesellen nicht bewerkstelligen konnten. So blieb ihnen nichts anderes über, als lebenslang ein Geselle zu bleiben. Aus dem Kreis der Meister wurde ein Zunftvorsteher gewählt. Er wurde vereidigt, hatte häufig ein eigenes Siegel und verwahrte die Zunftlade. Daneben hatte der Vorsteher ein Entscheidungsrecht über die Annahme des Meisterstückes oder die Bewertung von Qualitäten.

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Mit diesem neu gestalteten „Themenzimmer" können Sie in die Welt des Eisenkunstgusses eintauchen. Diese hatte ihren Höhepunkt im 19. Jahrhundert. Sie sehen symbolisch eine kleine Wohnung mit Küche und Schlafzimmer, dazu einen Arbeitsraum und einen kleinen Garten.

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Sowohl das Interieur als auch die Gerätschaften wie Ofen, Herd, Bett oder Töpfe dazu Uhren, Thermometer, Sessel, Brunnen und Stehlampe sind aus Eisen gegossen. Diese Zeugen einer längst vergangenen Zeit sollen Sie auf eine Erinnerungsreise mitnehmen, in der Ihnen möglicherweise das eine oder andere Stück aus Ihrer eigenen Kinder- und Jugendzeit ins Gedächtnis kommt.

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Beschläge, Türklopfer und Türzieher
Beschläge wie Langbänder, Zierbänder, Schlüsselschilder, Türklopfer, Türzieher und Drücker dienen primär der Stabilität und der Sicherheit, sekundär der Dekoration von Türen, Truhen, Kästchen oder Kästen. Bänder entfernen sich ab der Epoche der Gotik weg von der zusammenhaltenden, hin zur schützenden und dekorativen Funktion.
Die Halterung der einzelnen Bretter wird durch die Rahmung gewährleistet, schwere Eisenbeschläge an Truhen und Türen sind zunehmend durchbrochen, verästelt und enden in Lilien. Reich durchbrochene Bänder, wie sie vor allem in der Renaissance beliebt werden, sind feinste Eisenschnitt-Meisterleistungen. Bei Schnitzereien an Toren oder Wänden von Kassetten störten die Bänder. Sie wurden immer kleiner oder an die Innenseite verlegt. Das heißt aber nicht, dass sie nicht weniger aufwändig als die sichtbaren Bänder gearbeitet wurden.

Vom Konstruktions- zum Zierelement geworden sind die Zierbänder und Zierbeschläge, die ihren Höhepunkt im Rokoko erreichten. Das Beschlagwerk ist zum reinen Schmuck und eigenständigen Kunstwerk geworden. Schlüsselschilder sind dann auf Türen oder Möbeln zu finden, wenn das Schloss an der Türinnenseite angebracht ist. Das Schlüsselschild umspielt das Schlüsselloch und spiegelt in der Ornamentauswahl den Geschmack der Epoche. Unter allen Beschlagarten haben sie im Laufe der Zeit jeden Stilwandel mitgemacht und sind auch heute Bestandteil jedes Tür- oder Möbelschlosses. Türklopfer dienen der akustischen Kundgabe, wenn an der Haustür kein Wärter stand oder keine Glocke angebracht war. Der Türzieher hat keine Meldefunktion, sondern wird benutzt, um die Tür aufzuziehen oder zuzumachen.

Die elementare Funktion der Türklopfer spiegelt sich im Klopfring mit schwerem Hammer wieder, der allen Klopfern eigen ist und der dazugehörigen Anschlagplatte, die meist reich durchbrochen und getrieben hergestellt ist. Neben ovalen oder herzförmigen Objekten sowie Türklopfern in Leierform, ist die bekannteste Gestalt die des Ringes oder des länglichen Türklopfers. Groteske Figuren und Gebilde aus Fauna und Flora sind am häufigsten in der Gotik und der Renaissance zu finden. Seit der Römerzeit erscheint das Motiv des Löwenkopfes mit Klopfring im Maul. Vorerst bei Kirchentüren, später dann im profanen Bereich begegnen uns die Löwenköpfe mit aufgerissenem Maul und ausdrucksstarker Mähne bis ins 19. Jahrhundert. Der Kopf ist umgeben von einzelnen Strähnen, die teils symmetrisch angeordnet sind und in kleinen Locken enden. Aufwändige bronzene Türklopfer verschönern die Portale großer Paläste des 16. Jahrhunderts. Die Bronzeklopfer haben die Gestalten mythologischer Figuren.

Ein anderes, weit verbreitetes Motiv, ist der Klopfer in Form einer Hand, die einen Stein hält, um damit an die Tür zu schlagen. Vielfach schmücken die Hände sehr realistische Details wie Ringe, Manschetten oder Armreifen. Diese besondere Form des Klopfers hat sich wahrscheinlich vom Kaukasus aus verbreitet: Man nimmt an, dass sie in der Bildsprache des Orients vor dem bösen Blick und vor Unheil im Haus schützt. Beschläge helfen, den Gegenstand auf dem sie angebracht sind, zu datieren. Anhand ihrer Ausformung und Ausführung bekommt man ein klareres Bild bei der Einordnungin die jeweilige Epoche. Klar ist aber auch, dass es gerade die Beschläge sind, die wegen ihres ästhetischen Aspektes in großer Zahl auf Türen, Kassetten und Truhen angebracht sind und sich zum eigenständigen Sammelgebiet entwickelt haben.

 Schell Collection in Graz, August 2024

Das Letzte Abendmahl (Leonardo da Vinci)
Seit seiner Vollendung im Jahre 1498 war das Fresko im Refektorium des Klostes Santa Maria delle Grazie in Mailand das meist kopierte Werk dieses Themas. 1800 vollendete Raffael Morghen den Kupferstich, der als eine der besten Wiedergaben diese Freskos galt. Nach diesem Kupferstich fertigte Leonhard Posch sein Modell des „Abendmahles", 1822, an. Das Relief wurde 1823 in Berlin, später auch in Gleiwitz gegossen. Zahlreiche Nachgüsse erfolgten durch die Hütten Lauchhammer, Buderus, Carlshütte, Mariazell und andere. In verschiedenen Größen gegossen, erscheint uns heute Da Vincis „Abendmahl" allgegenwärtig.

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Opferstöcke
Wurden in den ersten Anfängen aus einem ausgehöhlten Baumstamm (althochdeutsch „stock"- Baumstumpf) gefertigt. Später stelle man sie nicht nur aus Holz, sondern auch aus Eisen oder Stein her. Bei größeren Opferstöcken sieht man häufig mehrere Verriegelungen. So war nicht nur ein rasches Aufbrechen erschwert, durch Verteilen der Schlüssel auf mehrere Personen konnte diese niemand alleine leeren und in Versuchung geraten. Im kirchlichen Almosenwesen gab es, ergänzend zum fest verankerten Opferstock der vor dem Gotteshaus, in der Kirche am Boden oder an der Wand befestigt war, auch Sammelbüchsen die herumgereicht wurden.

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WITWERSCHLÜSSEL
Witwerschlüssel waren vor allem in Österreich und in Süddeutschen Gebieten gebräuchlich.
Es sind kleine, silberne Schlüssel mit Voluten in der Reide (Griff) und im Bart - man kann sofort erkennen, dass es sich um keinen sperrenden Schlüssel handelt, sondern um sog. "symbolischen Schlüssel", die an der Uhrkette der Taschenuhr getragen wurde.

Wenn Mann und Frau geheiratet haben, hat die Frau am Tag der Hochzeit die Schlüsselgewalt übernommen, d.h. sie konnte im Namen ihres Mannes Rechtsgeschäfte abschließen und trug einen großen Schlüsselbund an einem Gürtel um die Taille, an dem die Schlüssel für alle Schränke, Türen und Truhen des Hauses hingen. Verstarb die Frau früher, so wurde der Mann Witwer und trug als Zeichen der Trauer aber auch als Zeichen und Aufforderung an andere Damen, fortan einen kleinen, silbernen Schlüssel an der Uhrkette der Taschenuhr, den sogenannten Witwerschlüssel. Die Frauen wussten so, dass dieser Mann seine "Schlüsselgewalt" wieder abgeben will.

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ZUCKERDOSE UND TANTALUS-FLASCHE
Sowohl die Zuckerdose, meist aus Silber, als auch die Glasflaschen mit alkoholischem Inhalt waren verschlossen.
Damit die Dienerschaft weder Zucker naschen noch einen Schluck aus der Alkoholflasche nehmen konnte, bewahrte die Hausfrau den Schlüssel zu diesen beiden Gegenständen am Schlüsselbund auf. Die fest versperrten Flaschen werden nach dem reichen König Tantalos benannt. Er wurde nach Gräueltaten, in den Tartaros und zu lebenslangem Hunger und Durst verbannt.

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 Schell Collection in Graz, August 2024

Kästchen, Messing gegossen und feuervergoldet.
Innen mit grünem Samt ausgelegt Fa. Erhard und Söhne, Schwäbisch Gmünd, um 1900

Giebelkassette aus Messing, gegossen. Szenen aus der Legende des Hl. Sebaldus nach den Reliefen von Peter Vischer aus dem Sebaldusgrab in Nürnberg. Fa. Erhard und Söhne, Schwäbisch-Gmünd, 1885-86

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Kabinettschränkchen mit Email-Einlegearbeit.
Künstler: Ratzersdorfer oder Stork. Wien, 19. Jh.

Kleines Kabinett mit drei Laden und Bemalung.
An den Ecken vier Putti, Deckelbekrönung durch Löwen der eine Inschriftentafel hält „PAX CIVI“. 19.Jh.

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Zuckerdose aus Silber
Von einem Elefanten getragen, mehrfach punziert. Vermutlich aus dem Besitz Kaiser Franz Joseph I., Wien 1855

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BIEDERMEIER 1815-1848
Bürger sehnten sich nach Frieden (Napoleonische Kriege) - zogen sich aus Politik zurück - erstrebten einfaches besinnliches Leben. Name stammt aus den "Fliegenden Blättern" (politisch satirische Zeitung) - beschrieb Zeitgeist.
Kennzeichen: Kunst beschränkte sich auf vertraute Umwelt - vornehmlich auf angenehme Seiten, wobei soziale Mißstände geflissentlich übersehen werden
Ferdinand Georg Waldmüller (1793-1865), Peter Fendi, Friedrich Gauermann
Kunsthandwerk: Möbel, Porzellan, Gläser, Kleinkunst, Gemälde

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Turmkästchen aus Walrossbein, tlw. grün gefärbt und geschnitzt. Provinz Archangelsk, Russland, 19. Jh.
Kassette mit Walmdeckel, Walrossbeinplatten auf Nadelholz, im Wechsel, teils graviert, teils geschnitzt. Russland, Dorf Cholmogory, Provinz Archangelsk, 19. Jh.
Russisches Kleinmöbel in Form eines Sekretärs, aufklappbar und mit Lade. Walrosszahn. Russland, Dorf Cholmogory, Provinz Archangelsk, 19. Jh.
Holzkästchen mit geschnitzter Beinauflage und Folien unterlegt. Russland, 19. Jh.
Holzkästchen mit geschnitzter Beinauflage und Folien unterlegt. Russland, 19. Jh.
Russ. Beinkästchen mit reich geschnitzten Einlagen, Dorf Cholmogory, Provinz Archangelsk, 19. Jh.
Spielkassette, Walrossbein geschnitzt. Im Inneren vier Dosen für Spielmarken und zwei kleine Besen zum Reinigen des Tisches. Am Deckel zu sehen ist Michael Kutusov, Prinz von Smolensk mit Soldaten und Türken. Provinz Archangelsk, 19. Jh.
Russ. Beinkästchen mit reich geschnitzten Einlagen, Dorf Cholmogory, Provinz Archangelsk, 19. Jh.
Russ. Beinkästchen mit reich geschnitzten Einlagen, Dorf Cholmogory, Provinz Archangelsk, dat. 1811.

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Werkstatt der Familie Embriachi
Mit Beginn des 15. Jh. übernahm Italien von Frankreich die führende Rolle in der Elfenbeinkunst. Der aus Florenz stammende Baldassare degli Embriachi gründete Anfang des 15. Jh. in Venedig eine Werkstatt und erlangt mit seinen Kästchen und Truhen großes Ansehen und Wohlstand. Embriachis Kästchen sind vier-, sechs- oder achteckig und zumeist nicht aus Elfenbein sondern aus Bein hergestellt. Die figuralen Darstellungen zeigen in der Regel abgeschlossene Szenen und im Hintergrund Landschafts- oder Architekturornamente. Ein weiteres Merkmal ist das sogenannte „Certosina-Muster" am Rahmen. Gemeint sind damit Mäanderbänder, welche mittels Einlegetechnik aus kleinen Bein-, Horn-, Zinn- oder Ebenholzplättchen zusammengesetzt werden und ein geometrisches Muster ergeben.

Embriachi Kästen, Holzkorpus und Bein. Im Relief Engel und paarige Figuren. Einige Ergänzungen aus dem 19. Jh., Italien Anfang 16. Jh.
Embriachi Kästen, Holzkorpus und Bein. Im Relief Paare und Wappenschilde. Italien Anfang 16. Jh.

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BAROCK 1600-1780
vom Portugiesischen "barucca" schiefrund, verschnörkelt findet im Rokoko (zweite Hälfte 18. Jahrhundert) seinen Ausklang. Ende der Glaubenskämpfe und der Türkengefahr - Kampf der Herrschergeschlechter in Europa (Ludwig XIV, Leopold I, Prinz Eugen, Karl VI und seine Tochter Maria Theresia)
Kennzeichen: Bewegung in der Architektur, Übermaß an Formen, Farben und Kraft. Macht der Fürsten, Kirche und Bürgertum spiegelt sich in der Architektur wider
Architektur: Palais Attems (Graz) von Andres Strengg
Malerei: Anton Franz Maulpertsch (1724-1796), Paul Troger (1698-1762), Peter Paul Rubens (1577-1640), Johann Martin Schmidt (1718-1801)
Kunsthandwerk: Möbel, Porzellan, Gläser, Schmiedeeisen, Gemälde

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Türschlösser mit Eisen getriebener Schlossdecke, Barock
Möbelschlösser mit Eisen getriebener Schlossdecke, Barock
Möbel- und Türschlösser Schlossdecke graviert mit Stadtansichten, 18. Jh.

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Höfische Prunkkassette aus Salzburg
Diese prunkvolle Schreibschatulle wurde um 1740 von Hof-Silberschmied Georg Martin Gizl für den Salzburger Fürsterzbischof Leopold Anton von Firmian (1679-1744) gefertigt. Hergestellt aus vergoldetem Kupfer mit durchbrochenen, blattvergoldeten Ornamenten auf der gesamten Außenfläche, ist diese ungewöhnliche Schatulle ein ganz besonderes Exemplar. Auf dem Deckel ist eine Jagdszene eingraviert, die auf beiden Seiten mit freistehenden Eckbalustern flankiert wird. Im Inneren ist der Deckel mit einer durchbrochenen Ornamentik versehen, in der sich das Auge Gottes mit einem eingearbeiteten Granat inmitten eines Strahlenkranzes befindet. Die Rückseite der Kassette zeigt uns eine thematisch ähnliche Reiterszene. Auf der Vorderseite ist das Wappen des Fürsterzbischofs von Firmian im Zentrum, welches das Schlüsselloch verdeckt. Über dem Wappen befinden sich zwei Adler, die eine Vase halten. Zusätzlich befindet sich auf der Vorderseite eine gravierte Inschrift, die dem Auftraggeber Leopold Anton von Firmian gewidmet ist. Leopold Anton von Firmian entstammte einem Tiroler Adelsgeschlecht und wurde in München geboren. Von 1724 bis 1727 war er Bischof von Seckau. Von 1727 bis zu seinem Ableben 1744 Fürsterzbischof von Salzburg.

Die lateinische Inschrift
CELSISSIMUS AC REVERENDISSIMUS DOMINUS LEOPOLDUS, ARCHIEPISCOPUS ET SACRI ROMANI IMPERI EXCELSUS PRNCEPS SALISBURGENSIS SACRAE SEDIS APOSTOLICAE LEGATUS NATUS GERMANIAE PRIMAS EX ILLUSTRISSIMA ET ANTIQUISSIMA PROSAPIA LEBERORUM BARONUM DE FIRMIAN
bedeutet übersetzt
DER AUSGEZEICHNETSTE UND EHRWÜRDIGSTE GEBIETER LEOPOLDUS, ERZBISCHOF UND HOHER FÜRST DES HEILIGEN RÖMISCHEN REICHES, HERRSCHER VON SALZBURG, VERMÄCHTNIS DES HEILIGEN APOSTOLISCHEN STUHLS, IN DEUTSCHLAND GEBOREN, DER ERSTE DER AM MEISTEN DARGESTELLTEN UND ÄLTESTEN LINIE DERER VON FIRMIAN.
Rechts davon befindet sich die Signatur des Hof-Silberschmieds Georg Martin Gizl.

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RENAISSANCE 1500-1620
vom Italienischen "rinascimento" Wiedergeburt, Erneuerung der Antike. Ausgangsland ist Italien (Geist der Antike).
Aufschwung der Wissenschaften, Erfindung des Buchdrucks, Kompaß und Feuerwaffen (Schießpulver)
Entdeckungen: Amerika, Seeweg nach Indien, erste Weltumsegelung
Maler und Bildhauer: Michelangelo Buonarotti (1475-1564), Raffaelo Santi (1483-1520), Tiziano Vecell (1476-1576), Leonardo da Vinci (1452-1519), Pieter Bruegel der Ältere (1525-1569)
Kunsthandwerk: Möbel, Kästchen, Kassetten, Kabinette, Gemälde, Kleinkunst

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Französische Möbel- und Türschlösser 18. Jahrhundert
Französische Truhenschlösser, Meisterstücke 17./18. Jahrhundert
Französische Riegel, 16.-18. Jahrhundert

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Bergkristall-Kassette, Venedig um 1600
Vergoldeter Holzrahmen mit floralem Muster umgibt den geschliffenen Bergkristall in geometrischen Feldern.
Vermutlich Geschenk eines Papstes an den männlichen Thronfolger eines europäischen Herrscherhauses.

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Päpstliche Schlüssel
Das Papstemblem der gekreuzten Schlüssel mit der Tiara ist das Symbol der zeitlichen und geistlichen Ordnung des Papstamtes. Der silberne Schlüssel der linken Seite versinnbildlicht die Gewalt zu schließen (potestas ligendi), der goldene Schlüssel der rechten Seite, die Gewalt zu lösen und zu öffnen (potestas solvendi). Die Päpste begannen im Mittelalter kleine Goldschlüssel mit Feilspänen von den Ketten des Petrus an Bischöfe, Herrscher und Fürsten zu senden. In der Folgezeit erhielten auch Städte, Institutionen und Körperschaften unter dem Schutz des Papstes, das Schlüsselzeichen. Die hier gezeigten Schlüssel müssen in diesem Zusammenhang gesehen werden.

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Der Camerlengo (Kardinalkämmerer) ist ein hohes Amt in der Hierarchie der römisch-katholischen Kirchen. Dem Camerlengo unterliegt die Führung der Apostolischen Kammer, der päpstlichen Finanzbehörde. Er stammt aus den Reihen des Kardinalskollegiums und wird seit dem 15. Jahrhundert vom Papst ernannt. Als Vorstand der Apostolischen Kammer verwaltet der Camerlengo die Güter und Rechte des Heiligen Stuhl in der Zeit der Sedisvakanz (das ist die Zeit vom Tod des Papstes bis zur Neuwahl eines neuen Papstes). Der Camerlengo stellt den Tod des Papstes fest und übernimmt während der Sedisvakanz als Vorsitzender der Sonderkongregation die Verwaltung der Kirchen. Er nimmt dem Verstorbenen den Fischerring ab, das Symbol der päpstlichen Macht. Anschließend versiegelt er die Privatgemächer des verstorbenen Papstes. Bis zur Wahl eines Nachfolgers für den Papst, wird das Wappen des Heiligen Stuhls durch das Wappen der Apostolischen Kammer ersetzt, das sich aus dem persönlichen Wappen des Camerlengo zusammensetzt, der von einem Baldachin (ombrellone) und den gekreuzten Petrusschlüsseln überragt wird.

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Würzburgischer Kammerherrenschlüssel - Ferdinand, Erzherzog von Österreich (1.2.-15.9.1806)
Würzburgischer Kammerherrenschlüssel - Ferdinand, Erzherzog von Österreich (1.2.-15.9.1806)
Königlich Bayrischer Schlüssel - Maximilian III. (1745-1777)
Regensburger Schlüssel - Fürstbischof Johann Theodor (1719-1763)
Bamberger Schlüssel - Friedrich Carl Graf von Schönborn (1729-1746)
Königlich Bayrischer Schlüssel - Maximilian III. (1745-1777)
Würzburger Kämmererschüssel - Adam Friedrich Graf von Seinsheim (1755-1779), Fürstbischof von Würzburg und Bamberg - Entwurf von Hofschlossermeister Johann Georg Oegg

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Vorhangschlösser mit Vexier, Biedermeier Österreich

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Vorhangschlösser, Mit Buchstaben- oder Zahlenkombinationen 18.-20. Jahrhundert

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Kuriositäten: Schlüsselpistolen, Schlüsselpfeifen, Kellermeisterschlüssel, Siegel und mehr 18./19. Jahrhundert

Pistolenschlüssel, vermutlich Gesellen- oder Meisterstücke. 17.-19. Jh.
Stilett-Schlüssel mit verborgenem Dolch, 18. Jh.

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Schlösser mit ausgefallenen Sicherungen
Türschloss aus Messing mit eingebautem Zählwerk und Vexier. Das linke Bein des Mannes verbirgt das Schlüsselloch die Schuhspitze zeigt auf die Nummer an am Rad. Jedes Mal, wenn mit dem Schlüssel gesperrt wird, bewegt sich das Zahlenrad. 18. Jh.

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Die Verbreitung und Anwendung von Keuschheitsgürteln ist unter Historikern äußerst umstritten. Während einige Quellen die Verwendung bis ins alte Ägypten zurückzuverfolgen glauben, gibt es inzwischen auch Behauptungen, dass Keuschheitsgürtel eine Erfindung des viktorianischen Zeitalters seien und die angeblich aus dem Mittelalter stammenden Exemplare allesamt Fälschungen sind. Es ist also keineswegs wissenschaftlich gesichert, dass die Ritter - während sie sich auf Kreuzzug befanden - die Gattinnen und eventuelle Mätressen in Eisen legten, um deren Treue und Keuschheit während ihrer Abwesenheit sicherzustellen. Jedem realistisch denkenden Menschen drängen sich auch massive Zweifel an diesen Geschichten auf. Sicherlich hätte das blanke Eisen, eng anliegend auf der bloßen Haut getragen, diese binnen weniger Tage wundgescheuert und unter Bedachtnahme auf die damaligen hygienischen Verhältnisse wäre wohl jede Trägerin in kurzer Zeit einem Wundstarrkrampf erlegen. Unumstritten ist dagegen die Tatsache, dass es seit mehreren Jahrhunderten Vorrichtungen gibt (eines der letzten Patente dafür stammt aus dem Jahr 1903), die die Geschlechtsorgane der Frauen abdecken sollen, ohne die Verrichtung der Notdurft unmöglich zu machen.

Modelle mit etwas mehr Tragekomfort waren mit Leder oder sogar mit Samt gepolstert, wobei das Grundproblem der Hygiene dadurch sicherlich verschärft wurde. Naheliegend ist jedoch die Vermutung, dass sich manche Frauen der vergangenen Jahrhunderte diesen Keuschheitsgürtel bei Bedarf selbst anlegten, um bei Raubzügen oder Überfällen durch irgendwelche Feinde oder bei weiten Reisen gegen drohende Vergewaltigung geschützt zu sein. Auch die Vermutung, dass die Schlossermeister früherer Jahrhunderte an der Anfertigung von Nachschlüsseln ein kleines Vermögen verdient hätten, dürfte eines der vielen Märchen über dieses Martergerät sein. Nichtsdestoweniger hat kaum ein Gebrauchsgegenstand über lange Zeit die Phantasie der Menschen derart angeregt, dass niemand müde wird, sich Gedanken über eventuelle Anwendungsmöglichkeiten zu machen

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Eger Kabinett, Reiche Intarsien mit den 10 Geboten und der Erschaffung der Welt. 17. Jh.

Dieses Kabinett aus der Stadt Eger (heute Cheb, Tschechien) wurde mit großer Wahrscheinlichkeit in der Werkstatt von Adam Eck zwischen 1633 und 1664 angefertigt. Der protestantische Intarsienschnitzer war mit seiner Familie im Zuge der Gegenreformation aus der Stadt vertrieben worden und kehrte 1633 wieder zurück um seine Werkstatt aufzubauen. Adam Eck gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der Egerer Reliefintarsienkunst.
Ecks Arbeiten zeichnen sich durch eine Vielzahl an Allegorien aus. Er ist auch der einzige Kunstschnitzer der Süßwasserperlen für seine Intarsien verwendet. Kabinettmöbel zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Einzelbildchen stets zusammen gehören und ein großes Ganzes ergeben. Das gezeigte Kabinett ist stark christlich geprägt - ersichtlich anhand der Zehn Gebote - mit einer protestantischen Botschaft. Diese ist zu sehen an der Schublade, die einen Kirchenraum zeigt, in dem gepredigt wird. Im Zentrum steht das Taufbecken.

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GOTIK 1250-1500
Zeitraum vom Aussterben der Babenberger (1246) bis zum Tode des Habsburgerkaisers Maximilian (1519).
Wesen der gotischen Kunst ist aus der geistigen und religiösen Haltung der Menschen zu verstehen.
Verfall des Rittertums, Hauptträger der Kultur: Kirche, Adel und Bürgertum.
Kennzeichen: Gotische Gewölbeformen (Kreuz - Netz - u. Sternrippen, Fächergewölbe), Spitzbogenfenster, Maßwerk (ornamentale Schmuckform), hochaufragende Bauten im sakralen Bereich zeugen von inniger Religiosität.
Baukunst: Dom zu St. Stephan in Wien, Notre Dame (Paris), Kölner u. - Regensburger Dom, Dogenpalast (Venedig), Kathedrale in Canterbury (England), Grazer Bürgerhäuser
Malerei: Hieronymus Bosch (1450-1516), Sandro Botticelli (1444-1510), Giotto di Bondone (um 1266-1337), Rogier van der Weyden (1399-1464)
Bildhauer: Michael Pacher (1440-1498) Österreich
Kunsthandwerk: Möbel, Truhen, Kassetten, Flügelaltäre, (Tafelbilder), Gemälde

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RÖMER 150 v. Chr. - 500 n. Chr.
Um Christi Geburt besetzten die Römer einen Großteil unserer heutigen Heimat die von Kelten besiedelt war - sie nannten diese neue Provinz "NORICUM". Römer errichteten entlang der Donau KASTELLE (Befestigungsanlagen) zum Schutze gegen die Germanen - sie errichteten darüber hinaus Straßen, Städte und Siedlungen, Tempel, Theater, und Sportanlagen. Durch die unaufhaltsam fortschreitende Auflösung des römischen Imperiums sank die Kultur in Noricum noch im 4. Jahrhundert rasch ab, die Grenzgebiete verarmten, die Orte wurden verlassen oder verfielen. Seit dem Ende des 5. Jahrhunderts waren die Gebiete an der Donau dem Einfall fremder Völker ausgesetzt. Diese machten die hohe Kultur schnell zunichte.
Kennzeichen: Kunst der Römer stark von den Griechen und Etruskern beeinflußt, römische Wölbungsarchitektur für Tempelbauten von den Griechen übernommen, illusionistische Auflösung der Wände durch Scheinarchitektur
Berühmte Bauten: Colosseum - Amphitheater (70 80 n. Chr. - Rom), Triumphbogen des Konstantin (116 n. Chr. von Trajan errichtet - 320 n. Chr. von Konstantin umgestaltet)
Fundorte: Carnuntum Vindobona (Wien), Lauriacum (Lorch bei Enns / OÖ), Virunum (Zollfeld), Magdalensberg (Kärnten), Flavia Solva (Steiermark)

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Steirische Holzschlösser, 19./20. Jh.

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Prunkkassette, Stahlschnitt, datiert 1733
Provenienz: Marie-Helénè de Rothschild vormals Alphonse Rothschild Collection
Mit Beschauzeichen der Stadt Strassburg, Elsass

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Kästchen von Michel Man(n), Conradt Man(n); Kästchen nach Art Michel Man(n) und Conradt Man(n)
Kleine feuervergoldete Messingkästchen, meist graviert oder geätzt, die in ihrem Aufbau und ihrer Form die großen eisernen Truhen nachahmen. Diese stammen aus der Werkstatt der beiden Brüder Michel und Conradt Man(n). Sie signierten ihre kleinen Kästchen öfter an der Deckelleiste, wobei der Name manchmal mit einem, ein anderes Mal mit zwei „M" geschrieben wurde. Häufig finden sich die Initialen MM oder CM am Boden, oder am Rand des Deckels auf der Innenseite. Allen kleinen Kästchen ist das Deckelschloss, welches vier bis sechs Fallen aufweisen kann, gemeinsam. Zudem weisen sie noch eine verschiebbare Deckelleiste, die das Schlüsselloch verbirgt, weiters Kupferbeschläge an den Ecken und den Seiten sowie meist gequetschte Kugelfüßchen auf.

Als Themen für die Ätzung, oder die Gravur wurden häufig Vorlagen von Jost Amman, oder Virgil Solis, die frei variiert wurden, gewählt. Diese zeigen die Freien Künste, Tugenden oder Laster, häufig paarweise angeordnete Liebespaare oder religiöse Motive. Bei sehr feinen Kästchen aus der Werkstätte Man(n) ist auch die Unterseite, sowohl innen als auch außen geätzt. Die Gravuren und Ätzungen selbst wurden aber nicht in der hauseigenen Werkstätte gefertigt sondern von Graveuren oder Ätzmalern gestaltet.

Gesicherte Nachweise aus dem Leben der beiden Meister sind spärlich. Der Vater, ein Messerschmied mit dem Namen Sebastian Mann, stammte aus Schwabach in der Nähe von Nürnberg. Er verstarb 1582 und hinterließ seiner Frau und seine zwei Söhne Michel und Conradt. Sein Sohn Michel ehelichte als Büchsenmeister und Kunstschlosser im Jahr 1589 die Tochter eines Schmiedes und erhielt dadurch sowohl das Bürgerrecht der Stadt Augsburg als auch die Schmiedegerechtigkeit. Michel Mann starb um 1630 in Wöhrd bei Nürnberg, seine Gattin Ursula scheint in Augsburg geblieben zu sein. Über seinen Bruder Conradt ist nichts bekannt.

Unter den vielen gleichartigen Kästchen, die in Museen und Sammlungen als Michel Man(n) Kästchen ausgewiesen werden, dürften sich auch Nachahmungen des Barocks von Mitbewerbern, aber auch des Historismus darunter befinden. Im 19. Jahrhundert wurden diese überaus beliebten Kästchen reproduziert, diese sind aber durch die Unterschiede in ihrer Größe und der Gravuren erkennbar.

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Schlosserei: Alle Gegenstände stammen aus einer ehemaligen Grazer Schlosserei

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Ritualdolch (kila) mit Klinge aus Bergkristall.
Ein 'kila' oder tib. 'phurbu' ist ein Ritualobjekt, mit dem symbolisch Dämonen vernichtet werden. Am Griff ist  der dreigesichtige Gott Vajrakila (tib. Dorje Phurbaj zu sehen. Darjeeling, Indien, 20. Jh.

Ritualmesser (karttrka) mit einem Makara.
Ein Makara ist ein Fabelwesen aus dem Hinduismus und besteht aus verschiedenen Tieren, z.B. Elefant oder Delfin. Es steht in Verbindung mit dem Wasser und gilt als Reittier des Meeresgottes Varuna. Darjeeling, Indien, 20. Jh.

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Krone eines Orakelmediums, Silber vergoldet.
Ein Orakelmedium (Kuten) trägt eine Krone oder ein Band während der Trance. Dies ist ein notwendig für das Gelingen des Rituals. Das Staatsorakel von Tibet lebte seit dem 17. Jh. bis 1959 im Kloster Nechung. Tibet, 19. Jh.

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Holzkassette mit Perlmutt-Intarsien. Holz und Perlmutt, Belgien, 17./18. Jh.

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Vergoldetes Salonschloss mit einer Darstellung aus der griechischen Mythologie. Gezeigt wird Orpheus mit seiner Lyra in der Hand, stehend am Fluss Styx, neben ihm der Fährmann Charon. Messing und Gold, Frankreich, 19. Jh.

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Holzkassette mit Strohintarsien.
Wurde für die Jüdin Ida Loewe gefertigt und zeigt diverse Gebäude samt Beschriftungen. Wien, 1886

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Gegossenes und koloriertes Wandrelief von Schloss Heidelberg der Gießerei Mägdesprung.
Gebaut im 12. Jahrhundert, war die Schlossruine zur Zeit der Romantik ein beliebtes Motiv. Gusseisen, koloriert, Deutschland, 19. Jh.

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Zwei Statuetten einer reitenden Dame mit Falken am Arm. Eine aus Zinkguss, farbig gefasst und die andere aus Eisenkunstguss. Da es zu dieser Zeit keinen Muster- od. Patentschutz gab, wurden dieselben Modelle oft von vielen Gießereien in unterschiedlichen Materialien und Fassungen nachgegossen. Europa, 19. Jh.

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Tür, Messing gegossen
Der Priester Melchisedech spendet Brot und Wein. Er segnet Abraham, darauf hin spendet Abraham an Melchisedech den Zehnten (freiwillige Abgabe an den Tempel). Historismus

Tabernakeltür, Holz vergoldet
Geschnitzte und vergoldete Tür die mittig den Kelch mit der Hostie zeigt. Darunter zwei kniende Engel. Deutschland oder Östereich. Barock

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Wem der viele Text zu lange war und lieber Bewegtbilder mit Musik mag, kann sich gerne dieses Video antun: