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Das Weltmuseum Wien, zuvor Museum für Völkerkunde,
ist ein ethnologisches Museum in der Wiener Hofburg. Es enthält
Sammlungen aus allen Kontinenten. Zudem verfügt es über eine
Bibliothek, ein Archiv und eine bedeutende Fotosammlung.
Aus Anlass des Internationalen Jahres der Kameliden geht das Weltmuseum
Wien den vielen Facetten des Zusammenlebens mit Dromedaren,
Trampeltieren, Lamas und Alpakas nach. Die Sonderausstellung „Auf dem
Rücken der Kamele" spannt den thematischen Bogen von den Urkamelen
Nordamerikas bis zur Haltung von Kameliden als nahezu universelle
Nutztiere, die vielleicht in Zukunft das Überleben der Menschen
sichern. Mit historischen und zeitgenössischen Kunstwerken, Filmen,
Fotografien sowie Objekten aus den Sammlungen des Weltmuseums Wien und
zahlreichen Leihgaben erzählt die Ausstellung von vergangenen,
gegenwärtigen und künftigen sBegegnungen mit Kameliden.
Das goldene Vlies
Das Lama ist das Nationaltier von Bolivien, das Vikunja jenes von Peru.
Diese Länder bildeten einst das Zentrum des Inka-Staates. Die von den
Inka eroberte Andenregion war der Lebensraum der Lamas, Vikunjas und
Alpakas. Diese Tiere wurden gehalten und gezüchtet, um den wertvollen
Rohstoffe Wolle zu gewinnen. Nur die Inka-Elite durfte Kleidung aus
Vikunja-Vlies tragen. Heutzutage verhält es sich nicht anders, da sich
nur die Wohlhabenden die hochpreisigen Produkte aus Vikunjawolle
leisten können. Dies steht in starkem Gegensatz zu den Niedriglöhnen,
die die Menschen in den Anden für das Scheren der Vikunjas und die
Verarbeitung der Wolle erhalten.
Das Weltmuseum Wien zeigt Alltagsgegenstände und künstlerische Schätze
aus der ganzen Welt mit einem Schwerpunkt auf Kulturen außerhalb
Europas. Das Museum ist seit 1928 in der Neuen Hofburg im Herzen von
Wien untergebracht. Die Sammlungen des Museums erzählen aus
verschiedenen Perspektiven, wie Österreich mit vielen anderen Teilen
der Welt verbunden ist. Ein kritisches Verständnis des Kolonialismus
und die Aufklärung über die Geschichte der Ethnologie spielen eine
zentrale Rolle in den Ausstellungen des Museums. Das Museum versteht
sich als Plattform für Diskussionen zwischen den verschiedenen Kulturen
rund um den Globus und als Ort, um über Vergangenheit und Gegenwart
nachzudenken. Alle Menschen sind gleichwertig, aber wir sind nicht
gleich. Das Museum präsentiert Ausdrucksformen globaler Kreativität. Es
baut Brücken zu Menschen, die anderswo leben und die von anderswo
gekommen sind, um eine gemeinsame Zukunft zu gestalten.
Stiegenhaus im Weltmuseum Wien in der Hofburg in Wien beim Lichthof Corps de Logis
Frauentracht - von Kleidung und Identität
Der Huipil und der Quechquemitl sind die traditionellen weiblichen
Kleidungsstücke Mesoamerikas. Sie werden mit einem Wickelrock getragen.
Diese Frauentrachten sind bis heute im Gebrauch. Männer tauschten ihre
Traditionstrachten schneller gegen europäische Kleidung ein, teilweise
gezwungen. Huipiles sind aus zwei oder drei gewebten Stoffbahnen
zusammengenäht. Die verwendeten Hüftwebgeräte sind, wie die Gewänder,
präkolumbischen Ursprungs. Manche Huipiles sind an den Seiten offen.
Zeremonielle Exemplare sind am üppigsten mit eingewebten
(Brokattechnik) oder gestickten Mustern dekoriert. Form und Muster sind
charakteristisch für die eigene Gemeinschaft. Immer öfter werden
Trittwebstühle, industrielle Fäden und synthetische Farben statt
Naturfarbstoffe verwendet.
Marktbaum
Ein Hochzeitspaar verlässt die Kirche. Vor ihm bieten über 60
Marktstände Waren an: Geflügel, Obst, Keramiken oder Hüte. Ein Kind
isst eine Scheibe Melone, sein Hund springt an ihm hinauf. Männer
leeren ihre Flaschen, anderswo mahlt eine Frau Maiskörner zu Mehl auf
einer Metate. Tortillas und Salsa werden zubereitet. Ein schreiendes
Kind bekommt die Haare gewaschen, anderswo wird ein kreischendes Tier
geschlachtet. Alltag auf den Märkten in Mexiko und Mittelamerika.
Herón Martínez Mendoza (1918-1990) und Olivia Guzmán, Acatlán de Osorio, Puebla, Mexiko, vor 1972, Keramik
La Catrina
Die Society-Lady Catrina ist während der Tage der Toten in Mexiko
allgegenwärtig. Sie wurde von José Guadalupe Posada (1852-1913)
kreiert. Mit ihr wurde die mexikanische privilegierte Oberschicht
kritisiert und vermittelt, dass auch die Bessergestellten dem Tod nicht
entkommen werden. Dieser Gesellschaftsspott war ebenfalls gegen das in
der Hauptstadt vorherrschende Bedürfnis gerichtet, sich ausländische
kulturelle Äußerungen anzueignen, statt sich als Mexikaner zu
präsentieren.
Totenehepaar - David Moctezuma, Mexiko-Stadt, Mexiko, 1999 Pappmaschee, Textil
Teller mit Darstellung des Gründungsmythos von Mexiko-Stadt
Die Mexica oder Mexikaner waren eines der vielen Völker Mesoamerikas.
Als sie einen Adler auf einem Feigenkaktus sitzen sahen, war das ein
Zeichen sich niederzulassen. Hier liegt heute die Stadt Mexiko. Die
Legende ist im Wappen Mexikos abgebildet. Nach der Eroberung wurde
dieses Volk 300 Jahre lang weiterhin Mexica (Mexikaner) genannt. Seit
der Unabhängigkeit Mexikos heißen alle Bewohner des neuen Staates
Mexikaner. Für die ursprünglichen Mexica kam darauf der heute
gebräuchliche Name Azteken auf.
Tonalá, Jalisco, Mexiko, 1959, Keramik
In eine Neue Welt
Sprachen, Glauben, Kunst sowie das Aussehen der First People
Nordamerikas sind verschieden. Designs auf heiligen Gegenständen,
Werkzeugen und Menschen selbst zeugen von ihrer Identität und Herkunft.
Diese Tradition setzt sich heute in Gebrauch von Flaggen, Kleidung und
modener Kunst fort. Trotz der Unterschiede zwischen den Gemeinschaften
teilen sie einige Traditionen und Glauben, wie die Heiligheit der
Himmelsrichtungen und ihre Beziehung zur Natur. Sie teilen auch eine
Vergangenheit, geprägt von Genozid, dem Verlust von Land und
Ressourcen, sowie allgemeiner Marginalisierung seit Ankunft der
Europäer und der Gründung der USA und Kanadas. Doch die Geschichte der
Native People Nordamerikas endet nicht in Trauer und Niederlage. Sie
setzt sich fort, aufbauend auf dem Erbe der Vorfahren, der Ausdauer der
heutigen Menschen und der unzerbrechlichen Verbindung zur Heimat. Heute
verschmelzen das Traditionelle und Nicht-Traditionelle und ermöglichen
somit ein Leben in beiden Welten. Jede wehende Stammesfahne, jedes
moderne Kleidungsstück mit traditioneller Symbolik oder die Herstellung
traditioneller Kunst teilt der Welt eindeutig mit: Wir sind immer noch
hier!
Sammlerwahn - Ich leide an Museomanie!
Jagd- und Studienreisen gehören zur familiären Tradition der
Habsburger. Fasziniert vom Exotischen und gepackt von
Sammelleidenschaft, bereisen im 19. Jahrhundert drei junge Erzherzöge
die Welt. Zwei von ihnen planen Privatmuseen: zur Selbstdarstellung und
um ihre monarchischen Qualitäten zu betonen. Franz Ferdinand gießt
seinen imperialen Machtanspruch in die Worte: „Ich leide an
Museomanie!" 1850 unternimmt der 18-jährige Ferdinand Max, der spätere
Kaiser Maximilian von Mexiko, seine erste Tour in die Ägäis. In der
Folge bereist er das Mittelmeer, regt die erste Weltumsegelung
Österreichs an und besucht die Tropenwelt Brasiliens. Seine
Museumspläne bleiben in der Schublade. Er wird 1867 hingerichtet.
1881 begibt sich der 23-jährige Kronprinz Rudolf auf eine Nilreise. Wie
sein Onkel Maximilian liebt er die Naturwissenschaften. Er initiiert
eine ethnographische Enzyklopädie über die Donaumonarchie und fördert
eine Sammelexpedition nach Ostafrika. 1889 beendet eine Kugel sein
Leben. 1892 tritt der 29-jährige Franz Ferdinand seine Reise rund um
die Erde an. Nach dem Tod seines Cousins Rudolf gilt er als künftiger
Thronfolger. Er träumt vom größten Privatmuseum Wiens und bestimmt für
seine reichen Sammlungen Räume, die heute das Weltmuseum Wien
beherbergen. Er wird 1914 ermordet.
Indische Charakterköpfe
Indien, 1893, Papiermaché, Pigmente, Textil
Lamellenrüstung
Der japanische Rüstungstyp ōyoroi geht auf den in der Kofun-Periode
(ca. 300-710) vom Festland eingeführten Prototyp einer eisernen
Lamellenrüstung zurück. Einzelne Segmente für Brust, Rücken, Schulter
oder Hüftbereich bestehen aus leichteren, lackierten Lederlamellen, die
durch bunte, in Kumihimo-Technik hergestellte Seidenbändchen verbunden
sind und somit Bewegungsfreiheit erlauben. Bei den meisten erhaltenen
Rüstungen handelt es sich um Repräsentationsrüstungen.
Rüstung: mittlere Edo-Periode (1600-1868)
Helm: bez. Myōchin Yoshimichi, späte Muromachi-Periode (1333-1568)
Eisen, Lack, Seide, Leder, Fell, Holz, Messing vergoldet; Slg. Heinrich von Siebold
Der Öffentliche Bereich mit Repräsentationsbau
In einem solchen Repräsentationsbau empfing ein Daimyō seine
Gefolgsleute zu politischen Beratungen, er gab hier aufwendige Bankette
und lud seine Gäste zu Darbietungen und Unterhaltung ein. Die Räume
konnten je nach gewünschtem Platzbedarf vergrößert oder verkleinert
werden. Ein Küchenbereich befindet sich in einem äußeren Gebäudeeck.
Über Gänge wurde das Essen serviert. Der Modellbauer ließ mit Absicht
das Dach ungedeckt, um einen Einblick in die Räumlichkeiten zu gewähren.
1873 - Japan kommt nach Europa
Die Wiener Weltausstellung 1873 markierte einen besonderen Moment in
der Geschichte Japans. Nach einer von außen erzwungenen Öffnung und
einer inneren Umstrukturierung des Landes befand sich Japan im Umbruch
und war nach der Abschaffung des alten Feudalsystems im Zuge der
Meiji-Restauration bestrebt, sich in Europa als modernen Staat zu
präsentieren. Eine in Japan gebildete Kommission, der auch Ausländer
wie die Brüder Alexander und Heinrich von Siebold angehörten, stellte
gemäß dem offiziell herausgegebenen Katalog über 6.000 Objekte für die
Präsentation in Wien zusammen. Ein zentrales Thema der Wiener
Weltausstellung war die Architektur, und eines der größten
Ausstellungsstücke im damaligen Japan-Pavillon war das Modell einer
Daimyō-Residenz der Edo-Periode (1600-1868); es ist das zentrale Objekt
dieses Raumes. Zur Illustration einer Residenz eines Lehensfürsten und
Mitgliedes der japanischen Kriegerelite dienen Objekte aus der Sammlung
des Weltmuseums Wien. Die zweite Raumhälfte widmet sich dem kulturellen
Austausch zwischen Japan und Europa in der Meiji-Periode (1868-1912).
Die Kunstrichtung des Japonismus war eine Antwort des Westens auf die
neue Formensprache, und das japanische Ornament fand u.a. Eingang in
den Jugendstil.
Zwei Hofzwerge
Die beiden weltweit einzigartigen Figuren zählen zu den frühesten
Kunstwerken aus Benin und standen ursprünglich auf einem königlichen
Ahnenaltar. Sie stellen wohl zwei historische Persönlichkeiten dar;
darauf verweisen mündliche Überlieferungen. Hofzwerge soll es am
Königshof in Benin seit dem 15. Jh. gegeben haben. Sie waren
persönliches Sprachrohr des Königs und Überbringer heikler Nachrichten.
Mit ihrem Attribut, dem Fächer, leiteten sie mit einer Begrüßung des
Königs Palastzeremonien ein. Weiters betreuten sie bestimmte Schreine
und hatten die Marktaufsicht.
Königreich Benin, 14./15. Jh., Gelbguss, Slg. Captain Albert Maschmann
Gedenkkopf eines Königs
Charakteristisch für die Köpfe des 17. und des 18. Jhs. ist der höhere
Perlenhalskragen, dem schließlich eine sogenannte Plinthe an der Basis
angefügt wurde, die oft figurative Darstellungen im Hoch- oder
Flachrelief zeigt. Der Kopf gilt als Behältnis übernatürlicher Energie,
die sinngerechtes Handeln steuert, und ist in gewissem Sinne der Sitz
des Lebensschicksals. Der Kopf eines Mannes sichert nicht bloß das
eigene Überleben und Prosperieren, sondern auch das seiner
Anhängerschaft und Familie. Daher sind die königlichen Gedenkköpfe von
zentralem Stellenwert für die ganze Nation.
Königreich Benin, 17./18. Jh. Gelbguss Slg. Hans Meyer
Gedenkkopf eines Königs
Anhand der erhaltenen Königsköpfe wurde eine stilistische Chronologie
der Beninkunst erarbeitet, wobei man davon ausgeht, dass diejenigen mit
dem feinsten Guss und einer naturalistischeren Gestaltung die ältesten
und die stilisierteren, dickerwandigen die jüngeren sind. Dieses
Beispiel gehört zu einer raren Gruppe von sieben Köpfen vergleichbaren
Stils des 16. Jhs., die möglicherweise vom selben Künstler stammen.
Allen ist gemeinsam, dass die Perlenkrone im Unterschied zu anderen
frühen Köpfen dieser Art jeweils zwei seitliche Rosetten aufweist.
Königreich Benin, 16. Jh., Gelbgussert Masclurants, Slg. Captain Albert Maschmann
Gedenkkopf eines Königs
Die erste Pflicht eines neu gekrönten Oba von Benin war es, einen
Ahnenaltar für seinen verstorbenen Vater einzurichten. Für diesen Zweck
ließ er einen Gedenkkopf gießen, der zusammen mit anderen Objekten dort
aufgestellt wurde. Diese Ahnenaltäre befanden sich in einem besonderen
Teil des Palastgeländes und dienten auch zur Legitimation des lebenden
Herrschers. Die Identität des Oba, dem der jeweilige Altar gewidmet
ist, erschließt sich durch die Gesamtheit der Objekte des
Altar-Ensembles.
Königreich Benin, 16./17. Jh., Gelbguss, Slg. William D. Webster
König und Königin
Die Büsten sind idealtypische Darste lungen eines Königs und einer
seiner Frauen. Vor 1897 gab es keine Porträts von Königinnen, während
dieses Sujet heute zu den häufigsten Motiven der Benin-Kunst zählt.
Büsten sind von europäischen Plastiken inspiriert und heute vor allem
zum Gedenken an Verstorbene üblich.
Werkstatt Omodamwen, Benin City, Nigeria, 2005/06, Messing, Slg. Barbara Plankensteiner
Ein österreichisches Mosaik Brasiliens
Die habsburgische Außenpolitik basierte auf Machtausdehnung durch
Heiratsallianzen. 1817 sendete der österreichische Kaiser Franz I.
deshalb seine Tochter, Erzherzogin Leopoldine, nach Brasilien: in ein
Land, das in Europa weitgehend unbekannt war. Um mehr über Pflanzen,
Tiere und Menschen zu erfahren, segelte auch eine naturkundliche
Expedition über den Atlantik. Der Zoologe Johann Natterer war
fasziniert von dem Land. 18 Jahre blieb er und schickte unter anderem
eine große ethnographische Sammlung nach Wien. Bis heute wird diese
stetig von österreichischen Wissenschaftlern, Diplomaten, Reisenden und
Museumsmitarbeitenden erweitert.
Die hier gezeigten Gegenstände berichten bruchstückhaft von
Entstehungsmythen, von Blüte und Verfall der indianischen Kulturen
während der Kolonialzeit und vom Umgang mit Erstkontakten und deren
katastrophalen Konsequenzen. Erzählt werden diese Geschichten aus
unterschiedlichen Perspektiven: von Naturforschern des 19.
Jahrhunderts, Wissenschaftlern des 20. und 21. Jahrhunderts und von den
Indianern selbst. Sie alle bedienen sich der Sprache ihrer Zeit, Kultur
und Persönlichkeit, welche sich uns nicht immer gleich erschließt.
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HERBST DES MITTELALTERS - MAXIMILIANISCHE TURNIERE
Für Maximilian I, war das Turnier mehr als eine sportliche Unterhaltung
der Elite. Ihm boten die Turnier-Veranstaltungen eine Gelegenheit,
einerseits an burgundische Traditionen anzuschließen und andererseits
sich unter dem deutschen Adel eine gewisse Anhängerschaft zu schaffen,
die ihn von den großen Fürsten unabhängiger machen sollte. Es ist
sicherlich kein Zufall, daß sich Maximilian I. zunehmend auf die Klasse
der Ritter aus dem niedrigen Adel stützte. Mechanische Bruststücke
ermöglichten es, die beliebte Turnierform des Rennens um spektakuläre
Varianten zu bereichern. Traf der Gegner ins Zentrum der aufgesetzten
Scheibe oder Tartsche, so schleuderte ein Federmechanismus den Schild
über den Kopf des Reiters. Den Schilden waren zusätzlich blecherne
Keile lose aufgesetzt, die dann in weitem Bogen umherflogen und die
Dramatik erhöhten. Mit mechanischen Kunststücken dieser Art spielte
Maximilian auf gefährliche Bravourstücke an, wie er sie in seiner
Jugend etwa bei der Landshuter Hochzeit erlebt hatte. Damals ritten
wagemutige junge Ritter ohne Helm und statt des Schildes mit Pfannen
und Spiegeln vor der Brust ins Turnier, die zerfallenden Keile sollten
das zersplitternde Spiegelglas vergegenwärtigen. Mit solchen Details
erinnerte Maximilian I. bewußt an diese „guten, alten Zeiten", in denen
die Ritter noch so draufgängerisch waren. Nach seiner Eheschließung mit
Bianca Maria Sforza im Jahre 1494 fanden an seinem Hof auch
italienische Turnierformen Eingang, so etwa das „Welschgestech" und das
„Welschrennen", wobei eine hölzerne Planke die Gegner trennte.
Bildliche Darstellungen der ritterlichen Übungen an seinem Hof
hinterließ Maximilian in den prachtvollen Miniaturen des Turnierbuches
„Freydal". An 64 Turnierhöfen besteht „Freydal" (wohl ein Pseudonym für
Maximilian selbst) nicht weniger als 192 Turnierkämpfe: Zu Pferd
jeweils ein Stechen und ein Rennen, danach ein Fußturnier. Jedes
Turnier endet mit einer „Mummerey", in der die Teilnehmer Masken tragen
und zu Musikbegleitung tanzen.
Für den Zweikampf zu Fuß, der häufig in einem aus Holzbalken gebildeten
Ring stattfand, trug man den „Kempfküriß" mit Tonnenrock; für das
„Freiturnier" fand der „Doppelküriß" mit zahlreichen
Verstärkungsstücken Verwendung, aus dem sich die spätere „Rüstung zum
Plankengestech" entwickelte.
REITERHARNISCH
Roberto da Sanseverino, Graf von Caiazzo (gefallen 1487)
OBERITALIENISCHER MEISTER, um 1485
Sanseverino trat als Condottiere in venezianische Dienste. In der
Schlacht von Calliano 1487 zwischen Venezianern und Österreichern wurde
er in die Flucht geschlagen und ertrank in der Etsch. Sein Harnisch
gelangte ohne Helm als Beutestück in die Rüstkammer Maximilians I. Es
scheint, dass der Harnisch im Gebrauch schwere Beschädigungen der
linken Seite, der Angriffsseite, davongetragen hatte, weshalb das linke
Armzeug und das Beinzeug durch entsprechende Stücke ersetzt wurden.
Die Wiener Hofjagd- und Rüstkammer besitzt in etwa 3.800 Objekte und
jedes einzelne davon ist ein Kunstwerk. Die Harnische entstanden im
Zusammenhang mit Ereignissen wie Feldzügen, Krönungen oder Hochzeiten
und dienten als gut sichtbare Abzeichen des hohen Ranges ihrer Träger.
FRAGMENT EINES SCHWEREN ROSSHARNISCHES
Kaiser Friedrich III. (1415-1493)
LORENZ HELMSCHMID (erw. 1467, gest. 1516)
Augsburg, urkundlich 1477
1477 lieferte Lorenz Helmschmid Kaiser Friedrich III. anlässlich des
Krieges zwischen Burgund, Lothringen und den Eidgenossen einen schweren
Rossharnisch. Bei diesem handelt es sich um ein frühes Beispiel einer
figürlich getriebenen Rüstung. Der Brustpanzer des Pferdes hat die
Gestalt eines wappenhaltenden Engels, das geschobene Hinterzeug die
Form eines Drachens. Als Hinweis auf die Kaiserwürde des Besitzers
finden sich an den Hinterbeinen des Pferdes getriebene und blau-geätzte
Doppeladler mit rot-weiß-rotem Schild und aufgesetzter Kaiserkrone.
MAXIMILIAN I. - LETZTER RITTER UND MODERNER MENSCH
DEUTSCHE HARNISCHE VON 1480 BIS 1520
Mit Maximilian I. beginnt der Aufstieg Österreichs zur europäischen
Großmacht. 1477 heiratete er die Tochter Karls „des Kühnen", Maria von
Burgund. Ihr Erbe, das Herzogtum Burgund mit den Niederlanden, konnte
er in schweren Kämpfen gegen Frankreich dem gemeinsamen Sohn Philipp I.
sichern. Seit 1486 war er römisch-deutscher König; 1493 folgte er
seinem Vater Friedrich III. in der Kaiserwürde. Die politischen
Konstellationen machten eine Kaiserkrönung in Rom unmöglich, sodaß er
sich 1508 vom Bischof Matthias Lang zum „Erwählten Römischen Kaiser"
ausrufen ließ.
Außenpolitisch war seine Regierung erfüllt vom Kampf um Oberitalien,
innenpolitisch von seinen Bemühungen um eine Reichsreform. In
wechselnden Bündnissen rangen Maximilian I., Frankreich, Spanien, der
Papst und Venedig um die Vorherrschaft in Italien. Die aufgrund seiner
zweiten, 1494 mit Bianca Maria Sforza, der Erbin von Mailand,
geschlossenen Ehe berechtigten politischen Erwartungen wurden 1495
durch den Sieg Karls VIII. von Frankreich bei Marignano zunichte.
Erfolgreich hingegen war die Verbindung seines Sohnes Philipp I., „des
Schönen", 1496 mit Johanna, der Tochter der „Reyes Catolicos", durch
die dieser 1504 König von Kastilien wurde. In der berühmten Wiener
Doppelhochzeit von 1515 vermählten sich seine Enkel Ferdinand und Maria
mit Anna und Ludwig, den Kindern Wladislaws II., des Königs von Böhmen
und Ungarn.
Alle diese politischen Ereignisse spiegeln sich auch in den Waffenbestellungen des Kaiserhauses wider.
Im letzten Viertel des Jahrhunderts entwickelte sich der deutsch
gotische Harnisch mit seinen Kehlen, Graten, Zacken und Spitzen zu
verspieltem Reichtum - ganz nach dem Vorbild der zeitgenössischen
textilen Kleidung. Auch der glatte italienische Harnisch näherte sich
mit seinen knappsitzenden Formen dem deutschen Gegenstück, blieb aber
bei seiner funktionellen Konstruktion. Eine Doppelbrust und
Verstärkungen an Helm und linker Körperseite sollten bestmöglichen
Schutz gewährleisten. Allmählich jedoch gewannen die italienischen
glatten Formen Einfluß auf die deutsche Plattnerkunst - in demselben
Maße, wie sich auch die Renaissance in Deutschland durchsetzte.
FALTENROCKHARNISCH
Wohl Albrecht Markgraf von Brandenburg, Herzog von Preußen (1490-1568)
Niederdeutsch (Braunschweig), um 1526
Der Kostümharnisch, die Nachbildung eines Stoffkostüms in Stahl, war in
einer dem Spiel und dem Feiern von Festen gegenüber äußerst
aufgeschlossenen Zeit sehr gefragt. Damals entstanden auch
phantasievolle Maskenhelme, die bei prunkvollen Festaufzügen getragen
wurden. Dieser in Norddeutschland nach Innsbrucker Vorbild hergestellte
Harnisch Albrechts von Brandenburg, Hochmeister des Deutschen
Ritterordens, wurde wahrscheinlich anläßlich seiner Heirat mit Dorothea
von Dänemark 1526 hergestellt. Auf diesen Anlaß spielt auch das in
Ätztechnik dargestellte Brautpaar auf dem Rücken der Rüstung an.
Kostümharnisch
Stahl, Leder; (Braunschweig?), ca. 1526
Am 10. April 1525 legte Albrecht von Hohenzollern in Krakau seinen
feierlichen Huldigungseid ab, durch den er Vasall des polnischen Königs
wurde. Der Vertrag von Krakau ermöglichte ihm die Säkularisierung des
Deutschordensstaates in Preußen. Als weltlicher Fürst konnte Albrecht
heiraten. Dieser in Norddeutschland hergestellte Harnisch von Albrecht
von Hohenzollern, dem ehemaligen Hochmeister des Deutschen
Ritterordens, wurde wahrscheinlich anlässlich seiner Heirat mit
Dorothea von Dänemark 1526 hergestellt. Auf diesen Anlass spielt das
geätzte Brautpaar auf dem Rücken der Rüstung an.
KÜRISS FÜR FELD UND TURNIER, DAZU ROSSHARNISCH
König Ferdinand I., nachmals Kaiser (1503-1564)
KOLMAN HELMSCHMID (1471-1532), Augsburg, um 1526
Die schlanken Proportionen des langbeinigen Harnisches entsprechen in
ihren Maßen genau späteren Harnischen Ferdinands (I.), der 1526 König
von Böhmen wurde, worauf der doppelschwänzige Löwe der Roßstirn
hindeutet. Der sehr prunkvolle Mannsharnisch ist das früheste nahezu
vollständig erhaltene Beispiel der nach dem Tod Maximilians I.
aufkommenden neuen Ausstattung zum Freiturnier, wie sie für das weitere
16. Jahrhundert verbindlich wurde. Eine einfache Schulterverstärkung
ersetzte nunmehr den großen Eisenschild, den die Harnische zum
Freiturnier der vorangehenden Generation besessen hatten.
DIE LETZTEN RITTER UND DAS KRIEGSTHEATER - EUROPA 1570 BIS 1648
Im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts wurde der europäische Kontinent
von zwei gewaltigen politischen Krisen im Westen erschüttert. Die
Niederlande befanden sich im Aufruhr gegen die spanische Herrschaft
(1568-1609). Erst dem Feldherrn Alessandro Farnese gelang es, die
südlichen Niederlande wieder für Spanien zurückzugewinnen. In
Frankreich führten die Gegensätze zwischen Katholiken und Hugenotten zu
einem mehr als 30 Jahre dauernden Bürgerkrieg (1562-1598), der seit den
Bluttaten der Bartholomäusnacht von 1572 immer heftiger wurde. Der
Osten des Reiches befand sich im ständigen Abwehrkampf gegen die
türkische Übermacht.
Diese Kriege formten eine ganze Generation von Offizieren. Die von
ihnen befehligten Truppen waren in leichte und schwere Reiterei, voll
geharnischte „Kürisser" mit Reißspießen und halb geharnischte
„Pferdschützen" mit Gewehren und Pistolen, sowie Fußvolk - Pikeniere,
Musketiere und Schützen - unterteilt.
Moritz von Oranien, Statthalter
der Niederlande, gilt als der große Heeresreformer. Die schweren
Harnische dieser Zeit sind gebläut oder geschwärzt; die Ausrüstung ist
einfach, fast schmucklos. Der zu Beginn des 17. Jahrhunderts
vorherrschende niederländische Typus des Reiterharnisches paßte sich
mit seinem eiförmig oder kugelig gerundeten Helm, dem walzenförmigen
Leib mit hochgezogener Taille und den breit ausladenden Schößen ganz
dem barocken Schönheitsideal an. Eine kraftvolle, drohende
„Imponierhaltung" des selbstbewußten Kraftmenschen wurde angestrebt.
Der Dekor ist ganz barock auf einen Hell-Dunkel-Kontrast ausgelegt.
Vergoldete Nieten und Beschläge, sowie die blanken Ränder der sonst
dunklen Folgen sind die einzige Verzierung. Im 2. Viertel des 17.
Jahrhunderts verschwand der Gebrauchsharnisch des Reiters endgültig, da
er gegen Feuerwaffen keinen wirksamen Schutz mehr darstellte. Nur mehr
der „Küraß" für Brust und Rücken blieb erhalten. Degen und militärische
Feuerwaffen zeichneten sich unter dem Eindruck der Oranischen Reform
durch zunehmende Schlichtheit aus.
REITERHARNISCH
Philipp I. Landgraf von Hessen (1504-1567)
Sachsen, datiert 1534
Im Jahre 1517 hatte Martin Luther seine 95 Thesen an die Schloßkirche
zu Wittenberg in Sachsen angeschlagen und damit eine religiöse
Erneuerungsbewegung - die Reformation - in Gang gesetzt, die bald ganz
Deutschland und große Teile Europas erfaßte. Im selben Jahr erbte Karl
V. Burgund und die Krone Spaniens. 1519 wurde er zum Kaiser gewählt und
beherrschte somit als mächtigster aller europäischer Fürsten ein Reich,
"in dem die Sonne nicht unterging": die Niederlande, Unteritalien,
Spanien und dessen amerikanische Kolonien.
1525 siegte Karl V. bei Pavia über die Franzosen; Franz I. geriet in
Gefangenschaft. Mit der Erstümuung Roms im Jahre 1527, dem
berühmt-berüchtigten Sacco di Roma, zwang Karl V. Papst Clemens VII.
zur Aufgabe seiner antispanischen Politik. 1530 wurde er in Bologna vom
Papst zum Kaiser gekrönt. Die religiösen Gegensätze im Reich führten
1546 zum Krieg der katholischen Partei des Kaisers gegen den
evangelischen Bund von Schmalkalden unter der Führung von Sachsen, den
Karl V. 1547 mit seinem Sieg bei Mühlberg auflöste. 1552 zwangen ihn
protestantische Erfolge sowie die Besetzung der Bistümer Metz, Toul und
Verdun durch Heinrich II. von Frankreich zum Kompromiß. Im Augsburger
Religionsfrieden von 1555 kam es zu einem Ausgleich zwischen den
Bekenntnissen. Karl V. dankte ab und sein Bruder Ferdinand I. wurde
Kaiser. Nahezu alle handelnden Personen jener Epoche, Freund und Feind,
sind in diesem Saal durch Harnische vertreten.
Um 1530 ändert sich unter italienischem und spanischem Einfluß der
Harnischstil. In Deutschland verschwinden die Riefel. Die Harnische
werden glatt, mit einem Brustgrat versehen und nur an einzelnen Stellen
durch üppigen plastischen und graphischen Schmuck verziert. Die
italienischen Harnische und ebenso die in Deutschland für den Hof
hergestellten Rüstungen folgen in ihren Konturen der spanischen Mode.
Als neuer Reiterharnisch entsteht der Feldküriß mit Visiersturmhaube.
Als Turnierharnisch für das Plankengestech wird der Küriß mit einer
Doppelbrust versehen, an die ein starres Halsstück (Stechbart) sowie
ein Eisenschild (Stechtartsche) montiert sind. Zusätzlich werden der
linke Arm und die Hand verstärkt.
PRUNKHARNISCH
Henri III, König von Frankreich (1551-1589)
Frankreich, um 1570
Nachdem Henri, König von Polen, vom Tod seines Bruders Charles IX, dem
König von Frankreich, erfahren hatte, verließ er gegen den Widerstand
der polnischen Stände das Land, um den französischen Thron zu
übernehmen. Kaiser Maximilian II unterstützte Henri bei seiner
nächtlichen Flucht aus Krakau. Diesen Prunkharnisch schenkte Henri an
Maximilian als Zeichen seiner Dankbarkeit. Der unbekannte Künstler
stützte sich bei der Dekoration aus getriebenem und feuervergoldetem
Eisen auf Entwürfe des Goldschmieds Étienne Delaune.
ROSSZEUG ZUM PRUNKHARNISCH - ALESSANDRO FARNESE, HERZOG VON PARMA UND PIACENZA (1545-1592)
Lucio Piccinino Mailand, um 1570
Alessandro Farnese schenkte seinem Onkel Ferdinand II. von Tirol eine Prunkharnischgarnitur. Die Garnitur besteht
aus Küriß, Sattel und Roßstirn. Sie ist ein Werk des für Treibarbeiten und Tauschierungen berühmten mailändischen
Künstlers Lucio Piccinino. Der Stil dieser Prunkwaffe aus den 80er
Jahren ist sehr charakteristisch. Eine starke Farbigkeit von blankem
und geläutem, versilbertem und vergoldetem Eisen ist raffiniert zur
Anwendung gebracht. Unter dem Druck einer Angst vor der Leere erscheint
die gesamte Fläche der Rüstung mit allegorischen Figuren und Szenen
bedeckt.
ADLERGARNITUR
Erzherzog Ferdinand II. (1529-1595)
JÖRG SEUSENHOFER (um 1510-1580), HANS PERCKHAMMER, Ätzer (erw. 1527, gest. 1557), FRANZ WÖGERER, Aufbereiter Innsbruck, 1547
Um den Anforderungen der verschiedenen Spielarten der Turniere gerecht
zu werden, schuf man eine aus 87 Einzelteilen zusammengesetzte
Garnitur. Diese zahlreichen Teile konnten nach dem „Baukastensystem"
immer anders zusammengestellt werden, wobei man versuchte, möglichst
viele Teile der Grundeinheit beizubehalten und die fehlenden Teile
durch Wechselstücke zu ergänzen. Die Grundeinheit des
„Baukastensystems" ist der Feldküriß.
ROSSZEUG
Ferdinand I. (1503-1564)
JÖRG SEUSENHOFER (um 1510-1580), Innsbruck, um 1546/47
Ferdinand I. bestellte zu Ende des Jahres 1546 - also mitten im Krieg -
zusammen mit der Adlergarnitur aus Prag zwei Roßzeuge. Sie wurden 1547
gearbeitet, wobei eines wohl für Erzherzog Ferdinand II. von Tirol
gedacht war, zu dessen Adlergarnitur es genau paßt. Der Erzherzog
verwendete beide Roßzeuge noch zu seiner zweiten Hochzeit 1582 und
vereinigte in seiner Ambraser Sammlung eines davon mit dem Harnisch des
Königs Franz I. von Frankreich. Zusammen mit diesem Harnisch führte es
Napoleon 1805 als Kriegsbeute nach Paris, wo es sich noch heute
befindet.
KÜRISS DER BLAU-GOLDENEN GARNITUR
Maximilian II. (1527-1576)
Augsburg, um 1557
Leider kennt man weder den Plattner noch den Goldschmied, der 1557 für
Maximilian (II.) die zu den schönsten Werken der Plattnerkunst zählende
Blau-goldene Garnitur geschaffen hat. Die enge Beziehung zwischen
Harnisch und Mode wird bei dieser Rüstung besonders deutlich. Dem
Plattner diente das vornehm-schwarze spanische Hofkostüm mit den
längslaufenden Goldborten als Vorbild. Zu dieser Kleinen Garnitur
gehörte noch ein Harnasch, von dem sich in Wien der Rundschild sowie
die spanische Schützenhaube der Capacete erhalten haben.
KUNSTSCHRANK MIT EINGEBAUTEM SPINETT
Samuel Bidermann, Augsburg, 1. Hälfte 17. Jh.
Das in den Prunkschrank eingebaute Spinett kann auf zwei
unterschiedliche Arten betätigt werden. Einerseits durch Spiel auf den
Tasten. Andererseits läuft nach Aufziehen eines Federwerkes eine mit
Stiften versehene Holzwalze langsam ab und lässt auf diese Weise sechs
vorgegebene Musikstücke automatisch erklingen.
ORGELSCHRANK
Unbezeichnet, Deutschland, 17. Jh.
Der Orgelschrank besteht aus einem Untersatz, der die Blasbälge der
Orgel aufnimmt und einem als Flügelschrank ausgebildeten Aufsatz mit
Laden sowie in der Mitte einem Spiegelkabinett. Der in
Hinterglasmalerei ausgeführte Dekor zeigt die allegorischen Figuren von
Tugenden und Lastern. Das eingebaute Positiv verfügt nur über ein
Register von Holzpfeifen, die sich an der Rückseite des Schranks
befinden.
Kunst und Klang vereinen sich in der Sammlung alter Musikinstrumente.
Zahlreiche historische Instrumente, die von berühmten Musiker*innen und
Komponist innen wie Wolfgang Amadé Mozart gespielt wurden, und
außergewöhnliche musikgeschichtliche Objekte sind hier zu entdecken.
FRANZ JOSEPH HAYDN - „Meine Sprache versteht die ganze Welt." - Joseph Haydn (1732-1809)
Den größten Teil seines Lebens verbrachte Joseph Haydn im Dienst der
Fürsten Nikolaus I. Esterházy in Eisenstadt. Hier begründete er seinen
Ruhm, der es ihm ermöglichte, nach der Auflösung der Kapelle des
Fürsten einige Jahre auch ohne Anstellung als freier, in Wien
ansässiger Komponist leben zu können. Seine Reisen nach England machten
ihn weithin bekannt. Haydn entspricht dem Ideal des klassischen
Komponisten, der sich einer universellen Musiksprache bedient.
Bei den Tasteninstrumenten finden wir zu Haydns Zeit wichtige
Neuentwicklungen: Das Clavichord bleibt als Instrument für den
Komponisten, aber auch als Hausinstrument, das zu feinsten Nuancen
fähig ist, in Verwendung. Beim Cembalo werden Schwelleinrichtungen und
Koppelmechanismen angebracht, um dynamische Schattierungen zu
ermöglichen. Doch erst das Hammerklavier entspricht dem Wunsch nach
größerem Klangvolumen und differenzierbarer Lautstärke und wird so zum
bevorzugten Tasteninstrument.
„... daß Mozart der größte Komponist ist, den die Welt jetzt hat."
Joseph Haydn nach der Wiener Aufführung des Don Giovanni (1788)
FRANZ STEPHAN - Martin Meytens (bzw. Werkstatt Meytens), Wien, um 1755, Öl auf Leinwand
MARIA THERESIA - Martin Meytens (bzw. Werkstatt Meytens), Wien, um 1755, Öl auf Leinwand
Diese Darstellung der Kaiserin ähnelt jener auf dem Bild der
kaiserlichen Familie von Martin Meytens aus dem Jahr 1754. Die Kaiserin
trägt ein reich besticktes und mit Spitzen versehenes Hofkleid, wie es
dem mittleren 18. Jahrhundert entspricht. Der sechsjährige Wolfgang
Amadé Mozart begegnete der Kaiserin anlässlich eines Besuchs im Schloss
Schönbrunn im Jahr 1762.
CEMBALO - Joannes Daniel Dulcken Antwerpen, 1745
Dieses flämische Instrument kam vermutlich nur schlicht bemalt nach
Österreich, wo es mit einer prächtigen Fassung, einem Deckelgemälde
sowie einem geschnitzten Untergestell versehen wurde. Das Cembalo wurde
aus Schloss Laxenburg übernommen und stammt vermutlich aus kaiserlichem
Besitz. Die beiden 8' und das 4' Register können über die
Registerfrontzüge geschaltet werden.
PEDAL-HAMMERFLÜGEL - Joseph Brodmann, Wien, um 1815
Wolfgang Amadé Mozart trat bereits 1785 in einem Wiener Konzert mit
einem Pedalhammerklavier auf. Diese Neuerung setzte sich jedoch kaum
durch. Mehr als zwanzig Jahre später brachte die Allgemeine
Musikalische Zeitung einen Bericht aus Wien über „neuerfundene
Fortepianos mit Pedalen". 1845 komponierte Robert Schumann Studien und
Skizzen für den Pedalflügel.
KAISER FRANZ I. im Ornat des Ordens vom Goldenen Vlies
Johann Baptist Lampi der Jüngere um 1820, Öl auf Leinwand
Wie viele Mitglieder des Hauses Habsburg hatte auch Kaiser Franz II./I.
eine musikalische Erziehung erhalten. Er spielte Geige und hatte eine
Vorliebe für das Streichquartett. Der Kaiser beauftragte Joseph Haydn
mit der Komposition einer Hymne auf einen Text von Lorenz Leopold
Haschka. Dank der musikalischen Qualität wurde die Hymne sehr populär
und Haydn verwendete sein Thema im Variationensatz des Kaiserquartetts.
MODELL DER STADT WIEN
Unbezeichnet Österreich, um 1845, Ankauf durch Legat OStR Dr. Gertrude Kastner
Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts war die Wiener Innenstadt von einer
mächtigen Festungsanlage umgeben. Nach der Einnahme der Stadt durch das
Napoleonische Heer wurde diese im Jahr 1809 teilweise gesprengt und auf
dem nun freien Raum Parkanlagen angelegt. Das in allen Details präzise
nachgebildete plastische Modell spiegelt die Situation von 1845 wider.
Leicht zu erkennen sind das äußere Burgtor und der dahinter liegende
Hofgarten, in dem später die Neue Burg mit ihren Ausstellungsräumen
errichtet wurde.
HAMMERFLÜGEL - Ludwig Bösendorfer, Wien, vor 1867
Die Firma Bösendorfer präsentierte anlässlich der Pariser
Weltausstellung im Jahr 1867 zwei Prunkklaviere, deren äußerst
aufwendige Herstellung angeblich mehr als zwei Jahre in Anspruch nahm.
Der Entwurf des ausgestellten Instruments stammt von Architekt Anton
Grosser und ist dem historistischen Zeitstil verpflichtet. Die
vergoldeten Karyatiden erinnern an den zur gleichen Zeit nach einem
Entwurf von Theophil Hansen erbauten Großen Musikvereinssaal.
Detail am Hammerflügel von Ludwig Bösendorfer
GESCHICHTE DER SAMMLUNG
Die Hofjagd- und Rüstkammer in ihrer heutigen Anordnung vereinigt im
wesentlichen drei große Bestände, durch deren Zusammenführung diese
Sammlung ihren besonderen Charakter erhielt. Den Grundstock bildet die
seit 1436 dokumentierte kaiserliche Leibrüstkammer, in der
Ausrüstungsgegenstände aller Art - in der Hauptsache Harnische und
Prunkwaffen des Herrschergeschlechtes und seines Gefolges - verwahrt
wurden. Als im Frühbarock der Harnisch auch als Standessymbol seine
Bedeutung gänzlich verlor - im „modernen" Staat war es nicht mehr
nötig, durch eine Rüstung ritterliche Tugenden oder körperliche
Leistungskraft zu symbolisieren - wurde die kaiserliche Leibrüstkammer
zum Museum und schließlich zusammen mit militärischen Gebrauchswaffen
als barocke Ruhmeshalle der österreichisch-habsburgischen Geschichte zu
Laxenburg in der Franzensburg präsentiert.
Alle künstlerischen Fähigkeiten wurden nunmehr für die dekorative, wie
auch technische Gestaltung der Jagd- und Sportwaffen sowie der
modischen Accessoirs, wie etwa des Hofdegens, verwendet. Diese Objekte
zählen zu dem zweiten großen Sammlungsbestand, der „Hofgewehr- oder
Hofjagdkammer", die unter Kaiser Ferdinand II. (1578/1619-1637)
angelegt wurde und bis zum Ende der Monarchie 1918 mit den jeweils
qualitätvollsten Werken vertreten ist. Nach dem Ende der Monarchie
wurden diese Bestände dem Kunsthistorischen Museum einverleibt.
Den dritten, kulturhistorisch vielleicht wichtigsten Bestand bildet die
einzigartige „Heldenrüstkammer" Erzherzog Ferdinands von Tirol
(1529-1595), die dieser ab 1577 in Schloß Ambras bei Innsbruck
anzulegen begann. Im Zuge der napoleonischen Besetzungen kam die
Ambraser Sammlung als kaiserliches Privateigentum 1806 nach Wien in das
Untere Belvedere, wurde mit den bereits genannten Sammlungsbeständen
vereinigt und 1889 als erste Sammlung des neu erbauten k.k.
Kunsthistorischen Hofmuseums eröffnet. Damals erhielt diese Sammlung
den nicht sehr glücklich gewählten, nüchternen Titel „Waffensammlung",
der immer wieder zu dem Irrtum Anlaß gab, daß es sich bei den hier
befindlichen Objekten ausschließlich um historische Militärausrüstung
handle. Um dies zu bereinigen, und vor allem um auf die hier
vertretenen, so verschiedenen Themenbereiche dieser dynastischen
Sammlung hinzuweisen, erhielt sie 1989 den Namen „Hofjagd- und
Rüstkammer".
DAS ATRIUM HEROICUM" ODER „DIE HELDENRÜSTKAMMER"
DIE EINZIGARTIGE SAMMLUNG ERZHERZOG FERDINANDS VON TIROL
Einen bleibenden Ruhm als Sammler sicherte sich Ferdinand von Tirol
durch die Errichtung seiner „Heldenrüstkammer", mit der er ein damals
völlig neues Sammelgebiet erschloß. In den siebziger Jahren des 16.
Jahrhunderts begann er nach einem selbst für heutige Begriffe
überraschend modernen Konzept die Rüstungen und Waffen aller berühmten
Persönlichkeiten seiner Zeit und des vorhergehenden Jahrhunderts zu
sammeln. 125 viri illustri umfaßte seine Sammlung, die zu
katalogisieren er seinen Sekretär, Jacob Schrenck von Notzing,
beauftragt hatte. Erst nach seinem Tod erschien 1601 in lateinischer,
1603 in deutscher Sprache dieser erste gedruckte illustrierte
Museumskatalog. Darin ist jeder Held in seiner Rüstung ganzfigurig und
möglichst portraitgetreu wiedergegeben und mit seinem Lebenslauf
versehen. Schon im 17. Jahrhundert war diese
Sammlung gegen Entgelt der Öffentlichkeit zugänglich.
Seit seinem erfolgreichen Feldzug gegen die Türken 1556 war der
Erzherzog auch an türkischen Objekten sehr interessiert, die er in
einem „Türkenkammerl" aufbewahrte. In Prag veranstaltete er seine
sogenannten „Huszarischen Turniere" in ungarisch-türkischer
Kostümierung. Für diesen Zweck ließ er Helme mit Wechselvisieren in
Form von Türken- oder Mohrengesichtern anfertigen: ein
politisch-programmatischer Hinweis, daß der christliche Glaube von den
österreichischen Habsburgern gegen die Türken und von der spanischen
Linie gegen die Mauren erfolgreich verteidigt wurde.
Verdiente Persönlichkeiten der Christenheit erhielten in einer seit dem
14. Jahrhundert eingerichteten Zeremonie am Morgen des Christtages als
Auszeichnung vom Papst geweihte, perlenbestickte Hüte und prunkvoll
verzierte Schwerter überreicht. Bei Abwesenheit des Empfängers erfolgte
die Übergabe durch einen päpstlichen Legaten. Als Besieger der Türken
und als eifriger Verfechter der Gegenreformation wurde Ferdinand II.
zweimal mit diesen papstlichen Geschenken ausgezeichnet-1567 von Papst
Pius V. und 1581 von Gregor XII.
DIE HOFBURG - 700 JAHRE STATE OF THE ART
962 findet in der Peterskirche in Rom die Kaiserkrönung Ottos des Großen statt.
Kaiser Friedrich II. lässt ab 1237 in Wien eine Stadtburg bauen.
Friedrich III. wird 1452 von Papst Pius II. zum römisch-deutschen Kaiser gekrönt.
Kaiser Friedrich III. wird 1462 in der Hofburg von den Wiener Bürgern belagert.
1477 Geschickte Heiratspolitik beschert Maximilian I. und den Habsburgern Burgund.
Ab 1485 residiert der ungarische König Matthias Corvinus in der Wiener Burg.
1492 entdeckt Christoph Kolumbus Amerika.
1496 Die Habsburger erben Aragon und Kastilien.
Beim Wiener Kongress von 1515 findet die Hochzeit von Ludwig von Ungarn und Maximilians Enkelin Maria statt.
1516 findet in der Wiener Burgkapelle die Ferntrauung Ferdinands I. mit Anna von Böhmen und Ungarn statt.
Sultan Babur errichtet 1526 in Nordindien das Reich der Großmoguln.
Ferdinand I. wird 1527 zum König von Böhmen und Ungarn gekrönt.
1529 wird Wien drei Wochen lang vom osmanischen Heer unter Süleyman I. der Prächtige belagert.
1559-65 In den 1560er Jahren wird die Stallburg errichtet.
1582-85 Von 1582 bis 1585 wird für Erzherzog Ernst eine Residenz - die spätere „Amalienburg" - gebaut.
Kaiser Rudolf II. verlegt seine Hauptresidenz 1583 von Wien nach Prag.
1603 beginnt die Herrschaft der Tokugawa über ein geeintes Japan.
Die Gemäldesammlung Leopold Wilhelms wird 1658/59 in der Stallburg untergebracht.
1660 wird mit dem Bau des Leopoldinischen Traktes begonnen.
Kaiser Leopold I. heiratet 1666 die spanische Infantin Margarita Teresa.
Kaiser Karl VI. lässt ab 1718 neue Hofstallungen vor dem Burgtor errichten.
1726 wird am Josefsplatz die neue Hofbibliothek vollendet.
Maria Theresia übernimmt 1740 die Herrschaft in Österreich, Böhmen und Ungarn.
Franz I. erklärt sich 1804 zum Kaiser von Österreich.
Unter Kaiser Franz wird von 1802 bis 1806 in der Hofburg ein neuer Zeremoniensaal gebaut.
1809 sprengen die napoleonischen Truppen die Bastionen vor der Hofburg.
Am Wiener Kongress 1814/15 wird die europäische Friedensordnung nach den napoleonischen Kriegen ausgehandelt.
1857 befiehlt Kaiser Franz Joseph I. das Schleifen der Basteien und die Erweiterung der Stadt Wien.
Das Kunsthistorische Museum Wien wird 1891 eröffnet.
Kaiserin Elisabeth wird 1898 ermordet.
Die Wiener Hofburg wird 1913 zum letzten Mal in der Habsburger Monarchie erweitert.
1914-1918 Der Erste Weltkrieg fordert Millionen Tote und erschüttert die alte Staatenordnung.
1917 bricht in Russland die Revolution aus.
1938-1945 Nach dem „Anschluss" an Hitler-Deutschland steht Österreich unter nationalsozialistischer Herrschaft.
Der Zweite Weltkrieg endet 1945 und Österreich wird durch die Alliierten befreit.
Mao Tse-tung proklamiert 1949 die Volksrepublik China.
Mit der Unterzeichnung des Staatsvertrages wird Österreich 1955 unabhängig.
1979-1989/90 Abrüstung und der Fall des Eisernen Vorhangs rücken Wien in die Mitte Europas.
Österreich tritt 1995 der Europäischen Union bei.
Das MuseumsQuartier wird 2001 in den ehemaligen Stallungen der Hofburg eröffnet.
2015-2017 Die Wiener Hofburg erhält das Europäische Kulturerbe-Siegel.