Fahrradmuseum Ybbs

Ybbs an der Donau, Oktober 2023

Kommt Zeit. Kommt Rad. Freuen Sie sich auf historische Originale, hölzerne Laufräder, spektakuläre Hochräder, die unvergänglichen Waffenräder, Rennräder, Kinderräder und viele mehr. Treten Sie ein in das velohistorische Panoptikum: Staunen Sie und lassen Sie sich anstecken von der Freude am Radfahren. Erfahren Sie alles über die Dynamik einer genialen Idee, ihre gesellschaftspolitische Relevanz und den technischen Fortschritt, den sie nach sich zog.

 Fahrradmuseum Ybbs, Ybbs an der Donau, Oktober 2023

Der alte Pfarrhof befindet sich gegenüber dem Mozartsaal. Dieses schöne Renaissancegebäude war bis in das 18. Jh. der Gasthof „Zum Bären“. Seine Geschichte als Pfarrhof beginnt nach der verheerenden Feuersbrunst im Jahre 1716, welcher auch der Pfarrhof nahe der Kirche zum Opfer fiel. 1784 wurde dem Pfarrer endlich der Ankauf einer neuen Behausung bewilligt, der Gasthof als Pfarrhof eingerichtet und bis 1951 als solcher genutzt. Heute finden sich dort das Fahrradmuseum und eine Galerie.

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Von frischer Luft und strammen Waden. Von den kleinen Glücksmomenten und der großen Freiheit auf zwei Rädern: aufsteigen und losradeln, den Fahrtwind spüren und die Welt vorbeiziehen lassen. Fahrräder sind verlässliche Begleiter, Spielkameraden, Weggefährten und Teamplayer.

 Fahrradmuseum Ybbs, Ybbs an der Donau, Oktober 2023

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Im Fahrradmuseum Ybbs finden sie alle zusammen: historische Originale, hölzerne Laufräder, spektakuläre Hochräder, die unvergänglichen Waffenräder, Rennräder, Kinderräder und viele mehr. Ihre Geschichte(n) haben sie immer mit dabei, als leichtes Gepäck oder schwer wiegendes Zubehör: Da geht es um Demokratie und Unabhängigkeit, um Emanzipation und Frauenrechte, um sportliche Ambitionen oder ganz einfach nur Spaß und Fröhlichkeit.

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Als Carl von Drais 1817 seine Laufmaschine erfand, erlebte er das Schicksal vieler Erfindergeister - zu Lebzeiten waren ihm weder Erfolg noch Anerkennung beschieden. Dabei fehlten der Draisine nur die Pedale, ansonsten nahm sie das Fahrrad in seiner modernen Form mit gleich großen Rädern, Lenker und Bremsvorrichtung bereits vorweg: ein geniales Produkt, das seiner Zeit lange voraus war. Technische Verirrungen wie das Hochrad, mit dem man schneller fahren wollte, waren schnell wieder Geschichte. Schon bald fuhr man auf Rädern, wie sie im Prinzip bis heute hergestellt werden.

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Das Fahrrad hatte auf die Mobilität der Menschen einen größeren Einfluss als das Automobil. Betrachtet man die Geschichte des Fahrrads, betrachtet man nicht bloß technische, sondern große gesellschaftspolitische Entwicklungen. Noch vor der Jahrhundertwende konnte auch der kleine Mann endlich die große Freiheit „erfahren" - das Fahrrad war nicht mehr bloß teures Spielzeug von Oberschicht und Adel, es machte nun auch die Arbeiterschaft mobil. Es wurde das demokratischste Fortbewegungsmittel überhaupt.

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Im Juni 1894 brach Anna Kopchovsky unter dem Namen Annie Londonderry mit nur einer Garnitur Wäsche zum Wechseln und einem Damenrevolver mit Perlmuttgriff von Boston aus zu einer Weltumrundung mit dem Fahrrad auf. Mit der Verbreitung des Sicherheitsniederrads begannen auch die Frauen einen Gang hochzuschalten - extrem mutige Frauen, die ab den 1880er Jahren ihre Freiheit einfach zur Schau stellten. Kleideretikette und Benimmregeln blieben zu Hause, während die Frauen übers Land oder gar durch die weite Welt radelten. So brachte das Fahrrad mehr Bewegung in Sitten und Moral als vieles andere. Unter seinem Einfluss erblühten nicht nur Wochenenden, stramme Beine, Kraftausdrücke und eine gute Verdauung, sondern auch die Gleichheit der Geschlechter und die Emanzipation der Frau. Was für eine Revolution, dass die Frauen auf dem Fahrrad nun tatsächlich Hosen trugen.

DAMENLAUFRAD - Nachbau eines Originals aus 1818, Großbritannien, Hersteller: Dennis Johnson

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Bis in die 1950er Jahre war das Fahrrad das wichtigste Fortbewegungsmittel aller Bevölkerungsschichten. Fahrradwerkstätten gab es in jedem Dorf und alle waren sie bestens ausgestattet: Die nötigen Materialien und Ersatzteile hatte man immer auf Lager. Die Fahrradmechaniker waren echte Allrounder, die jeden Drahtesel zuverlässig wieder in Schwung brachten. Es waren quasi Radprofis der anderen Art und es gab fast nichts, was sie nicht reparieren oder zusammenbauen konnten.

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So war es kein Problem, wenn wo ein Löchlein fehlte oder eine Lasche angebracht werden musste. Aber auch fehlende Komponenten oder die nötigen Werkzeuge stellte man damals einfach noch selbst her in echter Handarbeit, denn die Elektrifizierung hielt erst Ende der 1950er Jahre endgültig Einzug in die Haushalte und Werkstätten des Landes. Geräte wie Bohr- und Drehmaschinen hatten noch keinen Einzelantrieb. Oft setzte man zur Bewegungs- und Kraftübertragung deshalb auf die gute alte Transmission, ein Riemengetriebe aus Zeiten der frühen Industrialisierung.

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„Pack die Badehose ein" schmetterte Conny Froboess 1951 und radelte noch fröhlich zum Baden an den Wannsee. Ein paar Jahre später packte die Jugend schon Petticoat, Jeans und Lederjacke mit dazu - und Elvis Presley rockte aus dem Kofferradio, während man mit dem Motorroller an den Badeteich oder gar bis ans Meer nach Italien knatterte. Viele Frauen saßen damals noch im Damensitz auf dem Sozius, was zwar reichlich unbequem, aber umso schicker war.

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Das Fahrrad hatte für die Mobilisierung des kleinen Mannes gesorgt, aber jetzt erlebte es eine Durststrecke. Dafür läutete der Roller die Motorisierung der breiten Bevölkerung ein. In der Anschaffung relativ günstig und im Verbrauch recht sparsam, mutierte er rasch zum bevorzugten Fortbewegungsmittel. Nach den entbehrungsreichen Kriegs- und Nachkriegsjahren war die Bevölkerung offen für eine moderne Freizeitkultur und einen neuen Lebensstil - das Fahren eines Mopedrollers passte da genau dazu.

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Ein bisschen skurril war er schon, der Fuchsmotor, der ab 1948 von den Halleiner Motorenwerken als „Fahrrad-Anbaumotor" hergestellt wurde. Namenspate für das „Füchslein" war ein gewisser Ing. Anton Fuchs, einer der Konstrukteure. Mit einem Fuchs-Verbrennungsmotor von HMW konnte man bereits lange bevor das Elektrofahrrad in den 2010er Jahren endgültig zu einem Statussymbol mutierte, dem Hintermann den verchromten Sportauspuff zeigen.

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Über die Lebensdauer des Fuchsmotors finden sich kaum Aufzeichnungen, aber man kann davon ausgehen, dass die Konstruktion technisch schon bald überholt war. „Ein Handbuch für den Fuchsfahrer" hatte man sicherheitshalber trotzdem verfasst, um technisch unbedarften Radfahrern die unkonventionelle Handhabung ihres Motor-Bikes zu erleichtern: „Alle 50 km sämtliche Schrauben nachziehen. Alle 100 km Kerze reinigen. Alle 500 km Getriebeöl nachfüllen oder wechseln, Benzinsieb und Tank reinigen. Beim Überfahren von Eisenbahnschienen und Querrinnen immer auf Leerlauf schalten und abbremsen!"

POSTRAD, 1970, Graz, Hersteller: Steyr-Daimler-Puch

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Wie lautet das österreichische Synonym für Fahrrad? Waffenrad! Mass und unverwüstlich, kultig und legendär - ein zeitloser Kraftlackl, der Generationen bewegte und auch als Dienstrad ein stets verlässlicher Gefährte war. Sogar Post, Feuerwehr und Polizei wurden hierzulande jahrzehntelang mit Waffenrädern ausgestattet.

FEUERWEHRRAD, 1900, Steyr, Hersteller, ÖWG (Österreichische Waffenfabriks-Gesellschaft)

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Der einprägsame Name stammt von der ÖWG (Österreichischen Waffenfabriks-Gesellschaft) in Steyr, die ab 1893 mit der Fahrradproduktion begann, um den rückläufigen Waffenverkauf zu kompensieren und auch in Friedenszeiten ihre Anlagen auszulasten. 1926 wurde die ÖWG in Steyr-Werke AG umbenannt und 1934 mit den Austro-Daimler-Puchwerken zur Steyr-Daimler-Puch AG fusioniert.

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Für die Kenner und Sammler ist die Geschichte des original „Steyr Waffenrads" damit quasi zu Ende erzählt. Denn ab diesem Zeitpunkt trugen die Räder zwar weiter den Markennamen „Steyr Waffenrad" und wurden in einer der größten Fahrradfabriken Europas gebaut - diese stand jedoch in Graz.

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Dunlop, Singer, Miele, Peugeot ... die Namen mancher Fahrradproduzenten klingen auch heute noch vertraut und bekannt wenn auch mittlerweile in anderen Zusammenhängen. Der Begriff „Waffenrad" hatte sich auf andere, ähnlich gebaute Räder ausgedehnt. Traditionelle Herstellerländer waren neben Österreich auch Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien.

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Unternehmen und Erfinder, die sich damals mit Technik beschäftigten, kamen um das Thema Fahrrad nicht herum, was auch zu recht extravaganten Entwicklungen wie Sessel- oder Hängemattenrädern führte. Ihnen allen war kein langes Dasein beschieden. Auf eine andere Erfindung hatte die Welt jedoch gewartet: die Luftbereifung! 1888 meldete John Boyd Dunlop das Patent für den ersten Fahrradluftreifen an. Er hatte beobachtet, wie sein Sohn Johnny auf einem mit Hartgummi bereiften Dreirad über das Kopfsteinpflaster holperte: Das musste auch leiser, komfortabler und schneller gehen. Er umwickelte die Reifen mit dünnen Gummibändern, klebte sie zusammen und pumpte sie mit einer Fußballpumpe auf. Der „leichte" Gummireifen war geboren und mit ihm ein wesentlich verbessertes Fahrgefühl.

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In seinen Anfängen, noch vor der Erfindung des Niederrads, galt das Fahrrad mehr als Spaß- und Sportgerät denn als Nutzfahrzeug. Die Draisine und erst recht das Hochrad waren wohlhabenden Hasardeuren und Abenteurern vorbehalten, die bei ihren Fahrten große Aufmerksamkeit auf sich zogen. Das taten auch die ersten Velocipeden-Clubs, wenn sie im Radel-Rudel zu ihren Touren aufbrachen oder Rennen gegeneinander veranstalteten.

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Schon 1865 soll im französischen Amiens das erste Straßenrennen und 1868 in Bordeaux das erste Damenrennen stattgefunden haben. Sowohl Straßen- als auch Bahnradsport waren bei den ersten Olympischen Sommerspielen 1896 bereits olympische Disziplinen. Die Bevölkerung zeigte sich von Anfang an neugierig-interessiert und die Fahrradfirmen nutzten diese Aufmerksamkeit, um die zunächst angezweifelte Leistungsfähigkeit des Fahrrads und später ihre speziellen Fabrikate zur Schau zu stellen. Es verwundert daher wenig, dass der Radsport an der Wende zum 20. Jahrhundert neben dem Boxen bereits die bedeutendste und beliebteste Zuschauersportart war und als erster Sport überhaupt systematisches Sportsponsoring praktizierte.

 Fahrradmuseum Ybbs, Ybbs an der Donau, Oktober 2023

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Für ein Kind ist alles anders: Die Bäume sind höher, die Sterne funkeln heller, jeder Tag wartet mit neuen Erlebnissen und Abenteuern. Manche Kindheitserinnerungen prägen, andere begleiten durch das ganze Leben. Der erste „Dreilala" etwa es gibt wohl kaum eine österreichische Fahrradkarriere, die nicht auf einem Dreirad begonnen hat.

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Und wer erinnert sich nicht an sein erstes Rad? Oft brauchte es einen liebevollen Schubser, bis man sich losfahren traute. Aber dann ging's - Klingelingeling rund ums Haus, durch die Siedlung, in den Park. Mit der Freude an der Bewegung erweiterten sich Aktionsradius und Horizont.

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Auch das Kinderfahrrad ist Trends und Moden unterworfen und wird bis heute immer wieder neu erfunden. Legendär war in den 1970er Jahren der Highriser - in Deutschland sagte man dazu Bonanzarad - mit seinem charakteristischen Design. Da wie dort investierten die Kinder und Jugendlichen viel Zeit und Mühe in das Tuning: Außenspiegel, Hupen, Wimpel und ein Fuchsschwanz gehörten zu einem echten Highriser einfach dazu.

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DIE YBBSER STRASSENBAHN
Zum 3 km entfernten Bahnhof führte vom Hauptplatz durch die enge Wienerstraße in den Jahren 1907 bis 1953 eine Straßenbahnlinie - die damals kleinste elektrische Straßenbahn der Welt. Die heutige Bundesstraße B 25 war bis ins 19. Jh. ein einfacher Karrenweg. Nach der Eröffnung der Westbahn baute man ihn zu einer befestigten Straße aus. Um die Stadt noch besser an die Bahnstation anzubinden, errichtete man schließlich die „Ybbser Elektrische“, bestehend aus zwei kleinen motorisierten Wagen. 1953 war sie der verstärkten Beanspruchung nicht mehr gewachsen und wurde durch eine Buslinie ersetzt.

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Wem der viele Text zu lange war und lieber Bewegtbilder mit Musik mag, kann sich gerne dieses Video antun: